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Als der gut aussehende Callboy Jerry zum ersten Mal auf Marie trifft, entsteht zwischen ihnen eine ungeahnte Anziehungskraft. Immer mehr zieht sie ihn in seinen Bann, doch er hat mehr als nur ein Geheimnis, das er nicht mit ihr teilen kann. So viele gute Gründe sprechen gegen eine Beziehung – doch wird Jerry sich von ihr fernhalten können?
Eine Kurzerzählung aus der Unter Glas-Reihe, bei der Jerry von seiner ersten Begegnung mit Marie erzählt.
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Veröffentlichungsjahr: 2015
Unter Glas
Auf der anderen Rheinseite
Eine Kurzerzählung aus der „Unter Glas“-Reihe
Eva M. Rath
Impressum:
Copyright: © 2015. Hg.: Maria Deeg
Lindleinstr. 18 97080 Würzburg
www.eva-m-rath.de Umschlag Layout und Illustration: Nach einem Hintergrundentwurf von Jan Selzer
E-Mail: [email protected]
Die erste Begegnung
Zügig fädelte ich meinen SLK in den Feierabendverkehr ein und zog genervt am Knoten meiner Krawatte, um sie zu lösen. Üblicherweise fuhr ich nach der Arbeit noch einmal nach Hause, um etwas zu essen, mich umzuziehen und dann in aller Ruhe zum ‚Glashaus‘ zu fahren. Dort traf ich mich mit meinen Kundinnen, um in der loungigen Atmosphäre der gleichnamigen Bar am Düsseldorfer Medienhafen etwas gepflegte Konversation zu betreiben – und es den Damen danach im Hotel gemäß ihren Wünschen so richtig zu besorgen. Denn das war mein zweiter Job: Callboy.
Heute allerdings hatte ich es nicht geschafft, pünktlich aus dem Büro zu kommen, sodass ich direkt von der auf der Kö gelegenen Anwaltskanzlei, die ich als Juniorpartner gemeinsam mit meinem Vater leitete, zum Hafen fahren musste. Ich hatte die Tiefgarage kaum länger als zwei Minuten verlassen, da klingelte mein Telefon über die Sprechanlage des Autos. Auf dem Display erschien der Name meines Vaters: Rüdiger Glas. Ich seufzte, eigentlich hielt sich meine Lust in Grenzen, nach Feierabend ein Gespräch mit meinem Vater zu führen, da eine Diskussion mit ihm bereits der Grund gewesen war, warum ich mich erst weit später als geplant auf den Weg machen konnte. Allerdings wusste ich genau, was für ein Theater mein Herr Vater machen würde, wenn ich seinen Anruf nicht entgegennahm, und nur deshalb hob ich ab.
„Jeremias, du kannst doch nicht einfach so verschwinden.“ Der vorwurfsvolle Ton in der sonoren Stimme meines Vaters war unüberhörbar. „Ich war noch nicht fertig mit dir!“
„Aus meiner Sicht haben wir alles besprochen. Du hast deinen Standpunkt klar gemacht, ich den meinen, es gibt also nichts zu sagen, was der Sache in irgendeiner Form dienlich wäre.“
Ich hörte meinen Vater tief durchatmen, ließ aber nicht zu, dass er mir in einem ausufernden Vortrag erneut erklärte, wie ich meine Arbeit zu machen hatte.
„Zudem: es ist mein Fall! Ich bin kein Praktikant in deiner Kanzlei, sondern dein Partner!“
„… und es wäre beinahe fahrlässig von dir, den Vergleich nicht anzunehmen!“
„Noch einmal, ich sehe eine gute Chance, dass meine Partei gewinnt. Warum sollte ich meinem Mandanten dazu raten, einen mittelmäßigen Vergleich anzunehmen, wenn er die Chance hat zu gewinnen? Und danach trotzdem mindestens im sechsstelligen Bereich abzukassieren? Vertrau mir einfach!“
„Jeremias …“, die Stimme meines Vaters wurde drängender und meine Laune immer schlechter.
Vermutlich wäre ich für den Rat eines Kollegen empfänglicher gewesen als für den meines Vaters. Aber ich hatte ihn nicht einmal um seine Meinung gebeten, sondern er hatte sich einfach so in meinen Fall eingemischt. Viel schlimmer noch: er hatte sich die Akte von unserer Sekretärin heraussuchen lassen, von vornherein in dem festen Vorsatz, meine Arbeit zu kontrollieren.
Es ging ihm darum zu wissen, woran ich gerade arbeitete und wie ich die Sache anging, damit er mir minutiös auseinander legen konnte, was ihm an meiner Herangehensweise nicht gefiel. Doch darauf hatte ich keine Lust mehr. Seit Langem schon.
„Du, Pap, ich habe eine Verabredung und muss Schluss machen. Grüß Mam von mir. Wir sehen uns Montag.“
„Jeremias!“, zischte mein Vater warnend durchs Telefon.
„Schönen Abend noch.“
„Du kannst doch jetzt nicht einfach so auf- … Wenn du das machst, übernehme ich den Fall!“
Vor lauter Zorn umklammerten meine Hände das Lenkrad, sodass meine Knöchel weiß wurden. Der Mann machte mich wahnsinnig.
„Zum letzten Mal: ich bin gleichberechtigt in der Kanzlei, und auch wenn ich nur der Sohn von Glas, Sohn und Partner bin, heißt das nicht, dass du mich behandeln kannst wie ein Kind. Und jetzt guten Abend!“
Ich drückte auf einen Kippschalter am Lenkrad, um das Gespräch zu beenden, bevor mein Vater noch etwas sagen konnte. Ich wusste genau, dass er mir den Fall nicht wegnehmen würde (geschweige denn wegnehmen könnte) – und es war nicht so, als wäre es die erste Auseinandersetzung dieser Art. Allerdings war ich, seit er mich zum Partner seiner Kanzlei gemacht hatte, nicht mehr bereit, mich wie in den Jahren zuvor herumschubsen und kontrollieren zu lassen. Nachgeben war für mich keine Option.
Erneut klingelte mein Telefon. Ich war schon dabei, den Anrufer abzulehnen, als ich sah, dass es nicht mein Vater war, sondern Chris, mein bester Freund.
„Hey Chris …“
„Hey! Kommst du heute vorbei oder gehst du direkt ins Hotel?“
„Ich habe ein Treffen im Hotel um 21 Uhr, um 23 Uhr komme ich dann ins ‚Glashaus‘ und gehe danach mit Angelika direkt wieder ins Hotel. Wieso?“
„Wow, so beschäftigt wie du wäre ich auch gerne mal …“
„Soll ich dich weitervermitteln?“, fragte ich grinsend.
„Nein, danke, kein Bedarf. Wir sollten aus dem ‚Glashaus‘ kein Bordell mit dir als Puffvater machen, oder?“
„Gar keine schlechte Idee, eigentlich.“
„Doch, eigentlich schon.“
Es tat gut, nicht länger ernst sein zu müssen, und es tat gut, mit jemandem zu sprechen, vor dem man keine Geheimnisse hatte. Von diesen Menschen gab es in meinem Leben nicht viele. Genau genommen nur zwei: Chris und meinen Bruder Max.
„Aber jetzt mal Spaß beiseite“, sagte Chris, „ich habe gerade mal wieder ein Mädchen durch die Bar geführt, sie hat heute zur Probe gearbeitet. Marie Kleinod.“
„Marie Kleinod …“ Ich durchsuchte mein Gedächtnis nach diesem Namen, fand aber nichts. „Schöner Name, aber noch nie gehört.“
„Gut, sie scheint mir ganz fit zu sein und vielleicht bleibt sie ja mal etwas länger als ihre Vorgängerinnen …“ Ich überhörte den Vorwurf in der Stimme meines Freundes und wechselte möglichst schnell das Thema.
„Ich gucke sie mir heute Abend mal an. Gibt es sonst noch etwas, das ich wissen müsste?“
„Nein, ich glaube, ansonsten gibt es nichts Wichtiges mehr.“ „Prima, dann sehen wir uns vermutlich nachher.“
„Ok. Bis später.“