Unser Inselparadies - Robyn Donald - E-Book

Unser Inselparadies E-Book

ROBYN DONALD

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Beschreibung

Auf der Insel Fala‘isi erlebt Fenella die schönsten Weihnachtstage ihres Lebens. Dominic zeigt ihr, wie aufregend die Liebe sein kann - Fenella träumt schon von einer gemeinsamen Zukunft, bis sie von Dominics Mutter erfährt, dass er bereits gebunden ist. Sagt sie die Wahrheit?

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Seitenzahl: 205

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IMPRESSUM

Unser Inselparadies erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Ralf MarkmeierRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 1991 by Robyn Donald Originaltitel: „Storm over Paradise“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANABand 959 - 1993 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Dr. Barbara Slawig

Umschlagsmotive: GettyImages_maximkabb

Veröffentlicht im ePub Format in 07/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733758424

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Stirnrunzelnd hörte Fenella Gardner sich an, was ihr Halbbruder, der sich gerade im Stimmbruch befand, auf den Anrufbeantworter gesprochen hatte.

„Jedenfalls dachte ich, ich ruf dich besser an und frag’, was du davon hältst. Ich möchte ihn nicht kennenlernen, und wenn er zehn Mal mein Großvater ist. Bisher hat er immer so getan, als wäre ich gar nicht vorhanden. Wieso ändert er jetzt plötzlich seine Meinung? Bitte ruf mich so bald wie möglich hier in der Schule an, Fenella.“

Fenella sah vor sich hin und wickelte gedankenverloren eine Strähne ihres glatten, dichten schwarzen Haars um den Zeigefinger. Erst nach mehreren Sekunden wurde ihr bewusst, dass das Gerät längst eine Nachricht von ihrer Freundin und Geschäftspartnerin Anne Tubman abspielte.

„… deshalb habe ich ihr versprochen, dass das Bild bis nächsten Mittwoch fertig gemalt und gerahmt sein wird. Am Donnerstag fliegt sie nämlich nach England zurück. Tut mir leid, Fenella, das setzt dich natürlich unter Druck, aber die Bezahlung ist sehr gut. Glaubst du, dass du es schaffen wirst?“

Fenella schimpfte leise, spulte das Band zurück und hörte sich die Nachricht noch einmal von vorn an. Offenbar hatte Anne einer Kundin eine kolorierte Zeichnung ihres Geburtshauses versprochen, und Fenella hatte weniger als fünf Tage Zeit, das Bild anzufertigen. Sie würde also wieder einmal das Wochenende durcharbeiten müssen. Normalerweise brauchte sie nur einen Tag für eine Zeichnung, doch sie musste bis Mittwoch noch mehrere andere Aufträge erledigen.

Fenella seufzte ergeben und sah aus dem Fenster. Es war ein strahlend schöner Frühlingstag, ein Vorbote des warmen neuseeländischen Sommers, und über Auckland wölbte sich wolkenloser blauer Himmel. „Wenigstens haben wir schönes Wetter“, sagte Fenella laut zu sich. „Die Zeit ist allerdings wirklich knapp. Hoffentlich ist das Haus nicht eins von diesen alten Gemäuern mit Rosenspalieren und Verandageländern aus geschnitztem Holz!“

Anne war wirklich zu sanftmütig. Immer wieder ließ sie sich von den Kunden erweichen und versprach ihnen, das Unmögliche möglich zu machen. Aber bevor Fenella sie anrief und sich beschwerte, musste sie mit ihrem Bruder sprechen. Er war vierzehn Jahre alt und lebte in einem Internat.

Glücklicherweise kam Mark sofort ans Telefon. „Wo warst du denn?“, fragte er vorwurfsvoll.

„Zeichnen“, erwiderte sie kurz angebunden. Damit verdiente sie sich schließlich den Lebensunterhalt. „Erzähl mir genau, was James Maxwell geschrieben hat.“

„Der Brief war an den Schuldirektor gerichtet, deshalb weiß ich nur ungefähr, was darin steht. Jedenfalls soll ich mich am siebzehnten November auf dem Flughafen einfinden – mit gültigem Pass – und zu meinem Großvater nach Fala’isi fliegen.“ Fala’isi war eine Insel in der Südsee, auf der die Maxwells ein Haus besaßen. „Dort soll ich die Weihnachtsferien verbringen.“ Bei den letzten Worten schlug Marks Stimme um. Trotzdem fuhr er entschlossen fort. „Er erteilt Befehle wie ein General.“

„Dein Großvater ist nicht gerade für seinen Takt und seine Liebenswürdigkeit bekannt“, erwiderte Fenella trocken. „Was willst du tun?“

Marks kurzes Zögern verriet ihr genug. „Ich möchte schon hinfahren“, gab er verlegen zu. „Als ich dich angerufen habe, war ich noch wütend – ich lasse mich genauso ungern herumkommandieren wie du. Inzwischen habe ich darüber nachgedacht, und … Ich habe schon immer wissen wollen, wie die Verwandten meines Vaters sind.“

Das konnte Fenella gut nachvollziehen. Sie selbst wusste überhaupt nichts über die Familie ihres Vaters. „Dann solltest du die Einladung auch annehmen.“ Sie versuchte, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Bisher hatte Mark Weihnachten immer mit ihr verbracht.

„Nur, wenn du mitkommst“, erklärte er bestimmt.

Vor Schreck fand sie nicht gleich eine Antwort. „Das ist lieb von dir, Mark“, sagte Fenella dann schnell, „aber ich bin nicht mit den Maxwells verwandt. Sie würden mich bestimmt nicht gern bei sich sehen.“

„Ohne dich fahre ich nicht.“ Das klang, als wäre er fest entschlossen.

„Du kannst den Maxwells doch nicht einfach mitteilen, dass du deine Halbschwester mitbringst!“, wandte sie beunruhigt ein. „Ich kann deren Gastfreundschaft nicht so mir nichts dir nichts in Anspruch nehmen.“

„Du bist nicht einfach nur meine Schwester. In den letzten sieben Jahren warst du immer für mich da, und ich denke nicht daran, dich über Weihnachten allein zu lassen. Mach dir keine Gedanken, Fenella. Mein Großvater kann mich ein andermal kennenlernen. Ich fahre zu dir, und wir feiern Weihnachten in deiner Wohnung, genau wie immer.“

„Mark …“

„Fenella …“ Er traf ihren geduldigen Tonfall so genau, dass sie lachen musste.

„Also gut“, gab sie nach, obwohl ihr noch immer unbehaglich zumute war. „Wenn du es wirklich so willst …“

Eins musste sie ihm allerdings noch zu bedenken geben. „Es ist gut möglich, dass du dir damit alles verdirbst, Liebling. Dein Großvater soll kein sehr geduldiger Mann sein, und wenn du ihm jetzt nicht aufs Wort gehorchst, will er vielleicht nie mehr etwas von dir wissen.“

„Na, dann bin ich ihn wenigstens los“, entgegnete Mark unbeeindruckt. „Ich weiß, er bezahlt für das Internat, und er hat geradezu unanständig viel Geld, aber er ist trotzdem ein altes Ekel. Jedenfalls benimmt er sich so. Was kann ich dafür, dass mein Vater und meine Mutter nicht rechtsgültig verheiratet waren? Soll James Maxwell mir doch den Unterhalt streichen! Ich werde es auch aus eigener Kraft zu etwas bringen, genau wie du.“

Natürlich wirst du das! Dachte Fenella stolz, nachdem sie aufgelegt hatte. Mark würde bestimmt Erfolg im Leben haben, denn er war klug und willensstark. Und trotzdem hatte er Herz. Und genau das mochte Fenella an ihm so sehr. Er war ganz anders als sein Halbbruder.

Während der Vorbereitung fürs Abendessen musste Fenella immer wieder an diesen Halbbruder denken. Dominic Maxwell war der ältere Sohn von Marks Vater. Sein einziger ehelicher Sohn.

Das hatte Dominic Maxwell besonders betont, als er Fenella und ihre Mutter in Auckland besucht und ihnen mitgeteilt hatte, dass der Mann, den Fenellas Mutter acht Jahre lang für ihren Ehemann gehalten hatte, längst mit einer Frau in Australien verheiratet sei.

Obwohl seitdem sieben Jahre vergangen waren, erinnerte Fenella sich noch gut an die Begegnung mit Dominic.

Er sieht aus wie ein Gladiator, hatte sie sofort gedacht, romantisch wie alle Sechzehnjährigen, und ihr Herz hatte heftig zu klopfen begonnen. Dominic hatte dunkelbraunes Haar und sonnengebräunte Haut. Er war weit über ein Meter achtzig groß und breitschultrig, hatte lange Beine und kräftige Haare. Er würde jedes Zimmer beherrschen, das er betrat: ein wahrhaft Furcht einflößender Mann mit der grausamen Schönheit eines Kriegers.

Trotz seiner Größe bewegte er sich geschmeidig wie ein Raubtier, und Fenella spürte, dass sich unter dem eleganten Geschäftsanzug ein schlanker, kraftvoller Körper verbarg. Dominic musste sich etwas bücken, als er den gepflegten Vorstadtbungalow betrat. Dieser Bungalow war Fenellas Zuhause, hier verbrachte sie die Schulferien, seit ihre Mutter wieder geheiratet hatte.

Bei Dominics Besuch war Simon Maxwell gerade auf einer der ausgedehnten Geschäftsreisen, die er drei- bis vier Mal im Jahr für seine Firma unternahm. Nur dass er in Wirklichkeit aus einem ganz anderen Grund verreiste, wie sie jetzt erfuhren: um seine Familie in Australien zu besuchen. Dort, in einer großen Villa am Rand von Sydney, nicht weit vom Meer, lebten sein Sohn, sein Vater und seine alternde, kranke Frau.

Dominic Maxwell war dieser Sohn, das einzige Kind aus Simon Maxwells erster Ehe.

Der einzig rechtsgültigen Ehe, erklärte Dominic mit seiner tiefen, schönen, kalten Stimme. Nach einem kurzen, aber merkwürdig durchdringenden Blick auf Fenella wandte er sich ausschließlich an ihre Mutter und betrachtete aus eisgrünen Augen ihr verschlossen wirkendes Gesicht.

Simon Maxwell hatte Bigamie begangen. Acht Jahre lang hatte er so geschickt ein Doppelleben geführt, dass seine Familie ihm erst jetzt auf die Schliche gekommen war. Für den Fall, dass seine unrechtmäßige Frau es nicht glauben sollte, hatte Dominic unwiderlegbare Beweise mitgebracht.

Er ersparte ihr nichts. In allen Einzelheiten erklärte er ihr, wie Simon Maxwell sie betrogen hatte, fast als hätte er Spaß daran. Doch selbst das hätte Fenella ihm vielleicht noch verziehen, wenn er seinen Abscheu und Ekel nicht so offen gezeigt hätte. Als Fenellas Mutter zu weinen begann, verzog er verächtlich den harten, wohlgeformten Mund.

„Es tut mir leid, Madame“, sagte er kalt, „aber Sie müssen doch gewusst haben, dass es früher oder später so kommen würde. Er wird nicht zu Ihnen zurückkehren. Mein Großvater hat ihm nur unter der Bedingung verziehen, dass er Sie nie wieder besucht. Seine Erbschaft setzt Simon bestimmt nicht für Sie aufs Spiel, auch wenn das Leben hier in Ihrem Liebesnest für ihn noch so schön war.“

Fenellas Mutter schluchzte auf, doch Dominic fuhr ungerührt fort. „Wir bestreiten nicht, dass Ihr Sohn gewisse Ansprüche an meinen Vater hat. Deshalb wird mein Großvater für seinen Unterhalt und seine Ausbildung aufkommen. Das ist jedoch alles. Sie selbst haben schon genug Geld von den Maxwells bekommen. Geld, auf das Sie keinerlei Anspruch hatten, denn es gehörte meiner Mutter.“ Verächtlich blickte er auf Fenellas Mutter herab, die den Kopf gesenkt hielt. „Wussten Sie nicht, dass mein Vater kein eigenes Vermögen besitzt? Diesmal warten keine hohen Unterhaltszahlungen auf Sie, Madame.“

Seine Worte und noch mehr der grausame Tonfall, in dem er sprach, machten Fenella so wütend, dass sie ihre Mutter erwartungsvoll ansah. Sie würde sich doch bestimmt nicht so beleidigen lassen? Doch Fenellas Mutter sah nur entsetzt auf und weinte weiter. Ihr sanftes, bezauberndes Gesicht war selbst unter Tränen noch schön.

Den Ausdruck in Dominics faszinierenden hellgrünen Augen sollte Fenella nie vergessen. Ohne ein weiteres Wort drehte Dominic sich um und ging.

Drei Monate später kam er wieder – nachdem Fenellas Mutter die Schlaftabletten genommen hatte, die sie sich heimlich zusammengespart hatte. Diesmal galt seine Verachtung Fenella.

Trotzig erwiderte sie seinen Blick. Sie hasste ihn und seine ganze Familie. Ihr kleiner Bruder klammerte sich verwirrt an ihre Hand, und in ihrem Kopf hallten die Worte wider, die ihre Mutter in ihrem Abschiedsbrief geschrieben hatte: „Ich kann nicht mehr. Bitte verzeih mir, Fenella. Und sorge für Mark.“

„Er muss ins Internat“, erklärte Dominic ungeduldig.

Marks Lippen begannen zu zittern, und er packte Fenellas schlanke Hand noch fester.

„Dazu ist er zu jung“, erwiderte Fenella hitzig, obwohl sie selbst seit der unrechtmäßigen Hochzeit ihrer Mutter in einem Mädcheninternat untergebracht war. „Ich höre mit der Schule auf und kümmere mich selbst um ihn.“

Dominic hob die Augenbrauen und betrachtete sie von Kopf bis Fuß. „Wie alt sind Sie?“

„Sechzehn, aber …“

„Dann haben Sie genug mit sich zu tun. Er würde Sie nur belasten.“

Sie biss sich auf die Lippe, ließ es aber sofort sein, als sie merkte, dass er nachdenklich ihren Mund betrachtete.

„Mit sieben ist man alt genug fürs Internat“, fuhr Dominic kühl fort. „Als ich hingeschickt wurde, war ich auch nicht älter. Ich werde alles organisieren.“

„Lauf in die Küche, Mark“, befahl Fenella sanft, „nimm dir etwas zu trinken und einen Keks.“ Sie wartete, bis er verschwunden war. „Es ist nicht Marks Schuld, dass Ihr Vater meine Mutter geheiratet hat, ohne sich erst scheiden zu lassen. Wieso wollen Sie ihn dafür bestrafen? Ihnen mag es im Internat gefallen haben, aber für mich war es schrecklich, als ich von zu Hause weg musste. Mark ist noch so klein und an Geborgenheit gewöhnt. Meine Mutter hat ihn angebetet …“

„Wieso hat sie sich dann umgebracht, statt für ihn zu sorgen, bis er erwachsen ist?“, unterbrach Dominic Fenella gefühllos.

Die Worte trafen diese so, dass sie ihn nur stumm ansehen konnte, während ihre Augen sich mit Tränen füllten. Sie schluckte und suchte in ihren Taschen nach einem Taschentuch. Vergeblich, sie hatte es Mark gegeben, als er plötzlich in Tränen ausgebrochen war. Schließlich wischte sie sich mit dem Handrücken über die Wangen.

Dominic hielt ihr ein weißes Taschentuch hin. Widerstrebend nahm sie es an. „Mit sentimentalem Geschwätz ist weder Ihnen noch Mark geholfen“, meinte er etwas weniger feindselig, nachdem sie sich die Nase geputzt hatte. „Eure Mutter hat euch in eine unmögliche Lage gebracht. Sie können nicht für Mark sorgen. Selbst wenn Sie dazu fähig wären, würde das Jugendamt dem nie zustimmen. Ich habe schon mit dem zuständigen Sachbearbeiter gesprochen. Er ist einverstanden, dass wir Mark aufs Internat schicken. Es ist die einzige Lösung. Das Leben dort wird Mark sehr gut bekommen, vor allem, wenn seine Mutter ihn wirklich so verwöhnt hat.“

Fenella errötete vor Zorn und richtete sich stolz auf. „Ich hasse Sie.“

Dominic zuckte die Schultern. „Das wird mir kaum den Schlaf rauben. Was kümmern mich die Gefühle eines verzogenen Teenagers?“

Das war zu viel. Innerhalb von wenigen Wochen hatte Fenella zwei Tragödien durchgemacht. Ihre Mutter war tot, ihr Stiefvater ein Betrüger, all ihre Zukunftsträume lagen in Scherben, und dieser arrogante Fremde amüsierte sich noch über sie. Fenella holte aus und schlug zu.

Für einen so großen Mann bewegte er sich erstaunlich schnell. Trotzdem konnte er den Schlag nicht ganz abwehren. Sie traf ihn mit der flachen Hand auf die Wange.

Doch ebenso gut hätte sie einen Felsblock schlagen können. Entsetzt riss sie die schmerzende Hand zurück und beobachtete, wie Dominics Wange erst weiß wurde und dann dunkelrot. Zögernd hob Fenella den Blick. Der Ausdruck in Dominics Augen erschreckte sie so sehr, dass sie unwillkürlich einen Schritt zurückwich.

Blitzschnell packte Dominic sie am Handgelenk. „Du kleines Miststück“, sagte er so sanft, dass sie erschauderte.

Sie wusste, dass er es ihr heimzahlen würde, doch mit dem, was dann geschah, hatte sie nicht gerechnet. Dominic beugte sich über sie und küsste sie wild und fordernd auf den Mund.

Natürlich war sie auch vorher schon geküsst worden, aber nur von gleichaltrigen Jungen, die genauso scheu und unerfahren waren wie sie. Keiner dieser Küsse hatte sie beeindruckt, ja manchmal hatte sie sich schon gefragt, wieso ums Küssen so viel Theater gemacht wurde.

Diesmal war es anders. Dominic küsste sie wie ein erfahrener Mann: Er zog sie an sich, zwang sie, die Lippen zu öffnen, und ließ seine Zunge ihren Mund erforschen.

Fenella hätte entsetzt sein müssen, doch etwas in ihr war stärker als die Scheu eines unerfahrenen Mädchens. Unwillkürlich seufzte sie auf, schloss benommen die Augen und überließ sich rückhaltlos Dominics Umarmung.

Bald nahm sie nichts von ihrer Umgebung mehr wahr. Sie spürte nur noch Dominics fremden, geheimnisvoll männlichen Mund auf den Lippen, fühlte seine Zunge und atmete den berauschenden Duft seiner Haut ein. Hitze durchströmte ihren Körper, sammelte sich in ihren Brüsten und zwischen den Oberschenkeln und breitete sich immer weiter aus, bis sie meinte, in Flammen zu stehen. Zum ersten Mal in ihrem Leben spürte sie, was Leidenschaft war. Ihr Herz schlug immer stärker und schneller, bis sie außer dem Klopfen nichts mehr vernahm.

Dominic hielt sie fest umschlungen und zog sie immer enger an sich. Plötzlich stöhnte er leise auf, ließ eine Hand ihren Rücken hinab zu ihren Hüften gleiten und drückte Fenella an sich. Es war eine sinnliche, fordernde Geste, die Fenella bis ins Innerste erregte.

Endlich gab er ihren Mund frei, flüsterte heiser etwas, das sie nicht verstand, und biss sie sanft in den Hals. Sie spürte, dass seine Hände bebten, und sein Herz schlug jetzt noch lauter als ihres. Eine Woge reiner Lust durchflutete sie. Fenella stöhnte leise auf. Sie wollte mehr von ihm, viel mehr.

Ohne dass sie es gemerkt hatte, musste Dominic ihr Hemd aufgeknöpft haben, denn plötzlich fühlte sie seine raue Hand auf der Brust, und dann strich sein Daumen über die empfindliche Spitze. Unwillkürlich hielt Fenella den Atem an. Sie wusste, dass sie sich wehren müsste, doch sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen.

Dominic schien es genauso zu ergehen wie ihr – wenigstens dachte sie das damals. Suchend ließ er die heißen Lippen über ihre weichen Brüste gleiten, nahm die Spitze zwischen die Lippen und saugte so fest daran, dass es fast schmerzte. Fenella begann am ganzen Körper zu zittern, und ihre Knie wurden weich. Halt suchend klammerte sie sich an Dominic. Ihr Herzschlag dröhnte ihr in den Ohren, sodass sie fürchtete, ohnmächtig zu werden. Sie hatte längst alles um sich vergessen, nur Dominics Küsse und ihre Leidenschaft spielten für sie noch eine Rolle.

Plötzlich hob er den Kopf, betrachtete forschend ihr Gesicht und stieß sie so heftig von sich, dass sie zurücktaumelte. Verständnislos sah sie ihn aus weit geöffneten Augen an. Ihre Lippen waren vom Küssen gerötet, und ihr Körper schmerzte vor enttäuschtem Verlangen. Mit bebenden Fingern zog sie das Hemd über den Brüsten zusammen. Allmählich wurde ihr bewusst, was sie getan hatte.

„Du bist genauso käuflich wie deine Mutter!“, fuhr Dominic sie an. „Tut mir leid, aber ich lasse mich nicht so leicht verführen wie mein Vater.“

Fenella erbleichte. Sie strich sich durch das dichte blauschwarze Haar und versuchte verzweifelt, sich wieder in den Griff zu bekommen, zu begreifen, was mit ihr geschehen war.

„Dominic …“ Bittend streckte sie eine Hand nach ihm aus. Sie sehnte sich nach Trost, nach einem Halt in dieser unbekannten Welt der Leidenschaft, in die Dominic sie so plötzlich gestürzt hatte.

„Für dich bin ich immer noch Mr. Maxwell“, antwortete er grob. „Gib dir keine Mühe, Fenella. Ich lasse mich doch nicht von einem halbwüchsigen Flittchen einwickeln. Wenn du willst, dass der Junge auf eine anständige Schule kommt, dann tu genau, was wir dir sagen. Sonst endet ihr beide da, wo ihr hingehört: in der Gosse. Glaub ja nicht, dass du noch einen Cent vom Geld der Maxwells in die Finger bekommst!“

Wie betäubt hatte Fenella ihm nachgesehen, während er das Zimmer verließ. In diesem Moment hatte er sie mehr denn je an einen Gladiator erinnert, einen harten, gnadenlosen Mann, den man respektieren und fürchten musste, weil er die Macht hatte, andere Menschen zu verletzen, und weil das Wissen darum ihn grausam gemacht hatte.

Zum Glück war Fenella ihm seitdem nicht mehr begegnet. Doch noch heute, sieben Jahre später, wurde ihr kalt, wenn sie an ihn dachte, und sie fühlte sich krank vor Scham.

Manchmal fragte sie sich, ob er sich wohl verändert hatte. Wenn, dann war er sicher noch unnahbarer geworden. Sein Vater war vor drei Jahren gestorben, ohne sich noch einmal mit Mark in Verbindung zu setzen, und da Dominics Großvater sich aus dem Geschäftsleben zurückgezogen hatte, leitete jetzt Dominic das riesige Bauunternehmen der Maxwells. Die Firma hatte alle Krisen der Bauwirtschaft gut überstanden und sich zu einem internationalen Großkonzern entwickelt.

Mit kaum dreißig Jahren war Dominic ein sehr mächtiger Mann. Fenella hoffte nur, dass er mit seinen Untergebenen gnädiger umging als damals mit ihr.

Sein Name tauchte recht häufig in Zeitungen und Zeitschriften auf, und obwohl Fenella sich dafür verabscheute, las sie jeden Artikel über ihn. Dominic galt als erstklassiger Geschäftsmann, der zäh und gnadenlos, aber auch überraschend mitfühlend sein konnte. Er wurde oft mit schönen, meist reichen Frauen fotografiert, doch von keiner hieß es, er werde sie wohl heiraten – bis Vera Springfellow auf der Bildfläche erschien. Sie, die Tochter einer reichen, alt eingesessenen australischen Familie, galt allgemein als die zukünftige Mrs. Dominic Maxwell.

Auf den Fotos sah sie hübsch und lieb, aber nicht besonders robust aus. Fenella konnte sich kaum vorstellen, dass sie Dominic gewachsen sein würde. Wahrscheinlich heiratete er sie sowieso nur aus geschäftlichen Gründen. Die arme Frau. Wer wäre schon gern mit einem so harten, ehrgeizigen, herzlosen Mann verheiratet?

Die Erinnerung an Dominics überwältigende erotische Ausstrahlung hatte Fenella total verdrängt. Wenn sie überhaupt an jenen Kuss zurückdachte, dann nur, um sich zu sagen, dass sie maßlos übertrieben reagiert hatte, eben wie ein Teenager, der zum ersten Mal von einem erfahrenen Mann geküsst wurde.

Am nächsten Tag rief Mark wieder an. „Ich habe ihnen mitgeteilt, dass ich ohne dich nicht komme“, begann er ohne Umschweife.

„Wovon … Oh! Wem? Wem hast du das gesagt?“

„Meinem Großvater, letztendlich.“ Obwohl er lachte, war ihm die Nervosität deutlich anzumerken. „Sein Sekretär hat hier angerufen. Philip Sowieso. Er wollte mir erzählen, was ich zu tun habe, also habe ich ihm erklärt, dass ich nur komme, wenn sie dich auch einladen. Schließlich hat er es begriffen. Er würde es Mr. Maxwell ausrichten, hat er gesagt. Ziemlich von oben herab. ‚Aber Mr. Maxwell ändert seine Pläne nicht gern.‘“ Mark ahmte eine pedantische Männerstimme nach. „‚Wir haben uns informiert, wann Ihre Prüfungen abgeschlossen sind, und Mr. Maxwell wünscht, dass Sie am siebzehnten November nach Fala’isi reisen!‘“

Fenella atmete tief ein, dann lachte sie leise. „Gut, wenn du meinetwegen eine Reise in die Südsee und die Begegnung mit deinem Großvater aufs Spiel setzt, dann muss ich wohl mitkommen. Vorausgesetzt, er ist einverstanden, und das glaube ich kaum. Also sei nicht allzu enttäuscht, wenn es nicht klappt, ja?“

„Klar doch. Du kannst bestimmt Urlaub brauchen, Fenella. In den letzten vier Jahren hast du verdammt viel gearbeitet – seit du Annes Partnerin geworden bist. Anne war letztes Jahr immerhin vierzehn Tage verreist. Jetzt bist du an der Reihe.“

„Einen Besuch bei deinem Großvater stelle ich mir nicht sehr erholsam vor“, erwiderte sie trocken.

Einen Moment schwieg Mark verblüfft. „Möchtest du lieber nicht mitkommen?“, fragte er dann besorgt.

Am liebsten hätte sie sich auf die Zunge gebissen. „Doch, natürlich, Liebling“, versicherte sie ihm rasch. „Fala’isi soll paradiesisch schön sein. Mach dir meinetwegen keine Sorgen. Falls wir überhaupt hinfahren, wird es mir auch gefallen.“ Und wenn es mich umbringt, dachte sie grimmig. Ihr war flau zumute. Aber natürlich würden die Maxwells nicht einverstanden sein.

„Das wusste ich doch“, meinte Mark unbeschwert. „Sag mal – wenn Dominic mein Halbbruder ist und du meine Halbschwester bist, wie seid ihr dann miteinander verwandt?“

„Überhaupt nicht“, erwiderte sie scheinbar lässig. „Wofür wir beide dankbar sind.“

Mark lachte, dann wechselte er das Thema und erzählte ihr stolz von seinem letzten Squashturnier.

Fenella hatte kaum aufgelegt, als das Telefon wieder klingelte. Typisch Mark! Dachte sie. Wahrscheinlich hat er wieder das Wichtigste zu sagen vergessen.

Lachend nahm sie den Hörer an. „Was ist denn noch, Liebling?“

Einen Moment blieb es still, dann meldete sich eine tiefe, trügerisch sanfte Männerstimme, die Fenella wohl nie vergessen würde.

„Fenella? Fenella Gardner?“

Fenellas Mund fühlte sich plötzlich wie ausgedörrt an. „Ja“, erwiderte sie heiser. Dann erwachte ihr Stolz. „Wer spricht da, bitte?“

„Dominic Maxwell.“

Sie atmete tief ein, wartete, bis sie sich ganz in der Gewalt hatte, und antwortete zuckersüß. „Ach, Mr. Maxwell. Was kann ich für Sie tun?“

„Du kannst deinem Bruder sagen, dass du nicht mit nach Fala’isi kommst.“

Ihre blauen Augen blitzten auf. „Das habe ich schon“, erklärte sie freundlich. „Leider besteht er darauf, dass ich ihn begleite. Er ist manchmal ziemlich dickköpfig.“

„Es wird dir hier nicht gefallen.“ Obwohl die Worte gelangweilt klangen, war der drohende Unterton nicht zu überhören. Fenellas Herz setzte einen Schlag aus.

Es ist sieben Jahre her! Ermahnte sie sich. Du bist jetzt erwachsen. Sie tat so, als müsste sie ein Gähnen unterdrücken. „Das glaube ich auch.“

„Und wieso kommst du dann?“

„Weil Mark es so will.“

„Verstehe.“ Er zögerte einen Moment. „Also gut, meinetwegen. Deine Reisekosten musst du allerdings selbst tragen“, ergänzte er in beleidigendem Tonfall.

„Selbstverständlich“, erwiderte sie herablassend und schnitt dem Hörer ein Gesicht. „Auf Wiedersehen, Mr. Maxwell.“

Sie legte auf und ihr war, als hätte sie sich nach all den Jahren ein wenig für die Demütigung damals gerächt.

2. KAPITEL

Eine Woche später saß Fenella in der Economy Class eines Linienflugzeuges nach Fala’isi, neben einer übergewichtigen Frau, die während des gesamten Flugs den Blick nicht von ihrer Zeitschrift hob.

Irgendwo im vorderen Teil des Flugzeugs saß Mark. Fenella lächelte vor sich. Dominic Maxwell wusste, wie man Menschen in ihre Schranken verwies: Sie musste hier zwischen dem gewöhnlichen Volk sitzen, während Mark, dessen Flug die reichen Maxwells bezahlten, den Luxus der Business Class genoss. Natürlich hätte Fenella auf keinen Fall Geld von den Maxwells angenommen, aber das konnten sie nicht ahnen.