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Sitzen ist ein eigenständiger biologischer gefährlicher Zustand, dessen Risiken durch die empfohlenen 150 Minuten Bewegungs-Minuten pro Woche nicht eliminiert werden können. Die Uni Straßburg erzielte gute Ergebnisse mit beliebten Polyphenolen, wobei es bei der Einnahme auf die richtige Tageszeit ankommt. Hunderte Untersuchungen lassen uns keinen Ausweg. Wir müssen uns damit abfinden: Eine sitzende Lebensweise und ein Bewegungsmangel trotz Sport stellen entweder eigene Risikofaktoren dar oder sie vergrößern gesundheitliche Gefahren, die aus anderen Umständen bestehen. Untersucht man Reaktionen auf Organe, werden unterschiedliche Auswirkungen von Bewegungsarmut und sitzendem Lebensstil erkennbar. Diese Liste ist womöglich noch nicht endgültig: Herz-Kreislauf-Leiden, Venenleiden, vor allem Thrombosen, Bluthochdruck, Fettsucht, Diabetes, Osteoporose, Nierensteine, auffällige Blutfette, Dickdarmkrebs, Depression, Angstzustände. Es erscheint als gesichert, dass es im sitzend ruhenden Körper ein einzigartiges Lebensgeschehen gibt, dessen Physiologie sich von jener im aktiven Organismus stark unterscheidet. Eine gemeinsame Wurzel der drohenden Beschwerden scheinen stille, also schmerzlose chronische Entzündungen zu sein. Frauen sind vor allem in Bezug auf das Herz und das Gehirn noch stärker gefährdet als Männer, vermutlich wegen der engeren Gefäße mit dünneren Innenschichten. Die sitzend vor dem Fernseher verbrachte Zeit wird in mehreren Studienergebnissen sogar mit einem früheren Sterberisiko in Verbindung gesehen. Am umfangreichsten untersuchte Australien dieses Risiko in der vielbeachteten Studie "Too Much Sitting: The Population Health Science of Sedentary Behavior" (Zu viel sitzen: Die Bevölkerungs-Gesundheits-Wissenschaft einer sitzenden Lebensweise) vom 23. März 2010. Dass während des Fernsehens die Hände unbeschäftigt sind, führt vermutlich dazu, dass in dieser Zeitspanne überproportional genascht wird.
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Toxisches Sitzen
Richtig essen gegen stille Entzündungen
Mittelmeer-Diät
GLYX-Diät
Low Carb-Diät
Öko-Atkins
Dr. med. Jan-Dirk Fauteck und Imre Kusztrich
Dieses Buch über eine ernste Situation ist durchaus optimistisch angelegt. Auf die hier analysierten Zusammenhänge zwischen falsch gewähltem Lebensstil und chronischen Erkrankungen kann jeder durch individuelle Entscheidungen Einfluss nehmen und seine Chancen auf eine gute Gesundheit im Alter verbessern.
Allerdings, wenn nicht, dann…
Aber zuerst muss eine Tatsache akzeptiert werden, auch wenn viele sie nicht glauben mögen. Ausgedehntes Sitzen, wie Millionen es praktizieren, kann verfrühte Todesfolgen haben. Das gilt besonders für das Verhalten in der Freizeit, während wir sitzend auf einen Bildschirm starren, ohne den Körper zu fordern.
Schon aus Höflichkeit der geneigten Leserschaft gegenüber hat jeder Autor das Bestreben, allzu häufige Wortwiederholungen zu vermeiden. Leider fällt das in einem Manuskript über das Sitzen und die sitzende Lebensweise nicht leicht. Den Muskeln eine Ruhepause gönnen, ihnen einen Zustand der Untätigkeit verpassen, sich entspannen…das sind gefällige Formulierungen, aber sie drücken etwas anderes aus. Der Präzisierung wegen haben sich die Verfasser dazu entschlossen, in ihrem Buch das Sitzen und die sitzende Lebensweise lieber einmal zu oft als einmal zu wenig beim Namen zu nennen.
Was kann an einer so bequemen Grundhaltung des Menschen, die ein Baby im Alter von fünf oder neun Monaten lernt, verkehrt sein? Immer mehr Studien machen uns bewusst, welch verhängnisvolles inneres Signal an den Organismus mit einer sitzenden Lebensweise verbunden ist. Wer das Problem in einer drohenden Gewichtszunahme vermutet, irrt. Fast keine Bedeutung hat der dadurch unterbleibende Energieaufwand auf unsere Gesundheit.
Allerdings ersparen wir uns, wenn der größte Teil des Körpergewichtes auf demGesäß
oder auf den angewinkelten Oberschenkeln
ruht, beispielsweise jene achtzehn Prozent unserer Grundumsatzes, mit denen wir im Stehen und Gehen die Erdanziehungskraft ausgleichen müssen. Bekannt ist, jeder unterbleibende Leistungsaufwand erhöht den täglichen Überschuss an nicht verbrauchten Kalorien, die dann häufig im Depot der Fettzellen landen.
Das Urteil der Wissenschaft ist eindeutig: Sitzen ist keine zu verharmlosende Untätigkeit.
Das Recht zum Platznehmen hat in verblassender Erinnerung an vergangene Sitten Züge eines Privilegs, als vor allem die höher gestellten Persönlichkeiten einen Sitzplatz einnahmen. Jahrhunderte hindurch durfte der Herrschende sitzen, während Untergebene standen.
Aber vorbei sind die Zeiten, als gesellschaftliche Normen die niederen Schichten vom Sitzen ausschlossen. Zwar werden heute für Veranstaltungen Sitzplätze teurer berechnet als Stehplätze, und wer es sich in einem Lokal gemütlich macht, ist zur Konsumation verpflichtet. Doch daheim erfolgt das Niedersinken hinein in den Fernsehsessel zum Nulltarif, finanziell gesprochen. Biologisch zahlen wir womöglich einen sehr hohen Preis. Damit hat übrigens auch zu tun, dass anders als sonst während des Tages dabei die Hände ohne Beschäftigung sind, was oftmals dann zur Nahrungsaufnahme ohne Hunger verführt. Mit dem Sitzen ist jedenfalls auch verbunden, dass wir zu viel essen, womöglich auch noch das Falsche, und sollte es einmal das Richtige sein, dann vermutlich zur falschen Zeit.
Aber das ist noch nicht das Dramatischste von allem, das wir in die Wege leiten, wenn wir uns, vielleicht mit einem Seufzer der Erleichterung, niederlassen. Denn unser Organismus bewertet das gar nicht als verdiente Ruhepause, sondern ganz, ganz anders…
Auch davon handelt diese Analyse. Nach und nach identifizierte die Wissenschaft eine ganze Reihe von Risiken, die von immer mehr Untersuchungen bestätigt werden.
Ein besonders einleuchtendes Beispiel: unsere als Gefahr völlig übersehene derzeitige Faszination vom Bildschirm.
Das war nicht immer so. Das Medium Fernsehen in seiner Gründungszeit wurde vor fünfzig Jahren als eine niedere Unterhaltungsform betrachtet, sofern nicht gerade bis zu neunundachtzig Prozent der eingeschalteten Geräte einen Francis-Durbridge-Straßenfeger wie „Das Halstuch“ und „Melissa“ zeigten. Jede aktive Freizeitgestaltung hatte damals in der Regel einen höheren Stellenwert als das In-die-Röhre gucken: Ins Kino gehen, tanzen, sich einbringen, diskutieren, Freunde treffen, Sport treiben, wandern, grillen, unter freiem Himmel sein.
Heute ist dieses Medium unbestritten cool, und damit sind dramatisch prägende Auswirkungen auf den Zeitverbrauch der Gesellschaft verbunden.
Im positiven Sinne verbindet es, informiert es, unterhält es, erzieht es. „Die Zukunft des Fernsehens ist im gleichen Maße umfassend, wie der menschliche Geist begreifen kann. Es ist der Schlüssel zum Licht der Erleuchtung, der die Tür zum Verstehen der Welt öffnen wird“, prophezeite der Präsident der amerikanischen Television Broadcasters Association, Jack R. Poppele, im Jahre 1948. Das Fernsehen öffnet in der Tat den Zugang zu Kunst, Information, Unterhaltung, Politik, Wissen, Sport, Talk und Witz, entführt uns in die Welt der Promis oder in die entlegensten Regionen. Zuschauer erleben Triumphe der Menschheit wie die erste Landung auf dem Mond oder Olympiasiege ebenso wie abscheuliche Kriege oder Tragödien. Experten zeigen Millionen Anhängern, wie sie besser ihre Kinder erziehen, ihren Hund trainieren, ein Haus renovieren oder gar, dass wir aussehen können wie ein Model, und erklären uns, auf welche Weise besonders Clevere zu Millionären werden.
Jedoch aus Sicht von Präventionsmedizinern prägt uns das Fernsehen am allermeisten inzwischen in Bezug auf die Gesundheit. Im Durchschnitt verbringen wir vier Stunden pro Tag, achtundzwanzig Stunden in einer Woche, zwei Monate eines Jahres vor dem Bildschirm. Noch ehe wir fünfundsechzig sind, summiert sich die konsumierte Zeit auf neun Jahre.
In den frühen Jahren war die Ausstrahlung auf wenige Stunden beschränkt. Fernsehzuschauer von heute wählen aus Hunderten Programmen rund um die Uhr. In vielen Wohnungen laufen drei oder mehr Fernsehgeräte. Das hat den Vorteil einer Programmwahl nach individueller Interessenslage. Nicht wenige Eltern und Kinder verbringen allerdings nicht einmal mehr die Mahlzeiten gemeinsam – ein dramatischer Gegensatz zu der Erwartung, dass Fernsehen die Welt verbindet.
Einer einmal entstandenen Abhängigkeit können sich Betroffene nur schwer entziehen. Wissenschaftler der Universität Umea in Schweden studierten 1981 die Fernsehgewohnheiten von mehreren hundert Sechzehnjährigen und kontaktierten sie ein gutes Vierteljahrhundert später, 2008, erneut. Sie fanden bei den Untersuchten im Alter von mittlerweile dreiundvierzig Jahren, dass sich im Grundsatz ihre Lebensweisen seither nicht verändert hatten – und sie entdeckten vermehrt biologische Marker für neue Volkskrankheiten unserer Tage. Ihre Schlussfolgerung: Sowohl ein hoher Fernsehkonsum wie ein geringes Ausmaß an physikalischer Aktivität in der Zeit des Heranwachsens lassen Vorhersagen in Bezug auf ein späteres metabolisches Syndrom und dessen Komponenten wie Bluthochdruck und ungesunde Blutfettwerte zu.
Und die Entwicklung bleibt nicht stehen: Dank der jüngsten Generationen von Mobilphones, Spielekonsolen, eBook-Readers, Laptops und Navigationsgeräten sind die Blicke der Menschen länger auf jede Art von Bildschirmen gerichtet als je in unserer Geschichte.
Lange Zeit konnte über diese Lebensform ohne schlechtes Gewissen sogar laut gelacht werden. Den Startschuss lieferte ein Freund des amerikanischen Cartoonisten Robert D. Armstrong. Ihm rutschte am 15. Juli 1976 während eines Telefonats die Wortschöpfung „Couch Potato“ heraus. Dazu muss man wissen, dass die Kartoffel, die potato, auch „tuber“ heißt, was eine Knolle bezeichnet, und dass sich für das Röhrengerät, den Fernseher, umsatzsprachlich und abschätzig der Begriff „tube“, Röhre, eingebürgert hat. Das moderne und damals als sexistisch wahrgenommene Medium selbst wurde vulgär gerne „Boob Tube“, Busen-Röhre, genannt. Folgerichtig wurde ein Fernsehsüchtiger „tuber“ genannt, wie eine Knolle, und von da bis zur Sofa-Kartoffel ist es im Amerikanischen nicht mehr weit.
Dieser Freund, Tom Iacino aus Pasadena in Kalifornien, hatte aus Spaß einen Verein für faule Leute gegründet und damit ein Zeichen gegen die ausufernde Flut an Vorschlägen für eine richtige Ernährung und eine gesündere Lebensart gesetzt. Sein launischer Protest zielte auf jene Millionen Amerikaner, die ihr Leben weitgehend vor dem laufenden Fernseher verbringen und dabei Junk Food in sich hineinstopfen. Sein Freund schuf dazu den passenden Cartoon einer Sofa-Kartoffel als Klischee einer Person, die vor allem Fernsehen glotzt, nach dem Vorbild der Zeichentrickfigur Homer Simpsons, übergewichtig und ungepflegt, aus der Serie des Fernsehsenders Fox, „Die Simpsons“.
Schon 1995 sollte ihr lustiger Anblick jedoch besser zu einem ernsteren Nachdenken angeregt haben. Eine Studie über das Fernsehverhalten Heranwachsender im Alter von acht bis sechzehn Jahren in den USA belegte erstmals einen direkten Zusammenhang zwischen dem täglichen Fernsehkonsum von damals zwei Stunden oder mehr und einem höheren Anteil an Körperfett und einem größeren Body-Mass-Index. Seitdem wird die Rolle des Fernsehens in Bezug auf die steigenden Kosten für die Behandlung chronischer Krankheit und ihre weiteren Folgen für die Gesellschaft zunehmend kritisch diskutiert.
Aus Sicht von Präventionsmedizinern und Anti-Aging-Forschern fällt die Bilanz mehr und mehr negativ aus, auch weil die Verführung durch diese technischen Wunder bei Millionen Menschen auf fehlende Verantwortung für ihre Gesundheit trifft. Das Fernsehprogramm, das Internet und weitere Informationsquellen enthalten doch auch genügend Aufklärung über die richtige Ernährung, über körperliche und geistige Ertüchtigung und über die vielleicht wirksame Prävention drohender Erkrankungen, und die Wahl des Programms ist Sache jedes einzelnen. Jedoch lebt fast niemand nach dem Paragraf 1 des Bundessozialgesetzbuches: Jeder ist zuerst einmal selbst für seine Gesundheit verantwortlich.
Psychologen mit Fachwissen über Vorgänge im kindlichen Gehirn vermuten, dass in der entspannten Atmosphäre des Fernsehkonsums Heranwachsende wie unter Hypnose Eindrücke von Gewalt, Genuss und von Sexualität eher wie ein Schwamm aufsaugen, als es intelligente kritische Beobachter könnten. Während der Lebensstil von berühmten Leuten, Fernsehwerbung und die Marketing-Raffinesse großer Konzerne Millionen Menschen mehr und mehr beeinflussen, bleibt immer weniger Zeit für Diskussionen und Nachbetrachtungen. Auch einzelne Erwachsene haben Mühe, zwischen Wirklichkeit und Fiktion zu unterscheiden. Die Autorität des Fernsehens hat auf diese Weise Gewicht, wann immer in den Köpfen der Zuschauer Ideale, Ansichten und Verhaltensweisen entstehen.
Aber all diese Überlegungen bilden nur die Kulisse für ein Forum, in dem immer ernster und lauter über Fernsehen und Gesundheit, über so genannte Bildschirmleiden diskutiert wird. Denn in jüngster Zeit beschrieben zwei Worte schockierend die von uns so bevorzugte Lebensweise: toxisches Sitzen.
Ein Schock ist es tatsächlich. In unseren Augen ist das Nichtstun ein erstrebenswerter Zustand, den wir genießen können und oft verdienen. Sitzen, abgeleitet vom lateinischen Wort sedere, ist tatsächlich ein sympathischer Begriff, egal, ob wir ihn mit dem Zuhause, dem Arbeitsplatz, dem öffentlichen Nahverkehr oder vor allem mit unserer Freizeit verbinden. Auch die wissenschaftliche Bezeichnung für unsere sitzende Lebensweise, sedentary lifestyle, leitet sich von einem Wort her, das für einen positiven Entwicklungsschritt in der Menschheitsgeschichte steht: Sedentismus, Sesshaftigkeit. Damit wird als Gegensatz zum Nomadentum jene Phase gewaltigen Fortschritts bezeichnet, die erstmals auf Ackerbau und Viehzucht gründete und frühestens fünfundzwanzigtausend Jahre vor Christi Geburt einsetzte. Spätestens dann fiel unserem treuesten Gefährten, dem Hund, eine besondere Rolle zu, weil der Mensch zum ersten Mal in seiner Entwicklung persönlich über Besitz verfügte, den es zu verteidigen galt.
Aber zwischen Sesshaftigkeit und Sitzen liegen Welten. Der Zustand des Körpers in sitzender Ruhe ist biologisch ein Sonderfall. Der Zeitkonsum mit Fernsehen, zum Beispiel, verbraucht nur eine bis eineinhalb magere Einheiten der metabolischen Energie-Grundrate und damit deutlich weniger als etwa Gehen, Schwimmen, Radfahren oder Laufen in unterschiedlichen Körperpositionen, für das wir das Dreifache bis Achtfache des normalen Enenergieverbauchs aufbringen. Nur Schlafen erfordert minimal noch weniger Aufwand als das Sitzen. Aus diesem Grund sind Reparaturmaßnahmen im Körper vor allem nachts vorgesehen. Während der Nachtstunden sind sie etwa dreimal stärker effektiv, als sie es tagsüber gewesen wären, mit einem Gipfel zwischen zwei Uhr und vier Uhr früh. Eine Ursache unter vielen spielt dabei die Hauptrolle: Es ist die besondere Energieverfügbarkeit während der Nacht. Tagsüber müssen wir rund ein Sechstel der Kraft aufwenden, um der Erdanziehungskraft entgegenzuwirken. Unsere Muskeln, Sehnen und Nerven sind ständig gefordert, uns vor dem Umfallen oder vor dem Sturz aus dem Bürostuhl zu bewahren.
Auch alle Aktivitäten, die wir im Stehen leisten, schlagen immerhin schon mit fast drei Energie-Einheiten zu Buche, weil die Muskeln der Erdanziehungskraft einiges entgegensetzen müssen und durch isometrisches Zusammenziehen eine Anti-Schwerkraft-Haltung aufbauen. Im Sitzen wird dieser Energieverbrauch reduziert, mit weitgehenden Folgen.