Ungewöhnliche Heimkehr - Elisabeth Swoboda - E-Book

Ungewöhnliche Heimkehr E-Book

Elisabeth Swoboda

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Beschreibung

Die Idee der sympathischen, lebensklugen Denise von Schoenecker sucht ihresgleichen. Sophienlust wurde gegründet, das Kinderheim der glücklichen Waisenkinder. Denise formt mit glücklicher Hand aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. »Pete will helfen. Will Tote verzielen!« krähte der zweijährige Peterle und streckte seine Patschhändchen verlangend nach der Schüssel mit Buttercreme aus. »Ein anderes Mal kannst du helfen die Torte zu verzieren«, vertröstete ihn seine Mutter Andrea von Lehn. Sie war eine sehr hübsche junge Frau, glücklich verheiratet mit dem Tierarzt Dr. Hans-Joachim von Lehn. Ihren kleinen Sohn liebte sie über alles, doch trotz ihrer Mutterschaft vernachlässigte sie auch ihre anderen Interessen nicht, wie zum Beispiel das Tierheim »Waldi & Co.«, welches sie gemeinsam mit ihrem Ehemann und dem Tierpfleger Janosch Corda betreute. Auch assistierte sie gelegentlich Hans-Joachim in seiner Praxis. »Will Tote verzielen«, beharrte der Knirps. Mittlerweile hatte das Hausmädchen Marianne Weber die Cremeschüssel aus seiner Reichweite entfernt, was ihn sichtlich verdroß. Seine Mundwinkel verzogen sich weinerlich, er war drauf und dran in Tränen auszubrechen. Andrea hatte diese Anzeichen längst erkannt. Immer wenn ihr Sohn zu quengeln anfing, war es Zeit, ihn zu Bett zu bringen. Sie nahm ihn hoch, warf ihrer Haus­angestellten einen entschuldigenden Blick zu und trug ihren protestierenden Sprößling in sein Zimmer. »Du wirst jetzt brav dein Mittagsschläfchen halten«, redete sie ihm dabei gut zu. »Nein.

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Sophienlust – 205–

Ungewöhnliche Heimkehr

Warum sich Babsi auf Spurensuche nach ihrer Familie begab

Elisabeth Swoboda

»Pete will helfen. Will Tote verzielen!« krähte der zweijährige Peterle und streckte seine Patschhändchen verlangend nach der Schüssel mit Buttercreme aus.

»Ein anderes Mal kannst du helfen die Torte zu verzieren«, vertröstete ihn seine Mutter Andrea von Lehn.

Sie war eine sehr hübsche junge Frau, glücklich verheiratet mit dem Tierarzt Dr. Hans-Joachim von Lehn. Ihren kleinen Sohn liebte sie über alles, doch trotz ihrer Mutterschaft vernachlässigte sie auch ihre anderen Interessen nicht, wie zum Beispiel das Tierheim »Waldi & Co.«, welches sie gemeinsam mit ihrem Ehemann und dem Tierpfleger Janosch Corda betreute. Auch assistierte sie gelegentlich Hans-Joachim in seiner Praxis.

»Will Tote verzielen«, beharrte der Knirps. Mittlerweile hatte das Hausmädchen Marianne Weber die Cremeschüssel aus seiner Reichweite entfernt, was ihn sichtlich verdroß. Seine Mundwinkel verzogen sich weinerlich, er war drauf und dran in Tränen auszubrechen. Andrea hatte diese Anzeichen längst erkannt. Immer wenn ihr Sohn zu quengeln anfing, war es Zeit, ihn zu Bett zu bringen. Sie nahm ihn hoch, warf ihrer Haus­angestellten einen entschuldigenden Blick zu und trug ihren protestierenden Sprößling in sein Zimmer. »Du wirst jetzt brav dein Mittagsschläfchen halten«, redete sie ihm dabei gut zu.

»Nein. Nix schlafen«, widersprach der Kleine.

»O doch. Du willst doch ausgeschlafen sein, wenn die Kinder von Sophienlust kommen. Wenn du schläfrig bist, macht es dir keinen Spaß, mit Heidi und Kim zu spielen.«

»Heidi und Kim pielen«, murmelte Peterle und gähnte herzhaft.

Andrea wartete, bis dem Knirps die Augen zugefallen waren, was nicht lange dauerte. Dann kehrte sie in die Küche zurück, wo Marianne gerade eine Mandeltorte mit Schokoladencreme füllte. Andrea griff nach einem Stoß Papier­servietten, um sie zu kunstvollen Gebilden zu falten, aber das Hausmädchen hinderte sie an dieser Tätigkeit, indem es hastig sagte: »Überlassen Sie das mir, Frau von Lehn. Vor ein paar Minuten ist eine junge Dame gekommen. Sie nannte mir ihren Namen – Brandstätter – und behauptete, eine Freundin von Ihnen zu sein. Ich hab’ sie ins Wohnzimmer geführt.«

»Brandstätter? Ha ja, Camilla! Es stimmt, wir waren befreundet. Aber ich habe sie seit Jahren nicht mehr gesehen. Ausgerechnet heute besucht sie mich, wo meine Zeit so knapp ist. Wir müssen noch Tische und Stühle in den Garten schaffen, damit die Kinder ihren Imbiß im Freien einnehmen können.«

»Das Tische- und Stühleschleppen besorgen die Kinder gewiß gerne selbst. Mit den anderen Vorbereitungen werde ich leicht alleine fertig. Gehen Sie ruhig zu Ihrer Freundin.«

Andrea nickte Marianne dankbar zu und eilte ins Wohnzimmer. Bei ihrem Eintritt wandte sich die junge Frau, die am Fenster gestanden hatte, ihr zu, begrüßte sie etwas befangen und fügte zögernd hinzu: »Entschuldige, daß ich so bei dir hereinplatze, Andrea.«

»Das macht nichts. Setz dich, Camilla.« Die Hausfrau deutete auf die gemütliche Sitzecke. Nachdem ihr Gast Platz genommen und den angebotenen Kaffee und Kuchen dankend abgelehnt hatte, setzte Andrea sich Camilla gegenüber und nahm sie unauffällig, aber genau in Augenschein. Sie kannte die junge Frau von ihrer Schulzeit her. Beide hatten sich das Maibacher Gymnasium besucht, allerdings in verschiedenen Klassen. Camilla hatte das Abitur früher erreicht, sie war älter als Andrea. Mittlerweile mußte sie sechsundzwanzig sein, wie Andrea flink errechnete. Verändert hatte sie sich seit ihrer Schulzeit kaum. Sie war mittelgroß, schlank, ihr ovales Gesicht wurde von schulterlangen honigblonden Haaren umrahmt. Früher hatte sie die Haare länger getragen, sie waren auch etwas heller gewesen. Aber die Augen waren noch die gleichen, grau, mit dichten dunklen Wimpern besetzt und ein wenig schüchtern in die Welt blickend. Andrea erinnerte sich plötzlich, daß die Schuljungen Camilla oft gehänselt und mit dem Spitznamen Traumtänzerin belegt hatten.

»Wir haben uns lange nicht gesehen«, eröffnete Andrea das Gespräch. »Wohnst du immer noch in Maibach?«

»Ja. Bei den Eltern. Aber das wird sich in absehbarer Zeit ändern. Reinhard und ich, wir wollen noch in diesem Jahr heiraten. Wir kennen einander ja schon so lange. Erinnerst du dich an Reinhard? Reinhard Forstinger.«

Andrea furchte die Stirn. Flüchtig tauchte vor ihrem inneren Auge das Bild eines gut aussehenden, arroganten Burschen auf. »Reinhard Forstinger«, wiederholte sie nachdenklich. »Ist das der Reinhard aus deiner Klasse? Hardy nannten ihn die meisten. Die Mädchen himmelten ihn an, und er trug die Nase dementsprechend hoch. Gerüchte waren in Umlauf, daß er Aufputsch­mittel an seine Mitschüler verkaufte. Er galt als cooler Typ, der…«

»Diese Gerüchte waren völlig aus der Luft gegriffen«, fiel Camilla Andrea heftig ins Wort. Ihre Wangen röteten sich. »Ich weiß, Reinhard war damals bei einigen Leuten unbeliebt. Hauptsächlich bei den Lehrern. Aber sie konnten ihm nichts am Zeug flicken. Reinhard hat sein Abitur mit Auszeichnung bestanden, danach einige Semester Medizin studiert und…, na ja, er hat sein Studium abgebrochen. Aber das schadet weiter nichts, er ist in seinem Beruf als Autoverkäufer sehr tüchtig. Ich arbeite in einer Versicherung. Wir haben beide Ersparnisse. Damit wollen wir uns in Australien eine neue Existenz gründen«, sprudelte Camilla hervor.

»In Australien?« fragte Andrea verblüfft.

»Ja, in Australien«, bestätigte ihre Besucherin mit einem gewissen Trotz. »Reinhard findet die Verhältnisse bei uns in Deutschland kleinkariert und spießbürgerlich. Er hat recht. Maibach ist ein langweiliges Nest. Man ist hier zum Ersticken verurteilt.«

»Also, ich bin da ganz anderer Ansicht«, widersprach Andrea vehement. »Ich fühle mich wohl hier in Bachenau. Dabei ist Bachenau wirklich ein kleiner Ort. Maibach ist immerhin unsere Kreisstadt.«

»Trotzdem fühlt Reinhard sich eingeengt. Aber ich merke schon, du verstehst uns genauso wenig wie meine Eltern. Papa und Mama sind strikt gegen unsere Auswanderungspläne. Am liebsten würden sie uns die Heirat verbieten, aber das können sie nicht. Natürlich will ich mich nicht im Bösen von ihnen trennen. Deswegen bin ich zu dir gekommen.«

Andrea hob verwundert ihre schöngezeichneten dunklen Augenbrauen.

»Ich habe gehört, daß du ein Tierheim betreibst«, fuhr Camilla rasch fort. »Du betreust herrenlose Hunde und Katzen und vermittelst sie an gute Plätze. Ich dachte an ein größeres Tier, einen Schäferhund vielleicht. Oder eine Dogge. Ein Boxer käme auch in Frage. Das Tier hätte es wirklich gut bei uns, darauf kannst du dich verlassen.«

»Verstehe ich dich richtig? Du möchtest dir einen Hund zulegen?«

Camilla nickte.

»Tut mir leid, aber den Wunsch muß ich dir abschlagen. Erstens gibt es in unserem Tierheim zur Zeit weder einen Schäferhund, noch eine Dogge oder einen Boxer. Zweitens wäre ein Hund dir bei der Übersiedlung nach Australien nur im Weg.«

»Ich will ihn ja nicht mitnehmen, sondern meinen Eltern lassen. Damit Mama jemanden zum bemuttern hat, wenn ich fort bin.«

»Das halte ich für keine gute Idee. Ich habe Tiere wirklich gern, ich bin geradezu eine Tiernärrin. Trotzdem glaube ich nicht, daß deine Eltern einen Hund als Ersatz für ihre verlorene Tochter betrachten.«

»Ich gehe ihnen nicht verloren. Australien ist zwar weit weg, aber man kann einander ja schreiben. Ab und zu auch telefonieren.«

»Und etwa alle zehn Jahre ist vielleicht ein persönliches Treffen möglich«, meinte Andrea sarkastisch. Sie schüttelte den Kopf. »Hätte ich je die Absicht geäußert, nach Australien auszuwandern, mein Vater und meine Stiefmutter wären höchst bestürzt gewesen. Obwohl ich nicht ihr einziges Kind bin. Du weißt, meine leibliche Mutter ist vor vielen Jahren gestorben. Mein Bruder Sascha und ich wurden Halbwaisen. Glücklicherweise hat Vati ein zweites Mal geheiratet. Meine Stiefmutter Denise brachte einen Sohn in die Ehe mit, den kleinen Dominik. Das heißt, damals war er klein. Mittlerweile ist er siebzehn und ein gutes Stück größer als ich. Der jüngste von Schoenecker ist Henrik, mein Halbbruder. Wir sind also vier Geschwister.« Die junge Frau legte eine nachdenkliche Pause ein. »Natürlich sind wir vier nicht immer ein Herz und eine Seele«, bekannte sie. »Aber im großen und ganzen verstehen wir uns prima. Sascha studiert in Heidelberg. Wenn er in den Ferien nach Hause kommt, nach Gut Schoeneich, unserem Elternhaus, ist das jedesmal ein Fest.«

»Warum erzählst du mir das?«

»Ich möchte dir begreiflich machen, daß man Familienbande nicht leichtfertig zerschneiden sollte. Es ist oft sehr hilfreich, die Angehörigen in nächster Nähe zu haben. Zum Beispiel bin ich sehr froh, wenn ich meinen kleinen Sohn zu meinen Eltern bringen kann. Sie sind die besten Babysitter der Welt, auf sie kann ich mich voll und ganz verlassen.«

»Schön für dich. Was mich betrifft, mein Lebensweg wird anders verlaufen. Reinhard will keine Kinder. Er behauptet, Kinder würden ihn zu sehr einengen.«

»Ist das auch deine Ansicht?«

»Selbstverständlich. Ich bin immer der gleichen Ansicht wie mein Verlobter. Schließlich lieben wir uns. Wenn man jemanden aufrichtig liebt, muß man auf vieles verzichten.« Angesichts Andreas zweifelndem Gesichtsausdruck schränkte sie ein: »Man muß halt Kompromisse schließen. Reinhard ist im Grunde genommen gegen eine feste Bindung. Mir zuliebe gibt er diese Haltung auf und ist bereit, aufs Standesamt zu pilgern. Dafür willigte ich in seine Auswanderungspläne ein. Meine Eltern werden sich damit abfinden. So wie sie sich mit Claudias Verschwinden abgefunden haben. Ihr Name wird kaum je erwähnt.«

Eine vage Erinnerung durchzuckte Andrea. »Claudia ist deine Schwester, nicht wahr? Du hast mir von ihr erzählt. Ich habe sie nie kennengelernt. Als wir Freundschaft schlossen, lebte sie nicht mehr daheim.«

»Sie hatte sich Hals über Kopf aus dem Staub gemacht. Über fünf­zehn Jahre ist das jetzt her. Claudia packte ihre Koffer, hinterließ den Eltern einen kurzen Abschiedsbrief und löste sich quasi in Luft auf. Wir haben nie wieder etwas von ihr gehört. Auch Matthias nicht. Er bekam von ihr nicht einmal einen Abschiedsbrief. Na ja, er wußte ohnehin, daß ein anderer Mann ihn ausgestochen hatte. Er hätte Claudia eben nicht vernachlässigen dürfen. Aber sein Studium war ihm wichtiger als seine Verlobte. Er streberte und streberte, um möglichst rasch sein Diplom zu kriegen, während Claudia sich langweilte. Kein Wunder, daß sie einen anderen fand und Matthias betrog. Meine Eltern waren damals völlig aus dem Häuschen. Sie überschütteten die arme Claudia mit Vorwürfen.

Papa und Mama hielten und halten immer noch große Stücke auf Matthias Holzmann. Seltsamerweise besucht er uns nach wie vor. Zu ihm ist der Kontakt nie abgerissen. Inzwischen ist er ein gutverdienender Nachrichtentechniker. Tüchtig in seinem Beruf, grundsolide in seinem Privatleben. Na ja, er hatte sicherlich einige Beziehungen, eine Zeitlang sah es so aus, als ob er eine junge Witwe heiraten würde. Aber daraus wurde nichts. Für meine Eltern stellt er nach wie vor den Traumschwiegersohn dar. Ich bin sicher, sie werden es Claudia nie verzeihen, daß sie ihn nicht genommen hat. Irgendwie habe ich das Gefühl, daß ich die Suppe auslöffeln muß, die Claudia eingebrockt hat. Sie hat meine Eltern enttäuscht und mich lassen sie es entgelten, indem sie sich gegen meine Verbindung mit Reinhard sträuben. Sie wollen mich nicht loslassen. Sie sehen nicht ein, daß ich längst flügge geworden bin.«

»Vielleicht tust du deinen Eltern unrecht«, meinte Andrea. Unwillkürlich malte sie sich aus, was ihr Vater gesagt hätte, wenn sie ihm Reinhard Forstinger als ihren Verlobten präsentiert und gleichzeitig in Aussicht gestellt hätte, daß sie ans entgegengesetzte Ende der Welt übersiedeln wollte. Mit größter Wahrscheinlichkeit hätte Alexander von Schoenecker alles darangesetzt, sie umzustimmen.

»Wie ist das nun mit einem Hund?« kam Camilla auf ihr ursprüngliches Anliegen zurück. »Ich könnte mir auch einen kleineren aussuchen. Meinetwegen eine Promenadenmischung. Man sagt, solche Hunde seien besonders treu und gelehrig.«

»Bitte verzichte vorläufig auf den Erwerb eines Hundes. Frag deine Eltern, ob sie überhaupt einen vierbeinigen Hausgenossen bei sich aufnehmen wollen. Ein Hund ist kein Spielzeug. Man muß ihm eine Menge Zuwendung schenken«, appellierte die Frau des Tierarztes an Camilla Verantwortungsbewußtsein. Sie kam nicht dazu, noch mehr zu diesem Thema zu sagen, denn im Flur erklangen fröhliche Kinderstimmen. »Ah, die Kinder von Sophienlust, rief sie aus und sprang auf.

»Sophienlust?« wiederholte Camilla fragend, indem sie sich ebenfalls erhob.

»Mein Stiefbruder Nick – der vorhin erwähnte Dominik hat von seiner Urgroßmutter einen ansehnlichen Besitz mit einem schönen Herrenhaus geerbt. Die Erblasserin bestimmte, daß es zu einem Kinderheim umgewandelt werden sollte. Dafür hat meine Stiefmutter gesorgt. Einstweilen verwaltet Mutti Sophienlust. Später wird Nick in ihre Fußstapfen treten«, erklärte Andrea hastig.

»Ach ja, ich habe schon von dem Kinderheim gehört. Angeblich fühlen sich die Kinder dort sehr wohl«, bemerkte Camilla eher gleichgültig. Versponnen in ihr eigenen Sorgen kam sie nicht auf die Idee, daß es Menschen gab, die mit wesentlich ernsteren Problemen zu kämpfen hatten als sie. Niedergeschlagen verabschiedete sich Camilla. Erstens hatte sie den Zweck ihres Besuches, nämlich den Erwerb eines Hundes, nicht erreicht, zweitens hatte sie in bezug auf ihre Zukunftspläne von Andrea keinerlei Bestärkung erfahren. Im Grund ihres Herzens war Camilla selber äußerst unsicher, ob sie nicht doch im Begriff war, einen schwerwiegenden Fehler zu begehen. Obwohl sie ihre Eltern als altmodisch bezeichnete und ihre Differenzen mit ihnen hatte, graute ihr vor dem Tag, an dem sie Vater und Mutter vielleicht zum letzten Mal umarmen und in das Flugzeug steigen würde.

»Wer war die Frau, die gerade weggegangen ist?« erkundigte sich Heidi Holsten, nachdem sie und die übrigen Kinder Andrea mit vergnügter Lautstärke begrüßt hatten. Heidi war ein neugieriges kleines Plappermäulchen. Sie wollte immer alles ganz genau wissen und den Dingen möglichst auf den Grund gehen.

»Eine ehemalige Schulfreundin«, erwiderte Andrea.

»Sie hat traurig geschaut. Hat sie Kummer?« bohrte Heidi weiter.

»Mhm«, nickte Andrea.

»Warum hast du ihr nicht geholfen?«

»Das lag nicht in meiner Macht.«

»Wieso nicht? Sicher ist sie extra zu dir gekommen, damit du ihr hilfst.«