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Wie kann man verantwortet von dem reden, was am Ende auf uns zukommt, und welche Hoffnung dürfen wir haben? Der ehemalige Religionslehrer Axel Burghausen trägt in diesem Buch zusammen, was seine Schüler von ihm gelernt haben.
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Seitenzahl: 64
Wie es zur Abfassung dieses Buches kam
1.
Der Tod als Grenze – und die Frage über die Grenze hinaus
1.1 Tod und Leben – ein ungleiches Paar
1.2 Die Erfahrung des Todes zwischen Trauma und Sinn
1.3 Der Tod als Lebenshilfe
1.4 Todesnaherfahrungen: (Ein)blick ins Jenseits?
1.5 Reinkarnation I: Im Kreislauf gefangen
1.6 Reinkarnation II: Immer wieder eine neue Chance
2.
Erlöst durch Jesus Christus
2.1 Musste Jesus sterben?
2.2. Das Kreuz: Ein Hinrichtungsinstrument als religiöses Symbol
2.3 Liebe und Leid gehören zusammen
2.4. Dem Auferstandenen begegnen
2.5 Der Auferstandene im Zentrum christlichen Lebens
2.6 Erlöst: Wovon und wie?
3.
Die Vollendung im Blick – Bilder der Hoffnung
3.1 Zur Hermeneutik christlicher Hoffnungsbilder
3.2 Die Hölle: für immer verdammt?
3.3. Das Fegefeuer: Vollendung erst im Jenseits
3.4 Der Himmel: Kann man ewig selig sein?
3.5 Das Gericht: Zwischen Vergebung und Verdammnis?
3.6 Glauben Christen an eine unsterbliche Seele?
3.7 Das Reich Gottes: Erlöst bin ich nicht allein
3.8 Apokalyptik: Von der Zerstörung zur Neuschöpfung
Religionsunterricht besteht nicht nur aus Aufgaben und deren Kontrolle. Doch wem sage ich das. Corona aber macht alles sehr schwierig. Normalerweise wären die Aufgaben Ausgangspunkt für Diskussionen unter den Schülern, in die sich schließlich auch der Lehrer mit seiner Auffassung und mit weiteren Informationen einschaltet. In Zeiten des digitalen Unterrichts sind aber die Diskussionen nicht möglich. Um wenigstens die Schüler gedanklich weiterführen zu können, habe ich für mich die Form der Erläuterungen gefunden. Diese gehen zwar von den von mir gestellten Aufgaben aus, führen den Gedanken aber weiter und liefern den Schülern damit das, was ich sonst im Unterricht mündlich ergänzt habe, soweit es nicht von den Schülern selber kam. Sehr schnell wurde mir bewusst, dass meine Erläuterungen auch ohne Kenntnis der Ausgangsmedien sowie der Aufgaben verständlich sind, und dieser Eindruck wurde mir von Kolleginnen, die meine Erläuterungen lasen, bestätigt. (Die besprochenen Bilder können im Internet angesehen werden.)
Da nur etwa die Hälfte des Kurses KR 12/II (Q 1) vom Lockdown und der dann folgenden teilweisen Öffnung betroffen war, habe ich mich nun entschlossen, den fehlenden ersten Teil zu ergänzen und die vorhandenen Erläuterungen so umzuschreiben, dass der Bezug auf die konkret angesprochen Schüler (einschließlich organisatorischer Informationen) wegfällt. Das so entstandene Buch ist für mich eine Rechenschaft über das, was meine Schüler in diesem Halbjahr lernen konnten, wenn sie mitarbeiteten und bereit waren, den gedanklichen Faden mitzuverfolgen.
Dieses Buch ist also keine Textsammlung, kein Schulbuch und auch kein Lehrerkommentar. Es enthält, was der Begriff besagt: Erläuterungen. Der Fachmann wird alles selber wissen – aber vielleicht ist es interessant zu sehen, welche Inhalte ich auswähle (auch im Hinblick auf einen mit Christen beider Konfessionen und vielen Muslimen zusammengesetzten Kurs), wie ich den roten Faden setze und welche Meinungen ich selber vertrete. Wer kein Fachmann ist, wird manches lernen, denn Überzeugungen moderner Theologie sind auch Christen häufig nicht vertraut. Und vielleicht gewinne ich die Motivation, auch zu anderen Halbjahren des Oberstufenunterrichts solche Erläuterungen zu formulieren, zumal ich inzwischen im Ruhestand bin und so ein Fazit meiner Lehrtätigkeit ziehen kann.
Grundlage: unterschiedliche Medien
Der polnische Schriftsteller Andrzej Szczypiorski sagte in einem Vortrag (in Bezug auf das Internet), dass wir heute in der Lage seien, immer mehr Wissen zu erwerben. Diese quantitative Zunahme führe aber dazu, dass wir immer weniger das reflektierten, worauf es im Leben ankäme. Dieses Entscheidende sei der Gedanke an den Tod.
Der Kupferstich von Matthäus Merian dem Älteren aus seinem Basler Totentanz aus dem Jahre 1744 (s. Titelblatt) zeigt einen vornehmen Mann mittleren Alters mit Bart und eleganter Kleidung. Dreht man das Blatt um, sieht man einen grinsenden Totenschädel. In derselben Gestalt sind Leben und Tod zu erkennen – eine Frage der Perspektive.
Eine ähnliche Botschaft vermittelt ein hölzerner Handtuchhalter aus dem 16. Jahrhundert. Auf der rechten Seite sieht man eine schöne junge Frau mit Krone, Perlenkette, eleganter Kleidung und geschminktem Gesicht. Dieselbe Gestalt setzt sich links als Skelett fort: Schönheit, Reichtum und Individualität sind verschwunden, nur noch eine Ruine ist übrig. Die Frau, die sich wäscht und schön macht, hat durch diesen Handtuchhalter den Tod immer vor Augen. Alles Lebendige ist vergänglich.
„Memento mori“, denke daran, dass du sterben musst, ist die Mahnung, die in beiden Abbildungen deutlich wird. Sie entspricht der Erfahrung der damaligen Menschen. Der Tod ist in diesen Jahrhunderten allgegenwärtig. Wohl jeder hat das Sterben Angehöriger erlebt und begleitet. Das Wissen, dass alles schnell und überraschend zu Ende sein kann, prägt das Denken und Fühlen der Menschen.
Eine andere Erfahrung vermittelt eine Karikatur von P. Gay. Vor einer Wohnungstür steht der in einen weiten Mantel gehüllte Tod. Man erkennt den Schädel und die Hände des Gerippes. In seiner rechten Hand hält er eine Sense. Eine einfach gekleidete Frau öffnet die Tür einen Spalt weit und sagt zum Tod: „Nein danke – Wir sterben nicht!“
Die Karikatur spielt ironisch mit dem Bild des Vertreters vor der Tür, der z.B. Zeitschriften oder andere Waren verkaufen will. In ähnlicher Weise wie dieser Vertreter wird hier der Tod energisch abgewiesen.
Wir sterben nicht, das ist heute die Alltagserfahrung vieler. Der Durchschnitt der Menschen wird bedeutend älter als früher, oft lebt man Jahrzehnte, ohne den Tod Verwandter zu erleben, und wenn jemand stirbt, geschieht es häufig verborgen und fast anonym. Man hört davon, dass Menschen sterben, aber es sind immer die anderen. Eine Begrenzung der eigenen Existenz kann man sich nur schlecht vorstellen. Das Leben dominiert, der Tod ist bescheiden geworden.
Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki sah den Tod dagegen in einem Interview (2012) als „übermächtigen Gegner“. Er vernichte im Alter immer mehr von uns, ohne dass wir uns wehren könnten, und lösche uns am Ende gänzlich aus. Der Tod sei sinnlos und vernichtend und er lasse am Ende auch das Leben sinnlos werden. Weder Religion noch Literatur könnten einen Trost bieten. Der 92-jährige, der im Jahr zuvor seine Frau verloren hat, sieht den Tod als überlegen an. Alles Leben wird schließlich zerstört.
In dem Roman „Intent!“ des ukrainischen Schriftstellers Ljubko Deresch (2008) erlebt der Ich-Erzähler Petro Pjatotschkin den Tod seiner Großmutter. Da sie Angst hat, bittet er sie, ihm in die Augen zu sehen. Als sie stirbt, nimmt er in ihren Augen einen Schatten, den Tod, wahr, der die Oma unter den Arm klemmt und sich entfernt, wobei er ihm noch einmal einen Blick über die Schulter zuwirft.
Petro glaubt, das wahre Geheimnis des Todes erkannt zu haben. Wie in einem Spiegelkabinett, in dem wir eine Realität zu sehen meinen, die es gar nicht gibt, spiegele uns der Tod das Leben vor. Am Ende aber würden die Spiegel entfernt, Was bleibe, sei das Einzige, das existiert: der Tod. Das Leben aber sei nur eine Illusion, mit der uns der Tod blendet.
Grundlage: Carl Friedrich von Weizsäcker: Der Tod
Alle Gestalten unseres Kosmos existieren in der Zeit. Sie müssen vergänglich sein, denn sonst ist Neues, eine Entwicklung, nicht möglich. Der Tod dient also dem Leben, er ist seine Bedingung. Theologisch gesprochen könnte man sagen: Gott ist ein Freund der Mannigfaltigkeit. Er gibt sich mit dem Erreichten nicht zufrieden, seine Liebe will sich immer noch mehr verströmen.