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Charlie: Um den Uniabschluss zu feiern, fliegt sie mit ihren besten Freundinnen in die Stadt der Sünde. Ein Sprichwort sagt ›Was in Vegas passiert, bleibt in Vegas‹, doch das gelingt ihr nicht. Denn als Charlie am nächsten Morgen erwacht, ist sie mit Devon Parker verheiratet und die Presse hat bereits Wind von der Blitzhochzeit bekommen. Rayan: Der knallharte Mafiaboss hasst es, wenn nicht alles nach seinem Plan läuft. Doch als sein Bruder betrunken in Las Vegas eine junge Journalistin heiratet, gerät sein Leben völlig aus den Fugen. Denn er will Charlie für sich. Dabei könnte sie die ganze Familie in Gefahr bringen, wenn sie nur auf der Suche nach einer Story ist. Feuer trifft auf Eis. Unschuld auf die pure Sünde. Was ist richtig und was falsch? Abgeschlossener Einzelband
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Alina Jipp
UNEXPECTEDLY MARRIED
Unverhofft verheiratet
Impressum
© 2019, Alina Jipp
https://www.facebook.com/AlinaJippAutorin/
Alina Jipp
Am Georg-Stollen 30
37539 Bad Grund
Cover
Art for your book Sabrina Dahlenburg
Lektorat, Korrektorat & Buchlayout
Lektorat Buchstabenpuzzle B. Karwatt
www.buchstabenpuzzle.de
Bildmaterial Buchlayout
www.pixabay.com
Die geschilderten Personen und Ereignisse sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder
verstorbenen Personen sind rein zufällig.
1. Auflage
Imprint: Independently published.
ISBN-13: 978-1-0951-1962-4
Als der Wecker klingelte, war ich sofort wach. Einen kurzen Moment blieb ich einfach liegen, um das Gefühl zu genießen. Nie wieder lernen! Aber dann stand ich schnell auf und zog mir den Bademantel über. Heute war der große Tag. Sogar Mom und Dad würden kommen, um bei der Abschlussfeier dabei zu sein. Obwohl sie Texas sonst kaum verließen, taten sie das nur für mich. Das wärmte mein Herz so richtig. Ein Lebensabschnitt ging zu Ende und ich freute mich schon riesig auf den Schritt ins Berufsleben. Auch wenn es mir noch etwas schwerfiel, zu glauben, dass die Lernerei nun wirklich vorbei sein sollte. Okay, man lernte nie aus, aber das sture Starren in die Bücher, hörte nun auf. Die letzten Wochen hatte ich in jeder freien Minute über meinen Niederschriften gesessen und es hat sich gelohnt. Mein Notendurchschnitt war viel besser, als ich es je erwartet hatte.
Im fast leeren Wohnzimmer lief Leah mit einer Kaffeetasse und einem Zettel in der Hand nervös auf und ab und murmelte vor sich hin.
»Oh Charlie, gut, dass du auf bist. Könntest du dir bitte meine Rede anhören? Ich habe heute Nacht noch mehrere Änderungen vorgenommen und du musst mir sagen, ob das so in Ordnung ist.« Ihre Stimme klang ungewöhnlich hoch und schrill, normalerweise war sie das Selbstbewusstsein in Person. Also machte ich mir einen Tee, während sie mir ihre Abschlussrede vortrug. Natürlich war sie wie immer perfekt.
»Leah, die Rede ist genau richtig. Ich bin wirklich stolz auf dich.« Das brachte sie immerhin zum Strahlen. Schnell zogen wir uns an und frühstückten ein paar Bissen. Hunger verspürte ich nicht vor Aufregung, außerdem überfiel mich eine leichte Übelkeit, aber Leah kannte dieses Problem nicht und zwang mich regelrecht zum Essen. Endlich klingelte es an der Tür und ich rannte regelrecht dorthin, um sie zu öffnen.
»Dad!«, rief ich glücklich und fiel ihm um den Hals. Danach begrüßte ich meine Mutter genauso überschwänglich.
»Charlie, ich bin so stolz auf dich. Lass dich ansehen, meine Kleine.« Er schob mich etwas von sich. »Ich kann es kaum glauben. Mein kleines Mädchen ist nun eine Uni-Absolventin. Ich möchte gern dein Studentendarlehen als Abschlussgeschenk tilgen.« Genervt verdrehte ich die Augen. Über dieses Thema hatten wir schon mehrmals diskutiert und ich konnte das nicht annehmen. Dad war kein reicher Mann und brauchte sein Geld selbst oder für seine Hilfsprojekte. Außerdem wollte ich es allein schaffen. Er sollte das Geld lieber an die armen Mitglieder seiner Gemeinde spenden, der er als Pastor vorstand.
»Dad, das Gespräch haben wir doch bereits geführt. Ich arbeite bald und zahle es dann eigenhändig ab. Ich bin eine erwachsene Frau und du musst nicht mehr für mich bezahlen.« Hoffentlich würde das nicht noch zu einem Streit führen. Unsere Dickköpfe knallten schon immer regelmäßig aneinander. Zum Glück war Mom da, die zwischen uns vermittelte und so gab er schnell nach.
Eine Stunde später saß ich mitten unter lauter anderen Studenten in der Universität und lauschte den Ansprachen, die gehalten wurden. Zuerst sprach der Direktor kurz und dann wurde Mr. Rayan Parker von ihm vorgestellt. Der Typ hielt heute eine Rede, weil er der Universität eine Menge Geld gespendet hatte. Und sich dafür nun feiern ließ. Dabei ging ständig das Gerücht um, dass die Familie Parker zur Mafia gehörte und sie so etwas nur zur Tarnung machte. In meinem Journalismusstudium hatte ich sehr viel darüber recherchiert, war allerdings stets auf eine Mauer des Schweigens gestoßen. Es gab Gerüchte, aber sobald man versuchte, tiefer zu graben, wurde man abgeblockt. Die Mädchen vor mir schienen keine Ahnung davon zu haben. Für sie war er einfach nur ein heißer und reicher Kerl, und sie fingen gleich an zu tuscheln, wie fantastisch er aussah und ob er wohl eine Freundin hätte. Auf irgendeine Weise ging mir das gegen den Strich. Noch bevor ich wusste, was mich ritt, beugte ich mich zu den beiden nach vorn und flüsterte ihnen zu, dass er ein Mafioso sein sollte.
»Von der Mafia?«, schrie die eine fast und auch Mr. Parker musste es gehört haben, denn er blickte nun direkt zu uns herüber. Sein Blick wanderte über unsere Reihen und blieb auf einmal an mir hängen. Der Ausdruck in seinen dunkelbraunen Augen hielt mich irgendwie fest und ich fühlte eine Anziehung, die ich noch nie in meinem Leben gespürt hatte. Mir kam jedes Zeitgefühl abhanden und ich hätte später nicht mehr sagen können, ob dieser Blickkontakt fünf Sekunden oder mehrere Minuten lang gewesen war.
Von dem Moment an, an dem er den Mund zu einem leichten Lächeln verzog und den Augenkontakt dann unterbrach, hing ich wie gebannt an seinen Lippen. Er sprach von seinen Hilfsprojekten, die ihm wirklich am Herzen zu liegen schienen. Die Ärmsten der Stadt mit Nahrung und Jobs zu versorgen, schien so gar nicht in das Bild zu passen, das ich von ihm hatte. Aber vielleicht hatte die Rede ja ein PR-Berater für ihn geschrieben, um ihn besser darzustellen. Er konnte ja schlecht den Studenten erklären, wie er das Geld dafür verdiente.
Nach Mr. Parker war Leah an der Reihe und obwohl ich ihre Ansprache schon kannte, lauschte ich ihr begeistert. Sie war witzig, gleichzeitig sehr gut durchdacht und als sie endete, bekam sie Standing Ovations.
Im Anschluss begann die Verteilung der Diplome. Da die in alphabetischer Reihenfolge vonstattenging, dauerte es fast eine Stunde, bis ich an der Reihe war. Zuerst schüttelte der Direktor der Universität mir die Hand, dann der Dekan und zum Schluss Mr. Parker, der mir mein Zeugnis übergeben sollte. Leider stolperte ich bei diesen drei Schritten zu ihm hin und fiel sehr unelegant vor seine Füße. Konnte es einen peinlicheren Moment als diesen geben?
»Herzlichen Glückwunsch, Miss Simmons«, sagte er und hielt mir die Hand hin, um mir aufzuhelfen. »Ich hoffe, Sie haben sich nicht wehgetan.«
»Nein, Mr. Parker, Sir«, flüsterte ich beschämt und konnte gerade noch verhindern, dass ich einen Knicks vor ihm machte. Was war heute nur mit mir los? Irgendwie kam ich mir wie Ana in Shades of Grey vor. Nur dass ich diesen Typen überhaupt nicht kannte und wahrscheinlich nie wieder sehen würde. Einen Moment lang standen wir einfach stumm da und sahen uns an, dann drängte aber der nächste in der Reihe vor, um sein Zertifikat in Empfang zu nehmen. Mit gesenktem Kopf ging ich zu meinem Platz zurück. Ich hatte das Gefühl, dass mich jeder im Raum beobachtete.
Zum Glück war die Zeugnisverteilung nun schnell vorbei und ich konnte aufstehen, um Mom und Dad zu suchen. Gott sei Dank sagten die kein Wort zu meinem Missgeschick und so entspannte ich mich etwas. Was die anderen von mir dachten, durfte mir ja ziemlich egal sein. Die meisten, die heute hier waren, würde ich sowieso nie wiedersehen. Nach dem Studium verteilten sich die Absolventen über den ganzen Kontinent. Leah und ich wollten ebenfalls gleich nach unserem Vegas-Trip umziehen. Okay, nur in einen anderen Stadtteil, aber weg vom Campus. Eigentlich sollte der Umzug ja schon vorher stattfinden, doch durch einen Wasserrohrbruch hatte sich das Einzugsdatum verschoben.
Mom, Dad und ich stießen mit Sekt an, um den Tag zu feiern, und gingen dann auf der Suche nach meiner Mitbewohnerin und ihrer Familie durch die Menge. Ihr Bruder Marcus kam zuerst auf uns zu und umarmte mich zur Begrüßung.
»Das kann auch nur dir passieren, Charlie. Ich denke, Mr. Parker ist daran gewöhnt, dass ihm die Frauen zu Füßen liegen, allerdings sonst wohl eher im übertragenen Sinne«, neckte er mich und ich streckte ihm lachend die Zunge heraus. Das Prickelwasser hatte mich mutig gemacht.
»Charlie«, sprach Leah mich von hinten an und ich drehte mich etwas schwungvoll um und krachte gegen einen Mann, der dort ebenfalls stand.
»Verzeihung«, nuschelte ich verlegen, während er nur leise lachte. »Heute haben Sie es wohl auf die Parker-Männer abgesehen«, witzelte er. »Erst stolpern Sie meinem Bruder vor die Füße und dann fallen Sie mich fast an.« Noch einer dieser Mafiosi. Warum war er denn hier? Vielleicht spielte er den Bodyguard? Leah, Dad und Marcus lachten mit und da blieb auch mir keine andere Wahl, als es ihnen gleich zu tun. Heute schien eindeutig nicht mein Tag zu sein und ich beschloss, den Rest des Tages die Finger vom Alkohol zu lassen. Schließlich wollte ich mich nicht noch mehr blamieren. Mr. Devon Parker, der darauf bestand, dass wir ihn mit Vornamen ansprachen, blieb noch bei unserer Gruppe stehen und wir unterhielten uns richtig gut mit ihm. Große Ähnlichkeit hatte er nicht mit seinem Bruder.
Das Thema kam auf unsere Vegas-Reise und Devon teilte uns zu unserer Überraschung mit, dass er und sein Bruder zufällig ebenfalls an genau diesem Wochenende dort sein würden. Ihre kleine Schwester nahm dort an einem Gesangswettbewerb teil und sie hatten ihr versprochen, sie zu begleiten. Zufälligerweise fand dieses auch noch in dem Hotel statt, in dem wir übernachten wollten.
Plötzlich veränderte sich die Atmosphäre spürbar und ich sah mich verwundert um, warum das so war. Rayan Parker stand auf einmal neben uns und stieß Devon leicht gegen den Arm.
»Verzeihen Sie bitte, aber ich entführe Ihnen den Kleinen jetzt«, erklärte er überaus höflich. »Brüderchen, wir müssen los.« Er klang sehr bestimmend, aber Devon schien das nicht zu stören. Er verabschiedete sich in aller Ruhe von uns, während Rayan Parker immer unruhiger wurde. Wahrscheinlich war sein Bruder immer so und Devon an diese Art gewöhnt.
»Vielleicht sehen wir uns ja wirklich in Vegas. Dann müssen wir unbedingt etwas zusammen trinken gehen«, erklärte er noch, ehe er seinem ungeduldigen Bruder folgte. Ich bezweifelte ja, dass ich die Parker-Brüder jemals wieder treffen würde. Sie spielten einfach in einer völlig anderen Liga als ich. Und egal wie groß die Anziehung war, die Mafia wollte ich auch gar nicht näher kennenlernen.
Obwohl ich schon öfter geflogen war und sogar auch bereits einmal Vegas besucht hatte, so vermochte ich vor Aufregung doch kaum still zu sitzen, als unser Flugzeug startete. Meine Eltern konnten sich nicht dafür begeistern, dass ich ausgerechnet in die Stadt der Sünde reiste, allerdings kümmerte es mich zum ersten Mal nicht. Schließlich war ich erwachsen und durfte somit tun und lassen, was ich wollte. Leah und Nadja lachten mich zwar aus, weil ich vor Spannung ziemlich herumzappelte, bloß das interessierte mich nicht. Nachdem ich mich mühsam an den Gedanken gewöhnt hatte, dass Leah mir diesen Trip zum Abschluss schenkte, wollte ich ihn jetzt genießen. Außerdem gab es sowieso noch etwas zu feiern. Ich hatte lediglich zwei Bewerbungsgespräche geführt und zwei Arbeitsplätze angeboten bekommen. Meine Entscheidung fiel auf die mittelgroße Zeitung, wo ich als Assistentin in der Anzeigenabteilung beginnen durfte. Nicht unbedingt mein Traumjob, aber ein Anfang. Die andere Redaktion wäre zwar größer gewesen, nur dort hätte ich ausschließlich im Archiv tätig sein sollen. Deshalb hoffte ich, mich bei der Daily News persönlich viel besser einbringen zu können. Leider gab mir keine der beiden direkt die Chance als Journalistin zu arbeiten, obwohl das mein Traum war. Irgendwann bekam ich vielleicht doch noch die Möglichkeit dazu. Diese Hoffnung gab ich nicht auf.
Gleich nach unserem Umzug würde ich die Stelle antreten. Darauf freute ich mich schon sehr. Es klang nach einer interessanten Arbeitsstelle, bei der ich sicher noch viel lernen konnte.
»Simmons, ich rede mit dir«, wies Leah mich lachend zurecht und ich entschuldigte mich schnell. »Wo bist du denn mit deinen Gedanken, Charlie?«
»In Chicago und bei Daily News«, gab ich zu und wurde sofort von ihr getadelt.
»Daran kannst du ab Montag denken! Jetzt ist feiern angesagt«, erklärte sie und goss jedem von uns ein Glas Sekt aus den Piccoloflaschen ein, die die Stewardess in diesem Augenblick gebracht hatte.
»Auf uns und ein tolles Wochenende«, prostete Nadja uns zu. Obwohl es noch früh am Tag war und ich nicht viel Alkohol vertrug, stieß ich brav mit ihnen an.
Nach unserer Landung gab es das nächste Gläschen und im Hotel auf dem Zimmer wieder eines. Auch wenn wir gerade erst angekommen waren, fühlte ich mich schon ziemlich angeheitert und beschloss, dass es für mich erst einmal reichte. Wir aßen gemeinsam eine Kleinigkeit im Hotel, aber gleich im Anschluss wollten Leah und Nadja unbedingt ins Casino, um den Nervenkitzel beim Glücksspiel zu erleben. Ich war eigentlich nicht der Typ, der gern sein Geld sinnlos riskierte, außerdem predigte mein Vater so oft über Spielsucht als eine der bösen Sünden und ihre Folgen. Ihnen zuliebe ging ich dennoch mit und dann musste ich mir doch eingestehen, dass es Spaß machte. Nadja war zu einem der Geldspielautomaten gegangen, während Leah und ich unser Glück lieber an einem der Blackjack-Tische versuchten.
Im Laufe der dritten Runde bestellte Leah Cosmos für uns und wir stießen an, da ich gerade ein Spiel gewonnen hatte. Wir gewannen noch zweimal hintereinander und Leah war der Meinung, dass wir das mit einem weiteren Cocktail feiern sollten. Da ich kein Spielverderber sein wollte, trank ich brav mit. Auch wenn mir der Alkohol langsam zu Kopf stieg. Kurz darauf schien unsere Glückssträhne beendet zu sein und wir verloren mehrere Runden in Folge.
»Komm, lass uns weitergehen«, forderte Leah mich auf. »Mal sehen, ob Nadja mehr Glück hat als wir. Außerdem könnten wir uns diesen Gesangswettbewerb ansehen. Der ist doch heute hier im Hotel, oder?«
»Welcher Gesangswettbewerb?«, fragte ich nach, denn ich wusste wirklich nicht mehr, wovon sie sprach.
»Na, bei dem die Schwester von Mr. Parker mitmacht. Vielleicht sehen wir ihn ja.«
Leah schien großes Interesse an diesem Mann zu haben, während ich meinen peinlichen Auftritt bei der Abschlussfeier lieber verdrängen wollte. Wahrscheinlich hatte ich deshalb verdrängt, dass die beiden Brüder an diesem Wochenende ebenfalls hier sein würden.
»Du interessierst dich doch gar nicht für solche Möchtegernmusiker und Nadja hat damit erst recht nichts am Hut. Die steht nur auf Hardrock und den gibt es dort bestimmt nicht.« Mein Versuch, sie von dieser Idee abzubringen, schien zum Scheitern verurteilt. Leah sah mich nur erstaunt an, denn sie war es nicht gewohnt, dass ich ihr so energisch widersprach. Der Alkohol machte mich wohl mutig, obwohl der Boden bereits etwas schwankte und ich Probleme damit hatte, mein Gleichgewicht zu halten.
»Du bist heute echt ein Spielverderber, Charlie«, schimpfte sie spaßeshalber mit mir. »Da hat man schon einmal die Chance, die Familie Parker näher kennenzulernen und du willst nicht. Dann suchen wir halt nur Nadja und keine reichen und heißen Typen.«
»Du findest Rayan Parker heiß?«, fragte ich überrascht. »Klar, er sieht gut aus, aber hattest du ihn nicht als eiskalt bezeichnet?«
»Er ist sicherlich ein eiskalter Geschäftsmann und möglicherweise auch wirklich mit der Mafia verbandelt. Trotzdem sieht er doch heiß aus und sein Bruder ist ebenfalls nicht zu verachten«, antwortete sie kichernd. Scheinbar stieg auch ihr der Alkohol langsam zu Kopf, denn normalerweise redete sie nicht so. Die Augen leicht verdreht, stieß ich sie mit dem Ellenbogen an.
»Miller, benimm dich«, forderte ich sie augenzwinkernd auf. Es dauerte ein bisschen, bis wir Nadja an einem der Spielautomaten fanden, den sie fleißig mit Münzen fütterte. Ihr Blick hing völlig gebannt auf der Anzeige des Automaten und erst, nachdem Leah sie das dritte Mal ansprach, reagierte sie endlich auf uns.
»Na, erfolgreich verloren?«, fragte sie grinsend. In diesem Moment ging ein Blinklicht über ihrem Gerät an und das Ding spukte laut klimpernd einen großen Haufen Geldstücke aus, den sie mit einem bereitstehenden Eimer auffing. Nadja fiel erst mir und anschließend Leah um den Hals.
»Ihr seid meine Glücksbringer, Ladys!«, verkündete sie lautstark. »Dafür lade ich euch jetzt auch in die Bar ein, dann gibt es nicht nur einen Cosmo, sondern etwas, das richtig reinhaut. Meinen Gewinn müssen wir schließlich feiern!«
Das taten wir nun auch. Ich wusste zwar nicht, was Nadja uns da bestellt hatte, aber ich musste zugeben, dass der Drink echt gut schmeckte. Allerdings hatte er wohl tatsächlich einige Umdrehungen, denn mir wurde mit einem Mal furchtbar übel.
»Ich muss mal an die frische Luft«, erklärte ich, da sich plötzlich alles um mich herum drehte und Nadja bot sofort an, mich zu begleiten. So standen wir kurz darauf an einem Brunnen vor dem Hotel und ich versuchte, meinen Magen in den Griff zu bekommen, während Nadja auf mich einredete. Was sie sagte, verstand ich gar nicht wirklich, so sehr war ich damit beschäftigt, mich nicht zu übergeben.
»... bereits so lange und du hast es bestimmt auch schon die ganze Zeit bemerkt, Charlie?« Sie sah mich so erwartungsvoll an und ich hatte keine Ahnung, was sie meinte.
»Was bemerkt?«, fragte ich nach und sah sie verständnislos an.
»Oh, Charlie, tu bitte nicht so ahnungslos. Du fühlst es doch auch.« Nadja sah mich gespannt an und schien auf irgendetwas zu warten. Als ich nicht reagierte, zog sie mich auf einmal in ihre Arme und ihr Gesicht kam dem meinen immer näher. Erst im letzten Moment begriff ich, dass sie mich küssen wollte. Seit wann war sie denn lesbisch? Oder bi? Über so etwas hatten wir noch nie gesprochen. Wir waren Freunde. Gute Freunde – zumindest dachte ich das bisher – aber garantiert nicht mehr.
»Nein!«, rief ich laut und versuchte, sie etwas von mir weg zu drücken, allerdings hielt sie mich eisern fest.
»Du willst es doch auch, Charlie«, widersprach sie mir. Ich drehte meinen Kopf so weit wie möglich zur Seite, um ihr auszuweichen, während ich mich immer noch gegen ihre Arme zur Wehr setzte. Wie konnte sie nur glauben, dass ich das hier wollte? Plötzlich wurde Nadja von mir weggezogen. Das Ganze ging so schnell und heftig, dass ich zu straucheln anfing und wohl gefallen wäre, wenn mich nicht starke Arme festgehalten hätten.
»Sie hat Nein! gesagt«, wurde Nadja zurechtgewiesen. »Wenn Sie keine Frau wären, würde ich Sie jetzt verprügeln. Man küsst niemanden gegen dessen Willen.«
»Alles in Ordnung bei Ihnen?«, fragte mich ein zweiter Mann. Um mich herum drehte sich alles, sodass ich ihn nicht wirklich erkennen konnte. Krampfhaft versuchte ich, mich nicht zu übergeben.
»Lass mich los«, meckerte Nadja und schlug nach der Hand, die sie noch immer am Arm festhielt. »Das hier geht euch gar nichts an. Ich liebe Charlie und sie mich auch.«
Ich fragte mich, ob Nadja nun völlig durchdrehte. Wie kam sie nur darauf, dass ich sie liebte? Nur weil ich noch nie einen festen Freund hatte, musste ich schließlich nicht auf Frauen stehen.
Eigentlich wollte ich lautstark protestieren, doch dazu kam ich gar nicht mehr. Ich hatte den Kampf gegen die Übelkeit verloren und kotzte ihr nicht sehr ladylike vor die Füße.
»Oh Charlie, geht es dir nicht gut? Soll ich einen Arzt rufen?« Nun weinte sie fast. Doch mir fehlte die Kraft, mich mit ihr auseinanderzusetzen, während ich mich immer wieder übergab und dabei von starken Armen gehalten wurde.
Nadja gab irgendwann endlich Ruhe und ging einfach davon. Ich wusste nicht, ob ich dankbar oder verstört sein sollte, dass sie mir erst ihre Liebe gestand und mich dann mit zwei fremden Männern allein ließ.
»Geht es?«, fragte einer der beiden und erst jetzt wurde mir bewusst, wer mich da hielt. Die beiden waren keine völlig unbekannten, sondern die Parker Brüder. Rayan stand direkt vor mir und sah mich so eindringlich an, dass ich schnell zu Boden blickte, während sein Bruder mich hielt.
»Es geht schon wieder, danke für die Hilfe«, flüsterte ich leicht heiser. Konnte es etwas Peinlicheres geben?
»Sie sollten auf Ihr Zimmer gehen, Miss Simmons«, erklärte Rayan Parker und ich wunderte mich, dass er meinen Namen noch wusste. Aber wahrscheinlich erinnert man sich leicht an Personen, die einem bei der ersten Begegnung vor die Füße fallen.
»Ich muss noch mal rein, meine Mitbewohnerin hat meine Handtasche und darin befindet sich auch die Zimmerkarte«, erklärte ich.
»Wir begleiten Sie hinein, damit Sie nicht noch einmal unerwünschte Avancen erleben müssen.« Devon Parker schien entschlossen, mich nicht allein zu lassen. Ich wollte protestieren, was die Männer bloß nicht sonderlich interessierte, dazu waren die Parker-Brüder wohl zu bestimmend. Von Leah war zunächst keine Spur zu sehen.
»Ich setze mich einfach hier an die Bar, trinke ein Wasser und warte auf meine Mitbewohnerin. Sie kommt bestimmt gleich zurück«, versuchte ich, die beiden loszuwerden. Aber sie dachten gar nicht daran zu gehen. Im Gegenteil, sie bestellten mir erst einmal eine Kleinigkeit zu Essen und bestanden darauf, dass ich etwas aß. Komischerweise ging es mir jetzt, wo mein Magen leer war, wieder richtig gut und ich hatte tatsächlich Hunger.
Ich war gerade fertig, als Leah endlich auftauchte. Rayan Parker wollte sich verabschieden und auch ich wollte nun lieber aufs Zimmer, aber wir hatten keine Chance gegen Devon, den ich inzwischen duzte, und Leah, die unbedingt noch weiter mit uns feiern wollten.
»Prost!«, rief Devon laut und hielt mir ein Glas hin.
»Meinst du nicht, dass sie schon genug hatte?«, protestierte Rayan und funkelte ihn an. Eigentlich hatte er ja recht und ich hätte wohl auch nichts mehr getrunken, wenn er nicht noch: »Sonst kotzt sie uns auch noch auf die Füße«, hinzugefügt hätte Wie konnte er es wagen, das zu sagen? Das war wirklich ein Schlag unter die Gürtellinie und allein schon aus Protest griff ich nach dem Glas, auch wenn ich es morgen sicher bereuen würde. Wie sehr, ahnte ich jetzt allerdings noch nicht.
Rasende Kopfschmerzen weckten mich aus dem Tiefschlaf. Ich probierte, die Augen zu öffnen, unterließ es aber gleich wieder, als das Licht die Schmerzen noch verschlimmerte. Was war nur los mit mir? Stöhnend rollte ich mich zur Seite, um an die Wasserflasche heranzukommen, die immer auf meinem Nachtschrank stand. Der Geschmack in meinem Mund war einfach ekelhaft und ich wollte ihn so schnell wie möglich loswerden. Doch wo war mein Nachttisch hin? Außerdem schaukelte das Bett so komisch, dass meine Übelkeit dadurch nur noch verstärkt wurde. Vorsichtig versuchte ich erneut, die Augen zu öffnen, und diesmal ging es schon ein klein wenig besser. Wo befand ich mich? Das hier war eindeutig nicht mein Zimmer und dieses riesige Wasserbett gehörte mir erst recht nicht. Dann fiel es mir langsam wieder ein.
Natürlich! Leah und ich befanden uns in Las Vegas, um unseren Abschluss zu feiern. Und Leah hatte darauf bestanden, dass Nadja und ich, als ihre besten Freundinnen, sie begleiteten. Gestern Abend hatten wir gefeiert und ich dabei wohl etwas zu tief ins Glas geschaut. Okay, nicht nur ein bisschen. Irgendwie endeten meine Erinnerungen ziemlich früh und ich hatte keine Ahnung, was ich nach dem dritten Cocktail getan hatte oder wie ich in dieses Bett gekommen war.
»Scheiße!«, fluchte ich laut, als ich mich an einige Details von gestern erinnerte. War das peinlich. Nadjas Versuch, mich zu küssen. Meine Kotzerei … Aber da war doch noch jemand gewesen. Jemand, der mich gehalten hatte … und danach? Es wollte mir einfach nicht mehr einfallen.
Langsam wurden meine Kopfschmerzen etwas besser, aber der scheußliche Geschmack nicht. Da ich nirgendwo eine Wasserflasche entdecken konnte, stand ich vorsichtig auf, um ins Bad zu gehen und mir wenigstens die Zähne zu putzen und meinen Mund auszuspülen. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich außer meinem Slip nur ein mir völlig unbekanntes Herren-T-Shirt trug. Wo zum Teufel waren meine Sachen?
»Oh, du bist wach«, hörte ich auf einmal eine mir seltsam bekannt vorkommende Stimme und ein Mann trat aus dem Badezimmer. Scheinbar hatte er gerade geduscht, denn er trug nur eine schwarze Boxershorts mit Calvin Klein-Aufschrift und rubbelte sich die Haare mit einem Handtuch trocken.
»Deine Sachen habe ich dem Zimmerservice zum Reinigen übergeben, sie haben doch einiges abbekommen«, erklärte er mit einem anzüglichen Grinsen.
»Hast du mich ausgezogen?«, flüsterte ich entsetzt. Wer war dieser Mann? Ich erinnerte mich nur dunkel daran, ihn schon einmal gesehen zu haben, aber im Moment war ich viel zu verwirrt, um ihn zuordnen zu können.
»Natürlich«, antwortete er gelassen.
»Haben wir …?«, fragte ich ängstlich, immerhin war ich noch Jungfrau, zumindest bis gestern Abend noch gewesen, als ich die Bar betreten hatte. Sex vor der Ehe kam für mich nicht infrage.
»Was?«, fragte mein Gegenüber immer noch grinsend zurück. Wenn ich nicht solche Angst vor seiner Antwort hätte, würde ich wahrscheinlich darüber nachdenken, wie gut er aussah.
»Wir hatten keinen Sex, wenn du das meinst. Ich steh nicht so auf Sex mit Bewusstlosen.« Ich wollte gerade erleichtert aufatmen, als er mit einem Satz meine ganze Welt auf den Kopf stellte. »Allerdings scheinst du jetzt ziemlich lebendig zu sein, Mrs. Parker.«
»Mrs. … Mrs. Parker?«, stammelte ich fast panisch und nun sah ich auch endlich, wer dort vor mir stand. Fast nackt und mit nassen Haaren hatte ich ihn vorher nicht erkannt. »Devon Parker, was haben wir gestern getan?« Vage erinnerte ich mich daran, dass er und sein Bruder mich vor Nadja gerettet hatten. Was in die gefahren war, wüsste ich auch zu gern, aber jetzt gab es da doch andere Probleme. Devon lachte nur laut … fand er das Ganze etwa lustig? Oder erlaubte er sich eben nur einen Scherz mit mir? Wie zum Teufel war ich dann in seinem Bett gelandet?
»Weißt du es wirklich nicht mehr?« Im Gegensatz zu mir schien ihm die ganze Situation auch noch zu gefallen. Ich schüttelte genervt den Kopf, bereute das aber augenblicklich, da meine Kopfschmerzen dadurch um ein Vielfaches schlimmer wurden und ich kurz davor war, mich zu übergeben. Devon entfernte sich ein paar Schritte und kam dann wieder.
»Hier, trink ein Alka Seltzer und nimm eine Tablette. Sobald es dir besser geht, reden wir in Ruhe«, meinte er und sah mich besorgt an. Er reichte mir ein Glas und eine Packung Kopfschmerztabletten, die ich dankbar annahm. Wenn die Kopfschmerzen nachlassen würden, könnte ich bestimmt auch besser denken. Devons Handy piepte und nachdem er die Nachricht gelesen hatte, entschuldigte er sich.
»Ich muss kurz etwas mit meinem Bruder besprechen. Wenn du möchtest, kannst du in der Zeit ja duschen gehen oder noch ein bisschen schlafen.«
»Okay«, antwortete ich leise und ließ mich wieder aufs Bett fallen, wo ich meinen Kopf im Kissen vergrub. Was hatte ich nur getan? Ein paar Erinnerungen kamen jetzt zwar langsam zurück und ich wusste wieder, dass wir zusammen noch etwas getrunken hatten, nachdem Nadja weg war. Aber an eine Hochzeit konnte ich mich beim besten Willen nicht erinnern. Warum hatte Leah das nicht verhindert? Sie war doch dabei gewesen oder etwa nicht?
Der Zimmerservice klopfte und brachte meine gereinigten Sachen. Ich zog mir solange die Decke bis an die Nasenspitze und schämte mich furchtbar, hier so halb nackt zu liegen. Wenigstens das konnte ich nun ändern. Ich bedankte mich und bat darum, die Kleidung einfach über den Stuhl zu hängen.
»Mr. Parker bat mich, Ihnen auch frische Unterwäsche aus dem Hotelshop zu besorgen. Ich hoffe, die Größe stimmt, ansonsten wählen Sie die Null Eins auf dem Telefon und ich komme und tausche sie um.« Die Frau blieb höflich und ohne mich komisch anzusehen, ging sie wieder aus dem Raum. Das rechnete ich ihr hoch an, aber vermutlich war sie seltsame Gäste gewohnt.
Da die Tablette langsam anfing zu wirken und ich das Gespräch mit Devon nicht in Dessous führen wollte, lief ich ins Bad, um zu duschen. Zähneputzen musste leider ausfallen, denn so gut, dass ich seine Zahnbürste benutzen würde, kannte ich meinen angeblichen Ehemann nicht. Warum gab es ausgerechnet in diesem Hotel keine einzeln verpackten Zahnbürsten für die Gäste? Deshalb spülte ich meinen Mund nur gründlich mit Mundwasser aus. Den Rest konnte ich später in meinem und Leahs Zimmer nachholen.
Je länger er weg war, umso besser ging es mir. Okay, das hatte wahrscheinlich weniger mit seiner Abwesenheit zu tun, als damit, dass die Kopfschmerztablette wirkte, aber trotzdem gab es eigentlich nur eine Sache zu besprechen, wenn Devon wieder da war. Diese Ehe musste annulliert werden und das so schnell wie möglich. Meine Eltern würden zwar aus allen Wolken fallen, wenn ich mich scheiden ließ. Die Ehe war ihnen heilig, aber deswegen konnte ich ja nicht mit einem Mann verheiratet bleiben, den ich gar nicht kannte und der keine Hemmungen hatte, meinen alkoholisierten Zustand so schamlos auszunutzen. Eine leise Stimme in mir flüsterte zwar, dass er noch viel mehr hätte tun können und es anscheinend nicht getan hatte, aber das ignorierte ich.
Geduscht und angezogen fühlte ich mich gleich schon viel besser und hätte das Gespräch am liebsten hinter mich gebracht. Doch Devon war noch nicht wieder da, als ich ins Schlafzimmer zurückkam. Wo blieb er nur so lange? Das Wort kurz hatte für ihn scheinbar eine andere Bedeutung als für mich. Nervös lief ich im Zimmer auf und ab und stellte dabei fest, dass mein bald Ex-Ehemann sehr unordentlich zu sein schien. Soviel ich wusste, war auch er erst gestern hier angekommen und überall im Raum lagen Klamotten herum. Das arme Zimmermädchen, das hier aufräumen musste, tat mir jetzt schon leid. Kurzfristig überlegte ich, ob ich nicht für Ordnung sorgen sollte, aber diesen Gedanken verwarf ich schnell wieder. Schließlich war ich nicht seine Putzfrau.
Endlich wurde die Tür von außen geöffnet und Devon und Rayan Parker kamen herein. Dabei fragte ich mich, wie zwei so unterschiedliche Männer Brüder sein konnten. Nicht nur äußerlich. Devon war blond und hatte blaue Augen, sein Bruder dagegen war dunkelhaarig und seine Augen von einem dunklen Braun, in denen ich zu versinken drohte. Während Devon mich anlächelte, schaute sein Bruder mich an, als wäre ich ein störendes Insekt, das zerquetscht werden musste. Trotz dieses Ausdruckes auf seinem Gesicht musste ich zugeben, dass er mich sofort wieder in seinen Bann zog. Er hatte einfach eine unheimliche Anziehungskraft auf mich.
»Wie viel?«, fragte Rayan ohne eine Begrüßung und ich wusste gar nicht, was er von mir wollte.
»Rayan!« Devon wies ihn zum Glück gleich zurecht. »Ich glaube nicht, dass es ihr um Geld geht. Sie konnte sich heute Morgen an nichts mehr erinnern.« Er lächelte mir zu und ich versuchte zurückzulächeln, was bloß völlig misslang. Die Anschuldigung, dass ich Geld wollte und ihn deshalb geheiratet hätte, traf mich tief.
»Ich will …« Eigentlich hatte ich sagen wollen, dass ich keinen Cent wollte, doch Rayan fiel mir einfach ins Wort.
»Was?«, fauchte er regelrecht. »Geld? In die Presse? Einen Artikel, um die Karriere zu pushen? Oder einfach nur ein Abenteuer mit meinem treudoofen Bruder, der die Ehe nicht einmal annullieren lassen, sondern sehen will, ob es funktionieren könnte. Was hast du mit ihm gemacht, ihn verhext? Ich erkenne meinen eigenen Bruder nicht wieder.«
»Rayan, so ist es gar nicht.« Devon probierte erfolglos, seinen Bruder zu bremsen, aber auch ihn ließ er nicht ausreden. Er zückte sein Scheckbuch und sah abfällig zwischen uns hin und her.
»Lass mich das regeln, Devon. Also wie viel? Sind Hunderttausend genug?« Was bildete dieser Idiot sich eigentlich ein? Und den fand ich eben noch anziehend. Was lief falsch bei ihm - mit ihm - oder vielleicht auch bei mir?
»Ich habe keine Ahnung, was gestern überhaupt passiert ist …« Wiederum unterbrach Rayan mich rüde.
»Das hast du doch alles schon auf der Abschlussfeier eingefädelt. Erst hast du versucht, mich anzumachen und als das nicht funktioniert hat, hast du dich an Devon heran geschmissen …« Nun platzte mir endgültig der Kragen. Das musste ich mir nicht bieten lassen. Einen Moment lang vergaß ich völlig, wer er war oder sein sollte. Was auch immer. Falls er wirklich ein Mafioso wäre, könnte er mich auch ganz anders aus dem Weg räumen, als mich zu bezahlen. Vermutlich war an den Gerüchten also gar nichts dran und so scheute ich mich, ihn zu unterbrechen.
»Devon, könnten wir das bitte unter vier Augen besprechen? Dein Bruder hat keinerlei Manieren und lässt niemanden aussprechen.« Wütend stapfte Rayan zur Tür, drehte sich noch einmal um und funkelte seinen Bruder böse an.
»Sieh zu, dass du das geregelt bekommst, ehe unsere Eltern davon erfahren. So eine Blitzehe kann nicht funktionieren, also werde sie los, ehe sie dich ausnimmt wie eine Weihnachtsgans. Sonst regle ich das auf meine Art.« Die Drohung klang nun doch wieder ganz nach Mafia. Oh man, was sollte ich nur glauben? Glücklicherweise verließ er nun das Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu. Was für ein arroganter Mistkerl! Aber er konnte mir ja völlig egal sein, ich musste jetzt nur mit Devon alles regeln und dann brauchte ich die Parker-Brüder nie wieder sehen. Zumindest dachte ich das zu diesem Zeitpunkt noch.
Kaum hatte Rayan das Zimmer verlassen, als es auch schon wieder an der Tür klopfte. Kam er etwa noch einmal zurück? Als Devon die Tür öffnete, stand allerdings nicht sein Bruder davor, sondern eine kleine zierliche Frau, die sich vor ihm aufbaute und ihn böse anfunkelte.
»Devon Parker!«, schimpfte sie los, sowie die Tür geschlossen war. »Wie kannst du heiraten und mich nicht dazu einladen? Wenn es nicht Rayan gewesen wäre, der mir das erzählt hat, würde ich denken, dass es ein schlechter Witz ist, aber Rayan macht keine Scherze. Und welche Frau ist echt so dämlich, dir das Ja-Wort zu geben?«
Auch wenn die ganze Situation eigentlich alles andere als lustig war, musste ich trotzdem ein Lachen unterdrücken. Aber es sah einfach zu komisch aus, wie dieser riesige und kräftige Mann vor dieser fast winzigen Frau zurückzuckte und obendrein den Kopf einzog. Irgendwie konnte er einem sogar leidtun. Allerdings fragte ich mich schon, wer sie war. Hatte er etwa eine Freundin?
»Ich bin die Dämliche«, erklärte ich, um sie von ihm abzulenken. Die Frau wirbelte zu mir herum und starrte mich an.
»Du bist doch gar nicht sein Typ.« Während sie mich mit leicht geöffnetem Mund musterte, als wäre ich das achte Weltwunder, merkte ich, wie ich rot anlief. Wenn sie sein Typ war, konnte ich gut verstehen, was sie meinte. Gegen ihre Ausstrahlung und Eleganz sah ich doch eher wie ein graues Mäuschen aus.
»Katja!«, fuhr Devon sie an. »Könntest du ein einziges Mal vorher überlegen, ehe du sprichst?« Dann wandte er sich entschuldigend an mich. »Sie hat wirklich keinen Filter zwischen Gehirn und Mund und sagt immer, was sie denkt. Dabei meint sie es nicht einmal böse.«
»Oh, entschuldige bitte. Du weißt ja gar nicht, wer ich bin, weil der Trottel uns einander noch nicht vorgestellt hat. Ich bin Katja Parker, Devons kleine Schwester. Ich habe das in der Tat nicht böse gemeint. Es ist nur so, dass er sonst Blondinen bevorzugt.« Sie lächelte mich plötzlich so offen und freundlich an, dass es mir gleich viel besser ging. Seine Schwester also und nicht seine Freundin, eigentlich sollte mich das nicht so erleichtern, schließlich wollte ich diese Ehe gar nicht.
»Charlotte Simmons, aber nenn mich doch bitte Charlie«, stellte ich mich vor.
»Charlie Parker«, berichtigte Devon mich, was Katja wieder zum Strahlen brachte. Warum ritt er darauf nur so herum?
»Devon, wir kennen uns doch gar nicht und meine Erinnerungen an gestern sind auch futsch. Meinst du nicht, dass es besser ist, diese Ehe schnellstmöglich annullieren zu lassen?«, fragte ich. Annullieren wäre für meine Eltern vielleicht nicht ganz so schlimm wie geschieden und im Grunde genommen mussten sie ja gar nicht davon erfahren. »Ich will kein Geld von dir und erst recht keine Presse, wie dein Bruder so nett meinte.«
»Du erinnerst dich an nichts?«, fragte Katja ungläubig. Ich schüttelte beschämt den Kopf.
»Ich vertrage kaum Alkohol und habe gestern wohl eindeutig zu viel getrunken. Ich erinnere mich nur noch daran, wie dein Bruder mir geholfen hat und dass wir dann in die Bar gegangen sind, damit ich meine Handtasche holen konnte. Danach ist alles weg.« Katja schlug empört mit ihrer Tasche nach ihrem Bruder.
»Was bist du denn für ein Idiot?« Sie fuchtelte mit ihren Händen vor seiner Nase herum, als wolle sie ihn gleich schlagen. »Du heiratest eine betrunkene Unbekannte und verbringst die Nacht mit ihr? Hast du wenigstens an Verhütung gedacht? Wie kannst du nur?« Devon bat darum, seine Sicht der Dinge erklären zu dürfen, und ich lauschte gespannt seiner Erzählung über den gestrigen Abend. Demnach waren er und Rayan nach Katjas Gesangswettbewerb eigentlich gerade auf dem Weg zum Essen gewesen, als sie auf Nadja und mich getroffen waren. Sie bemerkten, wie Nadja mich bedrängte und wollten mir tatsächlich nur helfen, bis Nadja von mir abließ. Als ich dann darauf bestand, meine Handtasche aus der Bar zu holen, hatten sie Angst gehabt, dass Nadja es noch einmal versuchen würde. Obwohl ich das nicht glaubte. Sie war schließlich meine Freundin, die durch den Alkohol nur etwas über das Ziel hinaus geschossen war. Auch wenn ich ihr deshalb noch immer böse war. Aber das würde ich schon noch mit ihr klären. Wieso hatte sie nie erzählt, dass sie auf Frauen stand?
»Nachdem Essen ist deine andere Freundin aufgetaucht und da hat sich irgendwie alles verselbstständigt«, fuhr er fort. »Leah und ich haben geschäkert und viel Spaß zusammen. Du hast mit Rayan geflirtet …«
»Was?«, rief ich erschrocken. Ich sollte mit Rayan Parker geflirtet haben? Warum war ich dann aber jetzt mit seinem Bruder verheiratet? Katja kicherte.
»Sie hat sich an Rayan herangemacht? Das wagt sonst selten jemand, weil alle Angst vor ihm haben.« Das konnte ich gut verstehen. Vor allem, wenn man den Ruf der Familie bedachte. Wobei Devon auf mich wirklich nicht wie ein Gangster wirkte, eher wie ein harmloser Junge.
»Ja, nur du kennst ihn ja. Er ist böse geworden und verschwunden …« Devon erzählte weiter und je mehr ich von gestern hörte, umso weniger wollte ich es glauben. Nachdem Rayan weg war, war Nadja aufgetaucht und hatte sich entschuldigt. Ich hatte die Entschuldigung nicht annehmen wollen und mich deshalb mit Leah in die Haare bekommen. Sie meinte, dass ich mich nicht so anstellen sollte und dass Nadja und ich doch ein schönes Paar abgeben würden. Wusste sie etwa schon vorher von deren Neigungen? So richtig konnte ich mir das gar nicht vorstellen, da mussten wir wohl gestern alle zu viel getrunken haben. Jedenfalls war Leah dann wohl ins Zimmer gegangen und hatte später auf mein Klopfen nicht reagiert. Als ich mir eine Ersatzkarte für das Zimmer an der Rezeption holen wollte, hatte ich wieder einmal Devon angerempelt. Er überredete mich dazu, noch weiter mit ihm um die Häuser zu ziehen.
Wie wir dann in die Kapelle gekommen waren und warum wir uns von einem Elvis-Imitator hatten trauen lassen, wusste Devon auch nicht mehr so genau. Bloß hatte er heute Morgen die Fotos von der Trauung und die Ehepapiere auf dem Tisch in seinem Zimmer gefunden und mich in seinem Bett.
»Im ersten Moment wusste ich nicht, ob ich lachen oder schreien sollte. Aber dann dachte ich, dass es vermutlich Schicksal ist und unsympathisch bist du mir ja echt nicht.« Super! Das war unzweifelhaft die beste Voraussetzung für eine Ehe.
»Du willst diese Ehe nicht tatsächlich bestehen lassen?«, fragte ich entsetzt. »Wir kennen uns doch gar nicht richtig.«
»Das können wir durchaus ändern«, meinte er ungerührt. »Natürlich lernt man sich normalerweise erst kennen, verliebt sich und heiratet später irgendwann. Trotzdem sind wir ja nun schon mal verheiratet. Also wieso lernen wir uns nicht erst einmal kennen und schauen, ob es funktioniert und falls nicht, können wir uns immer noch scheiden lassen.« Für ihn schien das ganz einfach zu sein, aber ich wusste wirklich nicht, was ich von seinem Vorschlag halten sollte.
»Ich weiß nicht. Wie soll das denn bitte funktionieren?« Wie oft, wenn ich nicht die richtigen Worte auf Anhieb fand, spielte ich nervös mit meinen Fingern. Warum fragte ich überhaupt und lehnte diese Schnapsidee nicht sofort ab?
»Leah und ich ziehen jetzt zwar nur innerhalb von Chicago um und verlassen die Stadt nicht, da könnte man sich sicher mal treffen, bloß dazu müssten wir ja nicht verheiratet bleiben. Die Leute werden sowieso alle denken, dass ich nur dein Geld will.« Devon lachte.
»So ein Quatsch, ich bin doch nicht mein Bruder, sondern nur ein ganz gewöhnlicher Bauunternehmer.« Dann erklärte er mir seine Idee. Er hatte gerade ein Penthouse mit Seeblick gekauft, das er eigentlich hatte umbauen und dann weiterverkaufen wollte. Sein Steckenpferd war es nämlich, alte Häuser oder Wohnungen aufzukaufen und zu renovieren. Sodass sie auf dem neuesten technischen Stand waren, ohne ihren alten Charme zu verlieren, um sie dann mit beträchtlichem Gewinn wieder zu verkaufen. Nach Mafioso klang das ja nun wahrhaftig nicht.
»Wir könnten diese Wohnung aber auch erst einmal provisorisch einrichten …«, schlug Devon vor, wurde allerdings gleich von Katja, die völlig begeistert von seiner Idee war, unterbrochen.
»Dabei helfe ich euch«, verkündete sie, obwohl ich ja noch gar nicht zugestimmt hatte. Devon erzählte weiter von seiner Idee und ich hörte immer interessierter zu. Im Grunde genommen war das Ganze gar keine so schlechte Idee angesichts unserer seltsamen Situation. Dennoch konnte ich mir nicht wirklich vorstellen, verheiratet zu sein. Vor allem fragte ich mich, wie ich meinen Eltern das erklären sollte.
»Devon, du scheinst echt ein netter Kerl zu sein, aber wir sollten die Ehe besser sofort annullieren lassen.« Er musste doch irgendwann zur Vernunft kommen. »Wenn ich in Chicago wohne, dann können wir uns ja gern trotzdem mal treffen. Aber ich kann nicht mit einem mir völlig fremden Mann zusammenziehen. Ich weiß nicht, was gestern mit mir los war, eigentlich ist so ein Verhalten echt nicht meine Art. Ich gehe jetzt besser in mein Zimmer. Ich muss unbedingt mit Leah sprechen, ehe sie sich Sorgen um mich macht.«
»Du kannst es dir ja noch überlegen, Charlie.« Nun lachte Katja auch noch. »Unser Vater ist Anwalt und wenn du wirklich die Annullierung willst, kümmert er sich sicher schnellstmöglich darum.« Devon zog ein Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen, während ich überlegte, ob vielleicht doch gar nichts an den Gerüchten über die Familie dran war. Ein Anwalt, ein Geschäftsmann und ein Bauunternehmer. Ging es noch weiter weg von der Mafia? Oder war das alles nur Tarnung?
»Müssen wir Dad da mit reinziehen? Unsere Eltern müssen schließlich nicht alles wissen.«
»Devon Parker!«, schimpfte Katja los. »Du kannst ihnen doch nicht verheimlichen, dass du verheiratet bist. Was denkst du dir eigentlich?« Der arme Devon sah aus wie ein begossener Pudel. Scheinbar wusste er genau so wenig wie ich, wie er das seiner Familie erklären sollte. Mom würde wahrscheinlich enttäuscht von mir sein, dass ich so leichtfertig geheiratet hatte. Für Dad würde eine Welt zusammenbrechen, wenn ich mich einfach so scheiden ließe. Für ihn war der Bund der Ehe heilig. Aber sollte ich ihnen deshalb alles verschweigen, wenn wir die Ehe schnellstmöglich wieder auflösten? Lügen konnte ich tatsächlich noch nie. Vielleicht war Devons Idee mit der Versuchsehe ja gar nicht so schlecht. Immerhin würde ich dann nicht gleich wieder aufgeben. Ich versprach Devon, darüber nachzudenken, und wir tauschten noch unsere Handynummern aus, ehe ich mich von ihm mit einem Kuss auf die Wange verabschiedete.
»Ich will, dass ihr sie komplett durchleuchtet und das am liebsten bis vorgestern!« Ohne es zu sehen, konnte ich mir vorstellen, wie mein Hacker am anderen Ende der Leitung zusammenzuckte. Aber das störte mich nicht. Im Gegenteil. In meinem Job war es unbedingt nötig, dass die Leute vor mir zitterten. Immerhin war ich Rayan Parker, Sohn von Raymond Parker, der es schaffte, neben seiner Scheinidentität als rechtschaffener Anwalt und Familienvater, zu den gefährlichsten Männern der Welt zu zählen. Und ich befand mich auf dem besten Weg, in seine Fußstapfen zu treten, da mein Bruder ja kein Interesse daran hatte und lieber ein bürgerliches Leben führen wollte. Er wirkte oft so naiv auf mich. Mal schauen, was für ein Früchtchen er sich da angelacht hatte. Wahrscheinlich eine, die es auf das Geld der Parkers abgesehen hatte, oder – was noch schlimmer wäre, auf eine Enthüllungsstory. Schließlich hatte sie Journalismus studiert und da ihr Anmachversuch bei der Abschlussfeier bei mir nicht gewirkt hatte, schmiss sie sich nun an meinen Bruder heran. Und der musste auch noch so dämlich sein, sie gleich zu heiraten.
Casper, mein Mann für die Informationsbeschaffung fragte noch nach dem Namen und versprach sich dann um alles zu kümmern. Ich hoffte sehr, dass ich die Informationen noch vor meinem Abflug aus Vegas bekam. Auch wenn ich am liebsten Katja und Devon postwendend in meinen Privatjet gesetzt und sie sofort nach Hause geschickt hätte. Was besprachen die beiden nur mit dieser Frau so lange in Devons Zimmer? Ich hatte ihr doch schon Geld angeboten, aber wahrscheinlich reichte ihr das nicht. Wie viel würden wir wohl noch darauflegen müssen, um diese so unschuldig aussehende Miss Simmons loszuwerden? Normalerweise würde ich ja einfach versuchen, sie aus dem Weg zu räumen. Nur leider gab es für diese Lösung schon zu viele Zeugen und Kameraaufnahmen, die uns zusammen zeigten. Dabei wollte ich eigentlich unauffällig hier sein, da ich einen wichtigen Deal mit dem Casinomanager abgeschlossen hatte. Der Typ wusch einen Teil unseres Schwarzgeldes.
Außerdem würde Devon mir das nie verzeihen, wenn ich ihr irgendwas antat und irgendwie konnte ich ihn sogar verstehen, süß sah die Kleine ja aus. Allerdings - ehrlich gesagt - eher mein Typ, als der meines Bruders. Sein Beuteschema sah für gewöhnlich eher groß und blond aus, während ich kleine Dunkelhaarige bevorzugte und gerade sie hätte ich jetzt gerne genau dort, um sie zu bestrafen. Wenn ich mit ihr fertig wäre, würde sie es sich dreimal überlegen, ob es klug war, einen Unbekannten zu heiraten, um an dessen Geld heranzukommen. Vielleicht sollte ich mir eine Sklavin aufs Zimmer bestellen, um mich etwas abzulenken. Das war zwar nicht dasselbe, wie ihr direkt zu zeigen, was sie verdiente, aber immerhin ein Anfang.
Schon bei der Abschlussfeier in Chicago fiel sie mir in der Menge auf. Aus irgendeinem Grund hatte ich in ihre Richtung geschaut und der Ausdruck in ihren Augen nahm mich beinahe gefangen. Zum Glück ließ ich mich nie von solchen Gefühlen leiten und deshalb hatte ich den Blickkontakt schnell unterbrochen. Als sie dann vor mir auf die Knie gefallen war und so devot zu mir aufsah, musste ich mich sehr zusammenreißen, damit ich keine Erektion bekam. Das wäre vor all diesen Menschen wirklich peinlich geworden. Später hatte ich sie mit meinem Bruder zusammen gesehen und sie sah so unschuldig aus, dass ich mir selbst sagte, dass sie für mich tabu war. Ich stand nun einmal nicht auf unerfahrene Mädchen, sondern auf gut ausgebildete Sklavinnen. Je größer ihre Schmerztoleranz umso besser, Anfängerinnen gingen mir tierisch auf die Nerven. Also kam Charlie für mich nicht infrage und jetzt, als Ehefrau meines Bruders, war sie natürlich erst recht tabu. Egal wie verführerisch diese verbotene Frucht schien. Der Bruderkodex verbot das einfach und so oft ich mich sonst über irgendwelche Gesetze hinwegsetzte, dieses bedeutete mir etwas.
Hätte ich die beiden gestern Abend bloß nicht allein gelassen, nachdem wir Miss Simmons von ihrer Freundin befreien mussten. Das Ganze konnte doch keine Show gewesen sein, um sich einen von uns zu angeln? Diesen Gedanken verwarf ich aber gleich wieder. Sie hätte sicher auch einen Typ gefunden für so ein Theaterspiel. Sie vor einem Kerl zu retten, wäre viel heldenhafter erschienen als vor einer Frau. Außerdem hätte sie ja wissen müssen, dass wir gerade um diese Zeit dort vorbei kommen würden. Zudem sah sie für mich wirklich sehr betrunken aus und hatte sich ja sogar übergeben. Nur hatte sie sich danach echt rasch wieder erholt und kein Problem damit gehabt, weiter zu feiern.
Meine Lust auf Party hielt sich in Grenzen und so verabschiedete ich mich schnellstmöglich. Dieses blonde Gift, Miss Simmons` sogenannte Freundin, war mir tierisch auf die Nerven gegangen und eigentlich hätte ich eher gedacht, dass Devon mit ihr anbandelt. Zumal Miss Simmons gestern noch mit mir geflirtet hatte, bevor ich gegangen war. Im Grunde genommen könnte es mir ja egal sein, was Devon tat. Allerdings fragte ich mich, ob ich irgendwie mitschuldig an dieser Ehe war, weil wir gestern eine Wette abgeschlossen hatten. Gedanklich ging ich die ganze Situation noch einmal durch.
Devon rekelte sich auf dem Sofa in meiner Suite und sah mir dabei zu, wie ich meine Krawatte band. Er selbst war für meinen Geschmack viel zu leger gekleidet, aber ich hatte es aufgegeben, mit ihm darüber zu diskutieren.
»Sowie Katjas Show vorbei ist, gehen wir etwas trinken, Bruderherz«, bestimmte er.
»Ich habe noch zu arbeiten«, widersprach ich, nur wie so oft interessierte es ihn nicht wirklich.
»So ein Quatsch«, antwortete er. »Die Geschäfte können auch ein paar Stunden ohne den Juniorpaten auskommen. Wir sind hier in Las Vegas, lass uns Spaß haben und ein paar heiße Bräute aufreißen oder willst du irgendwem eine Lektion erteilen? Vielleicht macht es dich ja an, Kerle umzubringen, wenn die nichts von dir wollen.« Es war das erste Mal, dass er sich traute, so eine Andeutung zu machen, obwohl ich schon länger das Gefühl hatte, dass meine Familie mich für schwul hielt.