Elternlos – und doch geliebt - Elisabeth Swoboda - E-Book

Elternlos – und doch geliebt E-Book

Elisabeth Swoboda

5,0

Beschreibung

Die Idee der sympathischen, lebensklugen Denise von Schoenecker sucht ihresgleichen. Sophienlust wurde gegründet, das Kinderheim der glücklichen Waisenkinder. Denise formt mit glücklicher Hand aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. »Morgen früh beginnt für mich wieder der Alltag«, seufzte Peter Schellmann. »Da heißt es, am Zeichentisch zu stehen und die Pläne meines Chefs auszuarbeiten.« »Ist dein Chef ein Ekel?«, erkundigte sich Peters siebenjähriger Bruder Ulrich neugierig. »Nein, Herr Zinner ist kein Ekel. Im Gegenteil, er ist ausgesprochen freundlich. Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich in Oswald Zinners Bauun­ternehmen untergekommen bin, obwohl …« »Obwohl – was?«, fragte Ulrich, als Peter stockte und nicht gesonnen schien weiterzusprechen. »Nichts«, entgegnete der junge Architekt einsilbig. Er fand, es hatte keinen Sinn, dem kleinen Bruder etwas vorzujammern. Während seines Studiums hatte er teils von kühnen Brückenkonstruktionen, die reißende Urwaldflüsse überspannten, geträumt, teils von atemberaubenden Prachtbauten, die weltweite Bewunderung und Anerkennung gefunden hatten. Natürlich hatte er schon damals gewusst, dass seine Chance, diese Träume zu verwirklichen, gering war, und war durchaus bereit gewesen, sich mit weniger anspruchsvollen Aufgaben zufriedenzugeben. Nur hätte er gern irgendeinen greifbaren Erfolg seiner Arbeiten gesehen. Oswald Zinners Bauvorhaben schienen jedoch über das Planungsstadium nicht hinauszukommen. Was will ich eigentlich?, fragte sich Peter. Die Firma war neu, erst vor kurzem gegründet.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 144

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
5,0 (2 Bewertungen)
2
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Sophienlust – 295 –

Elternlos – und doch geliebt

Was Ulrich mit seinem großen Bruder erlebte …

Elisabeth Swoboda

»Morgen früh beginnt für mich wieder der Alltag«, seufzte Peter Schellmann. »Da heißt es, am Zeichentisch zu stehen und die Pläne meines Chefs auszuarbeiten.«

»Ist dein Chef ein Ekel?«, erkundigte sich Peters siebenjähriger Bruder Ulrich neugierig.

»Nein, Herr Zinner ist kein Ekel. Im Gegenteil, er ist ausgesprochen freundlich. Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich in Oswald Zinners Bauun­ternehmen untergekommen bin, obwohl …«

»Obwohl – was?«, fragte Ulrich, als Peter stockte und nicht gesonnen schien weiterzusprechen.

»Nichts«, entgegnete der junge Architekt einsilbig. Er fand, es hatte keinen Sinn, dem kleinen Bruder etwas vorzujammern. Während seines Studiums hatte er teils von kühnen Brückenkonstruktionen, die reißende Urwaldflüsse überspannten, geträumt, teils von atemberaubenden Prachtbauten, die weltweite Bewunderung und Anerkennung gefunden hatten. Natürlich hatte er schon damals gewusst, dass seine Chance, diese Träume zu verwirklichen, gering war, und war durchaus bereit gewesen, sich mit weniger anspruchsvollen Aufgaben zufriedenzugeben. Nur hätte er gern irgendeinen greifbaren Erfolg seiner Arbeiten gesehen. Oswald Zinners Bauvorhaben schienen jedoch über das Planungsstadium nicht hinauszukommen.

Was will ich eigentlich?, fragte sich Peter.

Die Firma war neu, erst vor kurzem gegründet. Ich muss tatsächlich froh sein, in Maibach einen Arbeitsplatz gefunden zu haben, beschwichtigte er das Unbehagen, das ihn unterschwellig seit Wochen bedrückte.

»Herr Zinner hat in Maibach überraschend schnell Fuß gefasst«, setzte er seinen Gedankengang laut fort. »Er ist Mitglied beim Tennisclub, beim Faschingsverein und beim Pfarrausschuss. Er hat bei der Organisation des Flohmarktes zugunsten des Maibacher Altersheimes tatsächlich tatkräftig mitgeholfen … Entschuldigung, ich langweile dich, Uli«, unterbrach er sich, denn der Junge hatte herzhaft gegähnt.

»Ich bin müde«, murmelte Ulrich. »Gehen wir schlafen?«

»Ja, gleich. Ist dir alles klar? Wirst du morgen zurechtkommen?«

»Aber ja. Ich bin doch kein Baby mehr. Ich werde alles genau so machen, wie du es mir erklärt hast. Zu Mittag koche ich etwas aus der Tiefkühltruhe. Ich werde neben dem Herd stehen bleiben und aufpassen, dass nichts überkocht. Ich werde den heißen Topf nur mit einem Lappen anfassen und nicht vergessen, den Herd wieder abzuschalten. Ich werde nicht ins tiefe Wasser gehen … Äh, ich glaube, das ist alles.«

»Das Ruderboot«, erinnerte Peter.

»Ich werde es nicht benutzen«, versprach Ulrich.

»Schön. Dann kann nichts passieren. Das Schwimmen habe ich dir beigebracht, aber lass dich nicht dazu verleiten, zu weit vom Ufer wegzuschwimmen.«

»Bestimmt nicht. Mach dir keine Sorgen. In Maibach bin ich ja auch den ganzen Tag über allein, seit Mama und Papa …, seit Mama und Papa im Himmel sind.« Die blauen Augen des Buben füllten sich mit Tränen, die er jedoch rasch wegwischte.

Peter fühlte sich angesichts des Kummers seines kleinen Bruders hilflos. Auch er litt unter dem Verlust der Eltern, die vor einigen Monaten bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren, aber als erwachsener Mann von fünfundzwanzig Jahren schluckte er den Schmerz tapfer hinunter.

In dem Bestreben, es dem großen Bruder gleichzutun, war nun auch Ulrich bemüht, sich die Trauer nicht anmerken zu lassen. »Ich bin kein Baby mehr«, wiederholte er. »Ich werde allein fertig.«

»Hm«, brummte Peter und versagte es sich, Ulrich daran zu erinnern, dass in Maibach eine freundliche Nachbarin ab und zu nach ihm gesehen und ihm das Mittagessen fertig zubereitet gebracht hatte.

»Vielleicht wäre es klüger, wir würden zurück nach Maibach gehen und das Blockhaus nur am Wochenende bewohnen«, überlegte Peter halblaut, aber Ulrich protestierte entschieden und versicherte nochmals, dass er allein zurechtkommen würde.

Peter brachte seinen Bruder also zu Bett. Danach setzte er sich auf die kleine offene Veranda und blickte auf den still daliegenden Waldsee hinaus. Hauptsächlich Ulrich zuliebe hatte er das Blockhaus am Ufer des Wildmooser Waldsees gemietet. Wildmoos lag nicht allzuweit von Maibach entfernt. Die tägliche Fahrt zur Kreisstadt und zu seinem Arbeitsplatz war daher leicht zu bewältigen. Die vierzehn Tage Urlaub, die er noch gehabt hatte, hatte er gleich zu Beginn der Schulferien genommen und sie, so gut es gegangen war, gemeinsam mit Ulrich genossen. Im Hintergrund hatten allerdings ständige Schatten gelauert. Beide hatten sie die Eltern vermisst, es aber nicht gewagt, dieses Thema zu berühren, um den anderen nicht zu verletzen.

Peter hatte es so eingerichtet, dass die Tage für sie beide ausgefüllt gewesen waren, und er hatte einen Erfolg verbuchen können. In den Monaten davor hatte Ulrich ständig gekränkelt. Zwar hatte der Arzt keine ernsthafte Erkrankung feststellen können, aber trotzdem war Peter beunruhigt gewesen. Gewiss waren die nervösen Magenbeschwerden, unter denen Ulrich gelitten hatte, eine Folge des Schocks gewesen. Im Verlauf der letzten vierzehn Tage waren sie verschwunden. Außerdem hatte sich auch Ulrichs Verhalten geändert. Er war jetzt weniger still und gedrückt als in den Monaten zuvor, er schien wieder Freude am Leben zu finden. Der Schnelllehrgang im Schwimmen, dem Peter ihn unerbittlich unterzogen hatte, hatte ihm Spaß gemacht. Er war stolz auf seine neue Fertigkeit.

Leider waren die zwei Wochen Urlaub viel zu schnell vergangen. Ab morgen würde Ulrich tagsüber wieder sich selbst überlassen sein. Peter hatte ihm Verhaltensmaßregeln eingeschärft, doch wohl war ihm dabei nicht. Aber was sollte er tun? Er konnte sich nicht ständig dem Kind widmen. Er musste seiner Arbeit nachgehen. Einerseits wäre sein Bruder in der Wohnung in Maibach besser aufgehoben gewesen, andererseits hatte er die gute Luft am Waldsee bitter nötig.

Maibach war zwar eine Kleinstadt, aber unglücklicherweise befand sich die Wohnung der Schellmanns mitten im Zentrum, an einer verkehrsreichen Hauptstraße. Peter hatte gehofft, dass sich sein Bruder in der waldreichen Umgebung von Wildmoos erholen würde, und diese Hoffnung hatte sich auch erfüllt. Eine zweite Hoffnung war jedoch unerfüllt geblieben. Ulrich hatte keinen Anschluss an andere Kinder gefunden. Das Ferienhäuschen nebenan bewohnte ein junges Paar, das ausschließlich mit sich selbst beschäftigt war. Dann kamen einige Blockhäuser, in denen es wohl Kinder gab, die aber alle wesentlich älter als Ulrich waren. Außerdem hatte sich eine Familie mit einem Baby und einem zweijährigen Kleinkind in der Nähe eingemietet, aber natürlich kamen auch diese Kinder als Spielgefährten für Ulrich nicht infrage.

Kichern und zärtliches Geflüster auf der Nachbarveranda riss Peter aus seinen Überlegungen. Er seufzte, wobei ein gewisser Neid in ihm aufstieg. Noch vor einem Jahr hatte auch er ein unbeschwertes und sorgenfreies Leben geführt. Er war verliebt gewesen, hatte eine Freundin gehabt, von der er angenommen hatte, dass er ihr restlos vertrauen konnte. Doch er hatte sich geirrt. Als er nach dem Tod der Eltern seine kühnen Träume aufgegeben und die Stelle in Maibach angenommen hatte, um bei Ulrich bleiben zu können, hatte Astrid erklärt, dass sie nicht im Traum daran denke, sich in einer Kleinstadt zu vergraben. Außerdem würde sie unter keinen Umständen einen Mann heiraten, der ein Anhängsel in Gestalt eines minderjährigen Bruders in die Ehe mitbringe.

Peter hatte diese Enttäuschung verhältnismäßig schnell überwunden. Jetzt regte sich in ihm jedoch die Frage, ob alle Mädchen so wie Astrid reagierten und ob die verliebte junge Frau von nebenan ihren Gefährten bei ungünstiger Entwicklung ebenso rasch im Stich gelassen würde, wie Astrid es getan hatte.

Mit einer leichten Grimasse erhob sich Peter aus seinem bequemen Liegestuhl und ging leise ins Schlafzimmer hinüber. Tiefe regelmäßige Atemzüge zeigten ihm an, dass Ulrich fest schlief. Im gedämpften Schein der Nachttischlampe wirkten seine kindlich runden Wangen rosig angehaucht, dass hellblonde Haar schimmerte silbern.

Gerührt betrachtete der junge Mann seinen kleinen Bruder, der ihm äußerlich recht wenig ähnelte. Aber plötzlich musste Peter daran denken, dass seine Mutter ihm erzählt hatte, dass auch er als kleiner Junge blond gewesen war. Nun, vielleicht würden Ulrichs Haare auch so dunkelbraun werden wie seine eigenen, die blauen Augen würde er jedoch behalten. Die hatte er von der Großmutter geerbt, während Peter seine dunkelbraunen, beinahe schwarzen Augen vom Vater mitbekommen hatte. Die grauen Augen der Mutter würden möglicherweise in der nächsten Generation auftauchen, falls es je dazu kommen würde. Aber vielleicht würde Ulrich mehr Glück bei den Mädchen haben als er, Peter!

Lautlos, um den Kleinen nicht zu wecken, zog Peter sich aus und schlüpfte ins Bett. Trotz seiner Sorgen war er bald darauf eingeschlafen, ohne dass ihn beunruhigende Träume quälten.

*

Peter Schellmann hätte nicht so ruhig geschlafen, hätte er gewusst, was sich zur gleichen Zeit einige Kilometer weiter weg, in Oswald Zinners luxuriösem Appartement in Maibach, abspielte.

Oswald Zinner lehnte behäbig und entspannt in einem wahren Ungetüm von Fauteuil. In der linken Hand hielt er ein halbvolles Whiskyglas, den rechten Arm hatte er um die Taille seiner Freundin Blanka Beer gelegt, die graziös auf der Seitenlehne balancierte und ihre langen schlanken Beine den bewundernden Blicken des Mannes darbot.

»Du bist tatsächlich eine Schönheit«, stellte Oswald Zinner anerkennend fest.

Das Mädchen horchte auf. Im Kompliment des Mannes hatte ein merkwürdiger Unterton mitgeschwungen, der sie irritierte. »Es freut mich, dass ich dir gefalle«, sagte sie und warf den Kopf zurück, sodass ihre lange rotblonde Haarmähne auffunkelnd in Schwung geriet.

Oswald Zinner lachte. »Du brauchst mich auf deine Vorzüge nicht extra aufmerksam machen«, bemerkte er. »Ich kenne sie. Dein Haar ist prachtvoll, deine Figur untadelig, und ansonsten verstehst du es, dich gekonnt zurechtzumachen.«

Blanka sprang beleidigt auf. Ihr Freund hatte einen wunden Punkt getroffen. Sie wusste genau, dass ihr Gesicht ohne die nachhelfenden Produkte der Kosmetikindustrie nichtssagend war. Wie viele Rothaarige besaß sie einen blassen Teint, der in der Sonne nicht bräunte, sondern zu Sommersprossen neigte. Zusammen mit den blaugrauen Augen, den hellen Wimpern und der breiten Stupsnase hätten diese Sommersprossen die Verkörperung natürlicher Frische darstellen können, aber darauf legte Blanka keinen Wert. Sie trachtete nach mondäner Vollkommenheit und nahm dafür Schälkuren, künstliche Bräunungsmittel und langwierige Schminkprozeduren in Kauf.

»Nun sei nicht gleich eingeschnappt!«, rief Oswald Zinner. »Meine Bemerkung war nicht als Tadel, sondern als Lob gemeint. Ich weiß es zu schätzen, dass du imstande bist, etwas aus dir zu machen. Wie, das ist mir gleichgültig. Hauptsache, das Ergebnis wirkt. Und auf mich wirkt es. Das kann ich dir versichern.«

»Warum redest du dann so viel herum?«

»Diese Frage ist berechtigt«, meinte Oswald Zinner mit dröhnendem Gelächter. Er wurde jedoch schnell wieder ernst und fügte abwehrend hinzu: »Nein, mein Häschen, heute ist mir nicht nach Zärtlichkeiten zumute. Ich habe Sorgen.«

»Sorgen? Du? Das glaube ich dir nicht. Du siehst ganz und gar nicht vergrämt aus. Was solltest du denn für Sorgen haben? Du strotzt geradezu vor Gesundheit, bist reich, deine Firma blüht …«

»So? Blüht sie? Was veranlasst dich zu dieser irrigen Meinung?«, warf der Mann so ruhig und lässig ein, dass Blanka einen Augenblick lang glaubte, sich verhört zu haben.

»Irrig? Aber ich dachte … Du hattest doch so viele gute Beziehungen angeknüpft. Und der Grund, den du so günstig erworben, in Parzellen aufgeteilt und wieder abgestoßen hast? Dieses Geschäft hat dir Gewinn gebracht, ohne dass du dich anstrengen musstest.«

»Bei all den anderen Ausgaben, die ich hatte, war dieser Gewinn der berühmt-berüchtigte Tropfen auf den heißen Stein. Nein, mein liebes Schnuckelhäschen, ich stehe vor dem Ruin, wenn nicht bald etwas geschieht.«

»Und das sagst du so gelassen«, wunderte sich Blanka, die ihrerseits in beträchtliche Aufregung geraten war. Mit ihren fünfundzwanzig Jahren konnte sie bereits auf eine Reihe von Freunden zurückblicken, von denen jedoch keiner so großzügig gewesen war wie Oswald Zinner. Obwohl der Bauunternehmer mindestens doppelt so alt war wie sie, hatte sie im Stillen den Entschluss gefasst, ihm eine Heirat schmackhaft zu machen. Nicht allein seine Großzügigkeit hatte den Anstoß zu diesem Plan gegeben, auch seine Lebensweise gefiel ihr. Er ging viel aus, war immer dort zu finden, wo gerade etwas los war, und hatte es geschafft, sich innerhalb kurzer Zeit beim einflussreichen Teil der Maibacher Bevölkerung beliebt, ja, beinahe unentbehrlich zu machen. Er sah gut aus, ohne jedoch wie ein alternder Playboy zu wirken. Im Gegenteil, er sah genau nach dem aus, wofür er sich ausgab – für einen erfolgreichen, soliden Geschäftsmann.

Es überstieg Blankas Begriffsvermögen, dass Oswald Zinner plötzlich von Ruin sprach. »Du …, du hattest doch Vermögen!«, machte sie geltend.

»Sehr richtig. Ich hatte«, betonte er mit spöttischer Ironie, so dass Blanka eine Gänsehaut über den Rücken lief.

Vorwurfsvoll sagte sie: »Ich glaube, du willst mir nur einen Schrecken einjagen! Das ist doch lächerlich! Du kannst gar nicht vor dem Ruin stehen. Ich weiß, du besitzt ein Schloss mit einem Riesenpark, und dieser Besitz ist unbelastet und hypothekenfrei. Das hast du selbst zu mir gesagt und hinzugefügt, dass dieser Park das Geschäft deines Lebens wird …«

»Halte den Mund!«, herrschte Oswald Zinner das Mädchen an. Seine für gewöhnlich freundlich-jovialen Züge waren vor Wut entstellt.

Blanka, die ihren Freund noch nie in einem derartigen Zustand erlebt hatte, kroch unwillkürlich ein wenig in sich zusammen. Doch der Bauunternehmer gewann sofort die Beherrschung zurück und sagte ruhig: »Entschuldige, mein Häschen, ich wollte dich nicht erschrecken. Aber leider ist der Park mit dem alten Schloß nicht das Geschäft meines Lebens, sondern die Ursache meiner katastrophalen Lage.«

»A-aber … hattest du das Ganze nicht billig erworben?«

»Für einen Spottpreis, der weit unter dem Wert lag, den der Besitz repräsentiert. Trotzdem überstieg er meine Mittel. Du hast ja keine Ahnung, wie sich meine Ausgaben summierten. Der aufwendige Lebensstil, die Gehälter der Angestellten, dein Unterhalt, der mich auch nicht gerade billig zu stehen kommt …«

»Oswald!«

»Ich mache dir deswegen keine Vorwürfe«, fuhr er gelassen fort. »Ich habe nichts dagegen, dein Bedürfnis nach Luxus befriedigen zu müssen, aber ich erwarte deine Unterstützung, sobald ich sie brauche.«

»Meine Unterstützung? Was meinst du damit?«

»Das erkläre ich dir gleich. Übrigens, meine Stieftochter wird mich besuchen. Zu ihr kein Wort über meine Lage, verstanden?«

»Ja«, erwiderte Blanka zögernd.

»Hast du etwas an diesem Wunsch auszusetzen?«

Blanka entging der drohende Unterton, der in dieser Frage mitschwang. Sie platzte heraus: »Mir wirfst du die Kosten, die ich verursache vor, während es für dich selbstverständlich zu sein scheint, deine Stieftochter zu unterstützen. Du kommst auch für ihren Unterhalt auf, und dabei hat sie dir nichts zu bieten, oder?«

»Bist du auf Glenna eifersüchtig?« Oswald Zinner lachte wieder sein dröhnendes Lachen, das so sorglos und vertrauenerweckend klang. »Dazu hast du keinen Grund. Glenna bedeutet mir nichts – nur eine lästige Verpflichtung.«

»Warum legst du ihr dann nicht nahe, ihr Studium abzubrechen, und sich ihren Lebensunterhalt gefälligst selbst zu verdienen? Sie kann nicht von dir erwarten, dass du für ihre Bedürfnisse aufkommst, wenn du in einer Zwangslage steckst.«

»Jetzt hör mir einmal gut zu: Ich will nicht, dass irgendjemand von meiner Zwangslage erfährt. Auch Glenna nicht. Sonst fallen die Dummköpfe, die mir Anzahlungen auf die Reihenhäuser geleistet haben, wie die Wölfe über mich her. Was Glenna betrifft, so lege ich Wert darauf, dass sie mich weiterhin für ihren wohlmeinenden, gutmütigen Stiefvater hält. Wer weiß, wozu mir das Mädchen noch nützlich sein kann. Ihre Mutter war strohdumm. Mit ihr hatte ich ein leichtes Spiel.«

»Inwiefern?«, fragte Blanka neugierig.

»Es geht dich zwar nichts an, aber ich will kein Geheimnis daraus machen. Nicht dir gegenüber. Meine Frau war reich. Ihre Eltern und ihr erster Mann, Glennas Vater, hatten ihr eine Menge hinterlassen. Margaret hat vor ihrem Tod alles mir überschrieben, so dass ihre Tochter leer ausging.«

»Und das Mädchen – diese Glenna – hat das so einfach hingenommen?«

»Sie war damals noch ein Kind. Außerdem – was hätte sie machen sollen? Im Übrigen dürfte sie ebenso dumm sein, wie ihre Mutter. Ich bin überzeugt, sie hat bis heute noch nicht gemerkt, dass sie übervorteilt wurde. Sie würde mir sonst keine töchterlich-zärtlichen Briefe schreiben und mich in den Ferien besuchen«, meinte er selbstgefällig.

»Und was wurde aus dem Reichtum deiner Frau?«, kam Blanka wiederum auf den Punkt zurück, der sie in erster Linie interessierte.

Mit einem Anflug von Ungeduld zuckte Oswald Zinner die Schultern. »Ich habe verschiedene Investitionen getätigt«, erwiderte er ausweichend. »Leider hatte ich Pech damit. Von Margarets Geld ist mir gerade so viel geblieben, dass ich mich in Maibach niederlassen und die Firma gründen konnte.« Einen Moment lang drückte seine Miene Niedergeschlagenheit und Resignation aus, aber er riss sich zusammen. »Mit deiner Hilfe werde ich alles wieder ins rechte Lot bringen«, sagte er mit fester Entschlossenheit.

»Mit meiner Hilfe?«, wiederholte Blanka fragend.

»Ja. Du kennst Peter Schellmann. Ich hatte ihn dir unlängst vorgestellt. Er ist ein fähiger junger Architekt, aber darum geht es mir im Augenblick nicht so sehr. Viel wichtiger ist mir, dass er ein Grundstück besitzt, das ich unbedingt brauche.«

»Aha. Und du willst, dass ich ihn dazu überrede, es dir zu verkaufen«, meinte Blanka und bewies damit, dass sie nicht schwer von Begriff war.

»Nicht unbedingt verkaufen«, schränkte Oswald Zinner ein. »Ich würde ihm als Austausch für das Grundstück die Partnerschaft in meiner Firma anbieten.«

»Na, das wäre ja ein Supergeschäft für den jungen Mann!«, rief Blanka spöttisch.

Oswald Zinner stimmte in ihr Lachen ein, meinte dann jedoch: »Wenn alles glattgeht, wäre es das wirklich. Dieses Grundstück würde nämlich die Firma retten und uns beide zu reichen Leuten machen.«

»Ausgerechnet ein Grundstück, das im Besitz dieses jungen Architekten ist? Wieso ist gerade dieses Grundstück für dich so wichtig?«

»Weil es in unmittelbarer Nähe meines Parks liegt. Zwar nicht mehr innerhalb der Stadtgrenze von Maibach, sondern außerhalb, aber dafür könnte man ja den zukünftigen Reihenhausbesitzern einen Preisnachlass anbieten. Und ihnen gleichzeitig die ländliche Ruhe und Stille schmackhaft machen.«

»Ich verstehe überhaupt nichts mehr«, stöhnte Blanka in koketter Verzweiflung. »Ist dir dein Park für die Reihenhaussiedlung nicht groß genug? Bist du unersättlich?«