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Der Kampf gegen die außerirdischen Aggressoren geht in die letzte Phase. Während Russell und Jim das Heimatsystem der Erbauer der Transporter besuchen, stößt Candy auf eine Basis der außerirdischen Aggressoren. Doch dort macht sie einen fatalen Fehler und bald droht der Erde erneut ein Angriff. Es gibt nur noch eine Hoffnung: Den Ursprung der robotischen Angreifer suchen und ausschalten. Doch die Zeit wird knapp und Russell, Jim und Candy müssen ihr Leben riskieren, um die Menscheit vor dem Untergang zu bewahren. +++ Der rasante siebte Teil der Erfolgsserie +++
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Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Bücher von Phillip P. Peterson
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Nachwort
»Alle bereit?«, fragte Captain Ray Barr, der bullige Einsatzleiter des Spezialkommandos, und sah nacheinander den Leuten seines Teams ins Gesicht, die nebeneinander in der kleinen Sphäre des Transporters standen.
Russell überprüfte ein letztes Mal sein Schnellfeuergewehr und nickte, als der Blick des Captains ihn traf. Er fühlte sich nicht sonderlich bereit. Er hatte letzte Nacht kaum geschlafen. Um ehrlich zu sein, hatte er seit Elises Tod vor einer Woche nicht mehr richtig geschlafen. Zuerst hatte er es mit Schlafmitteln probiert. Als das nichts nutzte, hatte er versucht, sich in den Schlaf zu weinen, aber auch das ohne Erfolg. Die meiste Zeit hatte er nur dagelegen, in seinem kalten Bett in seinem kahlen Haus in Eridu auf New California, und die Decke angestarrt, die sich in der Dunkelheit in Elises lächelndes Gesicht verwandelte. War er doch einmal dem Schlaf nahegewesen, hatte er sich unwillkürlich zur Seite gerollt, um seine Frau in den Arm zu nehmen, wie er es sonst immer gemacht hatte, wenn er nachts aufwachte. Nur um sofort daran erinnert zu werden, dass Elise nun gegangen war. Sie war tot. Ermordet. Verwundet durch die Drohnen der außerirdischen Invasoren und gestorben, weil Russell sie nicht schnell genug zum Transporter gebracht hatte. Und es fühlte sich an, als sei zusammen mit Elise auch ein Teil von ihm selbst gestorben.
»Alles in Ordnung?«, fragte Candy.
Russell hob den Blick. Erst jetzt wurde ihm klar, dass ihm schon wieder die Tränen über die Wangen liefen. Er wischte sie ab und nickte. »Ja, alles klar.«
Candy zögerte, dann strich sie ihm mit der Hand über die Schulter. Russell zwang sich ein Lächeln auf. Die Geste vermochte seinen Schmerz nicht zu lindern, aber es gab ihm etwas Trost, dass er Freunde hatte.
»Visiere schließen«, befahl der Captain.
Russell klappte die Frontscheibe des Raumhelms nach unten. Ein Knacken und ein kurzes Zischen bestätigten die ordnungsgemäße Verriegelung. Er atmete tief durch. In wenigen Augenblicken sollte er wieder die Welt betreten, auf der seine Frau gestorben war. Zusammen mit dem zehnköpfigen Einsatzkommando von der Erde, dessen andere Mitglieder Russell und Candy gestern erst kennengelernt hatten, würden sie sich einen Weg in das abgestürzte Raumschiff der Fremden bahnen. Oder zumindest versuchen. Der Gedanke, dass das eine Gelegenheit zur Rache bedeutete, verschaffte Russell nur eine geringe Genugtuung.
Rache.
Es war ein Gefühl, das er immer aus seinem Leben zu verbannen versucht hatte. Rache war eine schädliche Reaktion, die seine Schmerzen nicht verstummen lassen würde. Im Gegenteil, nach Rache fühlte man sich niemals besser, sondern immer schlechter als vorher. Rache vergiftete den Geist. Außerdem ... Rache an Maschinen und Robotern? Die Drohnen hatten nur getan, was die Computer des abgestürzten Schiffes befohlen hatten. Und die Befehle waren einprogrammiert gewesen. Von vermutlich schon seit Jahrmillionen ausgestorbenen Wesen, womöglich ausgerottet von ihrer eigenen Schöpfung.
Nein, Russell ging nicht in den Einsatz, um Rache zu üben. Er ging in den Einsatz, um den Feind zu zerstören, der die Erde und die gesamte Menschheit bedrohte. Damit sie herausfanden, wo der Gegner herkam, wo er seine Stützpunkte hatte, wo er verwundbar war. Dafür mussten sie sich unbedingt Zugang zu dem abgestürzten Schiff verschaffen und Zugriff auf die Computersysteme erlangen. Vielleicht bekamen sie dort die Informationen, die sie brauchten, um eine erfolgversprechende Strategie zu entwerfen.
Der Captain gab den Code für die Zielwelt ein, die sich von der Erde aus gesehen auf der anderen Seite der Milchstraße befand. Mit dumpfer Müdigkeit dachte Russell daran, dass sie nun nicht mehr den Umweg über einen Supertransporter zu nehmen brauchten. Dafür hatten Jim und er gesorgt. Sie hatten den Übertransporter erreicht und die Sicherheitseinschränkungen im Transporternetzwerk deaktiviert, die das System automatisch nach der Krise mit der Todeszone vor fünf Jahren implementiert hatte. Nicht nur das: Russell war es sogar gelungen, der Menschheit die Administratorrechte für das gesamte Transporternetzwerk zu verschaffen und Vollzugriff auf alle Informationen und Daten der künstlichen Intelligenz zu erlangen. Gemma arbeitete bereits zusammen mit Mitchell an einem neuen Interface, das ihre Computer mit der Transporterintelligenz verbinden sollte. Es würde ihnen auch ganz sicher im Kampf gegen die außerirdischen Invasoren helfen.
Doch nun galt es erst einmal, diesen Einsatz lebend zu überstehen. Russell blickte zu Keith Garland hinüber. Der junge Lieutenant stand neben dem Captain und trug einen dicken Zylinder auf der Schulter, der einem Raketenwerfer ähnelte und über ein dickes Kabel mit dem schweren Rucksack auf seinem Rücken verbunden war. Es sollte ihre Geheimwaffe im Kampf gegen die Fremden sein. In wenigen Minuten würde sich zeigen, ob der Plan Erfolg hatte.
Der Captain drückte auf das Auslösefeld des Transporters. Die Schwerkraft änderte sich nur leicht. Der Planet, den sie besuchten, hatte eine ähnliche Masse wie die Erde.
Captain Barr öffnete den Durchgang und kletterte über die Strickleiter hinab. Ein stämmiger Private ließ die Ausrüstung an einem Seil nach unten, während der Rest des Trupps sich aus der kleinen Sphäre abseilte. Candy und Russell bildeten die Schlusslichter.
Russell und Candy waren erst spät zu dem Trupp gestoßen, der den Einsatz von der Mondbasis aus detailliert vorbereitet hatte. Darum sollten sie sich weitestgehend zurückhalten und lediglich als Beobachter und Unterstützer fungieren, was Candy natürlich überhaupt nicht passte. Die Soldatin hatte Adam gedrängt, den Einsatz um einige Tage zu verschieben, damit sie sich besser in das Team integrieren konnten, aber Adam hatte abgelehnt.
Russell hatte Verständnis dafür. Die Uhr tickte und er fühlte sich ohnehin nicht in der Lage, einen taktischen Militäreinsatz zu planen. Ihm war klar, dass er, müde und erschöpft, wie er war, eigentlich nicht für die Teilnahme an der Mission geeignet war. Er wusste, dass Adam ihm das Mitgehen nur aus Gefälligkeit gestattet hatte.
»Ich öffne den Durchgang«, sagte Barr. »Wir gehen vor wie geplant. Ich erwarte hundertprozentige Disziplin.«
Russell riss sich zusammen und verdrängte den Gedanken an Elise. Er durfte die Mission nicht wegen eines dummen Fehlers in Gefahr bringen.
Der Captain öffnete den Durchgang und Licht fiel in das Innere des Transporters. Der Befehlshaber sprang hinaus und lief los.
»Auf geht’s.« Candy folgte den Soldaten. Russell atmete tief ein und ging hinterher.
Der Himmel war wolkenlos und giftgrün. Die unangenehme Farbe ging am hügeligen Horizont in eine dunkelgelbe Schicht über. Die fahle Sonne stand hoch am Himmel.
Russell umrundete den Transporter. Das abgestürzte außerirdische Raumschiff ragte in einigen hundert Metern Entfernung weit in den Himmel hinauf. Sie näherten sich im Laufschritt.
Wann würde die immer noch aktive Automatik des Wracks auf sie aufmerksam werden und ihnen die Drohnen entgegenschicken? Candy und Elise hatten die Hülle mit Neutronen beschossen, bevor sie angegriffen wurden, aber Russell ging davon aus, dass das Schiff nun vorgewarnt war und bereits früher Verteidigungsmaßnahmen ergreifen würde.
Sie passierten eine doppelt mannshohe Ansammlung von Felsen. Russell biss sich auf die Lippe. Das war der Ort, an dem Elise gestorben war. Er spürte Feuchtigkeit in seinen Augen und hätte schreien mögen. Wieder riss er sich zusammen und richtete den Blick nach vorne. Ein halber Kilometer bis zum Wrack, zeigte Russells Helmanzeige an.
Der Captain hob die Hand und minderte sein Tempo. Von nun an würden sie der Vorsicht den Vorzug vor Geschwindigkeit geben.
Noch blieb alles ruhig. Kein Angriff. Keine Drohnen. Aber Russell wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war.
Immer mehr Details in der Struktur der fremden Schiffshülle wurden erkennbar. Eine Vielzahl an stabförmigen, antennenartigen Auswüchsen ließ das Wrack wie einen bizarren, tropfenförmigen Seeigel erscheinen. Die Wandung bestand aus grauen Strukturen, die ebenso gut Metall wie auch Kunststoff sein konnten. Es gab darin viele vor- und abstehende Elemente und kaum größere, glatte Flächen. Obwohl das Schiff aus großer Höhe abgestürzt sein musste, lagen seltsamerweise keine Trümmerstücke in der Landschaft.
Als sie sich auf knapp hundert Meter genähert hatten, leuchtete in Russells Helm ein rotes Licht auf. Das war das Radar.
»Annäherungsalarm«, sagte Maria Burns mit ruhiger Stimme.
»Aus welcher Richtung?«, fragte der Captain ebenso ruhig.
Private Hamill hob seinen kastenförmigen Scanner. »Nordnordost. Neigung etwa sechzig Grad. Ich empfange eine Vielzahl an winzigen Kontakten.«
»Wieder diese Drohnen.« Candys Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
Russell erstarrte. Das waren die verdammten Dinger, die seine Frau umgebracht hatten. Er ließ den Blick über die Hülle des Wracks schweifen, konnte aber nichts erkennen. Wenn die Drohnen dort oben irgendwo waren, dann noch hinter der Krümmung auf der anderen Seite.
»Ich sehe nichts«, verkündete Captain Barr.
Hamill schwenkte den Scanner mal in diese, mal in die andere Richtung. »Nähern sich aber schnell.«
»In Ordnung«, sagte Barr. »Teslas Hammer bereitmachen.«
Lieutenant Garland hob das raketenwerferähnliche Teil auf seine Schulter. Er stolperte einen Schritt nach hinten und ächzte auf, obwohl der Mann so muskulös aussah, als könne er ein Auto mit einer Hand anheben. Dann drückte er einen Schalter an der Seite des Rohrs nieder und ein rotes Licht leuchtete auf.
»Jeden Moment sind sie heran«, meldete Hamill, die Stimme unverändert ruhig.
Russell hob das Gewehr. Er wusste, dass er damit gegen die Drohnen nichts ausrichten konnte, aber das Metall der Waffe durch die Handschuhe zu spüren, verschaffte ihm ein gewisses Gefühl von Sicherheit.
Einem Bienenschwarm gleich, wirbelten die miniaturisierten Drohnen um die Krümmung des Raumschiffwracks und bildeten eine schwarze Wolke über ihren Köpfen.
»Feuer nach eigenem Ermessen«, befahl Captain Barr.
Garland hob das vordere Ende des Rohrs in die Höhe und stützte sich mit dem linken Fuß ab. Russell hatte keine Ahnung, wie schwer die Waffe war, aber Garland ächzte erneut.
Der um einen imaginären Punkt kreisende Schwarm bildete einen Rüssel nach unten aus, wie ein Tornado. Gleich würde die Spitze sie erreichen. Wenn Garlands Waffe nicht funktionierte, waren sie in wenigen Augenblicken erledigt. Russell dachte an Elise und war sich nicht sicher, ob ihm der Tod viel ausmachte.
»Nun los!«, schrie Candy.
Russell trat unwillkürlich einen Schritt zurück.
Plötzlich zuckten blau-weiße Blitze aus Garlands Zylinder. Grelles Licht waberte inmitten der umherfliegenden Drohnen, durchdrang den wirbelnden Tornado. Es donnerte, als habe ein Blitz direkt neben Russell eingeschlagen, und er zuckte zusammen.
Der Flug der Drohnen endete abrupt. Die Flugkörper fielen wie schwarzer Hagel einfach zu Boden. Einer prallte mit einem dumpfen Geräusch gegen Russells Helm und landete neben seinem Stiefel auf dem steinigen Boden.
»Es hat funktioniert«, schrie Candy und reckte die Faust in den Himmel.
»Hast du etwa daran gezweifelt?«, fragte Garland mit ruhiger Stimme. Er öffnete eine Klappe an der EMP-Kanone und holte eine kleine, zylinderförmige Batterie heraus. Mit der Rechten warf er sie zu Boden, während er mit der Linken eine unverbrauchte aus seiner Brusttasche zog und in die Waffe setzte.
Candy schüttelte den Kopf. »Was seid ihr? Etwa gottverdammte Roboter?«
Captain Barr ignorierte sie und wandte sich an Garland. »Sehen Sie zu, dass Sie die EMP-Kanone jederzeit einsatzbereit halten.«
»Ja, Sir.«
Dann setzten sie ihren Weg zur Hülle des Wracks fort. Rund um das havarierte Schiff war der Boden schwarz. Womöglich vom Absturz.
Russell hatte Zweifel, dass sie nun gefahrlos in das Innere des Schiffes vordringen konnten. Er rechnete jederzeit mit dem Auftauchen weiterer Drohnen. Oder einer neuen Gefahr, mit der niemand von ihnen gerechnet hatte. Er trug seine Waffe im Anschlag.
Wenige Minuten später standen sie vor der grauen Hülle.
»Seht euch das an«, sagte Candy und zeigte darauf. »Es scheint überhaupt nicht beschädigt zu sein. Das Schiff hat sich einfach in den Planeten gebohrt wie ein Messer in Butter.«
Russell ging in die Knie und strich mit der Hand über den Boden, der sehr glatt war. Der Aufprall des gewaltigen Raumschiffes musste eine immense Hitze freigesetzt haben. »Es ist ein Wunder, dass es das Schiff nicht zerfetzt hat.«
Candy schnaubte. »Wunder gibt es nicht. Liegt wohl eher an der Technologie der Fremden. Ich hoffe, wir können sie entschlüsseln.«
Russell erhob sich. »Darum sind wir ja schließlich hier.«
»Wie kommen wir hinein?«, fragte Lieutenant Burns.
»Am einfachsten wäre es, uns den Weg frei zu sprengen«, sagte Candy.
Russell hielt das für keine gute Idee. »Das Schiff dürfte darauf mit Abwehrmaßnahmen reagieren.«
Candy lachte auf. »Es hat bereits mit Abwehrmaßnahmen reagiert.«
»In Ordnung«, sagte Captain Barr. »Wir wollen keine Zeit verlieren. Private Hamill, legen Sie eine Ladung.«
»Sir!« Der Soldat trat vor und holte einen grün lackierten, zylindrischen Behälter von der Größe einer Cola-Dose aus seinem Rucksack. Er zog einen Klebestreifen ab und klebte die Ladung an die Hülle des Wracks. Dann drückte er einen Knopf und ein rotes Licht blinkte in schneller Frequenz auf.
Im Laufschritt entfernten sie sich ein gutes Dutzend Meter von der Ladung. Sie explodierte mit einem lauten Knall. Russell konnte die Druckwelle durch den Raumanzug hindurch spüren. Schwarze und graue Trümmerstücke regneten um ihn herum zu Boden.
Russell erreichte den Explosionsort als Erster. Die Ladung hatte ein tiefes Loch in die Hülle gerissen, das doppelt mannshoch war. Darin waren zerstörte Aggregate, Leitungen, Kabel und verbogenes Metall zu sehen. Kein Hohlraum. Das Loch bot ihnen keinen Zugang zum Inneren des Schiffes.
»Scheiße«, fluchte Candy. »Das hat uns nicht wirklich was gebracht.«
»Wäre es möglich, dass das ganze Schiff nur aus Aggregaten und Maschinen besteht?«, gab Private Hamill zu bedenken. »Immerhin ist es ein Robotschiff. Wozu sollten sie Gänge und Räume im Inneren anlegen?«
Russell schüttelte den Kopf. »Es gibt Zugänge. Ich habe sie in den Videoaufzeichnungen gesehen.«
Candy trat neben ihn. »Wir haben Risse in der Außenhaut wahrgenommen, als wir mit unserer Drohne die Hülle abgetastet haben. Kurz bevor wir angegriffen wurden.«
»Auf den Bildern konnte man aber nicht erkennen, wie tief diese Risse hineinführten und ob wirklich Gänge oder Schächte dahinter waren«, wandte Lieutenant Burns ein.
»Wir werden sehen. Wo waren diese Risse?«, fragte Captain Barr.
Candy zeigte nach oben. »Leider weit über dem Grund.«
»Wir sollten das Schiff umrunden«, schlug Russell vor. »Vielleicht sehen wir einen für uns erreichbaren Zugang.«
»Einverstanden.« Der Captain marschierte los. Seine Soldaten folgten ihm, wobei Garland stets die EMP-Kanone im Anschlag hielt. Auch Russell rechnete jeden Augenblick mit einem erneuten Angriff. Seine Nerven waren bis zum Anschlag gespannt.
Langsam umrundeten sie das Schiff. Immer wieder strich Russell mit der Hand über das fremdartige Material. Es war überall unbeschädigt.
»Ich verstehe das nicht«, verkündete Private Hamill.
»Was meinst du?«, fragte Captain Barr.
»Ich meine, wie kann das Schiff den Absturz unbeschadet überstanden haben, wenn meine Haftmine ein so großes Loch gerissen hat?«
»Vielleicht besitzt es eine Art Schutzschirm, der sich beim Absturz aktiviert hat«, überlegte Lieutenant Burns. »Der könnte die Trägheit neutralisiert haben. So eine Art Stasisfeld. Nach dem Aufschlag hat es sich dann abgeschaltet.«
Hamill lachte trocken. »Du liest eindeutig zu viele Science-Fiction-Romane.«
Barr winkte ab. »Ist letztlich alles Spekulation. Wenn wir einen Weg ins Innere finden, werden wir hoffentlich klüger.«
»Hier, Sir«, meldete Hamill. »Da vorne ist ein Riss.«
Tatsächlich. Russell trat neben den Soldaten. In der Hülle war eine große Öffnung, deren Umfang an der dicksten Stelle gerade ausreichend für einen Menschen war. Russell nahm seine Taschenlampe vom Gürtel und leuchtete in die Finsternis. Der Riss mündete in einen quadratischen Gang, der schnurgerade ins Innere führte.
»Also doch«, murmelte Russell.
»Sagte ich ja«, meinte Candy.
»Halten wir uns nicht lange auf«, ließ der Captain verlauten. »Gehen wir hinein.«
»Augenblick«, sagte Hamill. »Ich empfange wieder ein Signal auf dem Scanner.«
Russell hob die Waffe. »Von wo? Aus dem Inneren?«
Der Soldat schüttelte den Kopf. »Nein, vom oberen Bereich der Hülle. Es sind wieder viele kleine Signale.«
»Noch mehr Drohnen«, vermutete der Captain. »EMP bereitmachen.«
Garland entfernte sich einige Meter von der Hülle, um sich in eine bessere Schussposition zu bringen. »Ich kann nichts sehen.«
»Jeden Augenblick sind sie auf unserer Seite«, meldete Hamill.
Russell suchte den Himmel nach schwarzen Punkten ab, aber noch war nichts zu erkennen.
Dann waren sie heran und sammelten sich über dem Wrack und stießen langsam nach unten. Als sie nur noch wenige Meter über ihren Köpfen wirbelten, drückte Lieutenant Garland den Auslöser. Wenige Augenblicke später lagen die Mikromaschinen regungslos auf dem schwarzen Boden.
Russell bückte sich, packte eine der Maschinen zwischen Daumen und Zeigefinger und hob sie vor das Visier seines Raumhelms. Sie ähnelten irdischen Bienen, hatten dieselbe Größe, allerdings waren sie völlig schwarz wie Fliegen. Angewidert schnippte er das Ding zu Boden.
»Warum diese Pause zwischen den Angriffen?« Garland lud die EMP-Kanone nach. »Warum greifen sie uns nicht mit allem an, was sie haben? Spätestens, nachdem wir ihre ersten Drohnen neutralisiert hatten, hätten sie uns doch mit Verstärkung attackieren müssen. Aber seitdem sind sicher schon zehn Minuten vergangen.«
Russell zuckte die Schultern. Er hatte keine Ahnung.
»Vielleicht musste die Verstärkung erst aktiviert werden«, vermutete Lieutenant Burns. »Oder vielleicht ...«
Captain Barr schnitt ihr mit einer Handbewegung das Wort ab. »Lassen wir diese Spekulationen. Es bringt uns nicht weiter. Wir werden nun in das Innere vordringen. Garland folgt mir und dann die anderen.«
Barr schulterte sein Gewehr und nahm stattdessen die Pistole von seinem Gürtel. Er aktivierte die Helmscheinwerfer und verschwand dann in der Lücke im Schiffsrumpf. Der Lieutenant rückte sogleich nach, wobei er die Kanone abnehmen musste, um durch die Öffnung zu passen.
Russell wartete, bis Burns und Hamill das fremde Schiff betreten hatten, dann drehte er sich zu Candy um. »Bildest du die Nachhut?«
Candy nickte nur.
Russell atmete tief ein und wieder aus und quetschte sich dann durch den Riss, wobei er penibel darauf achtete, seinen Raumanzug nicht an den Kanten zu beschädigen. Wenige Augenblicke später stand er in dem quadratischen Gang. Er konnte sich darin ganz aufrichten, ein wirklich großgewachsener Mensch hätte sich allerdings bücken müssen. Das Material der Wände war völlig schwarz. Russell fuhr mit den Händen darüber. Selbst durch die Handschuhe spürte er die Kälte.
Langsam marschierten sie in den Gang hinein, der von der Richtung her direkt zur Längsachse des Schiffes führen musste. Hin und wieder passierten sie Gabelungen, wo identische Korridore entweder Richtung Bug oder zum Heck führten.
Russell fröstelte. Die schwarzen Wände schluckten den Großteil des von den Helmscheinwerfern abgestrahlten Lichts.
»Dieser Gang ist nicht für Menschen gemacht«, flüsterte Lieutenant Burns.
»Natürlich nicht«, antwortete Garland mit ironischem Unterton. »Es ist ein außerirdisches Schiff.«
»Ich meine, es ist nicht für Lebewesen gedacht.«
Barr drehte sich zu der Soldatin um. »Auch das ist kein Wunder.«
Hamill strich sich über die Brust seines Raumanzuges. »Warum haben sie dann überhaupt diese Gänge hier gebaut?«
»Sind möglicherweise Wartungsschächte für Roboter«, vermutete Russell. »Auch hier muss sicher mal etwas repariert oder ersetzt werden.«
Wieder passierten sie eine Gabelung und hielten sich weiter geradeaus. Nirgendwo waren Markierungen oder Zeichen, wie sie Menschen auf einem irdischen Schiff den Weg gewiesen hätten.
»Verdammt!«, stieß Garland hervor. »Woher sollen wir wissen, wo wir ein Dateninterface oder etwas anderes Interessantes finden?«
Barr reckte den Zeigefinger. »Wir gehen einfach weiter Richtung Zentrum. Am ehesten finden wir wohl dort Informationen. Und jetzt quatscht weniger und konzentriert euch gefälligst. Das ist hier kein Sightseeingtrip.«
Russell nickte. Da hatte der Captain allerdings recht. Er hoffte nur, dass sie nicht bis zum Zentrum vordringen mussten. Sollten sie angegriffen werden, wäre es besser, einen nicht allzu weiten Weg aus dem Schiff heraus zu haben.
»Da ist irgendwas.« Garland richtete den Lichtkegel seiner Helmlampe auf eine Stelle an der Wand ein Stück vor ihnen.
»Was meinst du?«, fragte der Captain.
»Da ist die Wand beschädigt.« Der Lieutenant zeigte nach vorne.
Russell erreichte die Stelle direkt hinter Candy. Der Soldat hatte recht. Ein tischgroßer Teil der Wandverkleidung war abgesplittert und gab den Blick auf einen zum Korridor parallel verlaufenden Leitungsschacht frei. Da führten Kabel, Leitungen und Rohre direkt ins Zentrum des Schiffes.
»Hilft uns auch nicht weiter«, sagte Barr. »Setzen wir den Weg fort.«
Garland legte die Kanone beiseite und holte ein Messer aus einer am Gürtel befestigten Scheide. »Moment.« Er schnitt ganz behutsam in die Ummantelung eines fingerdicken Kabels. Nachdem er mehrmals abgerutscht war, legte er schließlich einen Strang glasartiger Fasern frei.
»Was soll denn das?«, fragte Candy.
»Das sind Lichtwellenleiter«, antwortete Garland, während er weitere Stücke der Ummantelung löste. »Datenkabel. Wenn wir Glück haben, handelt es sich um einen Datenbus und wir haben bereits gefunden, wonach wir gesucht haben.«
»In Ordnung«, sagte Captain Barr. »Versuch’s, aber sei um Himmels willen vorsichtig.«
Russell presste die Lippen zusammen. Womöglich war dieses Kabel längst tot. Immerhin lag es seit Millionen von Jahren in einem abgestürzten Wrack. Andererseits gab es im Schiff immer noch Aktivität, wie der Angriff der Drohnen eindrucksvoll bewiesen hatte. Nun denn. Es würde sich in wenigen Augenblicken zeigen.
Garland holte einen kleinen, silbern schimmernden Laptop aus seinem Rucksack und platzierte ihn auf dem Boden. Er verband ein Kabel mit dem Rechner und befestigte eine Sonde am anderen Ende um das freigelegte Kabelbündel des Schiffes.
»Die Klemme nimmt die Lichtsignale der Fasern auf und analysiert sie mit einem speziellen Programm«, erklärte der Elektronikspezialist.
»Wenn in diesen Kabeln denn überhaupt noch irgendetwas fließt«, wandte Lieutenant Burns ein.
»Du kannst ganz beruhigt sein.« Garland grinste, was Russell durch die das Scheinwerferlicht reflektierenden Raumhelmvisiere gerade so erkennen konnte. »Der Rechner hat schon festgestellt, dass diese Leitungen tatsächlich aktiv sind.«
Russell pfiff leise durch die gespitzten Lippen. Wenn sie tatsächlich eine Datenverbindung zu dem Raumschiff aufnehmen konnten und es ihnen am Ende vielleicht sogar gelang, die Computerspeicher anzuzapfen, dann hatten sie in der Tat den Hauptgewinn gezogen.
Garland drückte mehrere Tasten auf seinem Laptop. »Ich starte jetzt das Analyseprogramm.«
Nullen und Einsen liefen von oben nach unten über den Bildschirm und bildeten bizarre Muster.
Captain Barr blickte auf seine Armbanduhr, die er um den Ärmel seines Raumanzugs gebunden hatte. »Wie lange wird es dauern?«
Garland zuckte die Schultern. »Das wird sich zeigen. Ein Deep-Learning-Algorithmus sucht nun nach Mustern in den übertragenen Daten. Er wird versuchen, zunächst die Headerdaten der Pakete zu identifizieren und die Charakteristika der Datenprotokolle festzustellen. Es hängt alles davon ab, wie ähnlich der Datenverkehr der Fremden unserem auf der Erde ist.«
Russell beugte sich über den Laptop. Die ganzen Zahlen in den unterschiedlichen Fenstern sagten ihm nichts. »Was ist, wenn die Fremden eine völlig andere Art der Datenübertragung benutzen?«
Garland grinste wieder. »Darum verwenden wir ja einen Deep-Learning-Algorithmus. Diese Art von Computerprogramm ist darauf spezialisiert, Muster zu erkennen, wo ein Mensch nur Chaos sehen würde. Ich habe großes Vertrauen in das Programm.«
Captain Barr brummte. »Ich hätte lieber Vertrauen in die Geschwindigkeit des Algorithmus. Wir haben bereits ein Drittel unseres Zeitfensters erreicht. Ich möchte zurück sein, bevor wir die Reserven unserer Anzüge anbrechen müssen.«
Garland antwortete nicht, sondern konzentrierte sich auf den Bildschirm.
Russell lehnte sich mit dem Rückentornister an die Wand. Er fühlte sich unwohl und rechnete jederzeit mit einem Überfall. Das Schiff musste doch wissen, dass jemand in sein Inneres eingedrungen war. Oder war der Großteil der Systeme zerstört und die Automatik konnte nur erkennen, was draußen vor sich ging? Wenn das Schiff bereits seit Millionen von Jahren hier lag, dann war es ein Wunder, wenn hier überhaupt noch etwas funktionierte. Irdische Technologie hätte schon lange den Geist aufgegeben. Andererseits verrichteten die Transporter schon seit vielen Millionen Jahren überall in der Galaxis ihren Dienst, also war es durchaus möglich, äußerst langlebige Maschinen zu bauen. Irgendwann würde auch die Menschheit lernen, Apparate herzustellen, die nicht schon in die Brüche gingen, bevor die sechsmonatige Garantiezeit abgelaufen war.
»Wie sieht es aus, Lieutenant Garland?«, fragte Captain Barr förmlich, aber mit Ungeduld in der Stimme. »Machen Sie Fortschritte?«
»Schleppend.« Der Tonfall des Soldaten ließ erkennen, dass er mit den Ergebnissen der Analysen nicht zufrieden war.
»Was ist los?« Der Befehlshabende schaute über Garlands Schulter.
Der Elektronikspezialist seufzte. »Die Art der Datenübertragung unterscheidet sich erheblich von den irdischen Methoden. Darum dauert die Analyse deutlich länger.«
»Warum?«, fragte Russell. »Was ist so anders?«
Der Lieutenant sah zu ihm hoch. »Der Datenverkehr der Fremden ist nicht paketbasiert. Offenbar arbeiten sie mit Streams, die sich zeitbedingt auf mehrere Ziele aufteilen. Ich hätte das nicht erwartet, denn es macht den Datentransport unflexibel, auch wenn man sich die Headerdaten spart. Auf der Erde hat man so etwas früher benutzt. Zu analogen Zeiten, meine ich.«
»Die Fremden werden schon ihre Gründe gehabt haben«, knurrte Candy, die immer noch hinten im Gang stand, um ihnen den Rücken freizuhalten.
»Ah, das ist interessant«, sagte Garland plötzlich und tippte auf seiner Tastatur herum.
»Was ist interessant?«, fragte Barr.
»Die Streams sind aufgeteilt in einen Vorwärts- und einen Rückwärtsdatenverkehr. Einige Bits im Vorwärtsverkehr lösen offenbar Datentransporte im Rückwärtsverkehr aus. Das könnte eine Aufforderung zum Senden von Informationen aus einer Datenbank sein. Das ist möglicherweise für uns der Hebel, Zugriff auf die Speicher zu bekommen. Ich möchte versuchen, eine der Bitfolgen zu kopieren und selber einzuspeisen. Dann werden wir ja sehen, ob wir dieselbe Antwort vom System erhalten.«
Russell war das nicht geheuer. »Das gefällt mir überhaupt nicht. Wir sollten uns auf das Beobachten beschränken, bis wir hundertprozentig verstanden haben, was wir tun.«
»Sir?« Garland wandte sich an den Captain.
Captain Barr blickte erneut auf seine Uhr und seufzte. »Die Zeit läuft aus. Ich möchte nicht mit leeren Händen zurückkommen. Versuche, Zugriff auf das Datensystem zu erlangen. Versuch’s!«
Garland lachte leise. »Ich kopiere nur eine bereits vom System gesendete Anforderung. Da sollte eigentlich nichts schiefgehen.« Er hämmerte auf seiner Tastatur herum und drückte die Entertaste.
Im selben Moment leerten sich die Fenster auf dem Bildschirm. Wo eben Nullen und Einsen in irrsinnigem Tempo von oben nach unten gerast waren, war nun nur noch sattes Schwarz. »Was ist denn das jetzt hier?« Der Elektronikspezialist schüttelte den Kopf und drückte wie wild eine der Funktionstasten nieder.
Russells Hals war wie zugeschnürt. Garlands Experimente hatten irgendetwas ausgelöst. Ganz sicher. »Wir müssen hier weg«, sagte er.
»Lieutenant Garland, was ist geschehen?«, fragte Captain Barr.
»Ich habe nicht die geringste Ahnung.« Der Soldat fluchte und rüttelte an der Klemme, die die Kabel umschlossen. »Ich habe den Kontakt zu dem Datenstrom verloren.«
»Hier tut sich was«, meldete Private Hamill, der seinen Scanner mal in die eine, dann wieder in die andere Richtung schwenkte.
»Reden Sie!«, kommandierte Barr.
»Ich empfange Energiesignaturen von mehreren Stellen.«
»Wo?« Candy schaute sich um. »Werden wir angegriffen?«
Der Private schüttelte den Kopf. »Nein, es ist irgendwo ganz tief im Schiff. Die Energiemengen müssen gewaltig sein, wenn der Scanner sie auf diese Entfernung registriert. Ich tippe auf einen Reaktor, der hochgefahren wird.«
»Wir müssen hier raus. Wir haben irgendetwas ausgelöst.« Captain Barr nickte. »Mr. Harris hat recht. Verschwinden wir.«
Candy lief bereits zurück in Richtung Ausgang. Die Soldaten Burns und Hamill folgten ihr.
Garland hantierte immer noch an der Klemme herum.
»Lass das Zeug hier«, befahl Barr. »Nimm den Laptop, damit wir die gesammelten Daten haben, und nichts wie raus aus diesem Scheißhaus.«
»Aber ich ...«
»Geh!«, schrie Barr.
Der Elektronikspezialist stopfte den Rechner in seinen Rucksack und setzte ihn sich auf den Rücken, dann schulterte er die EMP-Kanone und machte sich auf den Weg.
Russell und Barr bildeten die Nachhut. Hintereinander stürzten sie dem Ausgang entgegen.
»Scheiße«, fluchte der Captain. »So eine Scheiße!«
»Los, los«, ächzte Russell. Er bekam kaum Luft. Mit einer schnellen Bewegung griff er an das Steuerungsteil des Anzugs auf der Brust und erhöhte den Sauerstoffstrom in den Helm, damit er nicht ohnmächtig wurde.
»Was haben wir bloß in Gang gesetzt?«, fragte der Captain.
»Das werden wir hoffentlich nie erfahren, weil wir früher am Transporter und hier weg sind«, antwortete Russell. Er hatte wirklich ein mieses Gefühl. Das Schiff war abgestürzt. Fluguntauglich. Wenn das Ding nun Reaktoren hochfuhr, dann nur, um eine Waffe zu aktivieren.
Oder noch etwas Schlimmeres.
Endlich sah Russell Helligkeit vor sich.
Candy, Burns und Hamill waren bereits ins Freie gelaufen. Russell ließ Barr den Vortritt und stolperte als Letzter aus dem Wrack.