Terror sapiens I - Walter Krahe - E-Book

Terror sapiens I E-Book

Walter Krahe

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Beschreibung

Man muss kein Pessimist sein, um den heutigen Zustand der Menschheit und der Welt als besorgniserregend einzuschätzen. Man muss auch kein Optimist sein, um dennoch an die Möglichkeit von Veränderungen zu glauben. Der notwendige Wandel beginnt im Wahrnehmen, Denken und Handeln eines jeden Einzelnen. Das derzeit zentrale Problem der Menschheit, das für die allermeisten Probleme an jeweils entscheidender Stelle verantwortlich ist, ist die zumeist sehr einseitige Sicht- und Denkweise der Menschen. Nach dem immer noch (fast) alles bestimmenden aristotelischen "Entweder-oder-Denken" werden Vielfalt und Komplexität quasi ausgeschlossen - und das gilt u. a. für alle auf den aristotelischen Grundsätzen aufbauenden Wissenschaften und für das globale Wirtschaftssystem, das weltweit Egoismus und Wettbewerbsdenken einseitig fördert. Ein intelligenter Umgang mit Unterschieden, Gegensätzen und mit individuellen Sichtweisen wird konsequent verhindert. Die zum Teil verheerenden Folgen lassen sich in allen Lebensbereichen beobachten. Die Erkenntnis, dass die Wirklichkeit Vielfalt bedeutet und dass der Mensch dringend den fruchtbaren Umgang mit dieser im Sinne globaler Intelligenz erlernen muss, wenn er seine Probleme lösen möchte, steht im Zentrum der verschiedenen Bände der Schriftenreihe "Globale Intelligenz". Jeder Band dieser Reihe versucht den Leser mit ganz unterschiedlichen Beispielen mental und emotional anzusprechen. Zur besseren Nachvollziehbarkeit und zur Erhöhung des Lesevergnügens wird deshalb ganz bewusst mit völlig verschiedenen Stilrichtungen gearbeitet: So gibt es detaillierte Sachtexte, kulturübergreifende Beschreibungen, Erfahrungsberichte, Erzählungen, Geschichten und Spruchdichtungen. Im Band "Terror sapiens I - Von der Einfalt zur Vielfalt" wird das Prinzip der Vielfalt an vielen verschiedenen Beispielen lebensnah und kulturübergreifend aufgezeigt. Im zweiten Teil wird die mögliche Wahrnehmung dieser Vielfalt aus verschiedenen Perspektiven erörtert.

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Der Autor und Herausgeber der „Schriftenreihe Globale Intelligenz“ Walter Krahe, Jahrgang 1956, hat 30 Jahre lang Studenten aus zahlreichen Kulturen in „Deutsch als Fremdsprache“ (DaF) unterrichtet. Davon war er 24 Jahre an der Philosophisch-Theologischen Hochschule SVD in Sankt Augustin tätig, 14 Jahre davon als Fachbereichsleiter (DaF) und als Prüfungsvorsitzender der Deutschen Sprachprüfung für den Hochschulzugang (DSH, vormals PNDS).

Seine langjährigen persönlichen Erfahrungen mit vielen verschiedenen Menschen aus allen Teilen der Welt machten ihn zum Kenner kulturell ganz unterschiedlicher, oft gänzlich widersprüchlicher Sichtweisen in Bezug auf die unterschiedlichsten Lebensbereiche: von ganz banalen Alltagsfragen bis hin zur Weltpolitik. Viele dieser kulturell bedingten Standpunkte taten sich ihm im Laufe der Zeit als komplementäre, sich ergänzende Standpunkte auf, sozusagen als „Yin und Yang“ menschlicher Lebensbewältigung, entstanden durch die erfolgreiche Anpassung der Menschen an die unterschiedlichsten Lebensumstände rund um den Globus.

Die Vielfalt der Menschen mit ihren zahlreichen Antworten in Bezug auf eine erfolgreiche Lebensbewältigung entpuppt sich mehr und mehr als der Reichtum der Menschheit. Daher ist es das Gebot der Stunde, dass Menschen voneinander lernen.„Wenn man Wissen teilt, wird es nicht weniger, sondern mehr.“ Voneinander Lernen wurde für Walter Krahe zum roten Faden in den vielen Begegnungen mit Menschen dieser Welt. Unterschiede und Gemeinsamkeiten inspirierten gleichermaßen und befeuerten den freundlichen Umgang miteinander.

Das Verständnis für Globale Intelligenz entstand und wurde zunehmend vertieft. In der Schriftenreihe Globale Intelligenz finden diese Erkenntnisse ihren adäquaten Ausdruck.

 

Die Schriftenreihe „Globale Intelligenz“ ist als Ausdruck der Wertschätzung jedem Einzelnen gewidmet, der sich aufrichtig und ernsthaft darum bemüht, möglichst nachhaltig über den Tellerrand seiner eigenen Persönlichkeit und seines eigenen Lebenskontextes hinweg zu blicken und hinweg zu wirken und im Rahmen seiner Fähigkeiten und Möglichkeiten die Welt im Sinne von globaler Intelligenz und Universalwohl mit zu verbessern versucht.

Walter Krahe

Terror sapiens I

Von der Einfalt zur Vielfalt

www.globale-intelligenz.science

www.gloint.de

© 2017 Walter Krahe

Grafik: Walter Krahe

Grafik-Digitalisierung und Website: Felix Reither (Hohenleimbach)

Lektorat: Xenia Sarah Fischer (Bonn)

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN

Paperback

978-3-7345-9995-8

Hardcover

978-3-7345-9996-5

e-Book

978-3-7345-9997-2

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel

01 Willkommen bei der Schriftenreihe „Globale Intelligenz“

02 Die Schriftenreihe Globale Intelligenz

03 Über der Band Terror sapiens

04 Eine sehr persönliche Sicht

Foto

Dringender Aufruf

05 Das Paradies der Einseitigkeiten

06 Die Vielfalt

Beispiel: Mann und Frau

Die Zukunft des Mannes (1)

Beispiel: Der T-Shirt-Test

Die Zukunft des Mannes (2)

Der Boss - die heutigen Probleme eines „richtigen Mannes"

07 Von der Vielfalt überfordert

Die Traditionsblindheit

Beispiel: Die Ahnenverehrung

Einseitigkeit als Hilfsmittel

Schlüssel der Evolution

08 Die Menschen und ihre Hautfarbe

Eine Geschichte über Europäer

Eine Geschichte aus Süd-Ost-Asien

Die Sicht der Chinesen von sich selber

Wie die Europäer die Chinesen sahen

Wie "die Rothäute" zur ihrer roten Haut kamen

Eine Zwischenerklärung

Eine Geschichte aus Südamerika

Kain und Abel aus europäischer Sicht

Eine weitere Geschichte über Schwarzafrikaner

Michael Jackson

Das Problem mit der Farbe Schwarz

Positive Bedeutungen der Farbe Schwarz

Die Bevorzugung des Tages

Erzählung: Als Gott die Welt erschuf

Puppen mit schwarzer Hautfarbe

Verschiedene Schönheitsideale

Und welche Hautfarbe hat der Weihnachtsmann?

Es gibt nur eine Menschenrasse: den Menschen

09 Die Globale Familie

10 Globale Intelligenz beim Toilettengang

Toilettengang (2)

Toilettengang (3)

Toilettengang (4)

11 Hinweis zu den nachfolgenden Kapiteln

12 Die Subjektivität des Menschen

Begriffsklärungen

Kann der Mensch objektiv sein?

Der Münzversuch

Besuch im Fußballstadion

Der fingierte Verkehrsunfall

Sehen wir alles doppelt?

13 Erwartungen an die Wirklichkeit

Vorurteile am Beispiel von Seidenblumen

Erwartungen und ihre Auswirkungen

Wie Erwartungen aus "Nichts" Medizin machen

Die Begrenztheit des Psychiaters

Das "Sekt-Dilemma"

Das eigene Vorbild ist das subtilste Vorurteil

Und wie nimmt man sich selber wahr?

Unheil durch Stigmatisierung

Das Milgram-Experiment

Das Experiment "The Third Wave"

Blue Eyed

Das Stanford-Prison-Experiment

Fazit

14 Kulturell bedingte Wirklichkeit

Der Redner und der Kopfschüttler

Tot aufgrund kultureller Unterschiede

Schimpfende Väter und Lehrer

Reisebericht: Zum Glück gibt es Kinder auf der Welt

Die Stehparty

Chinesischer Besuch

Stäbchen oder Besteck?

Oh mein Gott, Messi, dein Geschenk war eine Kränkung!

Kulturschock beim Flirten

Wie macht der Hund?

15 Auswege aus der Subjektivität

Ein Rattenversuch

Erzählung: Die Blinden und der Elefant

Fazit

16 Die Bestimmung des eigenen Standpunkts

Der Begriff des Standpunkts

Aus der Perspektive anderer lernen

17 Exkurs Medien

Eine kurze Übung

Aufgaben und Arbeitsweise der Medien

Die bedrohte Wirklichkeit

Die ausgewählte Wirklichkeit

Echtzeitjournalismus

Amoklauf in München – Fluch und Segen von Social Media

Lügenpresse

18 Das Weltdorf und seine Tellerränder

Der zu hohe Tellerrand

Der eigene Tellerrand

Der Standpunkt von Nobelpreisträgern

19 Die freie Sicht der Weltraumfahrer

20 Die Basis globaler Intelligenz

Beispiel: Die Chronopharmakologie

Globale Schläue

21 Das Universalwohl

22 Der Homo multividus

Die Vision vom Homo multividus

23 Der Ausblick undWünsche

Willkommen bei der Schriftenreihe „Globale Intelligenz“!

Jeder Band dieser Reihe versucht den Leser mit ganz unterschiedlichen Beispielen mental und emotional zu erreichen, um ihn zu inspirieren, sich dem intelligenten Umgang mit der Vielfalt gegenüber zu öffnen. Zur einfacheren Nachvollziehbarkeit und zur Erhöhung des Lesevergnügens wird deshalb ganz bewusst mit völlig verschiedenen Stilrichtungen gearbeitet: So gibt es detaillierte Sachtexte, kulturübergreifende Beschreibungen, Erfahrungsberichte, Erzählungen, Geschichten und Spruchdichtungen.

Präsentierte Fakten sind so sorgfältig recherchiert, wie das bei diesem Projekt möglich war (ist). Die Quellenangaben wurden in kleiner und kursiver Schrift direkt in den Text integriert, so dass der Leser mit Zugang zum Internet Zusammenhänge relativ einfach selber überprüfen kann.

Zu jedem Thema lassen sich allerdings fast immer – auch in den Wissenschaften – ganz unterschiedliche, zum Teil gegensätzliche Zahlen, Daten und Ergebnisse finden. Bei Zahlen wird an dieser Stelle manchmal (falls hilfreich) auf seriös erscheinende Mittelwerte zurückgegriffen. Da es bei der Schriftenreihe „Globale Intelligenz“ grundsätzlich sowieso um das Prinzip des Zusammenwirkens von Unterschieden und Gegensätzen bei jedweder intelligenten Lösungsfindung geht, werden unterschiedliche Standpunkte so gut wie möglich berücksichtigt. Klar ist, dass es zu jedem Thema Tausende Experten gibt, deren Wissen wesentlich genauer ist. Sie alle sind dazu eingeladen, sich an der notwendigen Erörterung mit ihrem Detailwissen zu beteiligen. Allerdings darf vor lauter Bäumen der Wald nicht mehr aus den Augen gelassen werden, geht es doch um das Prinzip, all die (einseitigen) Standpunkte zu einer Gesamtschau im Sinne globaler Intelligenz zusammenzufügen. Es geht also um einen klaren Angriff auf verbissene Einseitigkeit an sich, nicht aber um die Verneinung der jeweiligen Inhalte, sollen diese doch in ein vielfältiges Ganze integriert werden.

Die Kapitel 1-4 sind in den drei Bänden Terror sapiens I-III identisch.

Fehler in der Rechtschreibung können sich trotz kompetenter Lektorierung im Nachhinein noch eingeschlichen haben, da die Texte aus Aktualitätsgründen bis zum Schluss ergänzt und umgeschrieben wurden und eigene Fehler gern übersehen werden. Korrekturen bitte an: [email protected] Dank für Ihr Verständnis! Viel Spaß beim Lesen!

Die Schriftenreihe „Globale Intelligenz“

Globale Intelligenz

ist die Klugheit, die in der Vielfalt wurzelt.

Durch die Orientierung an der Wirklichkeit,

durch die Berücksichtigung vieler Aspekte

jenseits geistiger Selbstbeschränkung

sprengt sie jedwede Einseitigkeit

und überwindet alle Starre

im Denken und Handeln.

Man muss kein Pessimist sein, um den heutigen Zustand der Menschheit und der Welt als sehr besorgniserregend einzuschätzen.

Man muss kein Optimist sein, um dennoch an die Möglichkeit von Veränderungen zu glauben.

Man ist allerdings ein verantwortungsloser Träumer, wenn man auf Veränderungen hofft, ohne selber etwas verändern zu wollen.

Der notwendige Wandel beginnt im Wahrnehmen, Denken und Handeln eines jedes Einzelnen.

Ein an Gott glaubender Mensch würde dies vielleicht so formulieren:

"Gott verändert die Welt, indem er bei mir beginnt."

Jetzt sind erst einmal Sie gefragt:

Was glauben Sie, werden die Menschen in 1.000 Jahren, sofern es sie dann überhaupt noch gibt, über uns heutige Menschen zu Beginn des 21. Jahrhunderts denken:

1.) Die waren unglaublich cool, sie verfügten über wunderbare Technik. Sie konnten sich zum Beispiel jedes halbe Jahr ein noch besseres Smartphone kaufen, damit ins Internet gehen, die sozialen Netzwerke bedienen, pausenlos texten, Selfies machen und vieles mehr.

2.) Das waren die schrecklichsten und dümmsten Vertreter der menschlichen Art überhaupt. Sie unternahmen nichts gegen das verheerende Leid und die vielen Katastrophen, obwohl sie über alle notwendigen Kenntnisse und Mittel verfügten.

3.) Das waren die Menschen, die es endlich schafften, über den Tellerrand ihrer eigenen Existenz hinwegzublicken, ihre eigenen Egoismen zu überwinden und das Ruder im letzten Moment herumzureißen. Das waren die ersten wirklich intelligenten Menschen. Wir verdanken ihnen unsere lebenswerte Gegenwart.

Noch ist es möglich, dieses zukünftige Bild heute in der Gegenwart mit zu bestimmen. Der Anfang ist, sich der Zusammenhänge bewusst zu werden. Indem man selber zum Teil der Veränderungen wird, die die Welt jetzt so dringend braucht, kann man sogar wohltuende Spuren hinterlassen.

"Der Horizont vieler Menschen

ist ein Kreis mit dem Radius Null

und das nennen sie ihren Standpunkt."

(Albert Einstein)

Genau in diesem Sinn darf es nicht mehr länger um den Krieg der verschiedenen Standpunkte, sondern muss es um die gemeinsame Bemühung gehen, den Horizont der Menschheit nachhaltig zu erweitern.

Damit aber wird das derzeit zentrale Problem der Menschheit deutlich, das für die allermeisten Probleme an jeweils entscheidender Stelle verantwortlich ist: Die Sicht- und Denkweise der Menschen ist zumeist eine sehr einseitige. Nach dem immer noch (fast) alles bestimmenden aristotelischen „Entweder-oder-Denken“ werden Vielfalt und Komplexität quasi ausgeschlossen – und das gilt u. a. für alle auf den aristotelischen Grundsätzen aufbauenden Wissenschaften und für das globale Wirtschaftssystem, das weltweit Egoismus und Wettbewerbsdenken einseitig fördert. Ein intelligenter Umgang mit Unterschieden, Gegensätzen und mit individuellen Sichtweisen wird so konsequent verhindert. Die Folge ist der oben genannte, völlig destruktive Krieg einseitiger Standpunkte, der erst dann aufhört, wenn das Denken und die Logik der Menschen der Vielfalt der Wirklichkeit gerecht werden.

Der Mensch nennt sich selber „Homo sapiens“, einen vernunftbegabten, weisen Menschen. Das aber ist lediglich der Ausdruck seiner unseligen und verheerenden Vermessenheit. Seine Klugheit umfasst die Entwicklung von Werkzeugen und Waffen, nicht aber die Kunst des Zusammenlebens. Man könnte ihn deshalb als „Homo sapiens machinator“ bezeichnen, als „weisen Maschinenbauer" sozusagen.

Möchte der Mensch allerdings nachhaltig und mit Erfolg auf diesem Planeten weiterleben, dann sollte er den nächsten dafür notwendigen Schritt in seiner geistigen Evolution vollziehen und zum „Homo multividus“ werden, zum „vielsichtigen Menschen“, der sich der ganzen Wirklichkeit öffnet und möglichst viel beachtet, bedenkt und berücksichtigt. Will die Menschheit nicht an ihrem „eigenen Mist“ zugrunde gehen, dann sollte dieser Schritt möglichst zeitnah erfolgen.

Wer wirklich entscheidende Veränderungen will, der muss konsequent jeden Lebensbereich zugleich kritisch und trotzdem konstruktiv, zugleich tabulos und trotzdem respektvoll hinterfragen. Dann gilt es, zugleich entschlossen und trotzdem besonnen zu handeln und dabei der Vielfalt endgültig Rechnung zu tragen.

Würden die Menschen im Sinne der goldenen Regel leben und in gleicher Weise zum Nutzen des Eigen-, Gemein- und Universalwohls miteinander kooperieren, dann könnte die Menschheit eine friedvolle Zukunft haben, in der auch mit dem einzigen Lebensraum Erde gut umgegangen würde.

Die Schriftenreihe Globale Intelligenz verdeutlicht anhand vieler ganz unterschiedlicher Beispiele das Prinzip der Vielfalt und den möglichen sinnvollen und fruchtbringenden, ganz konkreten Umgang mit dieser.

Derzeit sind die folgenden Bände vorgesehen. Aktualisierte Informationen finden sie auf der Website www.gloint.de.

Band 1

„Terror sapiens I – Von der Einfalt zur Vielfalt“

„Terror sapiens II – Terror ist logisch“

„Terror sapiens III – Spirituelle Intelligenz“

Band 2

„Der vielsichtige Mensch – v… d… Homo sapiens!“

Band 3

„Ausweg Kooperation – Kooperationsethik und Kooperationswirtschaft“

Band 4

„Reife statt Dummheit - Ein Leben mit Globaler Intelligenz“

Der Band „Terror sapiens I-III“

Das Erfolgs-Prinzip der Natur ist ihre Vielfalt.

Das Misserfolgs-Prinzip des Menschen ist seine Einfalt.

Der ursprünglich geplante Gesamtband „Terror sapiens“ wurde aufgrund seines Umfangs und seiner drei verschiedenen Themenschwerpunkte in die folgenden 3 Bände unterteilt:

▪ Terror sapiens I – Von der Einfalt zur Vielfalt

In diesem Band wird das Prinzip der Vielfalt, das das Grundprinzip der Natur ist, an vielen konkreten Beispielen aufgezeigt und der Einseitigkeit des Menschen, also seiner gnadenlosen „Entweder-oder-Logik“, gegenübergestellt. Themen wie u. a. die Subjektivität des Menschen, Traditionsblindheit, die Problematik des eigenen Standpunkts, die Medien und die Sicht der Weltraumfahrer runden die Thematik ab.

▪ Terror sapiens II – Terror ist logisch

In diesem Band wird nach den Themen Faktenverweigerung und Kommunikation am Beispiel geschlossener logischer Systeme das Prinzip des Terrors verdeutlicht, das Menschen in ihrem Fühlen, Denken und Handeln völlig umzudrehen vermag. Aber auch Fanatismus in anderen Lebensbereichen lässt sich damit erklären. Es werden u. a. die Beispiele Fußball, Breivik, Nationalsozialismus und islamistischer Terror behandelt.

▪ Terror sapiens III – Spirituelle Intelligenz

Es gibt kaum eine Religion, in deren Geschichte es nicht zu Fanatismus und Besessenheit, zu Ausgrenzung und Gewalt, zu Unterdrückung und Terror gekommen ist. Solange die Basis einer Religion die Einseitigkeit der Menschen und nicht die Vielfalt des Höchsten ist, solange ist man von der umfassenden Wahrheit und von gelebtem Frieden getrennt. Neben konkreten Beispielen wird der mögliche eigene spirituelle Weg angedeutet.

Foto 1: Gratulation zum 72. Geburtstag von H. Lübke am 14.10.1966; „Ein Ständchen für den Bundespräsidenten“, 15.10.1966, Die Welt; Foto: © picture-alliance/dpa

Foto 2: „Kanzlerparty“ am 21.10.1969 in Dienstvilla auf dem Venusberg, Willy Brandt, Walter Krahe und Thomas Kögler; Quelle Foto: © Bonner Express/Archiv; Artikel:

„Stromsperre stoppte das Whiskyfest in der Villa des Kanzlers“, Express, 23.10.69, S. 18

Eine sehr persönliche Sicht

„Liebe Nachwelt!

Wenn Ihr nicht gerechter, friedlicher und überhaupt vernünftiger sein werdet, als wir sind bzw. gewesen sind, so soll euch der Teufel holen.“

(Albert Einstein 1879-1955,gutezitate.com)

„Nichts kommt von selbst. Und nur wenig ist von Dauer. Darum besinnt Euch auf Eure Kraft und darauf, dass jede Zeit eigene Antworten will und man auf ihrer Höhe zu sein hat, wenn Gutes bewirkt werden soll.“

(Willy Brandt, willy-brandt.org, Zitate)

„Es kann nicht die Aufgabe eines Politikers sein, die öffentliche Meinung abzuklopfen und dann das Populäre zu tun. Aufgabe des Politikers ist es, das Richtige zu tun und es populär zu machen.“

(Walter Scheel, nur-zitate.com)

„Ich wollte überleben. Und als ich am Ende des Krieges Berlin überlebt hatte, und auch den Einmarsch der Russen überlebt hatte, war mein Gefühl, »du wirst nach deinen Möglichkeiten und Fähigkeiten versuchen, das deine beizutragen, damit eine solche Scheiße nie wieder passiert«“

(Egon Bahr – aus: „Egon Bahr 93-jährig gestorben“, Daniel Voll, 20.8.2015, Schweitzer Radio und Fernsehen,SRF.de)

Anmerkung: Egon Bahr (1922-2015) – einer der Architekten der Ostverträge, der nach eigener Aussage 1956 SPD-Mitglied wurde, damit es niemals wieder Krieg gibt – sagte laut einem Artikel der Rhein-Neckar-Zeitung Ende 2013 (weniger als zwei Jahre vor seinem Tod) in der Ebert-Gedenkstätte zu Heidelberger Schülern, dass sein Vater bereits 1933 prophezeit habe, dass Hitler Krieg bedeute. Sechs Jahre später, am 1.9.1939, habe mit dem Übergriff auf Polen dann der Zweite Weltkrieg begonnen. Der Vater von Egon Bahr hatte also recht behalten. Jetzt warnte er selber: „Ich, ein alter Mann, sage euch, dass wir in einer Vorkriegszeit leben. … Es kann Krieg geben.“ („Egon Bahr schockt die Schüler: »Es kann Krieg geben«“, 4.12.2013, rnz.de)

Beim Schreiben der drei Bände „Terror sapiens“ ist die Überzeugung gewachsen, dass die folgende sehr persönliche Sicht am Anfang der Texte für das spätere Nachvollziehen der Inhalte sehr hilfreich sein kann, da sich durch die Kenntnis ausgewählter biografischer Zusammenhänge und Beweggründe die Bedeutung leichter und tiefer erschließen lässt. So können über die persönliche Sicht des Autors hinaus auch die grundsätzlichen Rahmenbedingungen für die damalige Nachkriegsgeneration besser nachvollzogen werden. Vor allem für die Leser der nachfolgenden Generationen könnte dies sehr hilfreich sein. Als älterer Mensch und Vater wünscht man sich ja, dass auch die jungen Menschen wichtige Zusammenhänge (über geschichtliche Zeiträume hinweg) erkennen und nachvollziehen können.

Als deutsches Kind der Nachkriegsgeneration – mit vielen, aus Scham bis heute ungestellten Fragen – hineingeboren in den wachsenden Wohlstand einer aufstrebenden kleinen Bundeshauptstadt, in das neu entstandene Beamtenviertel, in den Schoß einer katholischen Familie und später „mutig“ den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, galt man für viele aus der Generation der Soldatenväter und Soldatengroßväter als verweichlichter Mensch, als „Weichei“ sozusagen, das dem Ernst des Lebens nie wirklich ins Auge geblickt hat.

Dennoch, für jemanden,

▪ dessen Mutter zu seiner Geburt sogar vom seinerzeit amtierenden Bundesfamilienminister, Franz-Josef Wuermeling (1990-1986, bekannt durch die gleichlautende Bundesbahn-Fahrpreisermäßigung für kinderreiche Familien) ein sehr persönlich gehaltenes Gratulationsschreiben erhielt, da sein Vater ein höherer Beamter im Bundesfamilienministerium war,

▪ der die erste Zeit mit Zitronentee und Kranwasser aufwuchs, weil teure Getränkekisten erst sehr viel später den Weg in den Keller fanden,

▪ der sich noch gut an die Zeit erinnern kann, als die Familie um das Radio versammelt war, weil ein Fernseher erst später zur Verfügung stand, dann aber die Kinder aus der Nachbarschaft kamen, um auch einmal die Nachmittags-Kindersendung im seinerzeit einzigen deutschen Programm mit ansehen zu dürfen. Blieb man krank zuhause, durfte man vielleicht sogar dem morgendlichen Schulfernsehen zuschauen, ansonsten war Sendepause. Gegen Mitternacht verabschiedete sich das Erste Deutsche Fernsehen übrigens mit der Nationalhymne in die dann stille Nacht,

▪ der als Kind von den moralischen Werten des edlen Indianers Winnetou und dessen weißen, unfehlbaren Blutsbruder Old Shatterhand, gepaart mit dem damals noch existierenden Fair Play des täglichen Jungenfußballs, den Gemeinschafts-Erfahrungen in der Jugendgruppe und den unendlichen Klärungsprozessen innerhalb einer gut funktionierenden Clique, weit mehr geprägt wurde, als dies der örtliche Herr Pastor – auch in späterer Konkurrenz zum sonntäglichen Frühschoppen direkt neben seiner Kirche – jemals vermocht hätte,

▪ der als siebenjähriges Kind zusammen mit seiner Spielfreundin einen kurz zuvor noch lebend gesehenen Mann tot auf dem Gehweg fand, mit seinem laut winselnden kleinen Hund noch angeleint am Handgelenk. Verstorben war dieser an einem Herzinfarkt, wie ihm später die Eltern in den folgenden schlaflosen Nächten zu erklären versuchten. Und trotzdem kann solch eine Erfahrung nicht mit den Erfahrungen in einem der Kriegsgebiete dieser Welt verglichen werden. Dennoch aber stellte dies ein erstes Stück Ernst des Lebens dar.

▪ der sich an den zweiten Teil des kalten Krieges gut erinnern kann,

▪ dessen kriegserfahrene Mutter als Reaktion auf den Einmarsch der sowjetischen Truppen in die Tschechoslowakei – zusammen mit Verbänden der ostdeutschen Volksarmee, Polens, Ungarns und Bulgariens –, in der Nacht vom 20. zum 21. August 1968, aus Angst vor einem neuen Krieg („Die Russen kommen!“) in den nächsten Tagen prompt einen großen Kellerschrank kaufte und diesen mit vielen Vorräten füllte,

▪ der als Kind im Familienurlaub bestürzt vor der gewaltigen Grenzanlage zwischen Deutschland West und der damaligen Tschechoslowakei stand,

▪ der die menschenverachtende, ganz einfach völlig widerliche Grenze zwischen Deutschland West und Deutschland Ost in seinem späteren Leben viele Male selber passiert hatte,

▪ der seine eigene persönliche Lebenserwartung als Deutscher und als Bewohner der Bundeshauptstadt in jungen Jahren selber auf höchstens 25 Jahre schätzte, denn wäre der Kalte Krieg seinerzeit eskaliert, dann hätte der Konflikt auf deutschem Boden stattgefunden und Deutschland wäre als menschenfreie Strahlenwüste zurückgeblieben, da auf beiden Seiten mehr als genug Atomwaffen stationiert waren und schlagkräftige Pläne für solch ein Szenario auf beiden Seiten bereits fertig ausgearbeitet in den Schreibtischschubladen lagen,

▪ der im Anschluss an seine Messdienertätigkeit als langjähriger (katholischer) Jugendgruppenleiter schon früh Verantwortung für andere Menschen übernahm und dabei den verständnisvollen pädagogischen Umgang mit diesen lernte – gelebte Nächstenliebe ignorierend, diskutierten manche Buchstaben-Katholiken unter den anderen Gruppenleitern überflüssigerweise mit ihm mehr als einmal über das „K“ in seiner Jugendarbeit,

▪ der allerdings dennoch die mannigfaltigen Umbrüche, angestoßen durch die Studentenunruhen und die Hippie-Bewegung in den sechziger Jahren, in einigen Punkten für sich persönlich modifiziert – teilweise eins zu eins übernommen – verinnerlicht und schließlich auf seine Weise umgesetzt hat,

▪ der sich einigen der Verlockungen dieser neuen Zeit nicht gänzlich verschließen konnte (um es diplomatisch auszudrücken),

▪ der sich bereits im vierten Schuljahr als Junge für die Rechte des männlichen Geschlechts einsetzte und durchsetzte, dass alljährlich nicht immer nur zwei Mädchen mit Gedichten und Blumen dem amtierenden Bundespräsidenten Heinrich Lübke vor dessen Haus auf dem Bonner Venusberg im Namen ihrer dort musizierenden Grundschule zum Geburtstag gratulierten. Er war der erste Junge, der diese Mädchen-Tradition durchbrach. (s. Foto 1)

Anmerkung: Der fünf Jahre jüngere Matthias Brandt (geb. am 7.10.1961) – beliebter und ausgezeichneter deutscher Schauspieler, Sohn von Willy Brandt (1913-1992), dem ersten sozialdemokratischen Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, der von 1967 (zunächst als Außenminister und später als Kanzler) bis 1974 mit seiner Familie in der Dienstvilla auf dem Bonner Venusberg (im Kiefernweg 12) in unmittelbarer Nähe des Autors lebte – veröffentlichte am 8.9.2016 seinen Erzählband „Raumpatrouille“, in dem er seine Erfahrungen auf dem Bonner Venusberg rund um die heimische Kanzler-Villa schildert. Als Fünfjähriger zog er dort ein und lebte bis zum Alter von etwa zwölf Jahren in dem großen Anwesen.

Angrenzend an den Park der Brandtvilla – verbunden durch ein kleines (nicht verschlossenes) Gartentörchen, das ab und zu ausschließlich von Matthias Brandt genutzt wurde – lag das Wohnhaus von Heinrich Lübke (1894-1972), der von 1959 bis 1969 deutscher Bundespräsident war. Hin und wieder wurde Matthias von Heinrich und Wilhelmine Lübke (fein zurecht gemacht) zu einer Tasse Kakao eingeladen, während sein Hund am Gartentor auf ihn wartete. Da Matthias Brandt die gleiche Grundschule auf dem Venusberg wie der Autor besuchte, traf auch ihn das alljährliche Ritual, dem Bundespräsidenten vor dessen Haus musizierend zum Geburtstag zu gratulieren. In seinem Buch „Raumpatrouille“ schreibt er über diese Begebenheit:„Zu dessen Geburtstag traten wir mit allen Schülern unserer Grundschule dort an, um dem Greis das Lied »Viel Glück und viel Segen« zu singen. An der Seite seiner Frau kam er vor die Tür und nahm die Prozedur reglos zur Kenntnis. Am Ende 1091es Kanons bedankte sich Frau Lübke dann bei der Schuldirektorin, und der Präsident wurde, nachdem er uns ein wenig zögerlich zugewunken hatte, schnell wieder hinein geführt. … Ich fragte mich, warum statt einer imposanten uniformierten Blaskapelle, wie es im Fernsehen vor dem Palast der Königin von England zu deren Geburtstag zu sehen gewesen war, ausgerechnet wir dem Staatsoberhaupt musikalisch hatten huldigen müssen, zudem in dessen Garageneinfahrt. Wenn wir sangen, stellte ich mich in die hinterste Reihe, weil ich befürchtete, die Frau des Präsidenten würde mich inmitten der anderen Kinder erkennen und womöglich persönlich begrüßen und so aus der Masse hervorheben, was ich mehr scheute als irgendetwas sonst.“ („Raumpa- trouille“, Matthias Brandt, Köln 2016, S. 57 f)

Ob zu diesem späteren Zeitpunkt wieder zwei Mädchen oder weiterhin ein Mädchen und ein Junge Heinrich Lübke in vorderster Reihe gratulieren durften, ist dem Autor an dieser Stelle nicht bekannt. In Unkenntnis des für den Autor wichtigen Details erwähnt Matthias Brandt dieses natürlich nicht.

(Dennoch, für jemanden,)

▪ der also in der Nachbarschaft von Willy Brandt aufwuchs und der abends in dessen Dienstvilla mitfeierte, nachdem „Willy“ am Morgen des 21.101969 zum Kanzler ernannt worden war (s. Foto 2). Dort fanden sich viele Gäste ein. Neben der gesamten SPD-Prominenz gab es auch zahlreiche Nachbarn und Teilnehmer des Fackelzuges zuvor. Tor und Türen waren geöffnet. Die Welt schrieb u. a. darüber: „Dann gab`s für die Fakkelträger Freibier auf der Terrasse, während Brandt sich ins Innere des Hauses zurückzog, wo ihn viele prominente Journalisten wie Augstein, Gaus, Merseburger, Gütt und Müggenburg erwarteten. Die jüngsten Journalisten waren zweifellos zwei junge „Steppke“, Walter Krahe und Thomas Kögler [Anm. Fehler „Köpler“ korrigiert] vom Bonner Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium, vielleicht zwölf Jahre alt: »Herr Brandt ein Interview, ein Interview für unsere Schülerzeitung.« Die beiden Kleinen ließen sich nicht abdrängen, und nach einigen Minuten hatten sie es geschafft. Wie aus der Pistole geschossen kamen die Fragen: »Wo sind Sie geboren?« »In Lübeck.« »Welches waren Ihre liebsten Schulfächer? « »Deutsch und Geschichte.«“ („Kanzler kredenzte Kölsch vom Fass – Offene Tür und Fackelzug bei Willy Brandt“, UL, 23.10.1969, Bonner Rundschau, Nr. 246)

Anmerkung: Matthias Brandt beschreibt in seinem Buch die Sicht von der anderen Seite des eindrucksvollen, elektrisch gesteuerten Einfahrt-Rolltors mit Zacken oben drauf, das quasi am anderen Ende der Wohn-Sackgasse des Autors lag. Matthias hatte seine Mittel und Wege gefunden, ab und zu dem Wachpersonal mit seinem blauen Bonanzarad zu entwischen und dann zum Beispiel ohne Bewacher im direkt angrenzenden Wald zu verschwinden. Das riesige Waldgebiet, der insgesamt 40 km² große Kottenforst, war der paradiesische Natur-Spielpatz aller an dessen Rändern wohnenden Kinder, also auch aller Venusberger Kinder, also auch von Matthias Brandt. Der Wald bot sehr viel: unendlichen Platz zum Buden bauen – ganze Dörfer entstanden –, Kletterbäume in allen Größen, Bombentrichter, Schützengräben, Wildgehege, einen großen Ausflugslokal-Spielplatz, mehrere Weiher, zahllose, kilometerlange fast ebene Waldwege, die perfekt zum Fahrradfahren waren, und vieles mehr. Als Venusberger Kind kannte man sich dort bestens aus. Matthias wohl auch, den besonderen Umständen geschuldet zumindest ein wenig.

Die Familie Brandt hatte teilweise mehrere Hunde. Einer davon ist aber bleibend in Erinnerung geblieben: ein massiger, zotteliger weißer ungarischer Hirtenhund mit ausgeprägtem Wach- und Beschützerinstinkt. Matthias liebte seinen Hund über alles, wobei man sich als Kenner dieses gewaltigen Tieres nun gar nicht vorstellen kann, dass es sich bei diesem Hirtenhund tatsächlich um den Hund handelte, den man ihm laut seiner eigenen Erzählung (S. 32) kurz nach seinem dritten Geburtstag auf sein „Masern-Krankenbett“ gelegt hatte und er „vor Liebe augenblicklich verstummte“. Selbst ein Welpe dieser Hundeart wäre im erwerbbaren Alter von mindestens acht Wochen dafür vermutlich schon viel zu schwer gewesen. War es in dieser Szene vielleicht ein anderer Hund?

Menschen, die sich allerdings auf der anderen Seite des Tores befanden, aber auch den Wachleuten (die zum Teil froh waren, auch für den „Hunde-Notfall“ stets eine Waffe dabei zu haben) und den Besuchern jagte dieser Hund gewaltigen Schrecken ein, mehr als all die bewaffneten Uniformierten auf dem Gelände, deren Veräpplung eher der Bespaßung der Venusberger Jungen diente (als junger Trottel hatte man keine Idee davon, in welche Gefahr man sich begab, wenn man diese zum Beispiel im Dunkeln von der anderen Seite des Zaunes am Waldrand erschreckte).

Über den riesigen Hund aber wurden so manche Geschichten erzählt – auch dass er einem unmittelbaren Nachbarn die halbe Männlichkeit weggebissen haben soll. Zum Glück korrigiert Matthias Brandt dieses seinerzeit hartnäckige Gerücht, in dem er jetzt in seinem Buch ganz offen schildert, dass sein Hund beim Besuch eines Beamten, der ihm verhängnisvollerweise mit dem ihm „so verhassten Kopftätscheln begrüßen“ wollte, diesem aus reinem Schutztrieb eine insgesamt glimpflich verlaufende „Hodenquetschung“ zufügte (S. 32). Unter der Anwesenheit von Willy Brandt selber soll es ebenfalls zu einer „Hunde-Attacke“ gekommen sein. Ein eifriger SPD-Referent soll den in der Eingangshalle schlafenden Hund versehentlich auf dessen Schwanz getreten haben. Dieser habe sofort in das Bein des erschrockenen Referenten gebissen. Laut Korrespondenten-Berichten habe sich Willy Brandt sofort entschuldigt aber die folgende Ermahnung hinterhergeschickt: "Das kommt davon, wenn man schlafende Hunde weckt und ihnen obendrein noch auf den Schwanz latscht."(„Als Willy Brandts Hund die Besucher jagte“, Sven Felix Kellerhoff, 19.06.2012, Archiv,Welt.de)

Die ganze Wirklichkeit dieses ungarischen Hirtenhundes war eine sehr vielfältige. Für Matthias Brandt war er neben seiner geliebten Mutter und vielleicht neben zwei Bediensteten im Haus der wohl wichtigste Bezugspunkt in seinem Leben, eben ein unverzichtbarer Freund in einem sehr großen Haus mit weitläufigem Park. Die Kontakte zu seinem stets viel beschäftigten, sich zuhause dann aber zurückziehenden, eher unnahbaren Vater waren meist sporadisch und größtenteils oberflächlich. Bezeichnenderweise beginnt der Erzählband mit den sinnbildlichen Sätzen: „Keiner da. [Absatz!] Das Haus hatte ich bereits von oben bis unten und von links nach rechts durchwandert und saß jetzt doch wieder stuhlkippend in meinem Zimmer.“ (S.7)

Das Buch von Matthias Brandt beschreibt neben all den äußerst detaillierten Erinnerungen an die Gegebenheiten der damaligen Zeit vor Ort, die für jeden Orts- und Zeitkundigen elektrisierende Rückblicke bereithalten, neben all dem Interessanten und Amüsanten streckenweise auf eine sehr erschütternde Art und Weise die innere Einsamkeit, die Matthias – als aufgeweckter, ganz „normaler“ Junge (Was heißt das schon?), aber als inmitten des politischen Zentrums der Republik rund um die Uhr best-bewachter Junge – erfahren hat.

Trotz gemeinsamer Berührungspunkte in der kindlichen Prägung – gleiche Grundschule, gleicher Wald, gleiche Bombentrichter, gleiche Schützengräben, gleicher Weiher, gleiches Gymnasium, gleiche Oberleitungsbuslinie 16, gleiches Schullandheim auf den Aremberg und einiges mehr – waren die Erfahrungswelten auf beiden Seiten des Stahltores völlig verschiedene. Für die Unterschiede sorgte dabei nicht nur die besondere Situation, dort als Sohn des Bundeskanzlers aufzuwachsen, sondern zumindest irgendwie auch die spezifische Situation auf dem Bonner Venusberg zu jener Zeit

Würde man es überspitzt darstellen, dann könnte man Matthias Brand – dort im aus ganz Deutschland nach Ernennung von Bonn als Bundeshauptstadt (1949) eilends zusammengewürfelten Beamtenmilieu (Bonner Dialekt sprach nur die Gemüsefrau) – einer klaren Minderheit zurechnen. Sein Vater war Sozialdemokrat und die gehörten zumindest noch am Anfang seiner Venusberger Zeit dort zu einer sehr begrenzten Spezies. Wenn bekannt wurde, dass am Ende der Straße jemand ein SPD-Parteibuch besaß, dann machte das hinter hervorgehaltener Hand die Runde, fast so, als wenn eine Frau ein uneheliches Kind zur Welt gebracht hätte. Zu seinem Status, Teil einer Minderheit zu sein, kam hinzu, dass er einer der nicht so zahlreich vertretenden Protestanten war. Heinrich Lübke und seine Ehefrau Wilhelmine sah man häufiger sonntags beim 10:00 Uhr-Hochamt in der katholischen Kirche. Die Familie Brandt aber nicht. Hinzu kam: Im katholischen Pfarrzentrum (im Volksmund genannt Jugendheim) spielte im wahrsten Sinne des Wortes die Musik: bei zahlreichen Feiern und vor allem bei den von den Jugendlichen selber organisierten allmonatlichen HOT-Keller-Feten. Hinzu kam eine gut organisierte Kinder- und Jugendarbeit. Das alles schweißte die jungen (meist katholischen) Menschen natürlich zusammen.

Ein weiteres Detail betrifft den fußballbegeisterten Matthias Brandt ganz besonders, dem bedauerlicherweise in seiner Venusberger Jugend etwas Entscheidendes entgangen ist. Er kam ganz einfach zu spät auf den Venusberg bzw. war 5 Jahre zu jung. Deshalb muss man ihn zur „Nach-Apfelallee-Generation“ rechnen.

Die Apfelallee ist ein etwa 300 m langer Parkstreifen, ausgehend von der katholischen Kirche (im Kiefernweg) bis hin zur kleinen Polizeistation (in der mit kleinen Geschäften und einer Sparkasse ausgestatteten Sertürnerstraße). Inmitten der (damals) vielen, fürsorglich und vorbildlich gemähten Wiesen, von denen sich einige zum Schrecken der dortigen Anwohner sehr gut zum Fußballspielen eigneten, gab es einen kleinen Spielplatz mit den für die Jugendlichen sehr nützlichen Bänken. Die Apfelallee war ein täglicher Treffpunkt der Venusberger Jungen sofort nach den Hausaufgaben (zum Leidwesen der Eltern vielfach auch schon vorher). Allerdings war das Kicken dort ein Unterfangen, das jahrein, jahraus immer mal wieder durch die Übergriffe der „Venusberger-Dorf-Polizisten“ gefährdet war. Rückblickend hätte eine professionale Personenschützer-Bewachung dem dortigen Fußballspielen vielleicht sogar sehr gut getan. Matthias und „seine Entourage“ wären also höchst willkommen gewesen, was seinerzeit aber keinem bewusst war. Mit allen verfügbaren Methoden des überfallartigen Eingreifens nämlich versuchten die eigentlich bedauernswerten Polizisten – aus einem der sechs möglichen Zuwege kommend – zumindest den Spielball zu ergattern, der ihnen dann aber nicht selten durch einen besonders mutigen Kicker sogar wieder aus der Hand geschlagen wurde, während die anderen schon längst über all die angrenzenden Gartenzäune das Weite gesucht hatten. Natürlich wurden die Eltern, die im Laufe der Zeit den Polizisten alle bekannt waren, immer wieder informiert. Aber keiner von ihnen war ernsthaft dazu in der Lage, etwas Wirkungsvolles gegen die Anziehungskraft, die das ruhestörende Ballspielen auf der Apfelallee ausübte, zu unternehmen. Aus fußballerischer Sicht wurde dieser himmlische Parkstreifen aber nach und nach völlig verunstaltet: Bäume und Sträucher wurden inmitten der Wiesen gepflanzt. Heute ist das Fußballspielen dort anscheinend nicht mehr möglich. Als Matthias Brandt im richtigen Alter war, wurde auf der Apfelallee wohl nicht mehr gebolzt, zumindest nicht mehr in der Intensität wie vorher. Damit stand ihm der zentrale tägliche Treffpunkt nicht mehr zur Verfügung, was natürlich für seine Entwicklung ein herber Verlust war. Denn dort hätte er nicht nur täglich seine Fußballkünste abseits der Bühne eines Fußballvereins – als Venusberger Allee-Kicker sozusagen – verbessern können.

Darüber hinaus gab man sich dort aber auch (nicht nur im Dämmerlicht) die ersten Küsse. Nette Mädchen gab es eben auch im Dunstkreis der Apfelallee. Einige von denen, die in den heutigen Erinnerungen immer noch hinzureißen vermögen, wohnten sogar direkt an der Allee, mit Blick auf die kickenden Jungmänner – eine andere, auf einem Pfarrfest sogar öffentlich besungene, in einer der Stichstraßen. Seinerzeit war man als Deligation der pubertierenden Jungen eigens bei einem überstrengen Vater mehrerer begehrenswerter Töchter, einem Berufs-Militär, persönlich vorstellig geworden, um unter dem Schwur garantierter sexueller Enthaltsamkeit eine Erweiterung der Ausgangszeiten – vor allem seiner jüngsten Tochter – zu erwirken, was erstaunlicherweise sogar gelang. Der Schwur erfuhr dann in der späteren Praxis – im Kontext der neuen Zeit – eine sehr liberal gefasste Auslegung, allerdings nie über die de facto vereinbarte Grenze hinausschießend. Auf diese Weise blieb man (zumindest irgendwie) im Sinne des Schwurs immer noch anständig. Geblieben sind liebevolle Erinnerungen.

(Dennoch für jemanden,)

▪ der in den nächsten 5 Jahren inmitten des Spannungsfeldes der rotgelben Koalition lebte und denken lernte, denn der damalige Außenminister Walter Scheel und spätere Bundespräsident – lebte nur ein paar Straßen weiter in die andere Richtung. Brandt und Scheel galten offiziell als die Väter einer neuen Deutschland- und Entspannungspolitik, deren Architekt und Unterhändler Egon Bahr war. Ohne diese so genannte Ostpolitik, gegen die die Unionsvertreter lange Zeit lautstark krakeelten, ist die spätere deutsche Einheit nicht vorstellbar. Der „Oggersheimer“ Kohl und der „Pecher“ Genscher (Wachtberg-Pech – Luftlinie vom Venusberg in zu Fuß oder mit dem Fahrrad leicht zu bewältigenden 5,5 km durch den Wald) konnten 1989/90 mit dem Fall der Mauer und der Wiedervereinigung genau das ernten, was die „Temporär-Venusberger“ Willy Brandt und Walter Scheel unter der stillen Regie von Egon Bahr 1969-1974 gesät hatten.

▪ der zusammen mit einigen anderen Venusberger Jungs den „Werkommt-in-die-Tagesschau-Wettstreit“ betrieb. Standen sonntags nämlich Wahlen an, waren abends um 20:00 Uhr in den von den Eltern geschauten heiligen Hauptnachrichten des Tages garantiert die beiden Parteivorsitzenden und Spitzenkandidaten Willy Brandt und Walter Scheel bei ihrer Stimmabgabe zu sehen. Da man die Örtlichkeiten des Wahllokals – zum Beispiel die eigene Grundschule – besser kannte als die Politprominenz, wusste man sehr genau sich zu bewegen, um im entscheidenden Moment der Aufnahme auch genau neben den Politikern zu stehen. In die Zeitungen zu kommen war da natürlich bedeutend einfacher. Im Gegensatz zu Matthias Brandt, der das Rampenlicht scheute, war man als Venusberger Sprössling eher scharf darauf – auch ein wichtiger Gegensatz auf beiden Seiten des Rolltors,

▪ der die späteren Gäste des sozialdemokratischen Kanzlers wie z. B. den unübersehbaren und unvergesslichen Leonid Iljitsch Breschnew, den buchstäblich gewaltigen „Held der Sowjetunion“, den Fels des kommunistischen Systems, am Ende seiner Straße zum Greifen nahe miterleben konnte,

▪ der die politische Entwicklung von Willy Brandt mitbekam, inklusive „Kniefall“, entspannungsfördernder, aber innenpolitisch hart umkämpfter Ostpolitik, der beim Misstrauensvotum 1972 trotz Unterricht zusammen mit einem Klassenkamerad mit Mofas zum Deutschen Bundestag ausgebüxt war und aufgrund der enormen Bedeutung für die Zukunft der Bundesrepublik vom Klassenlehrer am nächsten Tag anstandslos entschuldigt wurde (hier wurde gleichsam der Bedeutung Willy Brands und der schülerischen Ehrlichkeit angemessen Rechnung getragen, was man in seinem Leben nie vergisst!),

▪ der dann später Teil war des gespenstisch wirkenden, nächtlichen Fakkelzugs von völlig niedergeschlagenen SPD- und Willy-Anhängern in der Nacht auf den 7. Mai 1974 vor Willys Haus nach dessen Rücktrittsgesuch als Bundeskanzler am selbigen Tag (irrigerweise aufgrund eines DDR-Spions in seinem direkten Umfeld),

▪ der im Fernsehen fast ebenso fassungslos den in der Fraktionssitzung am

7.4.1974, wohl als Reaktion auf die (scheinheilige?) Blumengabe des schillernden SPD-Fraktionsvorsitzenden Herbert Wehner, weinenden Egon Bahr sah,

▪ der Willy Brands weiterem Weg mitverfolgte, auch dass dieser mit seiner Familie noch bis1979 (Matthias war 18) in einem anderen Haus auf dem Bonner Venusberg, in der Straße „Am Paulshof“, wohnte,

▪ der zunehmend unter dem strikten Entweder-oder-Denken des Kalten Krieges litt. Nach dem Motto: Entweder du bist Freund unseres freiheitlich kapitalistischen Systems oder du kannst direkt nach drüben gehen, was jemanden, der das kapitalistische System (zurecht) kritisieren wollte, automatisch zum Kommunisten abstempelte, denn strikt nach Aristoteles konnte es ja einfach keine dritte Möglichkeit geben,

▪ der durch das Buch „Siddhartha“ von Hermann Hesse bewusstseinserweiternde und lebensverändernde Inspiration erfuhr,

▪ der dann als „geläuterter Spät-Jugendlicher“ begann, sich für philosophische, religiöse und spirituelle Themen wie auch für Meditation zu interessieren,

▪ der sich intensiv mit dem Thema Tod beschäftigte und diesbezüglich ein großes Stück Versöhnung fand,

▪ der als Krankenwagenfahrer während seiner Zivildienstzeit – im Gegensatz zu seinen bei der Bundeswehr Karten spielenden Mitschülern – dann doch in einigen Situationen wieder dem Ernst des Lebens – z. B. in Form von Sterbenden – begegnete,

▪ der sich als behütetes deutsches Nachkriegskind als Krankenwagenfahrer zum ersten Mal in seinem Leben der Tatsache hautnah bewusst wurde, dass Krieg auf der Welt in der Tat real existiert (Weichei eben!), als er mit seiner Trage in ein Krankenhauszimmer kam und unvermittelt zwischen fünf blutjungen somalischen Soldaten stand, die tags zuvor aus dem Kriegsgebiet eingeflogen worden waren und die über deutlich erkennbare Kriegsverletzungen verfügten – vor allem auch im Gesicht – schließlich befand man sich in der „Kiefer-Klinik“. Es war nicht die Schwere der Verletzungen, die schockierte, sondern ihre sichtbar menschgemachte Verursachung,

▪ der in seiner kurzzeitigen Tätigkeit als studentischer Aushilfs-Taxifahrer in Bonn so manchen Politiker beförderte. Beispielsweise fuhr er wenige Monate vor der Bundestagswahl 1980 Hermann Höcherl (1912-1989; CSU, u. a. Bundesinnenminister von 1961 bis 1965), den er bis kurz vor Ende der Fahrt zum Deutschen Bundestag nicht erkannte. Dieser „missbrauchte“ ihn unterwegs quasi als Stimme des Volkes. Höcherl wollte u. a. wissen, welche Chancen er Franz Josef Strauß (1915-1988, langjähriger CSU-Parteivorsitzender) als Kanzlerkandidat bei der Wahl einräumte. Die Sicht des geborenen Rheinländers bezüglich des polternden CSU-Ur-Bayern in Konkurrenz zum hanseatisch bedachten, amtierenden sozialdemokratischen Bundeskanzler Helmut Schmidt war natürlich eine gnadenlose: Er gab Strauß keine Chance, was sich später in der Wahl auch bewahrheitete, was aber – am Deutschen Bundestag angekommen – mit einem belanglosen ausländischen Geldstück als Trinkgeld abgestraft wurde. Inzwischen hatte er aber verstanden, wen er da gefahren hatte. So war er in der Lage, die Trinkgeldgabe einzuordnen und im Nachhinein froh darüber zu sein, seine Überzeugung an den richtigen, im Hintergrund immer noch einflussreichen Mann hat bringen zu können. Einmal hat er an einem sehr späten Abend den in einem (anderen) defekten Taxi vor Bonns bester Schaschlikbude in Poppelsdorf gestrandeten Horst Ehmke (geb. 1927, SPD-Parteivorstand, mehrere Ministerposten) einige Zeit warten lassen, um sein wichtiges Nachtmahl zu Ende einzunehmen, und sich dann mit einer Flasche dunkler Brause in der Hand beim Einstieg in sein Taxi, wo Horst Ehmke bereits saß, die schnippische Frage gefallen zu lassen, ob er das Getränke zum anschließenden Mischen bräuchte (natürlich nicht). Zu allem Überfluss wurde er bei der anschließenden Fahrt von schwer bewaffneten Personenschützern in einem ihm folgenden schwarzen Mercedes begleitet. Auch nach dieser Fahrt war die Trinkgeldausbeute nicht nennenswert. Aber besser so, als wenn er sein Schaschlik nicht genüsslich zu Ende gegessen hätte,

▪ der Anfang der achtziger Jahre in einem Gartenbungalow – keine fünf Meter vom Zaun zu früheren Dienstvilla von Willy Brandt und dem späteren Gästehaus der Bundesrepublik Deutschland entfernt – vorübergehend lebte. Von da aus hatte er unmittelbaren Blick auf das Einfahrts-Rondell und den Haupteingang zum Haus. Eines bereits fortgeschrittenen Morgens zog er die Rollläden seines Wohnzimmers hoch und erschrak, weil dort direkt auf seiner Terrasse ein Uniformierter saß. Auge in Auge mit diesem schossen ihm sofort allerlei furchtsame Gedanken durch den Kopf, aber der Polizist saß nur deshalb dort, weil gegenüber im Gästehaus der damalige US-Außenminister Alexander Haig zu Besuch war. Erst später fiel ihm ein, dass ihm in diesem hochsensiblen Wohnbereich vielleicht ein wichtiges No-Go unterlaufen war. Hatte er doch Monate zuvor zusammen mit Freunden den Militärattaché der tschechoslowakischen Botschaft, den sie als Aushilfs-Makler bei der Vermietung einer Wohnung kennengelernt hatten, zum Kaffee eingeladen. Zum Glück aber saß der Polizist auf der Terrasse routinemäßig dort,

▪ der wusste, dass er vom KGB überwacht wurde, als er die Ehefrau des russischen Botschafters in deutscher Sprache unterrichtete,

▪ der von Willy Brandts (dem zum Zeitpunkt des Mauerbaus 1961 regierendem Bürgermeister von Berlin) sehr persönlicher Reaktion auf den Mauerfall am 9.11.1989 und seiner Hörfunk-Interview-Aussage tags darauf„Jetzt sind wir in einer Situation, in der wieder zusammenwächst, was zusammengehört“sehr ergriffen war(Zitate, Bundeskanzler Willy Brandt, willybrandt.de),

▪ der 1990 „wie befreit“ an erster Stelle den Wegfall der menschenverachtenden, todbringenden Grenze, das Ende des kalten Krieges und damit das endgültige Ende der nuklearen Bedrohung zusammen mit Freunden und Getränken am Brandenburger Tor persönlich feierte; die eigentliche Wiedervereinigung spielte für diese an zwei deutsche Staaten gewöhnte Nachkriegskinder nur eine untergeordnete Rolle, wohl aber die neu gewonnene Denkfreiheit nach Ende des Kalten Krieges. Ab sofort ließ sich der gnadenlose Kapitalismus frei von der Leber weg auch öffentlich kritisieren, ohne direkt mit Nachdruck über Stacheldraht und Mauer hinweg in den Schoß des „real existierenden Zwangs-Sozialismus“ verwiesen zu werden (welch eine Drohung für junge, freiheitsliebende Menschen!),

▪ der am 3.10.1990 um 0:00 Uhr die den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland auf dem Bonner Marktplatz feiernden Bonner nicht wirklich hat verstehen können. Jubelten sie doch gerade auch darüber, dass ihre geliebte, freundliche und beim Aufbau der jungen Demokratie unglaublich erfolgreiche Stadt just in diesem Augenblick den Status der Bundeshauptstadt der Bundesrepublik Deutschland verloren hatte. Wie dumm konnte man als Bonner denn nur sein, in so einem Moment nicht wenigstens auch daran zu denken. Er jedenfalls war diesbezüglich sehr betrübt,

▪ der es (bei allem Verständnis) Willy Brandt am Ende dann doch übel nahm, dass dieser trotz seiner so wichtigen politisch-historischen Erfolge in der Bundeshauptstadt Bonn als Kanzler dann viele Jahre später namentlich als erster auf dem „Antrag zur Vollendung der Einheit Deutschlands“ stand, der am 20.6.1991 im Deutschen Bundestag in Bonn verhandelt wurde und der mit 338 gegen 320 Stimmen dafür sorgte, dass Berlin nicht nur offizielle Hauptstadt des wiedervereinigten Deutschlands war, sondern künftig auch Parlaments- und Regierungssitz werden sollte. Eine der absurden Gegebenheiten dieses für einen gebürtigen Bonner sowieso völlig absurden Beschlusses war, dass der (nicht gerade preiswerte) nagelneue Plenarsaal des Deutschen Bundestages in Bonn zu diesem Zeitpunkt noch im finalen Aufbau begriffen war,

▪ Der grundsätzlich nichts gegen Berlin hatte, im Gegenteil, war er doch davon überzeugt, dass Berlin von ganz alleine eine sehr attraktive Stadt ist, die den Status der Bundeshauptstadt überhaupt nicht gebraucht hätte. Wäre es Berlin allein um die Repräsentation gegangen, dann hätte ein Sitz des Bundespräsidenten dort gereicht. Ob nämlich Berlin den Politikern tatsächlich so gut tut, weil es dort – im Gegensatz zum überschaubaren Bonn – ein Vielfaches an Freizeitangeboten gibt, ist nun wirklich nicht ausgemacht. Manch ein Politiker und manch eine politische Maßnahme schienen in Bonn deutlich ausgeschlafener zu sein,

▪ der mental und emotional den „Wind des Wandels“ (den „wind of change“ – so die „Hymne der Wende“ von der Gruppe Scorpions) mit tiefen Atemzügen in sich aufsog und begann, zumindest für wenige Jahre an die Möglichkeit einer wirklich besseren Welt zu glauben,

▪ der bis heute allerdings immer noch völlig überrascht davon ist, wie unglaublich hartnäckig sich nach und nach zunehmend alle Formen von Egoismen in der Gesellschaft haben breit machen können und das vor allem auch in der Generation von „love and peace“, also sozusagen auch bei den älteren Brüdern der „Weichei-Generation“ (was übrigens keine real existierende Bezeichnung ist),

▪ der fasziniert den Schilderungen von Matthias Brandt lauschte, dass dieser im Zusammenhang mit den Dreharbeiten zum Zweiteiler „Im Schatten der Macht“ am Originalschauplatz der Brandtvilla (2002) im Gebüsch versteckt Überreste seines alten Spielgeräts gefunden hatte,

▪ der äußerst entsetzt darüber ist, was aus der Brandtvilla nach ihrem Verkauf 2007 dann geworden ist. Die 1938 errichtete „Blömer-Villa“ – die ursprünglich als Landsitz für den Bonner Kaufmann Heinz Blömer errichtet wurde, stand nach dessen Tod von 1949 bis 1999, solange Bonn Regierungssitz war, als Dienstvilla verschiedenen Spitzenpolitikern zur Verfügung: u. a. dem SPD-Vorsitzenden Kurt Schumacher (von 1949 bis 1952), Außenminister Heinrich von Brentano (von 1955 bis 1961), Außenminister Gerhard Schröder (von 1961 bis 1966), Außenminister und späteren Bundeskanzler Willy Brandt (von 1967 bis 1974) und sehr viel später Altbundeskanzler Gerhard Schröder (II., kurzzeitig 1998). Seit der Nutzung durch die Familie Brandt wurde die Villa auch Brandtvilla genannt. Danach diente sie der Bundesrepublik als Gästehaus. 2007 wurde das leerstehende Anwesen von einer Immobilienfirma erworben und in den Jahren 2011/12 im Inneren zu einer Villa mit zwei Wohneinheiten umgebaut. Auf dem Parkgelände unmittelbar daneben wurden zwei weitere Einfamilienhäuser hingesetzt. Betrachtet man ein heutiges Luftbild, dann fehlen einem als langjährigen Ortskundigen die Worte, angesichts dessen, was aus diesem historischen Ort geworden ist. Warum hatte man daraus nicht ein zeithistorisches Museum gemacht,

▪ der als langjähriger „Kloster-Lehrer“ in der geschützten Atmosphäre eines internationalen Priesterseminars in seinem Unterricht über das potenziell Gute im Menschen zumindest immer wieder ausgedehnt hat sprechen können und so seine diesbezügliche Überzeugung bis heute nicht verloren hat,

▪ der im Rahmen einer Priesterweihe (2002) zusammen mit seiner koreanischen Ehefrau die Rolle der (verhinderten) Eltern eines togolesischen Weihekandidaten (geb. 1973) auf dessen Bitte hin übernahm. Als Student des internationalen Priesterseminars hatte sich der Togolese (Afrikaner) ganz bewusst die koreanische Mutter (Asiatin) und den deutschen Vater (Europäer) ausgesucht, um sich dann von einem deutschen Kardinal weihen zu lassen. Internationaler ging es kaum. U. a. geleiteten die Ehefrau und er während der etwa dreistündigen Messfeier – ähnlich wie bei einer Hochzeit – den früheren Sprachstudenten zum Altar, zum dortigen Kardinal Lehmann (geb. 1936, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz von 1987 bis 2008), der die Priesterweihe vornahm. Erstaunlicherweise hatten ihre beiden Kinder (sechs und acht Jahre alt), die in der Teilnahme an solch einer ausgedehnten Messfeiern überhaupt nicht geübt waren, in der ersten Bankreihe der vollen Kirche, direkt vis-à-vis von etwa 50 Ordens-Priestern auf dem Chorgestühl im Raum hinter dem Altar, die besonders für sie ewig lange Zeremonie mit Geduld und Anstand überlebt, ohne in irgendeiner Weise negativ aufzufallen, was in diesem Alter eine enorme Leistung darstellte,

▪ der Kommunikation und Wertschätzung in der Arbeit mit den jungen angehenden Priestern erfuhr, deren Überzeugungen und Zweifel er wahrnehmen durfte,

▪ der hinter den Theologen die Menschen erblickte und einerseits großen Respekt vor der persönlichen Hingabe und Liebe einzelner bekam,

▪ der andererseits aber immer weniger theologischen „Geschichten“ Glauben schenken konnte,

▪ der sein Wissen über philosophische, religiöse und spirituelle Themen durch den intensiven persönlichen Austausch mit Priestern und angehenden Priestern aus den unterschiedlichsten Kulturen über fast ein Vierteljahrhundert vertiefen konnte, dessen Interesse mit unschätzbarer geistiger „Nahrung“ gestillt und zusätzlich mit Kenntnissen über unterschiedliche Kulturen bereichert wurde,

▪ der zusammen mit seinen Studenten – zu deren Kennenlernen der Bonner Republik – die Vorzüge der Bundeshauptstadt sinnvoll zu nutzen verstand und alljährlich eine Plenarsitzung des Deutschen Bundestages, die Bundespressekonferenz, das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und die Bundeszentrale für politische Bildung wie auch den nahegelegenen WDR in Köln (zu einer Führung) besuchte,

▪ der irgendwann später die völlig absurde Grenze zwischen Süd- und Nord-Korea zusammen mit seinen Kindern (die eigene Ehefrau hätte lange vorher eine Sondergenehmigung beantragen müssen) besuchen konnte, just zu dem Zeitpunkt der sich jährlich wiederholenden massiven Kriegsandrohungen durch den Norden, der natürlich an erster Stelle von der schwachsinnigen Grenze, aber sonderbarerweise auch von dem absurden Verhalten der dort anzutreffenden US-Soldaten, welches zu einer martialischen Hollywoodshow mutiert war, gänzlich irritiert und abgestoßen war,

▪ der sich aufgrund seiner wachsenden persönlichen Sorge vor einem möglichen Kriegsbeginn genau während seines Familienaufenthaltes in Südkorea der diesbezüglichen Belustigung durch daran schon lange gewöhnte und diesbezüglich völlig abgestumpfte Südkoreaner ausgesetzt wiederfand, was für ihn selber nun doch nicht ganz so lustig war,

Anmerkung: diese Zeilen wurden übrigens gerade dann niedergeschrieben, als Nordkorea mal wieder drohte – dieses Mal mit einem atomaren Erstschlag – während die Ehefrau in Südkorea weilte. Man sollte zur Kenntnis nehmen, dass in Seoul und Umgebung mit ca. 25 Millionen Menschen ungefähr die Hälfte aller Südkoreaner lebt, dass Seoul von der nordkoreanischen Grenze relativ leicht erreichbar ist, da es nur etwa 55 km entfernt liegt, dass also Seoul und die bevölkerungsreiche Umgebung bei einem Erstschlag absolut ohne jede Chance wäre.

(Dennoch für jemanden,)