Frostmagie - Don´t kiss the Cook - Alina Jipp - E-Book
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Alina Jipp

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Beschreibung

»Den Koch zu küssen, war das Dümmste, was ich je getan habe.« Der neue Koch im Frost Creek Inn ist eine Herausforderung für Sandy. Ständig zoffen sie sich, teilweise sogar vor den Gästen. Doch als es darum geht, den Grill zu retten, arbeiten sie zusammen. Ein wackeliger Friede beginnt. Als ein Schneesturm über Frost Creek hereinbricht, kommen sie sich näher. Doch hat diese Beziehung eine Zukunft

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Frostmagie

Don´t kiss the Cook

 

Alina Jipp

Frostmagie - Don´t Kiss the Cook

 

© 2021 Alina Jipp

Alina Jipp, Am Georgstollen 30, 37539 Bad Grund

 

Coverdesign: Grace C. Stone

Bildmaterial: Adobe Stockphotos

 

Lektorat, Korrektorat, Buchlayout:

Lektorat Buchstabenpuzzle B. Karwatt

www.buchstabenpuzzle.de

 

Informationen zum Taschenbuch:

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National-bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

 

Druck: epubli - ein Service der neopubli GmbH, Berlin

 

Sandy

Verdammt! Ich war schon wieder fast zu spät dran zu meiner Schicht. Aber das Telefonat mit meiner Mutter hatte sich so hingezogen, dass ich die Zeit aus den Augen verloren hatte. Zum Glück waren die Straßen wenigstens frei, obwohl es leicht schneite. Fünf Minuten vor Schichtbeginn parkte ich meinen Wagen auf dem Parkplatz des Grills ein. Ungeachtet der Tatsache, dass ich so spät dran war, schloss ich kurz die Augen und atmete ein paarmal tief ein und aus, bevor ich ausstieg. Auf keinen Fall wollte ich abgehetzt oder aufgeregt in den Laden stürmen. Denn dort wartete bereits mein Albtraum auf mich.

Ben.

Wie ich diesen Kerl mittlerweile hasste. Warum musste sich Rich – der Besitzer des Frost Creek Inn und ein guter Freund – auch unbedingt so aus dem Grill zurückziehen? Wir hatten so eine schöne Zeit zusammen und den Grill mit Luk im Team modernisiert und jetzt? Nun arbeitete Richard nur noch im Restaurant des Hotels und war auf dem besten Weg, ein Sternekoch zu werden. Na ja, jedenfalls konnte ich mir gut vorstellen, dass er irgendwann einen Stern bekommen würde. Er kochte einfach zu gut und demzufolge war das Hotel nun auch ständig ausgebucht seit dem Umbau. Und im Restaurant bekam man ebenfalls so leicht keinen Platz. Leider überließ er deshalb den Grill ziemlich sich selbst.

Einige Monate ging es ganz gut. Unser Team brachte es schon irgendwie fertig, alles am Laufen zu halten. Doch dann war dieser Ben aufgetaucht. Er war ein alter Freund von Richard, und jetzt hatten wir ihn an der Backe.

Luk lachte mich immer aus, weil ich mich so über Ben aufregte, aber der Typ hatte einfach etwas an sich, das mich bis zur Weißglut reizte. Er tat ständig so, als wäre er der Boss, dabei hatte er gar kein Recht dazu.

Kaum hatte ich den Grill betreten, kam er mir auch schon entgegen und sah demonstrativ auf die Uhr. Allein dafür könnte ich ihm bereits in den Arsch treten, aber natürlich tat ich das nicht. Stattdessen grinste ich ihn nur übertrieben freundlich an.

»Hallo, Ben. Ich wünsche dir auch einen schönen Tag. Bin mal kurz hinten, zum Umziehen.« Luk war bestimmt stolz, dass ich mich so gut benahm. Ohne auf Bens Miene zu achten, die garantiert wieder nur Verachtung ausstrahlte, schob ich mich an ihm vorbei und ging in den Mitarbeiterbereich.

Wie immer hing meine Uniform schon bereits im Schrank, denn als Barkeeperin arbeitete ich nicht in einfachen Jeans und T-Shirts. Zum Glück war Luk heute da und lächelte mich an, als ich ihm im Vorbeigehen zuwinkte. Ben würde ja hoffentlich in der Küche verschwinden und mich in Ruhe lassen. Da ich an der Bar arbeitete und er hinten, hatten wir theoretisch eigentlich gar nicht so viel miteinander zu tun. Mann, was war ich froh, dass ich heute nicht servieren musste. Wahrscheinlich würde ich diesem Mistkerl sonst irgendwann die Teller an den Kopf werfen.

Schnell stieg ich in die schwarze Hose, zog die weiße Bluse an und band mir die Krawatte um, dann fehlte nur noch die ebenfalls schwarze Weste. Fertig. Die Arbeitskleidung hatten Richard und ich gemeinsam eingeführt. Ein edler Look ganz in schwarz und weiß. Ich hatte auch ein Kleid, aber heute war mir mehr nach einer Hose.

Auf die Sekunde pünktlich betrat ich den Barbereich und begab mich in Position. Jetzt, am frühen Abend, war hier sowieso noch nicht so viel los. Natürlich saßen die Leute schon an den Tischen und aßen, aber die Theke war noch leer. Selbstverständlich legte ich mich trotzdem nicht auf die faule Haut, sondern traf meine Vorbereitungen. Meldete meine Kasse an, kontrollierte die Vorräte und Gläser … Zu meiner Erleichterung war Ben inzwischen wieder nach hinten verschwunden. Ich hörte ihn durch die Durchreiche mit einer Küchenhilfe diskutieren und zwischendurch sprach er mit Mary, die heute den Service machte.

Ein paar junge Männer betraten den Grill und gingen direkt nach hinten, wo die Billardtische standen. Sofort wusste ich, dass es Ärger geben würde, denn den hatte ich mit denen schon öfter gehabt. Erst einmal wartete ich ab, bediente ein paar Kunden und kümmerte mich um die Getränkebestellungen der Tische, die Mary mir hinlegte. Aber auch nach einer Stunde kam keiner der Jungs, um etwas zu trinken zu bestellen. Wir hatten ja nichts dagegen, wenn sie den Abend hier verbrachten, bloß in letzter Zeit kamen sie öfter, nur um zu spielen und brachten teilweise sogar ihre eigenen Getränke mit. Und das funktionierte einfach nicht. Schließlich lebten wir von den Gästen. Eigentlich war es nicht meine Aufgabe, mich um so etwas zu kümmern. Trotzdem servierte ich noch einem unserer Kunden ein Bier und ging dann nach hinten zu den Jungs.

Da Richard im Moment so gut wie nie hier auftauchte, musste ja jemand solche Aufgaben übernehmen. Einen wirklichen Chef gab es augenblicklich nicht, aber deshalb konnten wir uns ja nicht von so ein paar Bengeln auf der Nase herumtanzen lassen.

»Hallo Jungs, darf ich euch etwas zu trinken bringen?«, fragte ich höflich wie immer. Die Antwort ein kollektives Kopfschütteln. Einer dieser kleinen Mistkerle grinste mich mit einem ekelhaften Gesichtsausdruck an.

»Wir haben keinen Durst, aber gegen eine Nummer mit dir im hinteren Bereich hätte ich nichts einzuwenden, wenn du mich bedienen willst.« Seine Kumpels grölten und ich verdrehte nur die Augen. Als würde ich mit so einem Kind was anfangen.

»Ihr kennt die Regeln, oder? Keine mitgebrachten Speisen und Getränke hier drin. Ansonsten müssen wir euch rauswerfen.« Der Junge mit der großen Klappe grinste mich an.

»Du bist eine ganz schöne Spaßbremse, Sandy. Wir wollen uns doch nur amüsieren. Sei nicht immer so steif.« Wieder grinste er mit diesem ekelhaft schleimigen Ausdruck im Gesicht. »Es reicht ja, dass ich steif bin, sobald ich dich in diesem Outfit sehe.« Innerlich stöhnte ich auf, aber äußerlich blieb ich völlig ruhig. Es waren Kinder, na ja nicht mehr ganz offiziell. Immerhin waren die Jungs Anfang zwanzig, nur benahmen sie sich nach wie vor wie Teenager. Vielleicht hätten ihre Eltern ihnen mal Benehmen beibringen sollen?

»Träum weiter. Ich bin außerhalb deiner Liga, Kleiner. Jetzt lass ich euch hier weiterspielen, aber nur, solange ihr euch an die Regeln haltet.« Ich zog mich zurück, denn es hatte keinen Sinn, mit ihnen zu diskutieren. Falls sie sich einigermaßen benahmen, sollten sie doch ihren Spaß haben. In Frost Creek gab es ja nicht so viel und bis Concord war ein ganz schönes Stück zu fahren. Da war es eigentlich vernünftig, wenn die Jungs hierblieben bei dem Wetter und wir würden nicht gleich pleitegehen, nur weil sie nichts verzehrten.

Ben

Wie immer, wenn Sandy im Grill war, knisterte es zwischen uns gewaltig. Diese Frau hatte etwas an sich, dass mich in den Wahnsinn trieb. Gleichzeitig zog sie mich aber auch an wie ein Magnet. Dabei war sie absolut tabu für mich. Wir waren Kollegen und wenn alles gutging und Richard mir irgendwann den Laden verkaufte oder verpachtete, wäre sie meine Angestellte. Keine Chance für eine Affäre und erst recht nicht für eine Beziehung. Außerdem hatte ich von Frauen und Beziehungen sowieso ein für alle Mal die Nase voll. Meine Ex hatte mir das Vertrauen in Frauen oder auch allgemein Menschen gründlich ausgetrieben.

»Ben, könntest du bitte mal nach vorne kommen. Ich glaube, da gibt es gleich richtig Ärger.« Luk kam mit besorgtem Gesichtsausdruck in die Küche. Was war denn heute los? Eigentlich war Frost Creek ein sehr beschauliches Örtchen. Aber natürlich folgte ich ihm sofort nach vorne, nachdem ich meine Flammen etwas heruntergedreht hatte. Schließlich wollte ich nicht, dass alles verbrannte.

»Was ist los?«, fragte ich im Gehen, denn Luk hatte immer noch nichts weiter erklärt.

»Die Jungs von neulich sind wieder da, die selbst Alkohol mitgebracht haben und den trinken wollten während des Billardspielens. Sie versuchen genau das schon wieder.« Ich erinnerte mich an das Theater. Wenn sie das noch öfter taten, mussten wir ihnen Hausverbot erteilen. »Sandy ist zu ihnen hingegangen und hat sie aufgefordert sich zu benehmen, das haben sie nicht so gut aufgenommen. Seitdem pöbeln sie hier rum.« O Mann, das brauchten wir nun wirklich nicht. Mit den Kleinen gab es neulich ja erst Ärger und da waren wir zu dritt zu ihnen gegangen, warum wollte Sandy auch allein mit denen reden? Diese Frau hatte echt einen Sockenschuss. Aber niemand traute es sich, ihr das zu sagen, niemand außer mir. Doch nun musste ich sie erst einmal retten, zusammenscheißen konnte ich sie später, wenn die Gäste weg waren.

»Ich gehe hin. Zur Not müssen wir die Cops rufen.« Glücklicherweise besaß Frost Creek noch eine eigene Polizeistation, im Gegensatz zu vielen anderen Kleinstädten.

Als ich den Raum betrat, in dem die Billardtische standen, versuchte ich mir einen Überblick über die Situation zu verschaffen. Zwei der Kerle hatten sich mit Stöcken bewaffnet und bauten sich drohend vor Sandy auf. Die ließ sich davon aber überhaupt nicht beeindrucken.

»Ich habe dir schon die Windeln gewechselt, Nicolas, meinst du wirklich, ich würde mich von dir einschüchtern lassen? Ich kenne deine Mutter, deinen Vater, deinen Onkel, deine Tante und sämtliche anderen Familienmitglieder. Möchtest du, dass ich ihnen erkläre, wie du dich aufführst? Die Strafe würde dir sicher nicht schmecken.«

Anscheinend erwartete sie ernsthaft, dass der Junge nun nachgab. Allerdings war genau das Gegenteil der Fall, wahrscheinlich aus Angst vor seinen Kumpels schlecht dazustehen, denn plötzlich hob er tatsächlich den Billardqueue und holte damit aus. Er wollte sie doch nicht wirklich schlagen, oder? Auf jeden Fall konnte ich dieses Risiko nicht eingehen. Mit einigen großen Schritten war ich bei ihm und hielt den Stock gerade noch in Höhe seines Kopfes fest.

»So nicht, Bürschchen!« Verwirrt sah der Bengel mich an. Mit meinem Eingreifen hatte er wohl nicht gerechnet. »Deine Kumpels und du, ihr entschuldigt euch jetzt sofort bei Sandy und nehmt dann die Beine in die Hand und verschwindet von hier. Anderenfalls rufe ich die Polizei. Und wenn ihr das nächste Mal diesen Laden betretet, benehmt ihr euch und bestellt etwas zu essen oder zu trinken. Ansonsten bekommt ihr alle ein komplettes Hausverbot und ich sorge dafür, dass jeder hier im Ort von euren Mätzchen erfährt.« Das wirkte anscheinend, denn nun begannen seine Kumpels unruhig zu werden. Ich wusste nicht, wie die Jungs hießen, schließlich war ich nicht von hier, aber ich wusste, wie Menschen in Kleinstädten tickten und das, obwohl ich in New York aufgewachsen war. Diese Kinder durften es sich einfach nicht erlauben, es sich mit uns zu verscherzen, denn viele Alternativen gab es nicht für sie, wo sie hingehen konnten.

»Sorry, Sandy. Wird nicht wieder vorkommen.« Wirklich ehrlich klang die Entschuldigung zwar nicht, aber die Jungs verließen nun wenigstens mit gesenkten Köpfen den Raum und auch den Grill. Erleichtert atmete ich auf. Um gleich darauf einen Schlag in die Seite zu kassieren. Verdammt! Das tat weh.

»Was zum Teufel soll deine Einmischung? Willst du meine Autorität untergraben? Ich hätte das schon alleine hingekriegt«, motzte Sandy mich an und ihre Augen sprühten vor Zorn. Sollte sie mir nicht eigentlich dankbar sein, dass ich sie vor einem Schlag mit dem Billardqueue gerettet hatte?

»Bitte schön, sehr gern geschehen. Du brauchst dich echt nicht bei mir zu bedanken«, sagte ich und konnte meine Genervtheit nicht völlig aus meiner Stimme heraushalten. Diese Frau machte mich aber auch wahnsinnig.

»Warum sollte ich dir danken? Das hätte ich, wie gesagt, gut alleine hingekriegt. Ich bin durchaus in der Lage, mich selbst um solche Angelegenheiten zu kümmern. Dazu brauche ich echt keinen Möchtegernchef.« Und da waren wir wieder mal beim Thema. Sie hasste mich, seitdem Richard neulich erwähnt hatte, dass er vielleicht den Grill abgeben wollte. Nicht weil sie ihn vermissen würde oder so, die Kleine bildete sich wirklich ein, sie hätte das Ding zum Chef. Dabei hatte sie doch keine Ahnung, was alles da mit dran hing. Ich selbst wusste es dafür umso genauer. Immerhin hatte ich schon ein eigenes Restaurant gehabt und nur meine Blödheit, meiner Exfrau zu vertrauen, hatte dazu geführt, dass ich es verloren hatte. Das würde mir nie wieder passieren. In Zukunft würde ich Persönliches und Geschäftliches immer strikt trennen. Ein weiterer Grund, warum ich die Anziehungskraft zu ihr ignorieren musste.

»Ja klar, und wie du die Situation im Griff hattest«, konnte ich mir nicht verkneifen zu sagen. Dabei sollte ich lieber in die Küche zurück, als mich hier mit ihr wegen solcher Sinnlosigkeiten zu streiten. Sie baute sich vor mir auf – was echt niedlich war, schließlich überragte ich sie um gut dreißig Zentimeter – doch noch bevor sie etwas sagen konnte, kam Maggie angerannt.

»Könnt ihr später weiterstreiten? Zufällig haben wir Gäste, die auf ihr Essen warten und auch was trinken wollen, und in der Küche brennt, glaube ich, gleich was an.« Verdammte Scheiße! Ohne Sandy noch eines weiteren Blickes zu würdigen, lief ich, so schnell ich konnte, in die Küche zurück. Zum Glück war kaum etwas verbrannt. Okay, ein paar Bratkartoffeln musste ich entsorgen, aber sonst konnte ich alles noch retten. Diese Frau brachte wirklich das Schlimmste in mir zum Vorschein. Ich war zum Kochen hier und nicht, um mich mit ihr zu zanken. Den Rest des Abends gingen wir uns aus dem Weg, was auch besser so war. Ich blieb hinten in der Küche und kochte und sie bediente vorn die Gäste an der Bar und kümmerte sich um die Getränkebestellungen an den Tischen. Erst als es Richtung Feierabend ging, und ich die Küche fertigmachte, sahen wir uns wieder. Ich hatte so einen Durst und brauchte dringend Zucker, dass ich nach vorne lief, um mir eine Cola zu holen. In der Küche hatten wir nur Wasser. Sandy stand hinter dem Tresen und mixte gerade für eine Kundin einen Cocktail. Die beiden redeten dabei und lachten. Wahrscheinlich kannten sie sich auch bereits seit Ewigkeiten. Jeder in diesem Nest kannte jeden. Und vermutlich war ich nicht nur für Sandy der unerwünschte Eindringling. Aber ich würde mit den Leuten schon noch warm werden. Schließlich hatte ich es bereits einmal in einer Kleinstadt geschafft.

 

Sandy

Am nächsten Morgen brodelte die Wut noch immer in mir. Wie konnte Ben mich nur so behandeln? Er hat mich vor den Jungs und allen anderen Gästen völlig blamiert. Als wäre ich nicht selbst in der Lage, mit diesen Bengeln fertigzuwerden. Wutentbrannt griff ich zum Telefon, das hatte ich gestern Abend schon beinah getan, dann aber auf die Uhr gesehen und nicht mehr gewählt. Es klingelte einige Male, daraufhin ging die Mailbox dran.

»Hi, hier ist Richard. Im Moment bin ich nicht zu erreichen. Bitte hinterlasst eine Nachricht nach dem Signalton.« Genervt stöhnte ich auf, ich hasste es, mit Maschinen zu sprechen. Normalerweise legte ich immer gleich auf, wenn ich an so einen Apparat geriet. Da Richard aber nie an sein Telefon ging, sprach ich nun gezwungenermaßen doch drauf: »Hallo Rich, hier ist Sandy. Es geht um den Grill, du musst mich unbedingt anrufen.« Das sollte wohl genügen.

Irgendwie konnte ich ihn nicht verstehen, in letzter Zeit vernachlässigte er den Grill völlig. Dabei war es das Erbe seiner Eltern. Okay, sie lebten noch, aber sie hatten es ihm überschrieben, damit er sich darum kümmerte. Doch jetzt hatte er nur noch das Hotelrestaurant im Kopf und so ging es einfach nicht. Er sollte sich entweder wieder dem Grill zuwenden und seine Pflichten erfüllen oder einen Schlussstrich ziehen und ihn in gute Hände geben. Meine Hände. Außerdem musste er endlich Stellung beziehen, wer hier nun der Boss war in seiner Abwesenheit – Ben oder ich. Denn Ben bildete sich wirklich ein, er hätte etwas zu sagen. Und das konnte nicht sein. Inzwischen hatte ich sogar so viel Geld zusammengespart, dass ich eine Anzahlung leisten könnte und um Rich den Laden abzukaufen. Ich würde ihn auch pachten, wenn er den Grill nicht ganz abgeben wollte, aber so wie jetzt ging es einfach nicht weiter. Von mir aus könnte Ben ja oben in der Wohnung wohnen bleiben, solange er Miete bezahlte und auch die Küche weitermachen, trotzdem war er nicht der Boss.

Doch Richard meldete sich den ganzen Tag nicht zurück, da ich heute frei hatte, versuchte ich noch zweimal ihn anzurufen. Ohne Erfolg. Am liebsten wäre ich einfach ins Hotel gefahren und hätte ihn direkt in seinem Restaurant zur Rede gestellt. Aber das war unprofessionell und außerdem bekam man ohne Vorbestellung nicht einmal einen Tisch in diesem Laden. Also würde man mich sowieso nicht hineinlassen, geschweige denn in die Küche. Ich konnte ja verstehen, dass er völlig ausgebucht war und dadurch wenig Zeit hatte, aber der Grill gehörte ihm und er hatte das Sagen, zumindest sollte es so sein. Und er musste irgendwann die Entscheidung treffen, wie es weitergehen konnte.

Am nächsten Tag gegen Mittag trat ich meine Schicht im Grill an. Heute war ich nicht auf den letzten Drücker hier, sondern viel zu früh. Daher ging ich erst ins Büro. Die Schichtpläne der nächsten Zeit mussten erstellt werden und bis Richard sich darum kümmerte, würde ich es halt tun. Allerdings saß da schon jemand am Schreibtisch, als ich den kleinen Raum betrat, und zwar Ben.

»Möchtest du an einem bestimmten Tag freihaben? Ich mache gerade die Pläne für die nächste Woche.« Sofort kochte wieder die Wut in mir hoch. Was bildete er sich eigentlich ein? Er war nicht der Chef, sondern nur der Koch. Aber ich schluckte die Wut hinunter.

»Seit wann machst du die Pläne?« Er zuckte mit den Schultern.

»Irgendwer muss sich ja darum kümmern. Ich erreiche Richard seit Tagen nicht und der aktuelle Dienstplan geht nur noch bis übermorgen. Die Leute brauchen Planungssicherheit.« So gern ich mit ihm streiten wollte, in diesem Punkt musste ich ihm zustimmen.

»Ja, so geht es mir auch. Ich habe es mehrfach versucht und ihm ebenfalls Nachrichten auf der Mailbox hinterlassen, aber er ruft mich nicht zurück. Wahrscheinlich ist er mit der Vorbereitung für Thanksgiving völlig ausgelastet.« Allerdings war das kein Grund, uns so hängen zu lassen. Ben seufzte und wandte sich erneut dem Papier vor ihm zu.

»Ich hasse den Papierkram. Schichtpläne, Abrechnungen, Bestellungen … wobei Bestellungen gehen eigentlich noch.« Er seufzte schon wieder leise. Warum macht er es, obwohl er gar keinen Bock darauf hatte?

»Ich kann das gerne machen, ich werde ja später auch den Grill übernehmen, wenn Richard ihn verpachtet oder verkauft.« Das war schneller raus, als ich gewollt hatte. Eigentlich hatte ich nicht vor, ausgerechnet Ben von meinen Plänen zu unterrichten.

Bisher hatte ich es noch nicht oft laut ausgesprochen. Allerdings nicht, weil ich es mir nicht zutrauen würde, sondern nur weil es nicht spruchreif war. Bis jetzt hatte Richard sich ja nicht dazu geäußert, ob er den Grill wirklich verkaufen oder verpachten wollte. Irgendwie versuchte er immer noch alles hinzubekommen, den Grill und das Restaurant, aber irgendwann musste er einsehen, dass das so nicht funktionierte.

»Wenn hier einer den Grill übernimmt, dann bin ich das«, antwortete Ben mir überheblich. Ich könnte diesen Kerl in die Fresse schlagen, wie kam er auf die Idee, als neuer, der nicht einmal Wurzeln in Frost Creek hatte, den Grill übernehmen zu dürfen? Der Kerl war doch völlig wahnsinnig.

»Träum weiter, du bist ein Fremder hier im Ort, die Leute werden dich niemals als Eigentümer akzeptieren. Wenn du ihn übernehmen solltest, wäre das der Untergang des Ladens und das wird Richard unter keinen Umständen riskieren.« Statt betreten zu gucken, fing dieser Mistkerl echt an, schallend zu lachen. Der hatte sie doch nicht mehr alle! Am liebsten hätte ich ihm eine gescheuert, aber natürlich tat ich es nicht, denn ich hatte ja Benehmen. Im Gegensatz zu ihm.

 

---ENDE DER LESEPROBE---