Top Secret. Die Entführung - Robert Muchamore - E-Book

Top Secret. Die Entführung E-Book

Robert Muchamore

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Beschreibung

Zwei Teams, eine brandgefährliche Mission: Das spektakuläre Top-Secret-Finale

Durch Zufall kommt CHERUB einer kriminellen Organisation auf die Spur, die das große Geld mit illegalen Ölgeschäften im Nahen Osten macht und dabei buchstäblich über Leichen geht. Ein richtig großer Deal für Ryan Sharma – und Cherub-Star James Adams, der von höchster politischer Stelle beauftragt wird, diese hocbrisante Mission zu koordinieren. Klar, dass er dafür die Besten der Besten braucht – und CHERUB-Legenden wie Kerry, Kyle, Bruce, Lauren & Co. rekrutiert. Denn diesmal haben es die Agenten nicht nur mit einem skrupellosen Kriminellen zu tun, sondern mit einer der gefährlichsten Terroreinheiten der Welt ...

Knallharte Action, spannend bis zur letzten Seite!

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Seitenzahl: 314

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Robert Muchamore

Top Secret – Die neue Generation

Die Entführung

Aus dem Englischen von Tanja Ohlsen

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

1. Auflage 2016

© 2016 by Robert Muchamore

Die englische Originalausgabe erschien unter dem Titel »Cherub. New Guard« bei Hodder Children’s Books, London.

© 2016 für die deutschsprachige Ausgabe by cbt Kinder- und Jugendbuchverlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Aus dem Englischen von Tanja Ohlsen

Lektorat: Ulrike Hauswaldt

Umschlagkonzeption: fruehling advertising, München

he · Herstellung: kw

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN: 978-3-641-17129-2V001

www.cbt-buecher.de

Was ist CHERUB?

CHERUB ist Teil des britischen Geheimdienstes. Die Agenten sind zwischen zehn und siebzehn Jahre alt. Meist handelt es sich bei den CHERUB-Agenten um Waisen aus Kinderheimen, die für die Undercover-Arbeit ausgebildet wurden. Sie leben auf dem Campus von CHERUB, einer geheimen Einrichtung irgendwo auf dem Land in England.

Warum Kinder?

Kinder können sehr hilfreich sein. Niemand rechnet damit, dass Kinder Undercover-Aktionen durchführen, daher kommen sie mit vielem durch, was Erwachsenen nicht gelingt.

Wer sind die Kinder?

Auf dem Campus von CHERUB leben etwa 300 Kinder, darunter die Brüder RYAN SHARMA (17), die Zwillinge LEON und DANIEL (14) und THEO (11).

JAMES ADAMS ist ein früherer CHERUB-Agent und arbeitet jetzt als Einsatzleiter auf dem Campus. Seit zwei Jahren ist er mit seiner langjährigen Freundin KERRY CHANG verlobt.

Das CHERUB-Personal

Die Größe des Geländes, die speziellen Trainingseinrichtungen und die Kombination aus Internat und Geheimdienststelle bringen es mit sich, dass CHERUB mehr Personal als Schüler hat. Dazu gehören Köche und Gärtner ebenso wie Lehrer, Ausbilder, Krankenschwestern, Psychiater und Einsatzspezialisten. CHERUB wird vom Vorsitzenden EWART ASKER geleitet.

Die CHERUB-T-Shirts

Den Rang eines CHERUB-Agenten erkennt man an der Farbe seines T-Shirts. ORANGE tragen Besucher. ROT tragen Kinder unter zehn, die zu jung sind, um schon als Agenten zu arbeiten. BLAU ist die Farbe während ihrer 100-tägigen Grundausbildung. Ein GRAUES T-Shirt heißt, dass man auf Missionen geschickt werden darf. DUNKELBLAU tragen diejenigen, die sich bei einem Einsatz besonders hervorgetan haben. Ryan trägt ein SCHWARZES T-Shirt, die höchste Anerkennung für hervorragende Leistungen bei vielen Einsätzen. Wenn man CHERUB verlässt, bekommt man ein WEISSES T-Shirt, wie es auch das Personal trägt.

1

10 min Verspätung. Grauenvoller Verkehr!!!!

Keine Sorge, Mum kommt noch lange nicht.

Aufgeregt!!! Trägst du dieselben Shorts wie auf dem Bild?

Wie versprochen, du Perverser

Leon hörte, wie der BMW in die mit braunen Blättern übersäte Auffahrt rollte. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend sprang der Vierzehnjährige die Treppe hinunter und rannte zur Tür, gerade als die Blinker des Autos beim Abschließen aufblitzten. Durch die Milchglasscheibe konnte er sehen, wie der massige Fahrer auf ihn zukam.

Leon trug ausgefranste Jeansshorts, die ihm eine Nummer zu klein waren, schmutzige Sportsocken und ein schwarzes Muskelshirt. Sein Haar war raspelkurz geschnitten und gebleicht und im rechten Ohrloch steckte ein silbernes Kreuz.

»Hi«, sagte Leon, als er die Tür aufmachte, und hielt den Blick schüchtern gesenkt.

Der BMW in der Einfahrt war ein Jahr alt, Nigel, der Fahrer, war zweiundvierzig. Er trug flaschengrüne Hosen, ein kurzärmliges Ralph-Lauren-Hemd, das um den Bauch herum ein wenig spannte, und eine Carrera-Uhr, die gut viertausend Pfund gekostet hatte. Doch schiefe Zähne und ein grauenvolles Aftershave beeinträchtigten den teuren Look.

»Endlich da«, sagte Nigel beim Eintreten und klatschte leicht in die Hände. »Du siehst gut aus.«

Leon lächelte verlegen und mahnte dann erschrocken: »Zieh die Schuhe aus! Meine Ma ist voll pingelig mit ihren Teppichen!«

»Selbstverständlich«, erwiderte Nigel und schlüpfte aus den Schuhen, während er sich in dem kleinen Flur umsah und die Familienfotos und den Kleiderständer betrachtete. »Deine Eltern?«

»Keine Angst, Alter«, sagte Leon und legte eine Hand auf den Holzknauf am Treppengeländer. »Meine Schwester ist an der Uni und meine Mum im Trafford Centre. Sie hat mir Essen hingestellt, das ich mir aufwärmen soll.«

»Cool.«

»Willst du etwas trinken?«, fragte Leon. »Tee, Cola, Wasser?«

»Nein, danke.«

Leon zuckte mit den Achseln. »Hast du was für mich?«

»Na klar doch.«

Nigel fischte ein Bündel Zwanziger aus der Hosentasche.

»Dreihundert, wie besprochen.«

Leon zog das Gummiband von dem Bündel und zählte schnell die Scheine, bevor er sie einsteckte.

»Damit habe ich genug, um mit meinen Freunden zum V-Festival zu gehen. Und um meine Xbox reparieren zu lassen.«

»Du bist so ein sexy Junge, Leon. Ich kann es kaum glauben, dass ich tatsächlich hier bin, nach all den Nachrichten, die wir einander geschrieben haben.«

»Ich auch nicht. Warte einen Moment, ich hole mir schnell eine Cola.« Leon ging durch die Tür zur Küche, wo er seinen Zwillingsbruder Daniel sowie einen größeren Mann in einem schicken Anzug erblickte. Sobald Leon den Daumen hoch hielt, stürmten die beiden in den Gang, gefolgt von einer untersetzten Frau mit einem Camcorder auf der Schulter.

»Nigel Kinney«, begann der Mann im Anzug. »Ich bin Jason Nolan vom Netzwerk der Pädophilenjäger. Würden Sie mir wohl bitte sagen, warum Sie heute Nachmittag hierhergekommen sind?«

Von der Tür aus beobachteten die Zwillinge Leon und Daniel, wie die Kamerafrau das Objektiv auf Nigel richtete, der sich die Hände vors Gesicht hielt.

»Mr Kinney«, fuhr Jason Nolan fort. »NPJ hat Sie beobachtet. Sie sind hierhergekommen, weil Sie als Gegenleistung für dreihundert Pfund sexuelle Handlungen an einem Vierzehnjährigen vornehmen wollten. Was haben Sie dazu zu sagen?«

»Ich habe ihn nicht angerührt!«, fauchte Nigel. »Ich hatte nichts Illegales vor.«

»Aber wir haben Hunderte von Nachrichten, Mr Kinney«, beharrte der Moderator. »Sie haben sexuell eindeutige Bilder geschickt und erbeten. Unsere versteckte Kamera hat soeben gefilmt, wie Sie Leon dreihundert Pfund gegeben haben.«

»Das verstehe ich nicht«, sagte Nigel, der sich hinter den Kleiderständer zurückzog, aber von der Kamerafrau verfolgt wurde. »Sie sind nicht von der Polizei?«

»Nein, wir sind nicht von der Polizei«, erklärte Jason. »Wir sind eine vollkommen unabhängige Organisation, die das ekelhafte Verhalten von Menschen wie Ihnen aufspürt. Wir werden unser Beweismaterial der Polizei übergeben und man wird Sie wahrscheinlich anklagen. Wir werden auch ein Video Ihrer Aktivitäten auf dem YouTube-Kanal der Pädophilenjäger veröffentlichen.«

»Ich habe ihn nicht angerührt!«, schrie Nigel. »Ich bin nur gekommen, um mit dem Jungen zusammen mit der Xbox zu spielen!«

Leon blickte kopfschüttelnd zu seinem Zwillingsbruder, während Nigel und die Kamerafrau weiterhin den schwankenden Kleiderständer umkreisten.

»Wenn Sie nicht von der Polizei sind, können Sie mich nicht verhaften!«, stieß Nigel hervor.

»Wir hindern Sie nicht daran, zu gehen«, erklärte Jason und deutete auf den Ausgang. »Aber wir werden dafür sorgen, dass Ihre Frau das Beweismaterial sieht, zum Schutze Ihres zwölfjährigen Sohnes. Und wir werden auch Ihren Arbeitgeber davon unterrichten.«

»Ich gehe jetzt!«, rief Nigel, hielt sich schützend die Hände vors Gesicht, drängte an der Kamerafrau vorbei und lief zur Tür.

»Was glauben Sie, was Ihre zweiundachtzigjährige Mutter davon hält, wenn sie es erfährt?«, wollte Jason wissen. »Schämen Sie sich nicht?«

»Ich habe ihn nicht angerührt!«, wiederholte Nigel weinerlich und griff nach der Türklinke.

»Aber 1998 wurden Sie wegen zwei sexueller Straftaten verurteilt, die Sie bei einem Sommerjob in einem Ferienlager begangen haben«, bemerkte der Moderator. »Haben Sie zu diesen beiden Opfern etwas zu sagen? Und wie viele andere Jungen gibt es noch, von denen wir nichts wissen, Mr Kinney?«

Nigel drehte sich im Kreis und schlug mit der Faust gegen die Wand.

»Ihr habt meine Schuhe gestohlen! Wo sind meine Schuhe?«

»Nett, Sie kennengelernt zu haben, Sie Perverser«, spottete Leon. »Wie gefallen Ihnen meine knappen Shorts jetzt?«

»Das ist eine Falle!«, rief Nigel und deutete auf Leon. »Er hat mich reingelegt … Was hast du mit meinen Schuhen gemacht, du Miststück?«

»Ich bin sicher, die sind hier irgendwo«, neckte ihn Leon.

Nigel wedelte mit dem Finger vor Jasons Gesicht herum.

»Ich habe einen sehr, sehr guten Anwalt! Wenn das online geht, werde ich Sie auf den letzten Penny verklagen!«

Jason lächelte in die Kamera.

»Die Pädophilenjäger lassen sich bei allem, was sie tun, von einem Anwalt beraten, Mr Kinney. Vielleicht möchten Sie meine Karte haben, damit Ihr Anwalt sich mit meinem in Verbindung setzen kann?«

»Scheißkerle!«, empörte sich Nigel, gab die Suche nach seinen Schuhen auf, nahm den Autoschlüssel aus der Hosentasche und riss die Tür auf. »Hoffentlich verrottet ihr in der Hölle!«

Leon und Daniel zeigten ihm den Finger, als er auf Socken auf die Auffahrt stürmte, während die Kamerafrau filmte, wie Nigel ins Auto stieg, zurücksetzte und mit quietschenden Reifen die Auffahrt verließ.

Sie atmeten alle tief durch, dann lächelten sie.

»Sehr schön«, fand die Kamerafrau, schaltete die klobige Kamera aus und nahm sie von der Schulter.

Jason grinste und klatschte alle ab. »Ihr wart großartig.«

»Wann bringen Sie das Video auf YouTube?«, erkundigte sich Daniel.

»Ich schicke das Material meinem Mitarbeiter in London. Heute Abend sollte es online sein und morgen früh schicken wir die Beweise der Polizei.«

»Aber Sie müssen unbedingt unsere Gesichter unkenntlich machen«, erklärte Leon ernst. »Wir kriegen sonst tierisch Ärger mit unseren Eltern.«

»Klar doch«, stimmte Jason zu. »Da ist nur noch eines.«

»Was denn?«, fragte Leon.

»Euer Kontaktmann, der uns die Informationen über Nigels frühere Verurteilungen und so gegeben hat. Können wir vielleicht mit ihm persönlich sprechen?«

Die Zwillinge zuckten mit den Achseln und Daniel sagte: »Wir werden Ihnen gerne wieder helfen, wenn wir können.«

»Aber unser Kontakt ist vertraulich«, ergänzte Leon und sah dann auf die Uhr in seinem Telefon. »Können Sie uns zum Bahnhof bringen? Unser Dad wird wild, wenn wir nicht um sechs zu Hause sind.«

»Sicher«, stimmte Jason zu und sah dann seine Kamerafrau an. »Kannst du hier aufräumen, während ich die Jungs abliefere?«

Sie nickte, und Jason nahm seinen Autoschlüssel, doch Leon verschwand noch einmal im Wohnzimmer.

»Wir müssen uns beeilen, Leon«, mahnte Daniel besorgt. »Es gibt nur einen Zug in der Stunde und der fährt in fünfzehn Minuten.«

»Ich weiß«, erwiderte Leon und nahm eine schwarze Trainingshose, die über einem Ledersofa hing. »Aber egal wie spät es ist, ich werde mich in diesen bescheuerten Shorts ganz sicher nicht in der Öffentlichkeit sehen lassen.«

2

»Schon komisch«, fand James Adams, der in Channing’s Restaurant, zwölf Meilen vom CHERUB-Campus entfernt, an einem runden Tisch eine Vorspeise aus frittierten Risottobällchen aß. Der vierundzwanzigjährige frühere CHERUB-Agent saß neben seiner Verlobten Kerry Chang, ihm gegenüber sein alter Freund Bruce Norris mit einem Bohnensalat und einem fiesen blauen Auge.

»Was ist komisch?«, wollte Bruce wissen.

»Wenn ich die Augen schließe, kommt es mir vor, als sei es erst gestern gewesen, dass meine Mutter gestorben ist«, erzählte James. »Dass ich auf dem Campus aufgewacht bin, euch kennengelernt habe. Dass ich ein CHERUB geworden bin …«

Bruce zählte an seinen Fingern ab: »Dreizehn Jahre, Mann!«

»Und wenn ich auf dem Campus arbeite und eines der Kids irgendwas im Schilde führt, dann habe ich immer das Gefühl, noch einer von ihnen zu sein. Doch dann muss ich mich zusammenreißen und Mister Einsatzleiter spielen und dafür sorgen, dass sie zuhören und sich gut betragen.«

»Darf ich mal probieren?«, fragte Kerry und spießte, ohne auf eine Antwort zu warten, ein Reisbällchen auf ihre Gabel.

»Immer machst du das!«, beschwerte sich James.

»Was denn?«, knurrte Kerry.

»Erst sagst du, dass du keine Vorspeise willst, und dann isst du die Hälfte von meiner.«

Kerry drehte sich zur Seite, gab James schnell einen Kuss und pikte ihn dann in den leicht vorstehenden Bauch.

»Du brauchst keine zusätzlichen Kalorien, mein Dicker«, sagte sie und deutete auf seinen Freund. »Sieh dir Bruce an, total braun und muskulös zurück aus Thailand.«

»Ich kann nichts dafür«, verwahrte sich James. »Ich sitze fast den ganzen Tag hinterm Schreibtisch.«

»Er hat die Fitnessprüfung fürs Personal auf dem Campus nicht geschafft«, erzählte Kerry. »Und ehrlich gesagt bin ich es leid, mir seinen Wanst anzusehen.«

»Das ist eben meine Statur, du Schlankheitsfetischist!«, protestierte James.

»Na ja, egal«, beendete Bruce das Thema und wartete, bis eine Kellnerin, die gerade vorbeiging, außer Hörweite war, bevor er Kerry fragte: »Und was machst du jetzt? Bist du auf dem Campus?«

Kerry schüttelte den Kopf.

»Ich komme an den Wochenenden zu Besuch. Wenn James da ist und wenn ich nicht arbeite.«

»Sie hat ihre Seele an den Teufel verkauft«, verkündete James.

Bruce sah sie verwirrt an, bis Kerry erklärte: »Anders als gewisse Freunde von mir, die von ihrer Mutter mehrere Hunderttausend Pfund geerbt haben und auf schicken Motorrädern durch die Gegend flitzen, muss ich mir meinen Lebensunterhalt verdienen.«

»So, so«, meinte Bruce und sah James missbilligend an, denn auch er hatte von seinen Eltern nichts geerbt.

»Kerry arbeitet in London«, erzählte James. »Bei einer fiesen französischen Bank. Verbriefte Leasinggeschäfte.«

»Die sind nicht fies!«, protestierte Kerry.

»Was sind denn verbriefte Leasinggeschäfte?«, erkundigte sich Bruce.

»Das willst du gar nicht wissen«, erwiderte Kerry achselzuckend.

»Und das macht Spaß?«

»Nein«, schnaubte Kerry und seufzte enttäuscht: »Das Gehalt ist super, aber man muss ewig lange arbeiten, Geschäftsberichte vorbereiten und … ich will lieber gar nicht erst darüber reden.«

»Dann hör doch auf«, riet ihr Bruce. »Schieß deinen schlappen Freund in den Wind und komm zu mir, da kannst du in der Sonne Kampfsport unterrichten.«

James zeigte Bruce den Finger und tunkte ein Stück Brot in Olivenöl.

»Ein paar Jahre noch«, meinte Kerry. »Ein paarmal einen fetten Bonus einstreichen, dann kann ich es mir leisten, aufzuhören und etwas Befriedigenderes zu machen.«

»Bankerbonus!«, lachte Bruce.

»Ich habe dir doch gesagt, sie hat ihre Seele verkauft.«

Kerry verschränkte die Arme, tat aber nur so, als ärgere sie sich. »Mir fehlt das Leben als CHERUB. Und wenn ich diese ganzen Oxford-Absolventen erzählen höre, was für Heldentaten sie in ihren Freisemestern so vollbracht haben, würde ich sie am liebsten in die Eier treten und ihnen erzählen, dass ich mit zwölf Jahren schon geholfen habe, einen größeren Drogenring zur Strecke zu bringen.«

»Wer kommt denn noch zur Sprengungs-Party morgen?«, wollte Bruce wissen.

»Eine ganze Menge Leute«, antwortete James. »Kyle, Gabrielle, Callum, Connor, Michael. Und sogar Leute, die ich seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen habe, wie Arif oder Dana.«

»Dana«, schnaufte Bruce. »Und deine Schwester?«

»Sie kommt mit Rat.«

»Cool«, fand Bruce. »Wahrscheinlich in Rats Privathubschrauber.«

James und Kerry mussten lachen.

»Eigentlich glaube ich nicht, dass er in der Privathubschrauberliga ist«, meinte Kerry, »obwohl er von seinem verrückten Sektenführervater über zwanzig Millionen Pfund geerbt hat.«

»Aaaah!«, rief Bruce plötzlich begeistert und schlug auf den Tisch, als die Bedienung mit den drei Hauptgerichten kam. »Es wird so cool, die alten Kumpel wiederzusehen!«

*

Die meisten älteren CHERUB-Agenten verließen den Campus, wenn sie einen freien Samstagnachmittag hatten, doch der Zug von Leon und Daniel hatte Verspätung, was dazu führte, dass es schon nach sieben Uhr war, als sie am Bahnhof in der Nähe des Campus ausstiegen.

»Wir sind ja so am Arsch«, stellte Daniel fest, als er aus der leeren Bahnhofshalle kam und sich umsah. Manchmal wartete dort ein Bus vom Campus, um jemanden abzuholen.

»Sollen wir das Taxikonto belasten?«

Leon schüttelte den Kopf.

»Wenn wir ein Taxi bezahlen, wissen sie, dass wir kommen. Wenn wir ohne elektronische Ankündigung vor dem Tor stehen, können wir vielleicht so durchschlüpfen.«

»Das sind vierzig Minuten, wenn wir rennen«, meinte Daniel nachdenklich. »Für die Party morgen kommen massenweise Gäste, da sind die Wachen vielleicht nicht ganz so scharf.«

Wie alle CHERUB-Agenten mussten die Zwillinge in Topform sein, daher war es ein Kinderspiel, die acht Kilometer zu joggen. Kurz vor dem Campus kam Daniel ein Gedanke.

»Vergiss nicht meine Hälfte des Geldes.«

»Welchen Geldes?«

»Die dreihundert, die Nigel dir gegeben hat«, meinte Daniel.

»Auf keinen Fall!«, sagte Leon scharf. »Ich habe das ganze Risiko getragen. Ich musste diese albernen Shorts anziehen und mich von diesem Perversen anglotzen lassen.«

»Risiko? Was für ein Risiko?«, erkundigte sich Leon. »Der war doch ein Weichei. Wenn er etwas versucht hätte, hättest du ihm in zehn Sekunden den Arm gebrochen.«

»Ich habe ein seelisches Trauma!«

»Die Hälfte der dreihundert gehört mir, Leon!«

»Ich gebe dir fünfzig, damit du die Klappe hältst.«

»Sei nicht so ein Idiot!«, verlangte Daniel entrüstet. »Fifty-fifty!«

»Wer’s hat, behält’s.«

Daniel versetzte Leon einen Stoß, der Leon zwar aus dem Gleichgewicht brachte, ihn aber nicht stürzen ließ.

»Ich will meine Hälfte!«, verlangte Daniel.

»Na gut, wenn du mich besiegst«, schlug Leon vor. »Wer zuerst am Campustor ist! Los!«

Die Zwillinge waren zwar nicht eineiig, aber trotzdem ähnlich groß und schnell. Daniel wusste, dass er seinen Zwillingsbruder nicht einholen könnte, wenn er sich darauf einließ, weil Leon schon zehn Meter Vorsprung hatte. Doch all das wurde gleichgültig, als Leon die letzte Kurve nahm und von einem armeegrünen Land Rover, der auf dem Grünstreifen neben der Straße parkte, angeblinkt wurde.

»Guten Abend, Jungs«, begrüßte sie ein kräftiger Wachmann großspurig, als die beiden, Unheil ahnend, anhielten. »Ich bin Briggs und ihr zwei seid weit jenseits der Sperrstunde.«

Da der Campus auf den Landkarten als militärische Einrichtung verzeichnet war, fuhren die Wachen Armeewagen und trugen Uniformen der Militärpolizei.

»Wir waren in der Stadt schwimmen«, erklärte Daniel hoffnungsvoll. »Da waren ein paar Mädchen aus einem Internat und irgendwie haben wir die Zeit vergessen.«

»Tatsächlich«, meinte Briggs unbeeindruckt. »Ihr hättet eine Nachricht schicken können, dass ihr euch verspätet. Aber aus irgendeinem Grund waren eure Telefone ausgeschaltet, sodass wir euch nicht ausmachen konnten. Fast als wolltet ihr nicht, dass wir wüssten, wo ihr seid.«

»Ich …«, stotterte Leon.

»Wir …«, ergänzte Daniel.

»Ihr kriegt eine Menge Ärger«, sagte Briggs und winkte die beiden auf den Rücksitz des Land Rovers. »Je eher ihr anfangt, uns die Wahrheit darüber zu erzählen, was ihr gemacht habt, desto größer ist die Chance, dass ihr nicht bei CHERUB rausfliegt.«

3

Nachdem Zara Asker von dem stressigen Posten als Vorsitzende von CHERUB zurückgetreten war, war sie jetzt gelegentlich für ernste disziplinarische Maßnahmen zuständig. Gähnend ging sie zum Sicherheitsdienst am Haupttor des Campus, wo sie von zwei Gesichtern überrascht wurde, die sie seit Jahren nicht mehr gesehen hatte.

»Älter, aber kein bisschen weiser!«, begrüßte sie der ehemalige Agent Kyle Blueman und umarmte sie. Hinter ihm ging Gabrielle O’Brien, doch bei ihrem Anblick erschrak Zara.

Da es auf dem Campus eher praktisch zuging, hatten die Mädchen kaum Gelegenheit, sich zurechtzumachen, außer bei besonderen Anlässen. Gabrielle schien die verlorene Zeit aufholen zu wollen. Sie hatte kunstvolle Extensions in ihren Zöpfen, heftiges Make-up und irrsinnig hohe Schuhe.

»Wow!«, machte Zara. »Du siehst ja wie ein Model aus!«

»Schon komisch, dass Sie nicht mehr Vorsitzende sind«, fand Kyle.

»Das darf gerne mein Mann übernehmen«, meinte Zara. »Das ist ein Vierundzwanzigstundenjob. Aber so gerne ich auch mit euch plaudern würde, muss ich doch noch zwei Schwachköpfe ans Kreuz nageln.«

Den freundlichen Tonfall ließ sie beiseite, nachdem sie an den Röntgenapparaten, mit denen das Gepäck durchleuchtet wurde, vorbei war und durch einen kurzen Gang zum Wartebereich lief, in dem Leon und Daniel seit zwei Stunden nervös ihr Schicksal erwarteten.

»In mein Büro! Sofort!«, verlangte sie und schnippte mit den Fingern.

Die Zwillinge hatten duschen und ihre CHERUB-Uniform mit den dunkelblauen T-Shirts anziehen dürfen. Leon schauderte, als Zara sich neben Briggs hinter einen Schreibtisch voller Beweise stellte. Computerausdrucke von Telefonnachrichten, dreihundert Pfund, Zugtickets zu Orten, an denen die Jungen nicht hätten sein dürfen …

»Setzt euch.«

Die Zwillinge sahen einander beunruhigt an, als sie auf den Plastikstühlen Platz nahmen. Der schummrig beleuchtete Raum hatte kahle Betonwände, zwei Überwachungskameras und eine Metalltür, sodass er bei Bedarf auch als Arrestzelle genutzt werden konnte.

»Wir wissen, was ihr getan habt«, erklärte Zara. »Jede Lüge, die ihr uns erzählt, reitet euch nur noch tiefer in den Schlamassel. Was ich nicht verstehe, ist, warum ihr das getan habt. Was bedeutet euch Nigel Kinney?«

Daniel sah sie ein wenig vorwurfsvoll an. »Er ist ein Pädophiler. Er kriegt nur, was er verdient.«

»Wir wussten, dass wir wahrscheinlich Ärger bekommen würden«, fügte Leon hinzu. »Wir nehmen unsere Strafe auf uns.«

Briggs schlug auf den Schreibtisch.

»Wir haben nicht nach einer Rechtfertigung verlangt! Wir haben eine genaue Frage gestellt!«Briggs’ Reaktion schien Zara mehr zu erschrecken als die beiden Jungen, und sie warf ihm schmallippig einen warnenden Blick zu, der besagte, dass sie damit auch gut alleine fertigwerden würde.

»Kinney?«, wiederholte sie streng.

Leon sah Daniel an, der ihm zunickte, und erklärte daraufhin: »Letztes Jahr waren wir auf einer Mission in Sheffield. Da war ein Junge, Brent Johnson. Ein netter Kerl, ein Jahr jünger als wir. Aber er war voll das Wrack. Er hat sich geritzt und hatte Albträume. Seit er etwa zehn Jahre alt war, war er von Nigel Kinney und einem anderen Kerl missbraucht worden. Die Cops haben keine Anklage erhoben, weil Brent zu sehr von der Rolle war, um eine Verhandlung durchzustehen.«

»Nigel war schon früher verurteilt worden, aber das darf man den Geschworenen nicht sagen«, ergänzte Daniel.

Zara schüttelte langsam den Kopf. »Also habt ihr euch an die Pädophilenjäger gewandt?«

»Ja«, gab Leon zu. »Zuerst haben wir uns eine Akte von Kinneys Strafregister besorgt und sie den Pädojägern geschickt, in der Hoffnung, dass sie ihn aufs Korn nehmen. Aber sie sind nur eine kleine Organisation und bekommen jede Menge Tipps.«

»Also habt ihr euch bereit erklärt, zu helfen?«, vermutete Briggs.

Daniel nickte.

»Wir haben uns in Kinneys Bürocomputer eingehackt und haben die Seite gefunden, über die er Kontakt mit kleinen Jungen aufnahm. Also bin ich da beigetreten und habe ihm gefälschte Nachrichten geschickt. Ich habe behauptet, ich sei knapp bei Kasse und würde ihn gerne treffen.«

»Und dann haben wir die Pädojäger gebeten, die Sache zu inszenieren«, schloss Leon.

»Ich nehme jede Strafe auf mich«, erklärte Daniel, »aber ich schäme mich nicht dafür, was wir getan haben.«

»Ihr könnt euch nicht zu Wächtern aufspielen«, knurrte Briggs. »CHERUB muss sich um größere Fische kümmern, und da ihr euch unrechtmäßigen Zugang zu den Polizeiakten verschafft habt, habt ihr die Sicherheit der Organisation aufs Spiel gesetzt.«

Zara warf Briggs einen weiteren warnenden Blick zu.

»Jungs«, begann sie, »ich habe selbst vier Kinder, und der Gedanke daran, dass es jemanden gibt, der ihnen etwas antun könnte, macht mich krank. Pädophilie im Internet ist ein ernst zu nehmendes Problem und da sollten alle wachsamer sein. Aber ihr seid CHERUB-Agenten. Unsere Ziele sind große Terrorgruppierungen, Drogenkartelle, Menschenschmuggler oder Waffenhändler. Wir sind nicht dafür zuständig, ein einzelnes Kind zu rächen. Ihr habt ungefähr ein Dutzend Regeln gebrochen.«

»Wenn sich das auf dem Campus herumspricht, werden euch die anderen wahrscheinlich als Helden betrachten«, fügte Briggs hinzu. »Wenn wir nicht hart durchgreifen, ist nicht abzusehen, wo das enden wird.«

Bei der Vorstellung, sie könnten als Helden gelten, erlaubten sich Leon und Daniel ein leises Grinsen.

»Wagt es ja nicht, zu lachen!«, warnte Zara und drohte ihnen mit dem Finger. »Ich bin zwar für die Durchführung von Disziplinarmaßnahmen zuständig, aber ich muss mich an die Richtlinien des Ethikkomitees halten. Und danach habt ihr so viele Regeln gebrochen, dass nur noch der permanente Ausschluss von CHERUB die Folge sein kann.«

Zara machte eine Kunstpause. Die Zwillinge vermieden es, sich anzusehen, und Leons Atem bebte, als würde er gleich anfangen zu weinen.

»Allerdings«, fuhr Zara fort, »habe ich einen gewissen Handlungsspielraum, wenn es um Agenten geht, die aufgrund traumatisierender Ereignisse handeln, die sie während einer Mission erlebt haben. Und ich könntewohl argumentieren, dass euch die Begegnung mit Brent Johnson entsetzt hat und ihr deswegen so gehandelt habt.

Ich gebe euch also zwei Wahlmöglichkeiten: Die erste ist, dass ihr ehrenhaft bei CHERUB entlassen werdet. Ihr dürftet bei einem CHERUB-Angestellten in der Nähe des Campus wohnen, sodass ihr eure Brüder Ryan und Theo immer noch sehen könntet.«

Leon klappte der Unterkiefer herunter. »Ich dachte, Sie hätten Handlungsspielraum …«

»Lass mich ausreden!«, verlangte Zara. »Eure zweite Möglichkeit ist, dass ihr auf dem CHERUB-Campus bleibt, aber streng bestraft werdet. Und zwar mit zwei Monaten verschärften Trainings und Gräben ausheben, gefolgt von zwei weiteren Monaten Suspendierung von Missionen.«

Die Zwillinge stöhnten.

»Zwei Monate Training?«, stieß Leon hervor.

»Ich habe noch nie gehört, dass jemand mehr als zwei Wochen bekommen hat«, fügte Daniel hinzu.

»Außerdem werdet ihr keinem eurer Freunde erzählen, warum ihr bestraft werdet«, ergänzte Briggs, »nicht einmal euren Brüdern.«

»Wir zwingen keinen CHERUB, die Strafe auf sich zu nehmen«, erklärte Zara. »Es steht euch frei, aufzuhören. Ihr könnt jederzeit gehen.«

Leon sah Daniel an.

»Ich habe mal vierundzwanzig Stunden verschärftes Training bekommen, als ich so viel Cidre getrunken habe, dass ich in der Französischstunde gekotzt habe. Das war krass. Ich weiß nicht, ob ich das zwei Monate lang durchhalte.«

Daniel hatte so etwas noch nie machen müssen. »Schlimmer als die Grundausbildung?«

»Wesentlich schlimmer«, antwortete Leon.

Zara stand auf und bedeutete Briggs, es auch zu tun. Dann sah sie auf die Uhr.

»Schluss mit CHERUB oder zwei Monate Straftraining. Ich lasse euch zehn Minuten Zeit, euch zu entscheiden.«

Zara und Briggs verließen den Raum, und die Zwillinge zuckten zusammen, als Briggs die Metalltür hinter ihnen verriegelte. Sie sahen sich an und dann fiel Daniels Blick auf ein Foto von Nigel Kinney, das auf dem Schreibtisch lag.

»Wir wussten ja, dass die Chancen, erwischt zu werden, groß waren«, meinte Daniel traurig. »Und vielleicht ist es ja gar nicht so schlimm, ein ganz normales Kind zu sein.«

Leon nickte. »In der katholischen Schule in der Nähe gibt es echt heiße Mädchen.«

Daniel sah zu einer der Kameras.

»Wahrscheinlich hören sie, was wir sagen.«

»Andererseits«, meinte Leon und schnippte sich nervös an die Wange, »können wir noch das ganze Leben lang normal sein.«

4

Alles war ruhig am Sonntagmorgen, als eine zweiundzwanzigjährige Blondine in engen Cordhosen und abgetretenen Turnschuhen zum Einsatzleitungsgebäude kam. Sie beugte sich zur Tür und sah in ein schwarzes Quadrat, über dem ein grünes Licht blinkte. Gleich darauf leuchtete unter dem Paneel ein Schriftzug auf: Lauren Adams, Zugang gewährt.

Das gewundene Einsatzleitungsgebäude auf dem CHERUB-Campus war erst kürzlich renoviert und mit neuen Fußböden und moderner Kunst ausgestattet worden. Das Herzstück des Gebäudes war ein kleiner Kontrollraum voller leuchtender Computerbildschirme. Hier konnten sich die etwa sechzig CHERUB-Agenten, die immer irgendwo auf einer Mission waren, sowie ihre erwachsenen Einsatzleiter in einem Notfall anrufen, Verstärkung, besondere Ausrüstung oder eine Verbindung zu Spezialisten anfordern, deren Fähigkeiten vom Hacken besonders verschlüsselter Dateien bis zur Garantie dafür reichten, dass eine bestimmte Ampel genau dann rot wurde, wenn sie es sollte. Von diesem Raum zweigten drei weitere, kleinere Kontrollräume ab, die während der kritischen Phasen der einzelnen CHERUB-Einsätze bemannt waren.

Nachdem Lauren eingetreten war, ging sie durch einen breiten Gang mit fest verschlossenen Büros auf der einen Seite und einer Glaswand zum Wald hin auf der anderen. In der Mitte saßen ein Junge und ein Mädchen in ihren grauen T-Shirts und warteten nervös darauf, für ihren ersten Einsatz gebrieft zu werden.

Das Schild am letzten Büro im Gang fand Lauren ein wenig lächerlich: James Adams – Einsatzleiter.

Noch bevor sie klopfen konnte, machte eine kräftige Siebzehnjährige in einem schwarzen CHERUB-T-Shirt mit einem Arm voller Papiere die Tür auf und rannte sie fast um. Nachdem sie ein paar Sorrys ausgetauscht hatten, betrat Lauren ein schönes Eckbüro mit Bücherregalen, einem eleganten Walnussschreibtisch und einem Couchtisch mit zwei Ledersofas.

Die Aussicht über einen sanften Abhang mit goldenen Laubbäumen war spektakulär. Der Anblick von James Adams allerdings störte das Ambiente ein wenig, denn er trug Sportkleidung und hatte einen Fuß mit löchriger Socke auf den Schreibtisch gelegt, der von Kaffeebechern, Aktenordnern und Papierstapeln überquoll. Er telefonierte, zeigte Lauren daher nur den Daumen und deutete wortlos auf ein Sofa.

»John …«, sagte er ins Telefon, »sie ist sechzehn Jahre alt und ihre gesamte Garderobe ging am Ende der Mission in Flammen auf. Ich habe ihr gesagt, sie solle sich kaufen, was sie bräuchte … ja, John, ich hätte ihr ein Limit setzen sollen. Aber woher sollte ich wissen, dass sie nach London fährt und Schuhe für achthundert Pfund kauft?«

Grinsend nahm Lauren den Rucksack von den Schultern und setzte sich auf den einzigen Teil des Sofas, der nicht von Akten bedeckt war. Während James weitersprach, kam das Mädchen mit dem schwarzen T-Shirt zurück, eine Rolle mit dicken orangefarbenen Plastiktüten in der Hand. Lauren wusste, dass dahinein Unterlagen vom Campus kamen, die verbrannt werden sollten.

»Ich bin Fu Ning«, stellte sich das Mädchen leise vor, um James nicht zu stören. »Du bist doch seine Schwester Lauren, nicht wahr?«

Lauren nickte. »Muss schlimm sein, für meinen Bruder zu arbeiten.«

»Ist ganz okay«, sagte Ning lächelnd, »er ist nur unorganisiert.«

ENDE DER LESEPROBE