Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Ein Bremer Politiker wird ermordet. Der Journalist, der ihn zuletzt besucht hat, um ein Interview mit ihm zu machen, kommt der Polizei als Verdächtiger gerade recht.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 239
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Tod eines Sesselfurzers
von
Jürgen Alberts
Impressum:
Cover: Karsten Sturm, Chichili Agency
Foto: fotolia.de
© 110th / Chichili Agency 2014
EPUB ISBN 978-3-95865-063-3
MOBI ISBN 978-3-95865-064-0
Urheberrechtshinweis:
Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Autors oder der beteiligten Agentur „Chichili Agency“ reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Ein Bremer Politiker wird ermordet. Der Journalist, der ihn zuletzt besucht hat, um ein Interview mit ihm zu machen, kommt der Polizei als Verdächtiger gerade recht.
»Der Beamte dient dem ganzen Volk, nicht einer Partei. Er hat bei seiner Amtsführung auf das Wohl der Allgemeinheit Bedacht zu nehmen.
Der Beamte trägt für die Rechtmäßigkeit seiner dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung.
Der Beamte darf auch nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, Belohnungen oder Geschenke in Bezug auf sein Amt nur mit Zustimmung seines gegenwärtigen oder letzten Dienstherren, annehmen.«
Aus den §§ 35, 38 und 43 des Beamtenrechtsrahmengesetzes
»Warum darf der deutsche Beamte nur noch dreilagiges Toilettenpapier benutzen?«
Klaus Waterman war seinem letzten eisernen Grundsatz untreu geworden: mit besoffenem Kopf keinen Geschlechtsverkehr nach zwei Uhr morgens. So war es ihm mit allen eisernen Grundsätzen gegangen. Ob es sich um das Schwarzfahren, die Verweigerung der Atomsteuer oder die Essensaufnahme bei McDonalds handelte. Der Hamburger hatte ganz entgegen seiner Erwartung passabel geschmeckt.
Das Bett ließ nichts zu wünschen übrig. Zwei mal zwei Meter Erotik in glänzender Seide, schwarz die Unterseite, weiß der obere Bezug. »Wo ich arbeite, tut nichts zur Sache!« hatte die Frau mit den großen Brüsten geantwortet. Leider war sie schon verschwunden. Ein Replay am nächsten Morgen konnte etwas sehr Angenehmes haben. Wie hieß sie eigentlich? Diese Frage wusste Waterman zur Hälfte zu beantworten: Irene.
Seitdem seine Beziehung zu Beate ihren tiefsten Tiefpunkt erreicht hatte, war sie aus der Wohnung ausgezogen. Beate wollte mit ihrem Klaus nur Höhepunkte erleben, nur Sonntage mit Frühstück im Bett und Sex unter der Dusche und Urlaub in exotischen Ländern. Jetzt lebte sie mit einem festangestellten Redakteur des heimischen Rundfunksenders zusammen. Sie hatte sich verbessert, denn der Redakteur verfügte über eine Menge Sendezeit, von der Beate die eine oder andere Stunde füllen durfte. Klaus Waterman war auf der Strecke geblieben. Er schlug die gut riechende Bettdecke zurück und sah sich in der fremden Wohnung um. Ihm stellten sich mehrere Fragen, auf die er mehrere Antworten geben konnte. Wie sind wir hierhergekommen? Wer hat wen abgeschleppt? Wo bin ich überhaupt? Nach dem heftigen
Aufeinandertreffen mit Moor hatte es ihn in die Kneipe gezogen. Soviel konnte er rekonstruieren. Dann kam der Filmriss.
Er blickte auf den Schreibtisch, der aus Plexiglas war, mit Chrom verziert. Säuberlich aufgereiht standen in silbernen Rahmen Fotos: Männer, bärtige, bartlose, schmale und breite, meist lächelnde Gesichter. Irene schien sich der Vielmännerei hinzugeben. Haben wir ein Kondom benutzt? Auch auf diese Frage gab es zwei Antworten.
Klaus Waterman wachte lieber in seiner eigenen Wohnung auf. Dennoch war die Erkundung nicht ohne Reiz. Er nahm einen der geöffneten Briefe in die Hand und las die Zeilen. Es war ein Mahnschreiben von Irenes Mutter, sich doch endlich mal wieder blicken zu lassen. Er steckte den Brief in den Umschlag und platzierte ihn so, wie er gelegen hatte.
»Du bist zwar nicht mein Typ, Klaus, aber irgendwas gefällt mir an dir.« Dieser Satz Irenes kam ihm jetzt in den Sinn. Hatte sie ihn noch in der Kneipe gesagt oder schon in ihrer Wohnung?
Das Telefon klingelte.
Waterman stand nackt und ziemlich unentschlossen vor dem modernen Tastengerät. Das Micky-Mouse-Modell der Bundespost.
Wenn ich abnehme und es ist für Irene, wird es ihr nicht recht sein, dachte er, bevor er den Hörer ergriff.
»Ich sollte dich um zehn Uhr wecken«, sagte eine ihm vertraute Stimme.
»Meine innere Uhr war pünktlich«, erwiderte Waterman.
»Und?«
»Was und?«
»Was machst du gerade? Schnüffelst du in meiner Post rum?« Irenes Stimme klang nach zwanzig französischen Zigaretten.
»Nein, nein. Ich muss gleich los. Darf ich noch duschen?«
Waterman kratzte sich am Schamhaar. Irgendwie die Sünde der Nacht loswerden, etwas Wasser der Genügsamkeit.
»Fühl dich wie zu Hause! Ich hab zwei Bitten: Erstens hätt ich gerne ein Foto von dir mitsamt Adresse, und zieh die Wohnungstür fest hinter dir zu, sie klemmt meistens. Ich will nicht nach Hause kommen und dann die Polizei rufen müssen.«.
Waterman versprach beides und legte auf. Diese Disney-Figur, die mit verschiedenen Stimmen sprechen konnte, schaukelte hin und her. Er durfte nicht zu lange darauf schauen, sonst wurde ihm schwindlig. Dann tauchten neue Fragen auf. Wo ist meine Mappe mit den Unterlagen? Wo sind Socken, Unterhose, Autoschlüssel? Wer hat den Bierdeckel in der Kneipe bezahlt?
»Memmert« war eine von jenen Kneipen, die sich nie veränderten, nur die Besitzer wechselten im Laufe der Jahre. Waterman besuchte diesen Szenetreff häufig. Die Kneipe verfügte über eine Stammkundschaft, die ihr unverbrüchlich treu blieb. Ein Uni-Professor hatte seine Wohnung in die Nähe dieser Kneipe verlegt, damit der Nachhauseweg kürzer war. Ein Schauspieler ohne Engagement saß immer in derselben Ecke und sprach von großen Rollen, die er noch spielen würde. Ein Journalisten-Kollege berichtete, meist ungefragt, von dem großen Scoop, der ihm entgangen sei, er dürfe seinen Enkeln nie davon erzählen, sonst würden sie ihn nicht mehr ansehen. Er war jedoch nicht mal verheiratet. Der jetzige Wirt liebte die Nachtstunden. Er kam erst nach eins in seine Kneipe und löste die letzte Schicht ab.
Waterman genoss die Dusche, sie bot Genüsse von sechs verschiedenen Brausen. Haben wir uns noch mal verabredet? Habe ich irgendwas versprochen? Als was habe ich mich ausgegeben? Waterman wusste, was sie mit seinem Foto machen. wollte. Er wollte ihr keins schicken.
Der Journalist machte einen Plan und verwarf ihn wieder. Dann kam ein zweiter Plan, der auch keine Zustimmung fand. Am besten war es, er würde in eins dieser Frühstückscafés gehen und sich verwöhnen lassen. Mit der Arbeit konnte er auch am Nachmittag anfangen. Die zweite Folge der Serie musste abgeliefert werden. Da gab Grünenberg kein Pardon.
Es schellte Sturm.
Micky-Mouse war es nicht.
Waterman nahm sich das weiche Badetuch vom Haken und schlang es um den Körper. Gewohnheitsmäßig erwartete er den Postboten. Um diese Zeit klingelte er, wenn er mal wieder ein Päckchen nicht durch den Briefschlitz schieben konnte.
Waterman öffnete die Tür.
Die beiden Herren kannte er nicht.
»Fahndung, Kripo. Sind Sie Klaus Waterman?«
Der Journalist nickte. Verdutzt.
»Würden Sie sich bitte anziehen?«
»Ja, Moment, was ...« Klaus Waterman sah in zwei Paar Beamtenaugen, zwei Herren in Windjacken, nicht viel älter als er.
»Warum soll ich mitkommen?«
»Das wird Ihnen Hauptkommissar Dehmel mitteilen!“
»Kenne ich nicht!« erwiderte Waterman. Er spürte, wie das Badetuch ins Rutschen geriet. Waterman hielt es eine Weile krampfhaft, dann ließ er es fallen.
Der jüngere der beiden Herren starrte auf sein Glied. Der andere sagte: »Jetzt ziehen Sie sich an, aber ein bisschen plötzlich. Wir können auch anders.«
»Haben Sie einen Haftbefehl dabei?« fragte Waterman, der es genoss, unbekleidet der Ordnungsmacht entgegen zu treten. Das ersparte zumindest eine Leibesvisitation.
»Sie kommen jetzt mit. Hauptkommissar Dehmel wird Ihnen ...«
»Sie haben kein Recht«, unterbrach der Journalist den Fahnder. Der jüngere Kollege nahm das Badetuch vom Boden und hielt es Waterman hin. Der reagierte nicht.
»Wir haben den Auftrag, Sie vorzuführen, Herr Waterman. Mehr nicht. Wir erfüllen nur unseren Auftrag.«
»Das kann ich mir denken. Aber ich habe das Recht ...«
»Sie haben jetzt mitzukommen.«
Mit diesem Satz beendete der Fahnder die Kommunikation und wurde handgreiflich. Er drehte Waterman den rechten Arm auf den Rücken, schob ihn in die Wohnung. Der Jüngere stand Schmiere, nachdem er die Tür geschlossen hatte.
»Ich möchte meinen Anwalt anrufen.« Waterman zog den Beamten zum Schreibtisch, wo Micky-Mouse wartete.
»Können Sie alles, aber vom Revier aus. So viel Zeit haben wir nicht. Sie sind nicht der einzige faule Kunde ...«
Waterman versuchte, sich aus dem Polizeigriff zu befreien, aber je mehr er drückte, desto fester hielt ihn der Fahnder.
»Ich kann auch körperliche Zwangsmittel anwenden, wenn Sie es nicht anders wollen«, sagte der Mann, dessen hellblaue Windjacke mit einem Fallschirmspringer verziert war, »haben Sie schon mal versucht, sich in Handschellen anzuziehen? Das ist keine leichte Übung, was, Bonzo?« Er versicherte sich der Zustimmung seines Kollegen. Der Jüngere lachte.
»Wo sind Ihre Klamotten?« fragte er.
Dem Journalisten kam ein schlimmer Verdacht. Hatte Irene etwas mit dieser Festnahme zu tun, war ihr Anruf vorhin...
Der Fahnder bediente sein Walkie-Talkie. »Mac, bitte kommen, für Luchsi.«
»Hier Mac.«
»Wir haben ihn! Ist zwar noch nackt, aber bald kriegt er Silber! Sagst du Dehmel Bescheid, dass er die Fahndung abblasen kann. Ende, over.«
»O K. Luchsi, meldet euch, wenn ihr geliefert habt.«
Waterman beschloss, keinen Widerstand zu leisten. Er traute den beiden Polizisten zu, dass sie ihn sofort in die Mangel nahmen. Und er würde eine Anzeige von der Staatsgewalt kriegen. Immerhin waren sie zu zweit.
»Ihre Papiere«, sagte der Fahnder, der sein Sprechgerät wieder in der Windjacke verschwinden ließ. Jetzt sah Waterman die Dienstpistole, die am Gürtel angeschnallt war.
»Hab ich schon«, rief der Jüngere, dessen Gesicht den Journalisten an einen Bekannten erinnerte. Diese engstehenden Augen, die darüber zugewachsenen Brauen.
»Leg ihn in, Silber«, sagte der Fahnder, während er sich den Personalausweis besah. »Sie könnten auch mal das Kinderfoto im Ausweis auswechseln lassen.« Er lächelte jetzt, als sei die Zeit zum Scherzen gekommen.
Klaus Waterman schaltete auf stur. Kein Wort mehr. Seine Gedanken kreisten nur um den Moment, wenn er diesen beiden staatlichen Kriminellen die Rechnung für ihren Auftritt präsentieren würde. Schade, dass er keinen Zeugen hatte.
Zum ersten Mal Handschellen. Sie schnürten nicht besonders eng, weil Waterman schmale Gelenke hatte. Aber kräftigeren Tätern musste dieses Standardformat...
Als sie die Wohnung verließen, zog der jüngere Beamte die Wohnungstür fest zu, so dass sie ins Schloss rastete.
Waterman lief Spießruten.
Die Nachbarin von gegenüber sagte: »Den Mann kenn ich nicht. Aber diese Frau schläft ja mit allen.«
Auf der Straße hatte sich schon ein Grüppchen gebildet und diskutierte heftig. Als Waterman abgeführt wurde, rief einer: »Endlich ham sie den Dealer geschnappt. Wurde aber auch Zeit.«
Der Journalist sah, dass er seinen weißen Volkswagen-Käfer in der Nacht schräg eingeparkt hatte. Ziemlich schräg, diese letzte Nacht.
Die Fahrt zum Polizeipräsidium dauerte nicht lange. Die beiden Polizisten rauchten. Stumm. Im Autoradio die Elf-Uhr-Nachrichten. Von seiner Verhaftung brachten sie nichts.
Vor einigen Jahren war er Zeuge, als die Polizei einen Mann abführte. Sie traktierten ihn mit Schlägen, bis er in den Wagen einstieg. Er schrie laut. Niemand der Umstehenden griff ein. Niemand fragte, was los sei. Dieses verschüchterte Gesicht, das verstrubbelte Haar, der Mann war im Bademantel aus seiner Wohnung geholt worden. Der gebückte Gang. Jeder musste glauben, dass er schuldig war und die Polizisten sich im Recht befanden.
Es war dieses verdammte Gefühl der Ohnmacht, das in Waterman aufstieg, die Hilflosigkeit: Ihm war nicht ganz klar, welche Rechte er in dieser Situation hatte. Durften zwei Polizisten, die sich nicht einmal ausgewiesen hatten, ihn mit auf die Wache schleppen? Durften sie das in einer fremden Wohnung? Ihn wurmte, dass er sich nicht wehrte, dass er mit Handschellen auf der schmalen Rückbank des Wagens saß, hinter einem Drahtgitter.
Waterman wollte, ganz gleich, was nun mit ihm geschehen würde, als erstes mit seinem Rechtsanwalt telefonieren. Keine Frage beantworten, schon gar keine Aussage machen. Nur die Feststellung der Personalien war zulässig. Darüber hinaus kein Wort. Erst wenn er mit Rechtsanwalt Größer gesprochen hatte.
»War es schön bei der Frau?« fragte der Fahrider, während der Jüngere grinste.
Waterman sah aus dem Fenster. Sie fuhren den Wall hinauf, vorbei an den vornehmen Geschäften, die in der Stadtmitte das Flair einer Weltstadt kreierten. Zwei bis drei Straßen weit.
»Auch gut«, beantwortete der Polizist die Frage.
»Wenigstens ein letztes Mal anständig gefickt. Kann man nichts gegen haben, was?« Der jüngere stieß seinen Kollegen an. Sie lachten laut.
Waterman wurde den Gedanken nicht los, in eine Falle geraten zu sein. Hatte er Irene bloß zufällig getroffen? Wie konnte sie wissen, dass er zu »Memmert« ging?
»Bringst du ihn rauf, Bonzo? Ich park die Karre im Hof«, sagte der Fahnder, »und richte dem Dehmel einen Gruß aus, dass wir es mit einem nackten Widerständler zu tun hatten. Wenn er pampig wird, dann - weißt schon. Auf Wiedersehen, Herr Waterman.«
Im langsamen Beamtenaufzug fuhren sie nach oben.
Waterman hoffte, dass er einen Kollegen von der schreibenden Zunft treffen würde. Ein hingeworfener Satz hätte genügt.
Der Flur roch nach frischer Farbe und abgestandenem Bier.
»Hier rein!« Der Polizist schubste Waterman, ohne anzuklopfen, in das Dienstzimmer von Kriminalhauptkommissar Dehmel.
»Das ging ja prompt!« sagte Dehmel, der seine Brille auf die Nase fallen ließ. Er hatte sie für die Zeitungslektüre in sein Haar geklemmt.
»Nehmen Sie ihm bitte die Handschellen ab. Musste das wieder sein?«
Der Polizist ereiferte sich, widerspenstiges Benehmen, freche Bemerkungen: »Und was das Größte ist, er wollte uns mit seinem Pimmel erschrecken. Ist aber nichts dran an diesem mageren Schreiberling.«
Dehmel stellte sich vor, mit Namen und vollem Titel, während Waterman die Handschellen abgenommen bekam.
Der jüngere Fahnder rückte ab. Nicht ohne dem Journalisten einen drohenden Blick zugeworfen zu haben.
»Gleich kommt mein Mitarbeiter, Kommissar Meyerhoff. Dann können wir beginnen.«
Klaus Waterman rieb sich die Gelenke.
»Ich würde gerne mit meinem Rechtsanwalt sprechen, Herr Hauptkommissar.«
»Lassen Sie den Titel bitte weg. Das steht Ihnen zu, aber wir wollen einen Moment warten, bis Meyerhoff kommt.«
Der Kommissar setzte sich hinter seinen Schreibtisch und nahm die Lektüre der Zeitung wieder auf. Er schob die randlose Brille über die Stirn ins gekräuselte Haar.
Waterman räusperte sich, bevor er ihn störte. »Ich kann doch in der Zwischenzeit versuchen, Dr. Größer zu erreichen. Darf ich Ihr Telefon benutzen?«
Der Journalist erhob sich.
»Unterlassen Sie das. Ich sage, wann Sie jemand anrufen dürfen. Ist das verstanden worden?«
Sein Tonfall war nicht scharf, hatte nichts Befehlendes, war eher freundlich.
Ein junger Mann betrat das Büro. Meyerhoff, Oberkommissar. Er entschuldigte sich, dass er aufgehalten worden sei.
»Herr Waterman, jetzt kommen ganz einfache Fragen. Die können Sie beantworten und dann ...«
»Ich werde keine Fragen beantworten, es sei denn, es handelt sich um meine Personalien. Ansonsten will ich erst mit meinem Rechtsanwalt sprechen.«
Meyerhoff blickte seinen Vorgesetzten an. Er trug ein offenes Sporthemd mit kurzen Ärmeln, etwas zu dünn für den strengen Januar.
»Was solln denn diese Scherze, Herr Waterman? Wolln Sie uns die Arbeit erschweren?«
Klaus Waterman merkte sofort, wie hier die Rollen verteilt waren. Dehmel war für die Scheißfreundlichkeit zuständig, Meyerhoff fürs Grobe. Der Hauptkommissar sah aus wie ein Sportler, der zu lange, im Sonnenstudio verbracht hatte. Nur das Kassengestell störte diesen Eindruck.
Ich will meinen Rechtsanwalt sprechen und mich mit ihm beraten.«
»Also wissen Sie, um was es geht, was?« schrie Meyerhoff, ganz unvermittelt.
Waterman erschrak.
Mit dieser Reaktion hatte er nicht gerechnet.
»Sie verhalten sich nicht besonders kooperativ, Herr Waterman«, sagte Dehmel leise, »wir sind aber auf Ihre Kooperation angewiesen, bitte.«
„Kennen Sie Wilhelm Moor?« Meyerhoff kam nicht runter von diesem Kommisston. Pause.
»Waren Sie gestern Abend bei Wilhelm Moor?«
Schweigen.
»Jetzt reden Sie, Waterman. Das sind einfache Fragen. Los.«
Dehmel machte eine Handbewegung, die Meyerhoff dazu brachte, von seinem Schreibtischstuhl aufzustehen und ganz nahe an den Journalisten heranzutreten.
»Wilhelm Moor, Dr. Wilhelm Moor. Sie kennen ihn, nicht?«
Waterman blieb ruhig, obwohl er am liebsten losgebrüllt hätte. Diese Unverschämtheiten, diese Art, wie man ihn anging, das war die autoritäre Scheiße, die ihn in Rage brachte.
Meyerhoff rief seinem Kollegen zu, dass er die Grobecker reinholen werde.
Dann verließ er mit schnellen Schritten das Büro.
Als er die Tür geschlossen hatte, sagte Dehmel, ganz freundlich: »Rauchen Sie?« Er reichte ihm die angebrochene Packung über den Tisch. Obwohl der Journalist gerne eine Zigarette geraucht hätte, blieb er sitzen. Er wollte dem Hauptkommissar nicht entgegenkommen.
Die Grobecker, wer sollte das sein? Waterman hatte diesen Namen noch nie gehört.
»Sehen Sie, wir müssen hier unsere Pflicht tun. Das verstehen Sie doch. Wir müssen einen Fall aufklären. Wenn uns die Bürger nicht dabei unterstützen ...«
»Sie haben doch nicht mal einen Haftbefehl, Herr Dehmel.«
Der Polizist lehnte sich zurück. Er spitzte die Lippen.
»Das ist nur eine Frage der Zeit.«
Waterman spürte seine Anspannung, spürte, wie sein Puls im Kopf pochte, in der Gurgel, an den Knien.
»Kennen Sie Herrn Dr. Moor?« fragte der Hauptkommissar.
Waterman blieb stur. »Warum lassen Sie mich nicht mit meinem Anwalt reden?«
»Sie werden noch lange genug mit ihm sprechen können, Herr Waterman, keine Sorge.«
Die Tür ging auf.
Meyerhoff führte eine Frau herein. Sie trug einen Wintermantel mit Fuchspelzbesatz, elegante Stiefel. Auf dem Haar eine Création aus einem Pariser Modehaus. Pink mit hellgrünem Tüll.
»Wir machen nur mal schnell eine Gegenüberstellung«, sagte Meyerhoff und drehte den Journalisten heftig an der Schulter, so dass Frau Grobecker ihn in Augenschein nehmen konnte.
Sie sagte nichts.
Starrte ihn an.
Schob ihren Kopf zur Seite, erst nach links, dann nach rechts.
»Und?« Meyerhoff wurde wieder laut.
Jetzt stand Frau Grobecker kerzengerade, wie es die öffentliche Sicherheit verlangte.
»Das ist er. Kein Zweifel.«
»Können Sie das beschwören, Frau Grobecker?«
»Aber immer, Herr Kommissar. Dieser Mann kam gestern Abend ziemlich eilig aus der Wohnung von Herrn Moor. Er hatte allen Grund wegzulaufen. Das ist er, ganz bestimmt!«
Kriminalhauptkommissar Dehmel erhob sich von seinem Stuhl. Er bedankte sich bei der Zeugin und wies Meyerhoff an, sofort ein Protokoll aufzusetzen.
Als die beiden das Dienstzimmer verlassen hatten, sagte Dehmel, nachdem er Waterman eine ganze Zeitlang fixiert hatte: »Jetzt werden Sie einiges zu erklären haben. Und lassen Sie mich nicht allzu lange warten, sonst werde ich ziemlich vergrätzt.«
WIR HABEN DIE ERDE VON UNSEREN KINDERN NUR GEBORGT
Wieviel Behörde braucht die Umwelt?
(kw) In unserer heutigen Ausgabe beginnen wir eine neue Serie. Sie könnte den Titel tragen: Schmutz in der Umweltbehörde. Das wäre sicher zu salopp formuliert angesichts der anstehenden Probleme, aber es kann keine Frage des Stils sein, wenn Beamte nicht nur dem Steuerzahler tief in die Tasche greifen, sondern auch noch kräftig von privaten Unternehmern geschmiert werden.
Manche unserer Leser haben es längst aufgegeben, die Schreckensmeldungen von Luft-, Wasser- und Nahrungsmittelverseuchung zu registrieren. Sie füllen jeden Tag die Verbraucherseiten. Gestern sprach man von Schadstoffen im Salat, heute finden sich Berichte über minderwertiges Öl, das bei Kindern zu lang anhaltenden Hirnschäden führen kann. Auf Druck der Öffentlichkeit, speziell der Umweltbewussteren unter uns, haben sich nun Behörden gegründet, von denen jeder erhofft, dass sie mit geeigneten Mitteln den schlimmsten Übeln Einhalt gebieten. Es ist fünf nach zwölf. Ein Blick in die Umweltbehörde der Hansestadt lehrt einen: außer Gesetzen nichts gewesen. Mehr noch: eine neue Pfründe für Partei-Blindgänger.
Mittelpunkt der Affäre ist Senatsrat Dr. Wilhelm Moor, ein Mann, der mit allen schmutzigen Wassern gewaschen ist, der kein Mittel der Brunnenvergiftung auslässt und der sich nicht scheut, mit Dreck zu werfen.
Sein Amtsgebaren lässt den Schluss zu: Jedem Rücktritt kommt zu spät.
Weiter las der Bürgermeister nicht, er zerknüllte die Zeitungsseite der Weser-Nachrichten und warf sie auf den Haufen Holz, der vor seinem Kamin stand. Wie so ein Journalistengeschmiere einem den Tag vermiesen konnte. Am liebsten hätte er die Sauna angeworfen und alle Sitzungen ausfallen lassen.
»Hast du über diese Schweinerei in deinem Haus gelesen?« schrie er am Telefon den Umweltsenator an.
»Ja«, log der Senator, der nie morgens Zeitung las. Er liebte die Zusammenstellung seines Pressereferenten, dem er ausdrücklich verboten hatte, schlechte Nachrichten in den Pressespiegel aufzunehmen.
»Wer plaudert da?« fragte der erregte Bürgermeister.
»Das werden wir rauskriegen«, antwortete der Umweltsenator. Wie gut, dass der Bürgermeister ihn nicht sehen konnte. Er spielte mit der Modelleisenbahn, ließ Züge entgleisen, veranstaltete Hochgeschwindigkeitsrennen. Die Bahnanlage stammte von einem angesehenen Hersteller, der den Senator dazu bewegen wollte, dem Plan für die Magnetbahn zuzustimmen.
»Heute noch!«
Als der Bürgermeister aufgelegt, hatte, ließ sich. der Umweltsenator die Zeitung bringen.
Der Artikel war ein Schock.
Wussten sie also Bescheid. Es musste so kommen. Was sich dieser Moor leistete, war nicht unter der Parteidecke zu halten.
Und dabei stammt der Senatsrat gar nicht aus der Riege derer, die sich in der Regierungspartei für Umweltfragen interessieren. Er ist kein Fachmann für alles, aber er ist überall eingesetzt worden. Seine Karriere begann in der Rechtspflege, dann stieg er auf Kultur um. Als er auch dort nicht mehr gehalten werden konnte, machte er auf Gesundheit. In seiner letzten Behörde können sie noch ein Lied auf ihn singen. Wiederum wurde er hinauskomplimentiert, um endlich bei der Umwelt zu landen.
Ein gängiges Verfahren. Personenkarussell ohne Ende. Und für diejenigen, die wirklich nicht qualifiziert sind, werden Beförderungen bereitgehalten. Als habe man sich zusammengeschlossen, um niemand, aber auch nicht einen einzigen der Parteifreunde fallen zu lassen.
Dr. Wilhelm Moor ist ein Symbol für die ganze Behörde. Sie produziert Papier, lächerliche Vorschläge, sie lässt teure Referenten auffahren, die ausgeklügelte Modelle vorschlagen, um dann wieder in Lethargie zu verfallen. Hier ein bisschen Emissionsschutz, dort eine verkehrsberuhigte Straße. Und das mit mehr als hundert Angestellten. Es hat sich ein Sumpf aufgetan. Merkwürdig nur, dass niemand darin versinkt.
Neben der Frage, die der Bürgermeister angeschnitten hatte, interessierte den Umweltsenator viel mehr, wer dieses Pamphlet verfasst hatte. K.W., dieses Kürzel kannte er nicht.
Noch einmal ließ er die moderne Lok durch den langen Tunnel schießen und gegen einen Güterzug brettern. Dann griff er zum Hörer. »Sag mal, kennst du diese Abkürzung?« fragte er seinen Pressereferenten Wüstenhöfer.
»Es ist eine Frechheit, Peter. Eine ganz gemeine Frechheit. Natürlich hat der Wieck gesungen ...«
»Das glaube ich auch«, unterbrach der Senator, »der hat ja jeden Grund dazu. Aber mich interessiert, wer dieser Schreiberling ist. Der muss von oberster Stelle gedeckt sein. So was rücken die nicht ein, wenn ...«
»Ich werde es rausfinden.«
Als der Senator aufgelegt hatte, kehrte der Pressereferent zu seinem Computerspiel zurück. »King Kong räumt auf«, hieß es. Dem Spieler musste es gelingen, so viele Urwaldtiere wie möglich abzuknallen, bis dann King Kong selbst das Spielfeld betrat. Man konnte ihn nur fällen, wenn er sich umdrehte.
Das Telefon klingelte erneut.
Missmutig nahm Wüstenhöfer ab.
»Heute noch. Ich will das heute noch«, sagte der Senator.
»Klar. Oder eben gestern schon«, antwortete der Referent, der wusste, woher sein Vorgesetzter die Anweisungen bezog.
Mit diesem Moor hatte er seine liebe Mühe. Nicht nur dass er nicht in der Lage war, auf einer Pressekonferenz anständig zu unterrichten und ordentlich auf Fragen zu antworten, viel schlimmer waren seine Ausfälle gegen die nichtsnutzigen Kollegen. Er tobte gegen jeden, fühlte sich stets zurückgesetzt, obwohl er Karriere gemacht hatte. Er ließ kein gutes Haar an Untergebenen.
Der Pressereferent rief seine Sekretärin an und gab durch, dass er etwas später erscheinen würde. »Schneid den Artikel aus und mach für jeden im Haus eine Kopie. Nachmittags gibt es eine interne Sitzung. Wir müssen lins munitionieren.«
Die Sekretärin kannte den Ausdruck. Das war Alarmstufe 1.
Auch wenn der Umweltsenator mit dem Rad in den Dienst fährt, auch wenn er seinen Senatskollegen Kat-Autos verordnet hat, pressewirksam ins Rampenlicht gerückt, auch wenn Senatsrat Moor manchmal ein paar Erfolge ins Studiomikrofon stottert, nichts kann darüber hinwegtäuschen, dass hier ein neuer Wasserkopf (sprich: Behörde) geschaffen worden ist, der vorgibt, unsere Umwelt zu schützen tatsächlich aber nutz- und sinnlos ist.
Wie kann es angehen, dass immer noch in Schulen Räume mit Asbest und PCB verseucht sind? Wie kann es angehen, dass bekannte Firmen unserer Stadt bis zum Jahr 2000 Abwässer direkt in die Weser einleiten dürfen? Wie kann es angehen, dass es von jedem Umweltgesetz so viele Ausnahmeregelungen gibt, dass niemand zu einer wirklichen Verbesserung der Luft-, Wasser- und Bodenwerte gezwungen werden kann?
Wir wollen mit unserer Serie gerade die Teile aufhellen, die immer im Dunkeln liegen. Denn meistens haben die abgeblendeten Behörden konkrete Gründe für ihr Verhalten.
Es wird um Patronage gehen, auch um Bestechung. Es wird um Machtmissbrauch gehen und schlichte Vertuschung. Es wird um die Prinzipien des deutschen Beamtenunwesens gehen.
Unsere Umwelt steht auf dem Spiel. Durch diese senatorische Behörde kann sie nicht gerettet werden.
Als Wieck diesen Artikel las, wusste er, dass er die Koffer packen musste. Hatte Waterman ihm nicht versprochen, dass die Serie erst begann, wenn er in Deckung war? Scheißjournalisten, keinem von denen konnte man trauen.
Wieck hatte es sich so schön ausgemalt. Nach all den fruchtlosen Versuchen, endlich die Karriereleiter zu erklimmen, nach seiner fristlosen Kündigung, als er Moor an den Schreibtisch gepinkelt hatte, nach seiner Flugblattaktion. Waterman war der letzte Ausweg gewesen. Er wollte ihn mit Informationen spicken und dann die Flucht nach vorne antreten. Erst mit Moor reden und dann mit dem Senator selber. Sein Plan war genial: Wenn die ihn auf einem gehobenen Posten wieder einstellten, würde er behaupten, dass nichts von dem stimmte, was er Waterman gesteckt hatte. Ein kompletter Widerruf. Aber der Artikel erschien zu früh. Und dann diese unverschämte Sprache.
Das Telefon klingelte.
Nicht rangehen, dachte Wieck. Lass sie sich totwählen.
Er öffnete seinen Kleiderschrank, nahm Hemden und Hosen und stopfte sie in einen Reisesack. Dieser Waterman war ein Ekel. Wie er mit dem Moor umsprang. Wie er zum Schlag ausholte. Nicht alle Unterhosen, die Wieck einpackte, waren sauber. Aber das tat nichts zur Sache. Er hatte wahrscheinlich nicht mehr als eine Viertelstunde Zeit. Dann würde der Pressesprecher vor seiner Tür stehen. Solange das Telefon klingelte, konnte er einigermaßen sicher sein.
Vielleicht war der Plan doch nicht so genial, dachte er jetzt, auf jeden Fall hätte er sorgfältiger in der Auswahl des Journalisten sein müssen. Er kannte Waterman nicht. Sein Rechtsanwalt riet ihm, sich mit diesem Schwein in Verbindung zu setzen. Die Gegenüberstellung war sein Pfand. Solange die nicht passierte, hatte er gehofft, würde die Serie nicht in Druck gehen. Die Hoffnung trog. Das Telefon klingelte noch immer.
»Ja, ja, jetzt wollt ihr mich jagen«, schrie Wieck. Sein Kopf war krebsrot angelaufen.
Er schnappte sich seine Papiere, ein paar Hunderter aus dem Schreibtisch und den Hausschlüssel.
Wieck wusste, wohin er verschwinden konnte.
Vorsichtig öffnete er die Haustür. Er sah niemanden. Als er seinen Porsche startete, spürte er Erleichterung. Jetzt konnten sie kommen. Sie würden nur noch die roten Schlussleuchten sehen.
Der Senator tobte.
»Was glaubst du denn, warum ich dich eingestellt habe? Zum Spaßvergnügen? Zum Schönwettermachen? Nein, ich wollte einen Krisenmanager haben. Nicht wenn die Sonne lacht, brauch ich jemand, sondern wenn die Blitze zucken.«
An diesem Nachmittag war die Umweltbehörde zu einer Mückenplage geworden. Alle hatten den Artikel gelesen, und alle beschäftigte nur eine Frage: Werde ich in den Strudel gerissen?
Dieser Artikel konnte viele Karrieren, viele Ruheposten und noch mehr Versorgungsansprüche zunichtemachen. Jeder stellte fest, wie dicht er zu dem beschuldigten Dr. Moor stand. Jeder überlegte, was er tun würde, wenn man ihn nach seinem Wissen über die eigene Behörde befragte. Jeder rechnete mit dem Schlimmsten.
Der Senator schlug mit der Faust auf den Artikel. »Das hier ist die größte Schweinerei, die ich in meinen ganzen Jahren erlebt habe. Das ist...« Weiter kam er nicht, weil ihn ein Herzrasen erfasste. Er griff an seine Brust, dann kippte er vom Stuhl.
»Wasser«, rief seine Sekretärin.
»Luft«, sein Pressereferent.
»Kognak«, krächzte der Senatsdirektor.
Es dauerte eine ganze Weile, bis sie den Senator wieder verhandlungsfähig hatten. Der Kognak half immer.
Wüstenhöfer hatte darauf bestanden, dass dies eine interne Sitzung blieb. Zum internen Kreis gehörten außer ihm selber und dem Senatsdirektor auch Wilhelm Moor. Der war nicht erschienen. Der Pressesprecher wusste, warum. Aber diesen Trumpf wollte er erst spielen, wenn die anderen in völlige Ratlosigkeit verfielen. Er kannte dieses Spiel aus vielen Diskussionsrunden. Wenn man zu früh einen guten Vorschlag machte, dann wurde bestimmt nichts daraus. Wenn man zu spät mit dem richtigen Einwand kam, dann konnte man ihn vergessen. Es war das Timing, das zählte. Der präzise Einsatz einer Information.
»Also, wer ist K.W.?« fragte der Senator, der sich mit seiner rechten Hand am Kognakschwenker festhielt.
»Klaus Waterman«, antwortete der Pressesprecher Wüstenhöfer.
»Und was sagt er zu dieser Schweinerei?«
»Ich hab ihn nicht erreichen können:«
»Wen haben Sie denn erreichen können? Was ist mit Wieck?«
»Der ist uns durch die Lappen gegangen. Frau Mannhardt hat den ganzen Morgen klingeln lassen, ich bin selbst zu seiner Wohnung gefahren, aber da war er nicht. Ich hab einen von den Boten dort postiert. Nichts. Ich vermute, der ist ...« Mit einer langen Pause wollte er dem Wort Bedeutung verschaffen: »in Sicherheitsverwahrung gegangen. Wahrscheinlich hat dieser Journalist es ihm geraten.«
»Und jetzt?«
Der Moment der Ratlosigkeit war gekommen. Der Senatsdirektor schwieg. Wie immer. Die Sekretärin, auf die der Senator niemals verzichtete, wusste auch nicht weiter.
Schon mehrfach hatte der Wüstenhöfer darum gebeten, dass die Sekretärin nicht alles mithörte, aber der Senator blieb hartnäckig. »Die Frau ist meine Lebensversicherung. Mein persönlicher Zeuge. Die ist besser als jede Aktennotiz. Sie wird immer bezeugen, was ich gedacht, getan und eventuell unterlassen habe.« Vergeblich hatte der Pressereferent versucht herauszufinden, ob der Senator diese Zeugin mit einem sexuellen Abhängigkeitsverhältnis stabilisierte.