Unter falschem Verdacht - Patricia Vandenberg - E-Book

Unter falschem Verdacht E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Fee und Daniel Norden hatten ganz spontan beschlossen, nach dem langen verregneten Frühling und dem ebenso unfreundlichen Sommeranfang wieder mal regelmäßig Tennis zu spielen. Da eine Schönwetterperiode begonnen hatte und auch anhalten sollte, wollten sie dazu die frühe Morgenstunde nutzen. Dienstags und donnerstags von sieben bis acht Uhr, so war es ausgemacht worden. Im Tennisclub freute man sich, das sympathische Arztehepaar auch wieder öfter zu sehen, da Danny, Felix und Anneka, die drei Schulkinder der Nordens, nun schon recht ordentlich spielten und auch regelmäßig zu den Trainerstunden kamen. Anneka hatte eigentlich nicht so recht mitmachen wollen, aber dann hatte sie sich doch überreden lassen, und da sie keine Langschläfer waren, machte es ihnen auch nichts aus, schon am frühen Morgen mit den Eltern zum Tennisplatz zu fahren. Sie konnten noch eine halbe Stunde üben, bevor sie dann den Schulweg antraten, und Bewegung war nie von Übel, da in der Schule die Turnstunden wahrhaftig zu kurz kamen. Die gute Lenni versorgte indessen die Zwillinge Christian und Désirée, die immer noch Jan und Jolly gerufen wurden. Obwohl Désirée bereits fleißig übte, um ihren schwierigen Vornamen auszusprechen, was ihr manchmal auch fast gelang. Es machte Daniel und Fee nun wirklich Spaß. Sie hatten sich nur aufraffen müssen, wirklich mal in die Tat umzusetzen, was sie eigentlich schon öfter geplant hatten. Mit dem alle paar Wochen mal eine Stunde spielen, hatte es nämlich auch nicht immer geklappt, weil Daniel abends meistens noch Hausbesuche machen mußte. In diesen frühen Morgenstunden sahen sie meist die gleichen Gesichter, und eines sahen sie besonders gern. Es gehörte zu einem jungen grazilen Mädchen, dem man nicht die Kraft zutraute, so gut Tennis zu spielen. Sie war Argentinierin, studierte in München Medizin, sah aus wie achtzehn, obgleich sie schon zweiundzwanzig war, und Dr. Norden hatte sie auch als Patientin kennengelernt, als sie nach einem Bienenstich eine teuflische Allergie bekam. Er hatte ihr geholfen, und seither war er für Juana nicht nur der beste Arzt, sondern auch ihr Vorbild. Ihm wollte sie nacheifern, genauso werden­ wie er, den Patienten als Ganzheit betrachtend, nicht begrenzt auf bestimmte Gebiete. Sie hatte sich schon oft mit ihm unterhalten, und inzwischen hatte sie auch Fee Norden kennen- und schätzengelernt, obgleich diese so bildhübschen jungen Frauen immer distanziert begegnete, wenn sie spürte, daß diese einiges für Daniel übrig hatten. Aber Juana legte es nicht auf einen Flirt oder gar mehr an. Sie war ein sehr charaktervolles Mädchen, wie Fee auch bald feststellen konnte.

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Dr. Norden Bestseller – 310 –

Unter falschem Verdacht

Patricia Vandenberg

Fee und Daniel Norden hatten ganz spontan beschlossen, nach dem langen verregneten Frühling und dem ebenso unfreundlichen Sommeranfang wieder mal regelmäßig Tennis zu spielen. Da eine Schönwetterperiode begonnen hatte und auch anhalten sollte, wollten sie dazu die frühe Morgenstunde nutzen. Dienstags und donnerstags von sieben bis acht Uhr, so war es ausgemacht worden.

Im Tennisclub freute man sich, das sympathische Arztehepaar auch wieder öfter zu sehen, da Danny, Felix und Anneka, die drei Schulkinder der Nordens, nun schon recht ordentlich spielten und auch regelmäßig zu den Trainerstunden kamen.

Anneka hatte eigentlich nicht so recht mitmachen wollen, aber dann hatte sie sich doch überreden lassen, und da sie keine Langschläfer waren, machte es ihnen auch nichts aus, schon am frühen Morgen mit den Eltern zum Tennisplatz zu fahren. Sie konnten noch eine halbe Stunde üben, bevor sie dann den Schulweg antraten, und Bewegung war nie von Übel, da in der Schule die Turnstunden wahrhaftig zu kurz kamen.

Die gute Lenni versorgte indessen die Zwillinge Christian und Désirée, die immer noch Jan und Jolly gerufen wurden. Obwohl Désirée bereits fleißig übte, um ihren schwierigen Vornamen auszusprechen, was ihr manchmal auch fast gelang.

Es machte Daniel und Fee nun wirklich Spaß. Sie hatten sich nur aufraffen müssen, wirklich mal in die Tat umzusetzen, was sie eigentlich schon öfter geplant hatten. Mit dem alle paar Wochen mal eine Stunde spielen, hatte es nämlich auch nicht immer geklappt, weil Daniel abends meistens noch Hausbesuche machen mußte.

In diesen frühen Morgenstunden sahen sie meist die gleichen Gesichter, und eines sahen sie besonders gern. Es gehörte zu einem jungen grazilen Mädchen, dem man nicht die Kraft zutraute, so gut Tennis zu spielen. Sie war Argentinierin, studierte in München Medizin, sah aus wie achtzehn, obgleich sie schon zweiundzwanzig war, und Dr. Norden hatte sie auch als Patientin kennengelernt, als sie nach einem Bienenstich eine teuflische Allergie bekam. Er hatte ihr geholfen, und seither war er für Juana nicht nur der beste Arzt, sondern auch ihr Vorbild. Ihm wollte sie nacheifern, genauso werden­ wie er, den Patienten als Ganzheit betrachtend, nicht begrenzt auf bestimmte Gebiete. Sie hatte sich schon oft mit ihm unterhalten, und inzwischen hatte sie auch Fee Norden kennen- und schätzengelernt, obgleich diese so bildhübschen jungen Frauen immer distanziert begegnete, wenn sie spürte, daß diese einiges für Daniel übrig hatten.

Aber Juana legte es nicht auf einen Flirt oder gar mehr an. Sie war ein sehr charaktervolles Mädchen, wie Fee auch bald feststellen konnte. An diesem Donnerstagmorgen lernten sie allerdings auch eine aggressive Juana kennen, und dabei spielte ein Mann eine Rolle, über den in letzter Zeit sehr viel geredet und geschrieben wurde, der als Fußballstar hochgejubelt worden war, und nun für einige Millionen nach Italien oder Spanien wechseln sollte und auch wollte.

Johann Fink hieß er, Jonny Flink war sein Spitzname. Er war ein gutaussehender Bursche, groß, blond, kräftig, wie es sich für einen Fußballer gehörte, und er hatte auch das gewisse Etwas, das sehr auf Frauen wirkte, aber auf Juana anscheinend genausowenig wie auf Fee Norden.

Fee hörte, wie Juana sehr erbost in ihrem bezaubernden Akzent sagte: »Kümmere dich lieber um Biggi und laß mich in Ruhe.«

»Ich werde Millionen verdienen, Juana«, sagte er, »sei nicht so stur. Du hast mich doch gemocht.«

»Das hast du dir eingebildet, wie manches andere auch«, sagte sie, und als er ziemlich brutal nach ihrem Arm griff, sah Fee den Augenblick gekommen, aus ihrer Umkleidekabine zu treten.

»Hallo, Juana«, sagte sie und tat ganz unbefangen, aber Juana errötete heiß.

»Frau Dr. Norden, nett, Sie zu sehen. Gehen Sie schon wieder?«

»Wir sind gerade dabei.«

»Ist Ihr Mann auch hier? Ich hätte ihn gern mal gesprochen. Ich habe Schwierigkeiten mit der Achillessehne.«

Da stand Jonny ziemlich töricht daneben, und Benehmen hatte er sowieso nicht, wie Fee schon mehrmals festgestellt hatte, denn er spielte auch öfter Tennis als Ausgleichssport, und er spielte wirklich nicht schlecht, das mußte man ihm auch lassen, aber sonst war er wohl doch recht primitiv, wie Fee nun wieder einmal feststellte, als er sich grußlos umdrehte und sich entfernte.

»Bitte, nehmen Sie mich mit«, sagte Juana leise. »Meinen Wagen kann ich nachher holen.«

»Wer ist Ihnen lieber als Chauffeur, Juana, mein Mann oder ich?« fragte Fee mit ihrem bezaubernden, herzerwärmenden Lächeln. »Wir sind mit zwei Wagen hier, weil Daniel gleich in die Praxis muß, und ich muß heim. Aber natürlich können Sie mitfahren.«

»Ich will ihm jetzt keine Gelegenheit mehr geben, auf mich einzureden. Aber mit meiner Achillessehne stimmt wirklich etwas nicht. Das war nicht nur eine Ausrede.«

»Dann fahren Sie mit meinem Mann in die Praxis, und Sie können uns ja mal abends besuchen, wenn Sie Sorgen haben, Juana.«

»Ja, ich habe Sorgen«, erwiderte Juana ernst. »Sie sind so lieb. Ich danke Ihnen. Sie brauchen bestimmt nicht zu denken, daß ich Ihren Mann allein sprechen will, aber es geht auch um einen Kollegen.«

»Ich habe keine Hintergedanken, Juana, und mein Mann erzählt mir sowieso alles.«

»So muß es in einer Ehe und auch in einer Partnerschaft sein«, sagte Juana leise. »Ich hoffe, daß ich mir um meine Freundin nicht zu große Sorgen machen muß. Aber wenn ich mit jemanden sprechen kann…«

»Jederzeit, Juana, Sie brauchen mich nur anzurufen, wenn das Gespräch von Frau zu Frau sein soll, und wenn beide ja auch Medizinerinnen sind.«

»Ich habe noch einen weiten Weg bis dahin«, sagte Juana leise, »wenn ich so werden will, wie…« Doch da stand er schon, der Dr. Daniel Norden.

»Ich muß los, mein Schatz«, sagte er. »Hallo, Juana, Sie sind auch schon im Aufbruch?«

»Sie hat es mit der Achillessehne«, sagte Fee schnell, »nimm sie doch bitte mit.«

Sie hatte zuerst bemerkt, daß Jonny in der Halle wartete, und Daniel fragte nicht lange, als Juana ihn flehend anblickte.

Jonny, der Kraftprotz, wagte sich nicht heran. Er verzog sich, ohne sich umzuschauen.

Juana atmete auf.

»Ich bin so dankbar, daß Sie mir helfen«, sagte sie leise.

»Geht es um den?« fragte Daniel, Jonny kurz nachschauend.

»Kennen Sie ihn?« fragte Juana

»Wer kennt ihn nicht! Es wird ja genug Trara um ihn veranstaltet. Man könnte schon sauer werden, wenn man bedenkt, wie wenig man im Kopf zu haben braucht, um Millionär zu werden, wenn man nur gute Tore schießen kann.«

»Und wie lange zum Beispiel junge Ärzte brauchen, um überhaupt eine Stellung zu bekommen«, sagte Juana leise.

»Sie meinen einen bestimmten, Juana?« fragte er.

»Ich komme noch darauf zurück. Momentan geht es mir um dessen Schwester. Sie ist meine Freundin.«

»Die Freundin von dem Fußballer?«

»Ja, ich drücke mich wahrscheinlich manchmal nicht sehr gut aus, und das führt dann zu Mißverständnissen, auch bei gewissen Männern. Ich werde versuchen, mich sehr deutlich auszudrücken, so, wie wenn ich eine Klausurarbeit schreibe.«

»Das könnte schnell weiterhelfen«, erklärte Daniel Norden. »Aber zuerst werden wir uns um Ihre Achillessehne kümmern, damit meine gute Dorthe sich nicht wundert, warum ich in aller Herrgottsfrühe mit einer bildhübschen jungen Dame in der Praxis erscheine.«

Dorthe Harling schätzte ihren Chef zwar viel zu hoch ein, um auf falsche Gedanken zu kommen, aber ein bißchen staunte sie doch, daß Daniel mit Juana kam.

»Wir haben uns auf dem Tennisplatz getroffen, Dorthe«, erklärte er mit einem leichten Blinzeln. »Miß Crisantos Achillessehne ist nicht in Ordnung. Sind schon Patienten da?«

»Zwei, aber die kommen immer extra früh, damit sie sich unterhalten können, Sie wissen ja, und sie sind nicht böse, wenn sie länger warten müssen.«

»Na also«, sagte Dr. Norden schmunzelnd.

*

Juana hatte Platz genommen und den Schuh und den Socken abgestreift. »Es ist nicht so schlimm, aber ich möchte das Turnier in Rom nicht spielen«, sagte sie leise.

»Warum nicht?«

»Weil Jonny auch dort sein wird. Sie brauchen mich nicht so anzuschauen. Ich habe nichts mit ihm. Aber meine Freundin Biggi war sehr gut ihm befreundet, man könnte liiert sagen. Birgit Mallinger, und ihr Bruder ist der junge Arzt, von dem ich sprach. Dr. Adrian Mallinger, derzeit im Klinikum als Lückenbüßer beschäftigt, wenn man es so nennen will.«

»Also mit einem kleinen Taschengeld.«

»Sie wissen ja, wie das läuft, aber irgendwann müssen sie ja mal praktizieren lernen. Und für ihn muß es doch bitter sein, daß seine Schwester von diesem Fußballprofi sitzengelassen wird, der sich nicht scheut, mir nachzustellen, weil er ja mittlerweile weiß, daß mein Vater ein prominenter Mann in Argentinien ist. Ich muß es mir mal vom Herzen reden, weil ich einfach nicht mehr weiter weiß. In meiner Heimat mag manches auch nicht politisch in Ordnung sein, aber wir haben doch noch unseren Stolz, und ich verstehe Biggi nicht, daß sie diesem Kerl nachtrauert, daß sie krank wird darüber, und ich verstehe erst recht nicht, daß er sich nicht scheut, mich in Verruf bringen zu wollen. Er tut so, als würde ich ihm nachlaufen, weil ich morgens Tennis spiele, wenn er auf dem Platz ist.«

»Du liebe Güte, da sind doch eine Menge Leute auf den Plätzen, und er ist doch ein Gelegenheitsspieler, soviel ich hörte.«

»Immer da, wenn ich anwesend bin, und er bekommt ja auch einen Platz reserviert und auch einen Trainer, der Millionenfußballer. Mir kommt die Galle hoch. Ich gebe Tennis vorerst auf.«

»Damit der dann vielleicht verbreiten kann, er hätte Sie abserviert? Das kommt doch wohl nicht in Frage.«

»Das würde er doch nicht wagen.«

»O doch, ich kenne diese Typen. Wenn sie sich in ihrer Eitelkeit gekränkt fühlen, fahren sie schwere Geschütze auf. Aber ich weiß da einen Ausweg. Ich werde Ihnen einen Tennisprofi verschaffen, der Jonny Flink vom Platz fegt. Vom Fußball versteht der allerdings nichts, aber er hat es im Kopf, nicht nur in den Beinen, wenn er auch verdammt schnell ist.«

»Und wer ist das?« fragte Juana.

»Wilm Warneck, schon mal gehört?«

»Sie kennen ihn?« fragte Juana aufhorchend. »Er hatte doch einen Unfall?«

»Von dem er kuriert ist. Er war auf der Insel der Hoffnung, hat meinen Schwiegervater auch wieder auf den Tennisplatz getrieben und ein bißchen auch dazu beigetragen, daß Fee und ich wieder regelmäßig spielen. Er ist ein netter Bursche. Vielleicht nicht ganz Ihr Typ, aber immer bereit, mir einen Gefallen zu tun. Er wird mit Ihnen spielen, und wenn es darauf ankommt, wird er Jonny Flink so einen Ball draufknallen, daß ihm mal die Luft wegbleibt oder ihm wenigstens die Lust vergeht, junge Damen, die nichts von ihm wissen wollen, zu belästigen.«

»Sie haben so viel Verständnis, Dr. Norden, und ich will doch nur Biggi helfen. Sie ist so unglücklich. Er ist ihre erste Liebe. Ihr geht doch erst langsam ein Licht auf, daß er seine Fehler hat, aber dennoch hängt sie noch an ihm, und er behandelt sie wie Dreck.«

»Ja, so ist das leider manchmal, Juana, aber irgendwie werden wir das schon hinbiegen. Sie sollten erst einmal offen mit Ihrer Freundin Biggi sprechen. Wie lange kennen Sie sie schon?«

»Sechs Jahre. Sie lebte einige Zeit bei Verwandten in Argentinien. Sie war auf unserem College und eine gute Schülerin.«

»Hat sie einen Beruf?«

»Sie ist Jungredakteurin bei einer Illustrierten, und dadurch hat sie Jonny auch kennengelernt, aber bald lernte er prominente Journalisten kennen. Ich will mich darüber nicht auslassen, aber sie bekommt ein Kind, und er bestreitet, der Vater zu sein.«

»Das ist übel«, sagte Dr. Norden.

»Und er machte sich an mich heran und erzählt mir die wildesten Geschichten über Biggis Liebesleben. Ich kenne sie. Es stimmt nichts, aber wenn sie erfährt, wie gemein er ist, bringt sie sich um. Das muß ich doch verhindern.«

»Und wie wollen Sie das verhindern?«

»Ich weiß es noch nicht. Ich wollte mit ihr zu uns nach Hause fliegen, aber sie will nicht. Sie will einfach nicht glauben, daß er sie einfach sitzen läßt. Sie hat immer Entschuldigungen für ihn. Er denkt an seine Karriere, das ist ja auch wichtig. Er kann ihretwegen nicht die besten Angebote ausschlagen, und sie will ihm ja privat keine Schwierigkeiten bereiten.« Juana seufzte schwer. »Ich kann nicht verstehen, wie intelligente Frauen so dumm sein können«, sagte sie heiser.

»Liebe macht blind und auch taub, das ist schon so, und auch die gescheitesten Leute bleiben manchmal nicht verschont. Aber es ist gut, wenn die Opfer gute Freunde haben.«

»Und ich bin sehr froh, daß ich mit Ihnen sprechen konnte. Sie können Ihrer Frau ruhig alles erzählen.«

»Das werde ich auch, denn Fee hat meist die richtige Intuition, was man am besten tun kann in solchen Fällen. Einmalig ist sie ja nicht, wenn auch jede individuell zu betrachten ist. Ich werde mich also mit Wilm Warneck in Verbindung setzen und sage Ihnen Bescheid, wann Sie ihn im Club treffen können.«

»Das ist wahnsinnig nett von Ihnen. Mit solchem Profi würde ich schon gern mal spielen.«

»Und er wird bestimmt auch seinen Spaß haben. Er ist ein lustiger Vogel. Für jeden Streich zu haben.«

»Aber hoffentlich nicht gleich so intim«, sagte sie stockend. »Danach steht mir der Sinn nämlich nicht.«

»Da brauchen Sie nicht bange sein. Er ist ein gebranntes Kind. Er hat sich nach der Kur oder durch diese entschlossen, alles leicht zu nehmen und sich keine neuen Probleme zu schaffen.«

»Wenn man das doch könnte«, sagte Juana leise. »Aber vielleicht müßte man dazu eine Kur auf der Insel der Hoffnung machen.«

»Sie werden es auch ohne Kur schaffen, diesen Kraftprotz in die Schranken zu weisen«, sagte Daniel Norden lächelnd. »Sie hören von mir, Juana. Ihre Telefonnummer haben wir ja.«

»Ist noch die gleiche, aber ich überlege schon, ob ich nicht doch wieder nach Santiago zurückgehe.«

»Haben Sie auch persönliche Probleme?« fragte Daniel Norden ganz spontan.

»Vielleicht, aber nicht wegen Jonny Flink«, erwiderte sie ironisch.

»Aber es könnte ja auch da ein freundschaftlicher Rat helfen, Juana«, sagte er zögernd.

»Danke für das Angebot, aber ich komme ganz gut allein zurecht, wenn es um meine eigenen Probleme geht.«

Davon war er fest überzeugt, als sie sich verabschiedete.

*

Juana fuhr nach Nymphenburg. Sie hatte dort eine hübsche kleine Wohnung gemietet, denn von ihrem Vater bekam sie finanziell großzügige Unterstützung, und weil Pablo Crisanto die Gegend um Schloß Nymphenburg liebte, war er auch bereit gewesen, tief in die Tasche zu greifen, um seiner Tochter ein romantisches Wohnen zu verschaffen. So romantisch, wie ihr Vater es sich vorgestellt hatte, erlebte es Juana nicht, aber sie war recht zufrieden, in der schönen Villengegend diese Mansardenwohnung gefunden zu haben, obwohl ihr Vater meinte, daß man für diese Miete eine Luxuswohnung bekommen müßte. Seit ein paar Wochen teilte Juana ihre Wohnung mit ihrer Freundin Biggi, denn deren Bruder Adrian hatte sie in seinem möblierten Zimmer in Kleinhadern nicht aufnehmen können, nachdem sie ihre Miete nicht mehr hatte bezahlen können.

Biggi war nach dem Bruch mit Jonny aus der Redaktion geflogen, denn in der wollte es niemand mit dem neuen Fußballstar Jonny Flink verderben. Biggi war ja nur freie Mitarbeiterin, und jeder gab ihr natürlich die Schuld, daß es aus war mit Jonny. Von dem Kind, das sie erwartete, wußten nur Juana und Biggis Bruder Adrian, und der hatte nur gesagt, daß er nicht begreifen könnte, daß sie sich mit solchem Blödian eingelassen hätte. Adrian hatte seine Schwester diesbezüglich nämlich nie verstanden, weil ihn kränkte, daß sie, die doch intelligent war, auf so einen Kraftprotz hereingefallen war, denn mehr sah er ja nicht hinter Jonnys Fassade, mochte er sich auch noch so gut produzieren und verkaufen können.

Biggi zitterte vor Angst, als Juana eintrat. Sie nahm ihre Arme und schüttelte sie. »Vor mir brauchst du keine Angst zu haben, Biggi«, sagte sie sehr bestimmt. »Reiß dich gefälligst zusammen. Du wirst doch vor diesem Kerl nicht kapitulieren.«

»Ich habe ihn geliebt, er war meine erste Liebe«, schluchzte Biggi.

»Du redest wenigstens schon in der Vergangenheitsform«, sagte Juana ruhig. »Ist ja alles okay. Irren ist menschlich, aber ins Mauseloch brauchst du vor ihm nicht zu kriechen. Er ist ein ganz mieser Typ und wagte nicht, mir zu widersprechen, Biggi. Ich muß mit dir glasklar reden. Er will mich bewegen, seine künftigen Millionen mit ihm in Rom oder Barcelona oder sonstwo zu teilen, aber vielleicht will er auch nur die Tochter von Pablo Crisanto, die er leider nicht vor dir kennenlernte. Aber ich mag ihn nicht. Mir ist er zu mies, zu primitiv. Ich habe es nicht mit einem Großmaul, einem Muskelpaket, und wenn du mir jetzt Vorwürfe machst, tust du mir noch mehr leid.«

Es herrschte minutenlanges Schweigen. »Ich mache dir ja keine Vorwürfe, Juana«, flüsterte Biggi dann. »Ich weiß ja, daß du klüger bist als ich, daß du es ehrlich meinst, aber was soll denn mit dem Baby werden?«

»Darüber können wir nachdenken. Wir können es gemeinsam aufziehen, oder du kannst es zur Adoption freigeben, aber du hast auch noch die Möglichkeit, eine Schwangerschaftsunterbrechung vornehmen zu lassen, und vielleicht könnte dir Adrian dabei helfen, ohne daß es publik wird.«

»Das würde er niemals tun, und denkst du daran auch tatsächlich? Ich kann es mir nicht vorstellen. Ich bin doch keine Mörderin. Ich würde niemals mein eigenes Kind umbringen, eher noch diesen Schuft.«