Tochtervatermann - Michael Marker - E-Book

Tochtervatermann E-Book

Michael Marker

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Beschreibung

Was haben unter anderen ein verkrachter Jurist, ein Top-Journalist, ein promovierter Betriebswirt, ein Hotelier, ein Börsenmakler gemeinsam? Sie sind Charaktere, die uns an teils tragischen, teils merkwürdigen oder verworrenen Gedanken teilhaben lassen. Sie gestehen ihr privates oder berufliches Scheitern ein, ihr Versagen als Partner, Vater, Mensch. Indem sie ihre Lebensgeschichten vor uns ausbreiten, versuchen sie, sich von den Lasten auf ihren Seelen zu befreien, was nicht immer gelingt.

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Bisherige Veröffentlichungen des Autors:

Das achte Gebot – Erzählungen

ISBN: 9783741222696

IM Julia – Novelle

ISBN: 9783756816101

Jenny – Erzählungen

ISBN: 9783752629293

Louis Lalage – Novelle

ISBN: 9783756836895

Tochtervatermann – Erzählungen

ISBN: 9783744816564

Träume und Albträume –

ISBN: 9783752840216

39 Kurze Geschichten

Inhalt

Vorwort

Das Schwein

Tochtervatermann

Liebes Not

Schuldig

Kirschenpflücker

Urlaub

Zum Autor

Vorwort

Alle Charaktere der in diesem Band enthaltenen Erzählungen entspringen ebenso wie die Handlungen selbst ausschließlich der Phantasie des Verfassers. Etwaige Ähnlichkeiten wären rein zufällig.

Oktober 2023

Michael Marker

Das Schwein

Ich wollte ihn schon immer umbringen, solange ich zurückdenken kann. Angefangen hatte es schon in der Volksschule, als er und seine Kumpane in der Pause beim Murmelspielen uns erst die Glaskugeln klauten, später dann unter Androhung von Prügel immer die schönsten Stücke als Tribut einforderten.

Wir wohnten damals in einer Neubausiedlung aus der Nachkriegszeit, er und seine Bande in einer Arbeitersiedlung aus den dreißiger Jahren. Schule, Sportplatz und Konsum bildeten so etwas wie eine Grenzlinie. Die Bewohner der alten Siedlung galten alle irgendwie als verrufen, brutal und waren dafür bekannt, dass sie es mit Mein und Dein nicht so genau nahmen. Asis eben. Man war froh, wenn man mit denen nichts zu tun hatte und ging ihnen möglichst aus dem Weg. Leider ließ sich das nicht immer vermeiden. Wenn ich mit den anderen Kindern aus unserem Viertel den angrenzenden Busch durchstreifte, konnte es schon einmal vorkommen, denen über den Weg zu laufen. Wir zogen es dann vor, uns zurückzuziehen. Der Klügere gibt eben nach.

Seine Schikanen endeten für mich erst, als ich auf das Gymnasium wechselte. Ein paar Mal begegnete ich ihm nachmittags im Bus, wo ich einigermaßen sicher vor ihm war und vorsichtshalber stets an einer früheren Haltestelle ausstieg. Als er das spitz bekommen hatte, erwarteten mich beim Ausstieg seine Kumpane und nahmen mich in die Mangel. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass er nach mir ebenfalls den Bus verlassen hatte.

„Hältst dich wohl für besonders schlau, nur weil du aufs Gymnasium gehst. Das nützt dir auch nichts. Ich krieg dich immer, wenn ich will.“

Damals habe ich es ihm zum ersten Male gesagt: „Irgendwann bringe ich dich um.“

„Da habe ich jetzt aber mächtig Angst vor dir“, lachte er mir ins Gesicht und verpasste mir einen Faustschlag.

„Ihr habt es alle gehört und seid meine Zeugen. Er hat mich bedroht.“

Zu seinen speziellen Freundlichkeiten zählten auch, Luft aus dem Fahrrad abzulassen, ein Bein zu stellen oder zu schubsen, so dass ich im Dreck landete. An alles kann ich mich nicht mehr so genau erinnern. Dann habe ich längere Zeit nichts mehr von ihm gehört und gesehen und dachte, er habe vielleicht das Interesse daran verloren, andere Leute zu terrorisieren.

Zu unserer Konfirmation, bei der er sich ausnahmsweise anständig aufführte, sprach unser Pfarrer davon, dass unser Herr Jesus Christus gerade auch die Sünder liebte.

„Siehste“, raunte er mir von hinten zu, „da ist es doch geradezu meine Verpflichtung, dir ab und zu eins in die Fresse zu hauen, damit du schön brav auch die andere Backe hinhalten kannst, du Opferlamm.“

Dass Reue und Buße vor der Vergebung kamen, schien bei ihm vom Konfirmandenunterricht nicht hängengeblieben zu sein.

„Und denk immer schön dran, wenn ich dir dein Taschengeld abknöpfe, Geben ist seliger denn Nehmen. Sozusagen opfere ich mich für dich auf.“

Ich weiß noch, dass ich einmal mit einem Mädchen aus der Nachbarschaft Hand in Hand auf dem Rückweg aus dem Freibad den Weg abkürzte und durch unseren Busch ging. Damals war ich vierzehn und hegte insgeheim den Wunsch, an einem lauschigen Plätzchen unsere Decken auszubreiten und ihr dabei vielleicht ein wenig näherzukommen.

Plötzlich waren sie da. Ein paar von ihnen hielten mich fest, während er und sein Spezi mein Mädchen zwischen sich durch Stöße gegen den Oberkörper hin und her schubsten, bis er sich zum Abschluss fallen ließ und sie mit sich zu Boden riss.

„Na, nicht so stürmisch, Schätzchen“, sagte er und knutschte sie vor meinen Augen ab.

„Das zahle ich dir heim!“, schrie ich ihm nach, als sie uns schließlich gehen ließen.

Aus dem Mädchen und mir ist übrigens nichts geworden.

Einmal war ich mit einigen Jungs aus unserer Siedlung im Busch unterwegs, um Pfeile für unsere selbstgebauten Flitzebögen zu schneiden, als wir trotz aller Vorsicht unvermittelt überrascht wurden. Meine Kameraden suchten das Weite, nur mir gelang es nicht, weil ich kurz zuvor in ein Karnickelloch getreten war und mir den Fuß verknackst hatte. Als sie mich drohend umringten, zog ich mein Fahrtenmesser, das ich wegen des Pfeileschneidens mitführte, und stieß es ihm vor die Brust. War mein Stoß zu schwach, seine Kleidung zu dick oder hatte ich nur sein Brustbein getroffen? Jedenfalls blieb er unverletzt. Das Schicksal hatte mich davor bewahrt, zum Mörder zu werden.

Er schaute mich nur mit großen Augen an und sagte voller Erstaunen zu seinen Genossen: „Der wollte mich erstechen. Habt ihr das gesehen?!“

Dann ließen sie mich gehen.

In der folgenden Zeit ließ er mich in Ruhe. Hatte mein verzweifelter Versuch einer Gegenwehr etwas bei ihm bewirkt, die Einsicht selbst einmal zum Opfer zu werden, wenn er so weitermachte? War er erwachsener und verständiger geworden? Vielleicht war er aber auch einfach zu sehr mit seiner Lehre beschäftigt, um weiterhin auf dumme Gedanken zu kommen.

Ich traf ihn erst ein paar Jahre später wieder, als ich die Tanzschule besuchte und mich nebenbei in den Abiturvorbereitungen befand. Er schien sich gewandelt zu haben, benahm sich höflich und gesittet, wie es von uns in der Tanzstunde erwartet wurde. Nichts erinnerte mehr an den Halunken von früher. Bei den Mädchen hatte er einen Stein im Brett, weil er als einer der ersten mit einem eigenen Auto vorfuhr. Dass er dies mit seinem Lehrlingsgehalt wohl kaum finanzieren konnte, kam mir nicht in den Sinn.

Damals hatte ich mich mit einer Mitschülerin mehr als angefreundet, die sich ebenso wie ich für die verschlungenen Pfade des Rechtswesens interessierte. Mehr noch, wir waren uns einig, nach dem Abi unseren gemeinsamen Lebensweg mit dem Studium in Münster zu beginnen. Von gemeinsamem Lernen versprachen wir uns Synergieeffekte, gemeinsame Wohnung und gemeinsames Wirtschaften sollten unsere Kosten senken, auch wenn sie dies nicht nötig hatte, da sie im Gegensatz zu mir aus einem so genannten guten Haus stammte. Ihre Eltern hatten dies vielleicht nicht freudig begrüßt, da ich in ihren Augen keine passende Partie war, aber die Entscheidung ihrer Tochter zumindest respektiert.

Sie wohnte ein gutes Stück außerhalb in einem Vorort. Nach der Tanzstunde brachte ich sie gewöhnlich zunächst nach Hause, bevor ich mit dem Bus zurück zu meinen Eltern fuhr. Unterwegs schmiedeten wir fleißig an unseren Zukunftsplänen.

An jenem Abend regnete es in Strömen. Wir warteten durchnässt und frierend an der Haltestelle auf den Bus. Er erbot sich, uns nachhause zu fahren.

„Du bist mir doch nicht mehr böse wegen damals, oder?“, fragte er.

Mir war nicht sehr wohl bei diesem Gedanken, aber ich wollte nicht nachtragend oder gar ängstlich erscheinen. Von meinen Erfahrungen mit ihm hatte ich Greta nichts gesagt, weil ich vor ihr nicht als Verlierer dastehen wollte. Sie hielt ihn für einen alten Bekannten von mir und entschied sich, sein Angebot anzunehmen.

Greta hätte sich zunächst bei uns zuhause aufwärmen können, bevor sie meine Eltern später heimgebracht hätten. Oder ich wäre mit zu ihr gegangen und dann von ihren Eltern nachhause gebracht worden. Außer seinem besten Freund saß noch ein weiteres Mädchen mit im Wagen, so dass sie keine Bedenken gehabt hatte, auf seinen Vorschlag einzugehen, erst mich abzusetzen und dann sie heimzubringen. So kämen wir beide früher ins Bett, hatte sie gesagt und mir dabei ins Ohr geflüstert: „Leider ins eigene.“ Ich solle schön von ihr träumen, sagte sie zum Abschied. Ich sah noch, wie er eine Thermosflasche hervorholte und ihr einen Becher mit heißem Tee anbot.

Am nächsten Morgen ging Greta nicht wie gewohnt ans Telefon. Stattdessen erschienen am Nachmittag ihre Eltern bei uns und verboten mir in höchster Erregung jeglichen weiteren Umgang mit ihrer Tochter. Eine Erklärung dafür gaben sie nicht, betonten nur immer wieder, sie müssten ihr Kind vor so einem Subjekt wie mir schützen.

Wenig später erhielt ich eine Vorladung von der Polizei, die mich zum Verlauf des fraglichen Abends einvernehmen wollte. Ich wunderte mich, dass man mir anheimstellte, mich anwaltlich beraten zu lassen oder von meinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch zu machen. Soweit juristisch vorgebildet war ich nicht nur durch diverse Krimiserien, dass es hier darum ging, eine Straftat aufzuklären, die man offenbar mir anlastete. Trotzdem beantwortete ich alle Fragen wahrheitsgemäß. Ich konnte mir auch nicht erklären, wieso Greta von Zeugen in der Nähe unserer Wohnung hilflos aufgefunden worden sei. Ganz gewiss hatte ich sie nicht unter Drogen gesetzt, um sie zu missbrauchen. Letzteres hatte ich nicht nötig, und von Drogen jeglicher Art hatte ich mich aus Überzeugung stets ferngehalten. Dumm war nur, dass Greta selbst sich an nichts erinnern konnte und die anderen meine Aussage nicht bestätigten. Im Gegenteil. Als man mir deren Einlassungen vorhielt, wusste ich, dass er mich wieder gelinkt hatte, dieses Schwein, dieses abgrundmiese Schwein.

Im Prozess sagte Greta unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus, dass wir uns hinsichtlich unserer gemeinsamen Zukunft einig gewesen wären. Der Staatsanwalt drehte ihr das Wort im Mund um und folgerte daraus, ich hätte wohl nicht mehr so lange warten wollen. Für mich sprachen meine bisherige Unbescholtenheit und die Tatsache, dass mir auch nicht die geringste Beziehung zum Drogenmilieu vorgehalten werden konnte. Der Miesling von Staatsanwalt wertete auch das ab, indem er erklärte, wenn etwas nicht nachweisbar wäre, bedeutete das nicht, dass es nicht existierte. Gegen mich sprachen die übereinstimmenden Aussagen der beiden Spießgesellen, Greta und ich hätten uns gestritten gehabt und die Tatsache, dass ich diesem Verbrecher im Gerichtssaal entgegengeschrien hatte, ich würde ihn dafür umbringen, was er Greta angetan hätte.

Mein Anwalt versuchte, Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen zu wecken, indem er auf deren wenn auch länger zurückliegenden Lebenswandel verwies.

Am Ende kam dann zwar ein Freispruch zweiter Klasse heraus, aber mein Ruf war trotzdem ruiniert. Semper aliquid haeret.

Nur mit Ach und Krach kam ich noch durch das Abitur.

Alle meine Träume waren geplatzt, alle Pläne nur noch Makulatur. Greta hatte ich verloren. Keine Wohnung, weil ich sie mir allein nicht leisten konnte, keine renommierte Uni, kein Studentenleben. Mir blieb nur die Einsamkeit dieser hässlichen Betonklotzanstalt. Planlos, lustlos, ziellos; so brachte ich Semester um Semester hinter mich und schaffte irgendwann im letzten Anlauf die Prüfung. Den Vorbereitungsdienst überstand ich nur mit Verlängerung und viel Wohlwollen. Das war es dann mit meiner Karriere. Von einer Anstellung in einer großen Kanzlei konnte ich nur träumen, erst recht von einem Job im Staatsdienst. Selbstständigkeit kam für mich sowieso nicht in Frage. Eine Zeit lang hielt ich mich mit Taxifahren über Wasser, bevor mir ein Fahrgast sagte, er suche für sein Notariat einen neuen Kanzleivorsteher. Seither bereitete ich Verträge vor, Kaufverträge, Erbverträge, Gesellschaftsverträge und was es eben alles so an Beurkundungen gab.

Mein Chef machte die Kohle, ich die Arbeit. Ich vegetierte so vor mich hin. Weder Greta noch das Schwein oder seinen Kumpanen hatte ich je wieder gesehen. Ich ging jetzt stramm auf Mitte der Dreißiger zu und meine Lebensperspektiven waren ziemlich düster. Ich hatte einige kürzere Affären mit irgendwelchen Mäuschen von Renogehilfinnen anderer Kanzleien gehabt, aber auf Dauer reichte es mir nicht, eine Beziehung nur über Bett, Butterbrote und Ballermannurlaub zu definieren. Für die Frauen, die meinen kulturellen und intellektuellen Ansprüchen entsprachen, war ich einfach nur ein Versager, der ihnen nichts zu bieten hatte. Je mehr ich darüber nachdachte, desto sinnloser erschien mir mein Leben. Früher oder später würde ich mich wohl von dieser schnöden Welt verabschieden.

`Die Insel fürs Leben´. Der Slogan passte so gar nicht zu meiner Stimmung. Der Werbeprospekt war mir eher zufällig in die Hände gefallen, als mein Chef mir die Kündigung angekündigt und mir anheimgestellt hatte, zunächst einmal unbezahlten Urlaub zu nehmen, bis über die Sache entschieden sei. Die Sache war der unbewiesene Vorwurf einer Kollegin, ich hätte meine Stellung in der Kanzlei dazu benutzt, einer Praktikantin ein spezielles Entgegenkommen abzunötigen. Natürlich war nichts dran an dieser Behauptung, aber ich konnte sie auch leider nicht entkräften, zumal das junge Ding gegenüber meinem Chef die Anschuldigung bestätigte.

Zugegeben, sie sah ja ganz niedlich aus. Gewiss hätte ich sie auch nicht von der Bettkante geschubst, wenn die Umstände anders gewesen wären. Aber sie war nun einmal nicht mal halb so alt wie ich und vor allem stand sie als Auszubildende in einem Abhängigkeitsverhältnis zu mir als Kanzleivorsteher. Ich bin nicht so blöd, mich aus rein hormonellen Gründen auf einen Konflikt mit dem Strafgesetzbuch einzulassen. Außerdem hatte ich es mir zum Prinzip gemacht, nie etwas mit einer Mitarbeiterin anzufangen. Derlei ist immer schlecht für das Arbeitsklima. Nicht nur, weil sich andere zurückgesetzt fühlen könnten und hinter dem Rücken geredet wird, sondern weil bei einer etwaigen Trennung immer einer beruflich auf der Strecke bleibt. Ich hatte einfach keine Lust, wieder einmal der Verlierer zu sein.

Die liebe Kollegin, die sich für meine Loyalität und Förderung dadurch bedankt hatte, dass sie mich in die Pfanne haute, übernahm zunächst kommissarisch die Büroleitung. Ich war mir sicher, dass sie die neue Position mit Zähnen und Klauen verteidigen würde.

Bei der Verhandlung über meine Kündigungsschutzklage und den Versuch, wenigstens eine Abfindung zu erhalten, brachte der gegnerische Anwalt die Sache von damals so geschickt zur Sprache, dass man ihm keine Verleumdung nachweisen konnte, meine Glaubwürdigkeit aber zum Teufel war. Ich hatte keine Chance.

Wenn Lügner sich zusammentun, erfinden sie die Wahrheit neu.

Dass das kleine Luder die Nichte des Schwagers der Lügnerin war und die beiden sich abgesprochen hatten, erfuhr ich erst sehr viel später, als ich längst wieder einmal unschuldig auf der Strecke geblieben war.

In völliger Ungewissheit, wie es weitergehen sollte und ob überhaupt, fuhr ich erst einmal für ein paar Wochen an die Nordsee. Keine Ahnung, ob und wie lange ich es in der platten Ödnis aushalten würde. Während ich mich die schier endlose Strecke beinahe ohne landschaftliche Abwechslungen durch das westliche Münsterland und das Emsland nordwärts quälte, dachte ich darüber nach, auf welche Art ich mich endgültig den Demütigungen und Niederlagen entziehen könnte, die meine verpfuschte Existenz von Anfang an begleitet hatten.

Soeben hatte eine Tafel am Rande der Autobahn auf die KZ-Gedenkstätte Esterwegen hingewiesen. Auch ich empfand mich als ein `Moorsoldat´, hilflos der Willkür widriger Mächte ausgesetzt und zum Untergang verdammt. Vielleicht sollte ich mir einfach einen dicken Stein um den Hals binden und ins Moor gehen. Irgendwann würde sich dann vielleicht jemand gruseln, der meine Moorleiche entdeckte. Meine Geschichte könnte ich wasser- und moorsäuredicht verpackt mitnehmen und so wenigstens posthum die Wahrheit ans Licht bringen. Wann das geschehen würde, stand allerdings in den Sternen. Natürlich hätte ich dann nichts mehr von meiner erhofften Rehabilitierung, und ob der bloße Gedanke an eine eventuelle späte Gerechtigkeit mir das elende Ersaufen im Moor erleichtern würde, war zweifelhaft. Möglicherweise war das doch keine so gute Idee. Bei meinem Glück würde sicherlich bis dahin der Torfabbau komplett eingestellt werden und ich somit auf ewig unentdeckt bleiben.

Sein Anblick riss mich blitzartig aus meinen trüben Gedanken. Er war es. Er musste es einfach sein. Schon der überdimensionierte amerikanische Pick-Up war mir aufgefallen. Der Parkplatzverwalter hatte ihm einen Platz ganz vorn zugewiesen, der eigentlich nur Kranken vorbehalten war. Ich selbst wurde ans andere Ende etwa zweihundert Meter entfernt geschickt und durfte mich bei sengender Hitze mit meinen Koffern zur Abfertigung quälen. Er hingegen hatte seinen Handlanger schon vorher mit dem Gepäck abgesetzt und schlenderte nun munter pfeifend der Fähre entgegen. Als einer der letzten erreichte ich das schwankende Gefährt und musste mich mit einem Platz im stickigen Unterdeck begnügen, während er sich wohl auf dem Oberdeck räkelte, sich den Wind um die Nase wehen und von seinem Spießgesellen mit Getränken versorgen ließ.

Ein Verbrecher wie er fährt nicht einfach so mit einem anderen Gangster in Urlaub, schon gar nicht auf eine ostfriesische Insel, wo sich Fuchs und Hase nur deshalb nicht gute Nacht sagen, weil es dort gar keine Füchse gibt. Irgendetwas führte er im Schilde. Ich beschloss, sehr vorsichtig zu sein, damit er mir bloß nicht wieder etwas in die Schuhe schieben könnte.

Es war nicht schwierig herauszufinden, wo die beiden abgestiegen waren. Ich mietete mir gleich am Bahnhof ein Rad und folgte ihnen bis zu ihrem Haus, bevor ich mein Zimmer in der Pension aufsuchte, wo mich bereits meine vom Gepäckdienst gelieferten Koffer erwarteten.

Anstatt mich zu erholen, einfach auf andere Gedanken zu kommen, war der größte Teil meiner Zeit damit ausgefüllt, ihn und den anderen Halunken zu beobachten, um herauszufinden, was sie wohl im Schilde führten, damit ich mich dagegen wappnen könnte.

Indes gelangte ich auch nach mehr als einer Woche intensiver Beobachtungen zu keinerlei Erkenntnissen über das Treiben der beiden. Sie fuhren mit ihren Rädern umher, erklommen die drei höchsten Stellen der Insel und schauten von dort auf das Meer hinaus. Zwischendurch begaben sie sich in den Hafen und unternahmen Bootstouren, sofern es die Gezeiten zuließen, denn der private Teil des Hafens ist im Gegensatz zum Fährhafen tideabhängig. Kurzum, es war nichts besonders Auffälliges an ihrem Verhalten zu erkennen. Aber gerade das beunruhigte mich umso mehr.

Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass er keine kriminellen Absichten hegte. Was immer es auch sein mochte, um mich zu schützen blieb mir nur, ihm zuvorzukommen und ihn ein für alle Mal auszuschalten. Aber wie?

Eigentlich bin ich ja ein überaus friedliebender Mensch. Sie wissen ja, selig sind die Sanftmütigen und so. Aber selbst der Frömmste kann nicht in Frieden leben, solange es solchen Abschaum gibt, und deshalb brauchte ich jetzt unbedingt einen Mordplan.

Worauf kommt es also an, wenn man jemanden um die Ecke bringen will? Zunächst einmal darf man am Ort des Geschehens keine Spuren hinterlassen. Ich kaufte mir daher Einmalhandschuhe und Überschuhe sowie eine Duschhaube, um keine Haare zu hinterlassen. Den Krempel könnte ich später irgendwo entsorgen. Gleichermaßen wollte ich mit einer billigen Jeans und einer einfachen Regenjacke verfahren. Wichtig ist es außerdem, den Kadaver möglichst lange verborgen zu halten, was eine Identifizierung erschweren und etwaige Versäumnisse bei der Spurenvermeidung kompensieren könnte. Im Idealfalle würde man die Überreste erst am Sankt-Nimmerleins-Tag entdecken und keine Rückschlüsse mehr daraus ziehen können. Meinetwegen sollten sie ihn doch auf dem Friedhof der Namenlosen gleich um die Ecke vom Lale-Andersen-Haus verscharren. An Verstecken, die mir einen möglichst großen zeitlichen Vorsprung verschaffen würden, kamen verschiedene in Betracht. Vor allem hatte ich mehrere Sielgräben im Kopf, was den Vorteil mit sich brächte, dass im Wasser etwaige Spuren vernichtet werden könnten. In Frage wären auch einige Stellen im Naturschutzgebiet gekommen, die eine Entdeckung auf absehbare Zeit unwahrscheinlich erscheinen ließen.

Alle Ablageorte hatten allerdings eines gemeinsam: Sie bedingten die Vorhaltung entsprechender Transportkapazitäten, etwa in Gestalt eines Bollerwagens oder Fahrradanhängers, an denen vielleicht Spuren zurückbleiben könnten. Auch könnte sich ein Vermieter vielleicht erinnern, wem er die Karre überlassen hatte.

Zeit und Ort, möglichst nachts und abgelegen, waren ebenfalls wohl abzuwägen, zumal sich bei der Vermeidung frühzeitiger Entdeckung oder gar Identifizierung potentielle Zeugen überaus störend auswirken können. Und dann kam es natürlich auch noch auf ein passendes Werkzeug an. Abgesehen von der Ermangelung dafür erforderlicher körperlicher Kräfte, würde er sich wohl kaum freiwillig von mir hinterrücks den Hals umdrehen lassen. Mit dem Messer war es mir ja schon in meiner Jugend nicht gelungen, ihn zur Hölle zu schicken, und ein Schießinstrument, mit Schalldämpfer zur Vermeidung unliebsamer Aufmerksamkeit, gehörte leider nicht zu meinem Urlaubsgepäck. Ich würde also wohl gezwungen sein, ihm irgendwie den Schädel einzuschlagen, wobei es eines gewissen Überraschungsmomentes bedurfte, da er mich wohl kaum mit einem Beil in der Hand nahe genug an sich heranlassen würde.

Schließlich müsste ich dann auch noch die Gelegenheit abwarten, zu der alle wohlbedachten Faktoren optimal zueinander passten.

Es ist gar nicht so einfach, jemanden um die Ecke zu bringen, wenn man dafür nicht belangt werden will.

Während ich solchermaßen grübelte, diverse Pläne machte und wieder verwarf, wurde ich mehr und mehr von Zweifeln geplagt.

Nein, nicht an der Tat als solcher. Einem Verbrecher das Licht auszuknipsen ist ja an sich eine sehr moralische Angelegenheit. Ich berufe mich in dieser Hinsicht auf den berühmten englischen Schriftsteller Graham Greene und seine Romane `Der stille Amerikaner´ und `Der dritte Mann´, in denen die Protagonisten ja auch ihre persönliche Rache mit dem Wohl der Allgemeinheit verknüpfen.

Leider hat dieser Gedanke bisher nicht Eingang in die Rechtsprechung gefunden.

Ich hegte vielmehr Bedenken, ob es mir tatsächlich gelingen würde, unentdeckt und folglich unbehelligt zu bleiben, denn ehrlich gesagt, war er es mir nicht wert, seinetwegen mindestens fünfzehn Jahre lang gesiebte Luft zu atmen, nur noch Schwerverbrecher als Gesellschaft zu haben und danach für den Rest meiner Tage auf Kosten des Sozialamtes in einem Wohn-Schlaf-Klo vor mich hinzuvegetieren.

Sollte ich also die Angelegenheit einstweilen vertagen oder gänzlich davon Abstand nehmen?

Erst einmal musste ich ihn weiter beobachten, um nicht unangenehm überrascht zu werden. Man konnte ja nie wissen, was er sich so alles einfallen lassen würde.

Es war die Zeit, zu der sie meistens von ihren Bootsausflügen zurückgekommen waren. Als ich im Hafen ankam, sah ich gerade noch, wie er auf dem Rad davonfuhr. Vielleicht waren sie ja diesmal früher zurückgekehrt oder sein Kumpan war bereits vorausgefahren. Ich wollte mir dies zu Nutze machen und sehen, ob ich auf dem Boot etwas entdecken könnte.

Ich wartete, bis es zu dämmern begann. Im Hafen war nichts mehr los. Das Café hatte schon lange geschlossen. In der anderen Gaststätte war kaum noch Betrieb. Insgesamt konnte ich damit rechnen, dass ich beim Betreten der verzweigten Steganlage niemandem sonderlich auffallen würde.

Das Boot und seinen Liegeplatz hatte ich dank meines mitgeführten Feldstechers mühelos ausfindig gemacht und konnte so schnurstracks meinem Ziel entgegenstreben, als gehörte es zu meiner täglichen Routine, mich auf den schwankenden Gitterrosten zu bewegen. Mit einem kleinen Sprung betrat ich das am Steg vertäute, schwankende Gefährt. Auf den ersten Blick war nichts Besonderes zu entdecken. Die Kabinentür war nicht abgeschlossen, aber ich dachte nicht weiter darüber nach, sondern ging ohne weiteres unter Deck und begann im Lichte meiner Taschenlampe, den Kahn zu durchsuchen. Außer ein paar Getränken förderte ich leider nichts zutage, jedenfalls keine Erkenntnisse darüber, was die beiden auf ihren Touren unternommen haben könnten. Hatte ich mich vielleicht doch in ihnen getäuscht? Hatte mich die Fülle meiner schlechten Erfahrungen zu einem misstrauischen Misanthropen gemacht? Enttäuscht und entmutigt trat ich den Rückzug an.

Am Rande des Achterdecks lag nur eine wie achtlos hingeworfene Persenning. Ich schenkte ihr keine Beachtung und wandte mich zurück, um das Boot wieder zu verlassen. Dabei muss ich wohl über irgendetwas gestolpert sein und schlug rücklings auf die Plane. Zum Glück war ich weich gefallen und hatte mich nicht verletzt. Beim Aufrappeln und Abstützen mit meinen Händen spürte ich etwas Weiches unter der Abdeckung. Als ich sie ein wenig zur Seite schob, kam eine Hand zum Vorschein.

Blitzartig fuhren mir die absurdesten Gedanken durch den Kopf. Ich stand auf einem fremden Wasserfahrzeug und hatte soeben einen Toten angefasst. Musste man da nicht vermuten, dass ich etwas mit dessen Ableben zu tun hatte? Er könnte den illegalen Eindringling, also mich, überrascht haben und von ihm, also von mir, abgemurkst worden sein. Wenn sich dann noch meine Vermutung bewahrheiten sollte, dass es sich um den langjährigen Komplizen handelte, könnte man daraus ein astreines Motiv konstruieren. Nicht etwa Totschlag oder Körperverletzung mit Todesfolge im Zuge einer Auseinandersetzung, sondern vorsätzlicher Mord, denn ich hatte ja zur Vermeidung von Spuren extra Latexhandschuhe und Plastiküberzüge über meinen Schuhen getragen. Wenn man mich hier entdeckte, war ich geliefert. Voller Panik wollte ich zurück auf den Steg, um das Weite zu suchen.

„Nicht so eilig, du Loser. Hast wohl gedacht, ich hätte nicht bemerkt, wie du mir hinterhergeschnüffelt hast. Sherlock Holmes für Arme! Da hättest du schon früher aufstehen müssen, du Anfänger. Was wolltest du eigentlich auf meinem Boot? Hast du gedacht, du könntest hier etwas finden, du Einfaltspinsel? Du musst mich ja für ziemlich dämlich halten.“

Ich war wie gelähmt, brachte kein Wort heraus. Nein, dämlich war allenfalls ich gewesen, als ich gedacht hatte, ich könnte es mit ihm aufnehmen, mich endgültig von ihm befreien. Stattdessen war ich ihm auf den Leim gegangen und saß nun mitsamt Leiche in einer Falle, aus der es kein Entrinnen mehr gab.

„Für so doof habe ich dich nicht gehalten. Ich bin dir regelrecht dankbar, dass du es mir so einfach gemacht hast. Als ich dich gleich am ersten Tag bemerkt habe, da wusste ich sofort, dass ich diesmal nicht mehr würde mit diesem Schwachkopf teilen müssen. Eigentlich wollte ich heute Nacht mit auflaufender Flut auslaufen und den Simpel auf hoher See einfach über Bord kippen. Die Mühe kann ich mir jetzt sparen. Es wird aussehen, als habe ich dich überrascht. Du hast ihn abgemurkst und ich habe dich erschossen, als du auch mich umbringen wolltest. Besser hätte es gar nicht für mich laufen können. Und jetzt dreh dich um, ich kann dir ja schlecht aus Notwehr in den Rücken schießen. Das nehmen mir nicht einmal diese Torfköppe von Bullen ab.“

Aus und vorbei. Das war das Ende. Aber wenigstens endete so auch mein verpfuschtes Leben. Unfähig mich zu bewegen blieb ich wie angewurzelt stocksteif stehen.

„Tja, das hast du nun davon, dass du dir immer als etwas Besseres vorgekommen bist. Meinst du etwa, ich hätte nicht gewusst, wie ihr in euren Neubauwohnungen über uns aus der Arbeitersiedlung gedacht und geredet habt? Hast dir wohl etwas darauf eingebildet, dass du aufs Gymnasium gehen durftest? Und was nutzt dir das jetzt? Was meinst du, soll ich mit dir die Krabben füttern, während ich mich mit den Klunkern absetze?“

Dieser Art von Seebestattung konnte ich beim besten Willen nichts abgewinnen. Ein richtiges Grab hätte ich ja schon gerne gehabt. Aber hatte ich denn eine Wahl?

„Na, es verschlägt dir wohl die Sprache?“

Irgendwie hatte ich eine Blockade zwischen Großhirn und Kehlkopf. Auch die Auftragsübermittlung an Hüfte und Beine schien mir gestört zu sein.

„Auch wenn du die Hosen voll hast, du Schisser, ich habe schließlich nicht ewig Zeit.“

Ich hörte ihn näherkommen. Na gut, es musste wohl sein. Es half ja nichts. Ich fuhr herum, um mich dem Unvermeidlichen zu stellen.

Im nächsten Augenblick hörte ich einen Schlag, dann einen Aufprall. Ich musste ihn wohl im Umdrehen mit meinem Feldstecher, der immer noch an meinem Handgelenk baumelte, erwischt haben. Er war mit dem Kopf gegen die Reling geprallt und hatte seine schwarze Seele ausgehaucht.

Nun hieß es, wieder einen klaren Kopf zu bekommen und ihn zu bewahren. Zunächst nahm ich seine Pistole an mich. Dann durchsuchte ich seine Taschen und steckte den Schlüssel zu seinem Ferienhaus ein.

Bevor ich mich aus dem Staub machte, warf ich noch einen Blick unter die Plane auf den von ihm ermordeten Kumpanen. Das Loch in dessen Hinterkopf war eindeutig. Ich wischte die Pistole an seiner Jacke ab, drückte sie ihm in die Hand und krümmte seinen Finger um den Abzug. Danach schraubte ich den Schalldämpfer ab. Da niemand die Schüsse gehört hatte, mussten die Bullen wohl zu dem Ergebnis kommen, der Mord sei nicht im Hafen sondern draußen auf See geschehen, also zu einem Zeitpunkt, den man mit mir nicht in Verbindung bringen konnte, weil ich kurz zuvor noch meinen Kurbeitrag am Schalter entrichtet hatte.

Jetzt musste ich nur noch irgendetwas arrangieren, über das er hätte gestolpert oder ausgerutscht sein können, wie zum Beispiel den kleinen Kanister mit Maschinenöl. Ich öffnete ihn und kippte ihn zu seinen Füßen so um, dass seine Sohlen benetzt wurden. Es sah so aus, als sei er darüber gestolpert, habe ihn umgerissen und sei dann auf der schmierigen Flüssigkeit ausgerutscht.

Halt. Es könnte vielleicht unglaubwürdig wirken, dass jemand noch im Fallen krampfhaft eine Pistole in der Hand hält. Ich ergriff seinen Unterarm und schlug ihn gegen die Bordwand, so dass ihm der Schießprügel aus der Hand fiel. Alles andere würden das aufziehende Wetter und die Bewegungen des Bootes durch die Gezeiten für mich erledigen.

Geschafft! Ich gelangte glücklich unbemerkt wieder an Land und in mein Zimmer, wo ich meine Koffer packen wollte, um mit der Vormittagsfähre das Weite zu suchen, noch bevor die Kadaver der Verbrecher entdeckt werden würden.

Meinetwegen konnten ruhig die allgegenwärtigen Möwen sein Aas fressen.

Doch hatte er nicht etwas von Klunkern gesagt, die er nicht mit seinem Kumpanen hatte teilen wollen? Wenn er dafür gemordet hatte, musste es sich um eine große Sache handeln, die sie erbeutet hatten. Da ich auf dem Boot nichts entdeckt hatte, konnte die Sore nur in seiner Unterkunft zu finden sein. Vielleicht war für die Wiederbeschaffung ja sogar eine Belohnung ausgesetzt, die mir in meiner Lage zu Pass gekommen wäre. Ich musste ja nicht so dumm sein zuzugeben, dass ich sie aus seiner Bude hatte mitgehen lassen. Schließlich könnte ich sie zufällig irgendwo gefunden haben.

Das Haus lag abseits, was mir die Suche insofern erleichterte, als ich das Licht anschalten konnte, ohne von jemandem bemerkt zu werden. Es dauerte gar nicht lange, bis ich das kleine, in dicker Folie verpackte Paket fand. Seinen Inhalt konnte ich ja später noch prüfen.

Jetzt aber schnell zurück und alles für meine Abreise vorbereitet. Latexhandschuhe, Duschhaube, Überschuhe und alles, was ich am Tatort getragen hatte, stopfte ich in einen Sack, um ihn zuhause in die Müllverbrennungsanlage zu geben.

Den Hausschlüssel, den Schalldämpfer und leider auch meinen Feldstecher, an dem sich vielleicht noch winzige Spurenreste hätten befinden können, ließ ich nach und nach von Bord der Fähre fallen. Sie verschwanden auf Nimmerwiedersehen im schlickigen Grund des Wattenmeeres.

Als ich zuhause das Paket öffnete, wurde mir schlagartig klar, warum ich aus den Medien nichts über einen spektakulären Juwelenraub hatte erfahren können.

Statt der erhofften Pretiosen, die ich gegen einen ansehnlichen Finderlohn oder eine Prämie der Versicherung ganz einfach hätte abliefern können, kam ein klimpernder Haufen zum Vorschein, der aussah wie Kristallgläser, die sich mit einer Planierraupe angelegt hatten.

Wenn es wirklich das war, wofür ich es hielt, dann hatte ich jetzt nicht nur ein Problem.

Nicht nur, dass eine erhebliche Einfuhrumsatzsteuer anfiele, was zu verschmerzen wäre, der Besitz ohne Nachweis der Herkunft sollte unter Strafe stehen, wie ich einmal gehört hatte. Zwar wusste ich das nicht so genau, aber ein Risiko einzugehen kam für mich nicht in Frage. Ich hatte keine Ahnung, warum das so sein sollte; wahrscheinlich um das Monopol von De Beers abzusichern. Händler für das Zeug gab es nicht an jeder Ecke, schon gar nicht solche, die nicht viele Fragen stellten. Abgesehen davon, dass ich niemanden Einschlägigen kannte, war ich viel zu ängstlich, mich in die Hand zwielichtiger Elemente zu begeben, bei denen man froh sein konnte, wenn sie den Begriff Halsabschneider nicht wörtlich nahmen.

Außerdem musste ich auf der Hut sein, denn die Kriminellen, bei deren schmutzigen Geschäften der zur Hölle Gefahrene die Kohlenstoffklumpen gewissermaßen abgezweigt haben musste, würden nichts unversucht lassen, wieder in den Besitz ihres unrechten Gutes zu gelangen.

Also beschloss ich, erst einmal Gras über die Sache wachsen lassen. Kommt Zeit, kommt Rat.

Nach endlosen schlaflos durchgrübelten Nächten fiel mir die Redensart ein, dass Frechheit nun einmal siege. Gewiss wäre es ziemlich dreist, zur Behörde zu gehen und den ganzen Klumpatsch frechweg als Fundsache zu deklarieren. Wenn ich ein herrenloses fremdes Eigentum ablieferte, so könnte mir keiner einen Herkunftsnachweis abverlangen. Den zu liefern wäre Sache des Eigentümers, so der sich denn innerhalb der gesetzlichen Frist melden sollte, was ich stark bezweifelte. Kein Gangster wird schließlich so dumm sein, sich selbst ans Messer zu liefern. Immerhin konnte ich mit Fug und Recht behaupten, dass ich es nicht war, der die Ware am Zoll vorbeigeschleust hatte. Besser noch, niemand könnte beweisen, dass es sich überhaupt um illegales Gut handelte und der einstweilen unbekannte Verlierer nicht alles ordnungsgemäß abgewickelt hatte. Ich wäre aus dem Schneider. Und sollte sich wider Erwarten doch jemand finden, der einen korrekten Eigentumsnachweis führen könnte, wäre mir immer noch ein beträchtlicher Finderlohn sicher.

Etliche Wochen mentaler Vorbereitung später fuhr ich nach Antwerpen. Der Wäschesack eines Hotels und eine Tageszeitung sollten wohl genügen, der Fundbehörde die Herkunft vorzugaukeln. Ein unbekannter Händler musste wohl die Ware bei einem Zwischenstopp auf dem Autobahnparkplatz verloren oder vergessen haben. Oder ob vielleicht jemand damit ein zweifelhaftes Geschäft mit anonymer Übergabe hatte abwickeln wollen? Handelte es sich gar um Lösegeld für ein Entführungsopfer, das ich anstelle der dunklen Empfänger aus dem Papierkorb gefischt hatte? Woher sollte ich das wissen?! Sollten sie doch spekulieren. Mir jedenfalls konnte man keinerlei Beteiligung an irgendwelchen illegalen Aktivitäten nachweisen.

Dann brauchte ich nur noch abzuwarten. Nach Ablauf der vorgesehenen Aufbewahrungsfrist blieb den Herrschaften nichts anderes übrig, als mich ganz offiziell zum rechtmäßigen Eigentümer zu erklären, mochten sie dabei noch so sehr mit den Zähnen knirschen.

Über den Preis, den ich erzielte, breite ich den Mantel des Schweigens aus. Nur so viel sei gesagt: Schon die Umsatzsteuerrückerstattung, die mir der Fiskus beim Verkauf an verschiedene ausländische Händler auszahlen musste, war beträchtlich und reichte aus, dass ich damit gut von den Erträgen leben konnte. Alles andere brachte ich in eine steuerbegünstigte Stiftung ein, als deren Geschäftsführer ich weiterhin Zugriff darauf hatte und mir selbst ein angemessenes Gehalt gewährte.

Im Gegensatz zum Grafen von Monte Christo nutzte ich mein unverhofftes Vermögen nicht dazu, mich an allen zu rächen, die mir übel mitgespielt hatten.

Soweit sich dazu Gelegenheit bot, ließ ich sie nur meine Verachtung spüren.

Abgesehen davon führe ich ein unauffälliges Leben. Ach wie gut, dass niemand weiß …

Später bin ich dann auch Greta noch einmal begegnet, als ich eine Angestellte suchte, die mir das Tagesgeschäft abnahm.

„Alle Achtung, was aus dir geworden ist, Jan. Tja, wer hätte das gedacht …“

„Nein Greta, wer mir vertraut und zu mir gestanden hätte …“

Tochtervatermann

„Und lass dich von Cee nicht wieder um den Finger wickeln. Sie weiß ganz genau, dass ich es ihr verboten habe, sich piercen zu lassen oder gar tätowieren.“

„Du traust mir also nicht einmal mehr zu, auf meine Mädels aufzupassen!“

„Ich traue dir eine ganze Menge zu. Und wie gut du auf meine Kinder Acht gibst, haben wir ja gesehen. Wenn du an den Kindern nur halb so viel Interesse gehabt hättest, wie an deinem so genannten Beruf, hätten wir den Jungen nicht verloren.“

„Wenn dir die Mädchen so am Herzen lägen, hättest du sie ja nicht zurücklassen müssen, während du mit deinem neuen Stecher in Honolulu rumturtelst. Klar, dabei stören die beiden ja auch.“

„Er liebt die beiden genauso wie mich.“

„Na, hoffentlich nicht.“

„Du bist geschmacklos und unsachlich! Wir fliegen auch nicht nach Honolulu sondern nach Kalifornien und auch nicht zum Vergnügen, sondern weil dort dringende Verpflichtungen wahrgenommen werden müssen. Die Termine standen fest und richteten sich nun einmal leider nicht nach unseren Schulferien.“

„Wenn es dir wichtig gewesen wäre, hättest du ein paar Wochen später fliegen können.“

„Das wäre mich sehr teuer zu stehen gekommen.“

„Als ob du das auf einmal nötig hättest! Und dass ich ziemlich pleite bin, weißt du doch selbst. Leider habe ich nicht so einen tollen Job wie dein neuer Lover. Und außerdem hätte er ja auch alleine fliegen können. Aber wahrscheinlich traust du ihm auch nicht über den Weg, so krankhaft eifersüchtig wie du bist.“

„Er ist nicht solch ein Fremdgänger wie du.“

„Ich habe dich nicht ein einziges Mal betrogen.“

„Weil sie dich hat abblitzen lassen. Und ausgerechnet mit meiner Freundin rumzumachen, typisch.“

„Ich und diese Kuh?! Ich leide doch nicht an Geschmacksverirrung! Außerdem ist sie lesbisch und hat die Geschichte nur erfunden, weil sie dich für sich haben wollte und die Kinder als Draufgabe.“

„Es gab immerhin Zeugen für deine Eskapaden.“

„Klar, ihren Arschfickfriseur und seine Lakaien.“

„Du bist vulgär.“

„Ich bin eben nur ein einfacher Mann. Früher hat dich das nicht gestört. Im Gegenteil, du fandest es chic, deine abgehobene Mischpoke mit mir zu provozieren.“

„Du warst ganz gut im Bett.“

„Ich habe dich geliebt, aber du wolltest nur einen Affen, den du dressieren konntest.“

„Aber das Haus und den Sportwagen hast du gerne mitgenommen.“

„Ich hätte den ganzen Scheiß nicht gebraucht. Aber du wolltest ja unbedingt bei deinen Schickimickihohlköpfen angeben, mein Haus, mein Auto, meine Badewanne, meine tollen Kinder; und mein Proll, der nach meiner Pfeife tanzt. Und jetzt, wo du unsere Familie kaputtgemacht hast, sind dir die Kinder lästig.“

„Das stimmt nicht. Sie sind das Liebste, was ich habe. Wenn ich eine andere Lösung hätte, als sie ausgerechnet so einem irren Typen wie dir anzuvertrauen, würde ich sie nicht bei dir lassen. Und wer die Familie kaputt gemacht hat, das steht ja wohl fest, nämlich du. Schon peinlich genug, dass du auf die Idee kommen konntest, mir vor allen Leuten den Wagen auf das Boot zu knallen. Aber dass du dabei auch noch meinen kleinen Schatz umgebracht hast, dafür hasse ich dich.“

„Die Kinder hatten wie immer vergebens auf dich gewartet, weil dir deine Freunde wieder einmal wichtiger waren als die Familie. Ich wollte dich eigentlich nur heimholen. Aber als ich dich dann gesehen habe, wie du mit diesen widerlichen Typen rumgemacht hast, statt an die Kinder zu denken, da ist mir einfach die Sicherung durchgebrannt. Ich hatte doch keine Ahnung, dass sich der Kleine hinten drin versteckt hatte, weil er mit zu dir wollte.“

„Du hast ja gar keine Ahnung, was für gesellschaftliche Verpflichtungen an mir klebten. Wegen des Kleinen könnte ich dich umbringen, aber die Vergnügungssteuer ist mir einfach zu hoch.“

„Wenn die Mädchen nicht wären, hätte ich dich umgebracht.“

„Wenn den Mädchen etwas passiert, werde ich dich umbringen, ganz egal, was dann mit mir geschieht.“

„Sei unbesorgt, das Vergnügen gönne ich dir nicht. Und gib auf dich Acht, die Mädels brauchen dich gerade jetzt viel mehr als ihren Vater.“

Die Kinder kannten meine Wohnung noch nicht, die ich nach der Trennung von Cor(delia) bezogen hatte. Ich hatte sie über ein Jahr lang nicht gesehen, weil Cor gefunden hatte, es sei ihr nicht zuzumuten, mir zu begegnen, wenn ich die Kinder abholte oder brachte. Man hatte mir eine hohe Geldstrafe aufgebrummt, aber immerhin war ich so um die Erfahrung eines Knastaufenthaltes herumgekommen. Dafür war ich ziemlich pleite und konnte mir nichts Besseres leisten, als die drei kleinen Zimmer. Mir hätte auch ein Appartement gereicht, aber für meine Arbeit benötigte ich einen eigenen Raum, und ein Zimmer hatte ich vorgesehen, weil ich hoffte, Cor werde mir vielleicht doch die Mädels ab und zu überlassen. Der Gedanke an meine beiden Mädchen war das einzige, das mich nach dem von mir verschuldeten Tod unseres Sohnes aufrechterhalten hatte.

„Wohnst du jetzt immer hier, Papa?“

„Ja, Schatz.“

„Warum magst du denn nicht mehr bei uns wohnen? Unser Haus ist doch viel schöner.“

„Ich weiß, Vicky, aber ich habe etwas sehr Schlimmes gemacht und deshalb hat mich die Mama nicht mehr lieb. Und wenn man sich nicht mehr lieb hat, dann kann man auch nicht mehr zusammen wohnen, weil man sich sonst immerzu zankt und traurig ist. Möchtest du, dass die Mama traurig ist? Das wäre doch nicht schön.“

„Bist du auch traurig? Du könntest doch bei Cee oder bei mir wohnen statt bei Mama. Oder hast du uns auch nicht mehr lieb?“

„Doch, sogar sehr. Und deshalb freue ich mich, dass ihr mich besucht, solange Mama nicht da ist.“

„Nur über meine Leiche. Diese Asigegend ist ja nicht zum Aushalten. Wie soll ich da meine Freunde empfangen?!“

„Also, ich bin gerne bei Papa.“

„Was verstehst du denn schon davon!“

„Deine Schwester hat ganz Recht. Der Wedding liegt nun mal nicht am Wannsee. Es ist nicht wichtig, wo wir sind, sondern dass wir zusammen sind. Je eher du dich damit arrangierst, desto besser.“

„Und wo ist mein Zimmer in dieser Bruchbude?“

„Ich habe nur dieses. Du wirst es mit deiner Schwester teilen müssen.“

„Ist ja ätzend. Dauernd mit dieser Nervensäge und keinerlei Privatsphäre.“

„Papa, was ist eine Privatsphäre?“

„Wenn man auch mal ungestört sein kann, weil man über etwas nachdenken möchte oder telefonieren, ohne dass jemand mithört oder mitbekommt, was man gerade tut.“

„Wie wenn Cee mit ihrem neuen Freund knutscht?“

„Petze!“

„Ich wusste gar nicht, dass du überhaupt schon einen Freund hast.“

„Na und?“

„Na hör mal, ich bin schließlich dein Vater. Du bist erst fünfzehn, da werde ich mich doch wohl dafür interessieren dürfen, wie und mit wem du deine Zeit verbringst.“

„Das geht dich gar nichts an. Und hierhin werde ich ihn schon gar nicht mitbringen. Da geht ja jeder anständige Typ laufen.“

„Soll er doch. Wenn er nur an dir interessiert ist, wenn ihr in einer chicen Villa wohnt, ist er genauso ein Hohlkopf wie die Freunde deiner Mutter. Der Apfel fällt eben nicht weit vom Pferd.“

„Vom Stamm heißt das, Papa!“

„Ich weiß, Vicky-Schatz. Aber das, was ein Pferd hinten fallen lässt, nennt man auch Apfel.“

„Pferdekacke?“

„Ich verstehe gar nicht, wie Mama es die ganze Zeit mit dir ausgehalten hat!“

„Weil du vielleicht auch nicht weiter denkst als ein Schwein scheißt. Wenn Mama es nicht mit mir ausgehalten hätte, dann gäbe es nämlich dich und deine Schwester gar nicht. Aber das ist wohl zu hoch für dich.“

„So blöd bin ich nicht, dass ich noch an den Storch glaube. Das Märchen kannst du vielleicht der kleinen Ratte erzählen, aber nicht mir.“

„Du bist so gemein, Cee! Und außerdem weiß ich schon lange, dass die Babys nicht vom Storch kommen. Störche sind doch nur im Sommer hier, aber Babys gibt es das ganze Jahr über.“

„Ha, ha. Werde du erst mal erwachsen, ehe du über so etwas mitreden kannst!“

„Ich weiß genau, dass die Babys von Mama und Papa bestellt werden, wenn sie sich lieb haben.“

„Klar, du hast voll den Durchblick.“

„Jetzt hör endlich auf, hier rumzuzicken! Deine Schwester kann ebenso wenig dafür wie ich, dass eure Mutter verreist ist.“

„Ich bleibe jedenfalls nicht hier in diesem Loch.“

„Es wird dir gar nichts anderes übrig bleiben. Eure Haushälterin hat Urlaub, du hast kein Geld. Und wenn du dein Taschengeld weiterhin beziehen möchtest, dann wirst du dich anständig aufführen, solange ihr bei mir seid. Dazu gehören Zimmeraufräumen, Einkaufen und Abwaschen.“

„Nicht mal ´ne Spülmaschine? Ist ja voll Steinzeit.“

„Und jetzt werdet ihr eure Sachen einräumen, wobei du Vicky hilfst. Und wenn ihr damit fertig seid, gehen wir alle zusammen eine Pizza essen.“

„Au ja, Papa, darf ich auch Schpagettis mit Polonaise haben?“

„Das heißt Spaghetti Bolognese und ist voll eklig mit klein gehacktem totem Schwein unter der Tomatensauce.“

„Du brauchst es ja nicht zu essen.“

„Cee isst kein Fleisch mehr.“

„Seit wann das denn?“

„Seit ich weiß, wie die Tiere dafür gequält werden.“

„Papa, was ist ein Wegetanier?“

„So ein Spinner, der den Ziegen das Gras wegfrisst.“

„Und außerdem ist es viel gesünder ohne die ganzen tierischen Fette.“

„Dafür gibt es im Salat dann jede Menge Nitrit, Pestizide und lauter so´n Scheiß.“

„Nicht wenn man im Bioladen kauft.“

„Vorausgesetzt sie betuppen dich nicht. Man weiß ja nie, woher die ihr Zeugs beziehen. Außerdem muss man es sich auch leisten können.“

Victoria hatte mir einen Gutenachtkuss gegeben und war friedlich eingeschlafen. Früher hatte ich die Kinder oft ins Bett gebracht. Cecilie hatte den ganzen Abend rumgenörgelt und mir die Wiedersehensfreude gründlich verdorben. Wenn das so weiterging, konnte es spaßig werden. Damals, als wir noch eine Familie waren, war alles einfacher gewesen. Wenn es ein Problem mit den Kindern gab, konnte ich immer Cor fragen. Aber jetzt war ich allein für meine beiden Mädels verantwortlich und hatte keine Ahnung, wie ich mit einem kleinen aufgeweckten Mädchen und einem pubertierenden Teenager umgehen und dazu noch meinen Job machen sollte, ohne dass mir die Kinder aus dem Ruder liefen.

Ich goss mir einen doppelten Martini ein und trank auf die verlorene Zeit. Obwohl, saufen konnte ja auch keine Lösung sein.

Morgens musste ich Victoria zur Schule bringen und mittags wieder abholen. Cecilie hatte sich geweigert, diese Aufgabe zu übernehmen und alleine konnte ich meine Kleine ja schlecht mit der U-Bahn quer durch die Stadt fahren lassen.

Cecilie hingegen weigerte sich beharrlich, in mein Auto einzusteigen. Na gut, dann sollte sie eben zusehen, wie sie zur Schule, wieder zurück, zum Ballettunterricht, zum Tennis oder wohin auch immer kam. Meine kleine Victoria ließ sich gerne von mir zum Flötenunterricht oder zum Reiten chauffieren.

Meine Tage waren ziemlich ausgefüllt. Ich kam kaum noch zum Arbeiten. Drei Wochen vor Beginn der Schulferien stürzte Victoria von ihrem Pony und brach sich ein Bein. Cecilie hatte zwischenzeitlich meinen Laptop mit Beschlag belegt, um ganz dringende E-Mails zu checken, mit irgendwelchen mir unbekannten Freunden zu chatten und für ein Referat in der Schule zu recherchieren. Als ich wieder an die Kiste durfte, war leider das gesamte Recherchematerial für meinen Artikel ebenso verschwunden wie dessen mühsam erstelltes Grundgerüst.