Vom Vater im Stich gelassen - Elisabeth Swoboda - E-Book

Vom Vater im Stich gelassen E-Book

Elisabeth Swoboda

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Beschreibung

Die Idee der sympathischen, lebensklugen Denise von Schoenecker sucht ihresgleichen. Sophienlust wurde gegründet, das Kinderheim der glücklichen Waisenkinder. Denise formt mit glücklicher Hand aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. »Wisst ihr schon das Neueste?« Mit diesen Worten platzte Henrik von Schoenecker in den Aufenthaltsraum des Kinderheims Sophienlust, wo die Kinder gerade bei den Hausaufgaben saßen. Pünktchen legte ihre Füllfeder, an der sie eben gedankenvoll gekaut hatte, auf den Tisch und fragte: »Das Neueste? Was meinst du damit?« »Die Bankräuber …« Henrik war gezwungen, tief Atem zu holen, denn er war im Dauerlauf von Schoeneich nach Sophienlust gerannt, um den Kindern als erster die interessante Nachricht mitteilen zu können. Die Kinder sahen Henrik verständnislos an. »Was für Bankräuber? Wovon sprichst du eigentlich?«, wollte Fabian schließlich wissen. »Von den Gangstern, die in Köln eine Bank überfallen und beraubt haben. In allen Zeitungen wurde darüber berichtet. Habt ihr nichts davon gehört?« »O doch, natürlich.« Auch Irmela schob nun den Zirkel und das Dreieck, mit dessen Hilfe sie eben noch eine geometrische Figur konstruiert hatte, beiseite, um ihre Aufmerksamkeit ganz dem neuen Thema zu widmen. »Es müssen gefährliche Burschen sein«, meinte sie. »Sie haben kaltblütig auf die Bankangestellten geschossen und einen von ihnen lebensgefährlich verletzt.« »Ja, aber dann mussten sie flüchten, weil sich durch die Schüsse die Alarmanlage eingeschaltet hatte«, sagte Pünktchen, um zu beweisen, dass sie über die Angelegenheit ebenfalls informiert war. »Immerhin haben sie über vierhunderttausend Euro und außerdem noch Valuten erbeutet«, ergänzte Irmela. »Valuten? Was ist denn das?«, fragte Vicky. »Ausländisches Geld«, erklärte Henrik. »Englische Pfunde, französische Euro, amerikanische Dollars usw.« Die Herablassung in Henriks Stimme veranlasste Pünktchen zu der Bemerkung: »Ach, gib nicht so an mit deinem Wissen. Wieso bist du überhaupt so schnell gelaufen? Sind die Bankräuber hinter

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Sophienlust –138–

Vom Vater im Stich gelassen

Berti und Buko können ihr Schicksal nicht fassen

Elisabeth Swoboda

»Wisst ihr schon das Neueste?« Mit diesen Worten platzte Henrik von Schoenecker in den Aufenthaltsraum des Kinderheims Sophienlust, wo die Kinder gerade bei den Hausaufgaben saßen.

Pünktchen legte ihre Füllfeder, an der sie eben gedankenvoll gekaut hatte, auf den Tisch und fragte: »Das Neueste? Was meinst du damit?«

»Die Bankräuber …« Henrik war gezwungen, tief Atem zu holen, denn er war im Dauerlauf von Schoeneich nach Sophienlust gerannt, um den Kindern als erster die interessante Nachricht mitteilen zu können.

Die Kinder sahen Henrik verständnislos an. »Was für Bankräuber? Wovon sprichst du eigentlich?«, wollte Fabian schließlich wissen.

»Von den Gangstern, die in Köln eine Bank überfallen und beraubt haben. In allen Zeitungen wurde darüber berichtet. Habt ihr nichts davon gehört?«

»O doch, natürlich.« Auch Irmela schob nun den Zirkel und das Dreieck, mit dessen Hilfe sie eben noch eine geometrische Figur konstruiert hatte, beiseite, um ihre Aufmerksamkeit ganz dem neuen Thema zu widmen. »Es müssen gefährliche Burschen sein«, meinte sie. »Sie haben kaltblütig auf die Bankangestellten geschossen und einen von ihnen lebensgefährlich verletzt.«

»Ja, aber dann mussten sie flüchten, weil sich durch die Schüsse die Alarmanlage eingeschaltet hatte«, sagte Pünktchen, um zu beweisen, dass sie über die Angelegenheit ebenfalls informiert war.

»Immerhin haben sie über vierhunderttausend Euro und außerdem noch Valuten erbeutet«, ergänzte Irmela.

»Valuten? Was ist denn das?«, fragte Vicky.

»Ausländisches Geld«, erklärte Henrik. »Englische Pfunde, französische Euro, amerikanische Dollars usw.«

Die Herablassung in Henriks Stimme veranlasste Pünktchen zu der Bemerkung: »Ach, gib nicht so an mit deinem Wissen. Wieso bist du überhaupt so schnell gelaufen? Sind die Bankräuber hinter dir her? Verfolgen sie dich? So kostbar bist du nun auch wieder nicht«, neckte sie ihn.

»Spotte nur«, erwiderte Henrik. »Das Lachen wird dir gleich vergehen.« Unwillkürlich senkte er die Stimme. »Sie treiben sich hier irgendwo in der Gegend herum«, flüsterte er.

»Hier in Wildmoos?«

»Genaues weiß man nicht. Sie sind in Maibach gesehen worden, und beinahe hätte die Polizei sie gefasst.«

»Hallo, Henrik! Da bist du ja! Natürlich, du musst jede Neuigkeit sofort ausposaunen.« Dominik, Henriks Halbbruder, war soeben eingetreten und wurde von den Kindern mit einem Schwall von Fragen begrüßt.

»Hallo, Nick! Stimmt das, was Henrik uns erzählt hat? Sind die Bankräuber wirklich gesehen worden? Wer hat sie erkannt? Wo sind sie jetzt? Wieso wisst ihr davon?«

»Langsam, langsam, ich kann nicht alle Fragen auf einmal beantworten«, sagte Dominik, genannt Nick, während Henrik beleidigt dazwischenrief: »Natürlich stimmt das, was ich euch erzählt habe.«

Nick bestätigte es und fügte hinzu: »Polizeimeister Kirsch hat Vati angerufen und ihn gewarnt. Die Bankräuber sind zufällig von einem Passanten in Maibach erkannt worden, als sie verschiedene Lebensmittel einkauften. Ihr wisst doch, einem von den Bankbeamten war es während des Überfalls gelungen, eine in der Kassenhalle versteckte Kamera einzuschalten, sodass der ganze Vorfall gefilmt wurde. Bilder von den Gangstern wurden danach in allen Zeitungen veröffentlicht. Es ist daher kein Wunder, dass sie so schnell erkannt wurden.«

»Es besteht also kein Zweifel, dass es sich um die Bankräuber von Köln handelt?«

»Nein. Leider konnten sie erneut flüchten, diesmal allerdings zu Fuß. Ihren Wagen haben sie nicht mehr erreicht, den mussten sie zurücklassen.«

»Es ist ein knallgelber Volvo«, schaltete sich Henrik wieder ein. »Die Polizei hat in dem Auto einen Teil der Beute gefunden.«

»Zu Fuß können sie nicht weit gekommen sein«, meinte Pünktchen nachdenklich.

»Außer sie haben ein anderes Auto aufgebrochen und gestohlen«, erwiderte Henrik.

»Bis jetzt ist nichts Derartiges bekannt«, sagte Nick. »Es wurde kein Wagen gestohlen.«

»Dann treiben sich die Bankräuber hier irgendwo in der Gegend herum.«

»Ja, das will ich euch doch die ganze Zeit über klarmachen«, rief Henrik.

»Hu, ich fürchte mich!« Vicky warf einen ängstlichen Blick zu den Fenstern hinüber, als ob dort gleich einer der Verbrecher auftauchen würde.

»Ja, ich auch«, stimmte ihre Schwester Angelika ihr bei. »In den Wald zu gehen, traue ich mich jedenfalls nicht.«

»Das sollt ihr auch nicht«, erklärte Nick. »Genau deswegen hat Polizeimeister Kirsch Vati vorhin angerufen. Es war übrigens ganz schön leichtsinnig von Henrik, allein hierherzulaufen.«

»Du bist doch auch allein gegangen«, begegnete Henrik etwas empört dem Vorwurf seines älteren Bruders.

»Ich bin immerhin einige Jahre älter als du. Außerdem hättest du auf mich warten können.«

»Streitet nicht«, bat Pünktchen. »Lasst uns lieber überlegen, wie man die Verbrecher fangen könnte.«

»Das ist nicht unsere Sache, sondern Angelegenheit der Polizei.«

»Ach, sei nicht so langweilig, Nick. Es wäre fantastisch, wenn es nicht der Polizei, sondern uns gelingen würde, die Bankräuber zu schnappen.«

»Ja, fantastisch wäre das allerdings«, erwiderte Nick hintergründig.

Pünktchen sah ihn argwöhnisch an. »Machst du dich lustig über mich?«, fragte sie, wartete jedoch keine Antwort ab, sondern fuhr eifrig fort: »Denk nach! Vielleicht hat jemand eine gute Idee.«

»Erst einmal müssten wir wissen, wohin die Verbrecher geflüchtet sind«, sagte Vicky.

»Na, das ist wohl klar …«

»Ja, aber wie können wir das herausbekommen?«

»Es gibt hier so viele Möglichkeiten, sich zu verstecken.«

»Sicher halten sie sich im Wald auf«, vermutete Vicky.

»Nein, sie haben ein Auto gestohlen und sind damit längst über alle Berge«, verfocht Henrik seine Lieblingstheorie.

»Unsinn«, sagte sein Bruder. »Hast du vergessen, was Herr Kirsch zu Vati gesagt hat? Dass die Polizei Straßensperren rund um Maibach errichtet hat.«

»Was nützt das …«

»Jeder verdächtige Autofahrer wird angehalten …«

»Ich bin der gleichen Meinung wie Vicky«, warf Pünktchen, der der Gedanke, dass die Bankräuber inzwischen weit weg sein könnten, gar nicht gefiel, ein. »Sie haben sich sicher im Wald versteckt. Dort muss man sie suchen.«

»Und wie willst du das anstellen?«

Ratloses Schweigen erfüllte den Raum. Endlich meldete sich Fabian schüchtern zu Wort: »Mein Anglos könnte die Gangster vielleicht aufstöbern.«

»Ach, dein Anglos!« Mit einer verächtlichen Handbewegung tat Henrik Fabians Dogge ab.

»Wieso? Was hast du gegen Anglos? Er ist groß und stark.«

»Ja, aber so gutmütig, dass er die Verbrecher schwanzwedelnd begrüßen und für Spielgefährten halten würde.«

»Henrik hat recht. Andreas Dogge Severin wäre für diese Aufgabe wirklich besser geeignet«, fand Pünktchen.

»Oder der Bernhardiner Barri«, meinte Angelika.

»Ja, wir könnten die beiden Hunde auf die Gangster ansetzen.« Pünktchen erwärmte sich nun so richtig für diese Idee.

»Aber wie sollen sie die Spur aufnehmen?«, wollte Henrik wissen.

»Wir brauchen irgendetwas, was den Bankräubern gehört. Ein Kleidungsstück, einen Schuh, ein Hemd, oder sonst etwas.«

»Na, dann schaut doch zu, dass ihr erst einmal die Schuhe der Bankräuber erwischt. Wenn ihr die habt, wird es für Severin und Barri gewiss leicht sein, die dazugehörigen Verbrecher aufzustöbern«, sagte Nick und bemühte sich, ein ernsthaftes Gesicht dabei zu machen.

*

Alexander von Schoenecker wurde von Polizeimeister Kirsch auf dem laufenden gehalten und erfuhr von ihm, dass die Suche nach den Bankräubern bisher ergebnislos geblieben war.

Die Kinder von Sophienlust wurden mit ihren Schulbussen wie gewöhnlich zur Schule gebracht, aber der Chauffeur Hermann sah sich jetzt besonders vorsichtig um.

Auch Andrea von Lehn hatte Bedenken. Während des Frühstücks verhielt sie sich so schweigsam, dass es ihrem Mann, dem Tierarzt Dr. Hans-Joachim von Lehn, auffiel.

»Was ist los mit dir?«, fragte er erstaunt. »Fühlst du dich nicht wohl?«

»Ach, es ist nichts. Nur … es wäre mir lieber, wenn du heute daheim bleiben würdest.«

»Bist du krank? Ist etwas nicht in Ordnung?« Hans-Joachim war nun ernstlich besorgt.

»Nein, krank bin ich nicht. Aber ich fürchte mich. Vorhin habe ich mit Vati telefoniert. Die Bankräuber sind noch immer nicht gefasst worden.«

»Glaubst du, dass sie sich hier in der Gegend herumtreiben?«

»Möglich wäre es«, erwiderte Andrea bedrückt.

»Trotzdem brauchst du keine Angst zu haben. Du bist mit Peterle nicht allein im Haus. Da ist Betti und Herr Koster, der Tierpfleger. Vor allem aber Severin. Er beschützt euch bestimmt. Und wenn es darauf ankäme, würde sich auch Waldi bemühen, jeden Angreifer in die Flucht zu schlagen. Du siehst also, du hast eine ganze Menge Beschützer.«

»Oh, ich habe nicht Angst um mich. Es ist deinetwegen. Du hast vorhin gesagt, dass du zum Lechnerbauern fahren willst. Dessen Hof liegt sehr entlegen. Ist es denn unbedingt nötig, dass du seine Schweine untersuchst?«

Hans-Joachim lächelte. »Wahrscheinlich nicht. Aber ich will Herrn Lechner nicht im Stich lassen. Du weißt, seit er damals seinen gesamten Rinderbestand notschlachten musste, weil die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen war, ist er übermäßig besorgt.«

»Dann kannst du ruhig zu Hause bleiben«, erklärte Andrea.

»Nein, das kann ich nicht. Wegen dieses dummen Gerüchtes, dass sich Verbrecher in Wildmoos verstecken, werde ich nicht meine Pflichten vernachlässigen.«

Andrea seufzte. Sie wusste, Hans-Joachim hatte natürlich recht. Das sah sie vollkommen ein.

»Pass auf!«, rief sie ihm nach, als er mit seinem Wagen davonfuhr.

Hans-Joachim hörte ihre Worte zwar, achtete aber nicht mehr darauf. Auch an die vermutlich sowieso gesunden Schweine des Lechnerbauern dachte er während der Fahrt nicht. Sein Wagen nahm seine gesamte Aufmerksamkeit in Anspruch. Irgendetwas stimmte damit nicht. Er konnte das Gaspedal ganz durchtreten, aber mehr als sechzig Stundenkilometer schaffte der Wagen nicht. Dann war da noch so ein sonderbares Brummen, das normalerweise nicht auftrat.

Ich muss den Wagen zum Mechaniker bringen, und zwar gleich heute, beschloss Hans-Joachim.

Um zum Lechnerbauern zu gelangen, musste er die asphaltierte Straße verlassen und ein paar Kilometer auf einem holperigen Weg fahren. Nachdem er die halbe Strecke zurückgelegt hatte, hielt er an und stieg aus, um den Rest des Weges zu Fuß zu gehen. Er fürchtete nämlich, dass das Auto auf der schlechten Straße völlig zusammenbrechen würde.

Als er die Autotür zuschlug, erinnerte er sich an Andreas Worte. Obwohl er ihre Furcht nicht teilte, hielt er es doch für besser, den Wagen zu versperren. Er schloss also ab und entfernte sich mit schnellen Schritten.

Hans-Joachim war kaum außer Sichtweite, als sich das Gestrüpp neben dem Weg teilte und zwei Gestalten herauskrochen.

»Na, so etwas«, sagte der eine der beiden Männer blinzelnd. »Träume ich, oder ist das wirklich wahr? Da stellt uns einer sein Auto direkt vor die Nase.«

»Das muss der Weihnachtsmann gewesen sein«, grinste der zweite.

»Komm, worauf wartest du noch? Wir wollen einsteigen und schleunigst von hier verschwinden. Die eine Nacht im Wald hat mir gereicht. Au, mein Knie! Daran ist der feuchte Boden schuld. Mein Rheuma meldet sich.«

»Schnell, beeile dich. Du wartest wohl darauf, dass sie uns schnappen, damit du dein Rheuma im Gefängnis auskurieren kannst?«

»Ich komme ja schon. O verflucht, der Wagen ist abgeschlossen. Es war doch nicht der Weihnachtsmann.«

Die beiden Männer rüttelten an den Türgriffen.

»Wir müssen den Wagen aufbrechen«, keuchte schließlich der jüngere der beiden.

»Womit? Wir haben kein Werkzeug. Alles, was wir besitzen, sind dreißigtausend Pfund und zwei­tausendvierhundertdreiundzwanzig Dollar.«

»Hör auf zu jammern. Wer war denn so hungrig und musste unbedingt Brot und Käse kaufen? Dein Appetit hat uns nicht nur unseren schönen Volvo, sondern auch ein ganzes Vermögen gekostet. Der Hauptteil unserer Beute lag im Wagen. Noch nicht einmal gezählt hatten wir das Geld.«

»Sei still! Horch! Es kommt jemand!«

Die beiden Männer standen ungefähr eine Minute still am Waldrand und lauschten. Doch es war nichts zu hören.

»Kein Mensch kommt. Du scheinst schon Gespenster zu hören«, brummte der jüngere der beiden Gangster.

»Aber nein, da war etwas.«

»Unsinn. Was soll da schon gewesen sein? Vielleicht war es eine Amsel oder ein Eichhörnchen.«

»Möglich. Trotzdem habe ich ein ungutes Gefühl. Irgendeine Vorahnung. Lass uns von hier verschwinden.«

»Nicht ohne den Wagen. So eine günstige Gelegenheit ergibt sich nicht wieder. Sobald wir ihn offen haben, sind wir im Nu fort von hier.«

»Ja, wenn!«

»Ach, halt den Mund. Du machst mich nur nervös. Überlege lieber, womit wir das Schloss aufbrechen könnten.«

Nach längerem Hin und Her förderte der eine Gangster eine Nagelfeile aus seinem Hosensack, und damit rückte man nun Hans-Joachims Autotür zu Leibe.

»Verdammt, ich rutsche immer wieder ab. Der Lack ist schon völlig zerkratzt.«

»Kratzer im Lack spielen in diesem Fall keine Rolle. Es ist ja nicht unser Auto. Beeile dich! Verflucht, bist du aber ungeschickt. Lass mich versuchen.«

Beleidigt trat der Ältere beiseite. »Was willst du, ich bin schließlich kein Autodieb«, murrte er.

»Nein, deine Spezialität sind Banküberfälle. Das habe ich zumindest geglaubt. Schön hereingefallen bin ich dabei. Für unser ganzes Leben werden wir ausgesorgt haben, hast du behauptet, und was ist jetzt? Hier stehen wir mit einem Haufen Pfund und Dollar in der ­Tasche, aber ohne eine einzigen Euro.«

»Schimpfe nicht! Wie konnte ich wissen, dass man uns erkennen würde?«

Der Jüngere beachtete den anderen nicht, sondern rief triumphierend aus: »Na endlich! Ich habe es geschafft. Du kannst einsteigen.«

»Und wie willst du den Wagen in Betrieb setzen?«

»Mit Hilfe deiner unschätzbaren Nagelfeile wird mir auch das gelingen. Wirf einmal einen Blick auf die Benzinuhr. Was sagst du dazu?«

»Nicht zu glauben, der Tank ist beinah voll. Wie weit kommen wir wohl damit?«

»Weit genug. Vielleicht reicht es bis Stuttgart. Das wäre ideal. Wir könnten dort ganz gemütlich in eine Bank spazieren – diesmal als ehrliche Bankkunden – und unser Geld umwechseln.«

»Glaubst du nicht, dass sie die Nummern notiert haben, Kurti?«

»Lass diese Unkerei! Nein, das glaube ich nicht. Und nenn mich nicht Kurti. Ich bin kein kleines Kind mehr.«

»Du hast sicher recht, Kurt …«, erwiderte der Ältere demütig. Dann schauderte er. »Trotzdem, nie mehr in meinem Leben betrete ich eine Bank.«

»Warum? Was ist plötzlich los mit dir? Spinnst du?«

»Ich muss dauernd daran denken, dass du geschossen hast und dass der Mann umgefallen ist. Hättest du das nur nicht getan.«

»Hast du auf einmal Gewissensbisse? Der Plan, die Bank zu überfallen, stammt doch von dir. Du hast mich überredet, mitzumachen.«

»Ja, aber ich habe nicht gedacht, dass du wirklich schießen würdest.«

»So? Was hast du denn gedacht? Ich kann dir nur versichern, wenn es darauf ankommt, tue ich es wieder.«

»Sag so etwas nicht …«

»Ach, packt dich die Reue? Das hättest du dir früher überlegen müssen. Jetzt ist es zu spät.«

»Versprich mir, dass du nie mehr auf jemanden schießen wirst.«

»Bist du verrückt? Ich bin froh, dass ich wenigstens noch meine Pistole habe.« Kurti zog die Waffe hervor. »Wer weiß, vielleicht brauche ich sie bald.«

»Nein. Steck sie weg. Du wirst nur Unheil damit anrichten.«

»Hör endlich auf mit deinem dämlichen Gequatsche. Du machst mich nur nervös. Ich muss sehen, wie ich den Wagen in Gang bringe.«

Es trat eine kurze Stille ein. Der Ältere wagte nichts mehr zu sagen, doch plötzlich packte er seinen Komplicen am Arm.

»Lass mich los!«, schrie Kurti und stieß ihn weg. »Beinahe hätte ich es jetzt geschafft. Du bist wirklich ein Idiot, Egon.«

»Sei still«, flüsterte Egon. »Hörst du nicht? Es kommt jemand.«

»Unsinn. Diesmal erschreckst du mich nicht.«

»Pst. So höre doch!«

Wirklich waren aus der Ferne Stimmen und Hundegebell zu vernehmen.

»Das ist die Polizei« keuchte Egon. »Wir müssen fort von hier.« Er öffnete die Autotür und wollte aussteigen.

Kurti riss ihn zurück. »Bleib hier! Zu Fuß kommst du nicht weit. Der verfluchte Wagen muss doch endlich anspringen.«

»Nein, lass mich los. Ich will hier heraus.«