Verführung zur Ehe - Georgette Heyer - E-Book
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Verführung zur Ehe E-Book

Georgette Heyer

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Beschreibung

England, 1817. Nach dem Tod ihrer Eltern ist die liebreizende Kate Malvern vollkommen mittellos. Da kommt die Einladung von Lady Minerva Broome, einer entfernten Verwandten, gerade recht. Sie nimmt Kate mit auf das einsam gelegene Herrenhaus Staplewood und überschüttet die junge Frau mit Geschenken und Nettigkeiten.

Obwohl Kate sich tief in ihrer Schuld sieht, wird sie schon bald misstrauisch. Was führt ihre resolute Tante wirklich im Schilde?

"Verführung zur Ehe" (im Original: "Cousin Kate") ist ein herzerfrischender Liebesroman mit einer spannenden Krimihandlung - jetzt als eBook bei beHEARTBEAT.

"Das Lokalkolorit im Verein mit der sympathischen Hauptakteurin sind geradezu Garanten für vergnügliche Lesestunden." Salzburger Volksblatt

"Ein echter Georgette-Heyer-Roman: Angefüllt mit Geist, Witz und Ironie, verrät er Wirklichkeitsnähe wie Verständnis für die kleinen Eigenarten und Schwächen der Menschen." Telegraf, Berlin



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EPUB

Seitenzahl: 635

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Über dieses Buch

England, 1817. Nach dem Tod ihrer Eltern ist die liebreizende Kate Malvern vollkommen mittellos. Da kommt die Einladung von Lady Minerva Broome, einer entfernten Verwandten, gerade recht. Sie nimmt Kate mit auf das einsam gelegene Herrenhaus Staplewood und überschüttet die junge Frau mit Geschenken und Nettigkeiten.

Obwohl Kate sich tief in ihrer Schuld sieht, wird sie schon bald misstrauisch. Was führt ihre resolute Tante wirklich im Schilde?

Über die Autorin

Georgette Heyer, geboren am 16. August 1902, schrieb mit siebzehn Jahren ihren ersten Roman, der zwei Jahre später veröffentlicht wurde. Seit dieser Zeit hat sie eine lange Reihe charmant unterhaltender Bücher verfasst, die weit über die Grenzen Englands hinaus Widerhall fanden. Sie starb am 5. Juli 1974 in London.

Georgette Heyer

Verführung zur Ehe

Aus dem Englischen von Margrit Körner

beHEARTBEAT

Digitale Neuausgabe

»be« - Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Copyright © Georgette Heyer, 1968

Die Originalausgabe COUSIN KATE erschien 1968 bei The Bodley Head.

Copyright der deutschen Erstausgabe:

© Paul Zsolnay Verlag GmbH, Hamburg/Wien, 1969.

Lektorat/Projektmanagement: Kathrin Kummer

Covergestaltung: Maria Seidel, atelier-seidel.de unter Verwendung eines Motives © Richard Jenkins

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 978-3-7325-5897-1

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Kapitel 1

Zu keiner Tages- oder Nachtzeit war die Postmeisterei »Bull and Mouth« ein Ort besinnlicher, träger Ruhe; und als gegen zehn Uhr vormittags die Postkutsche aus Wisbech von Aldertor her schwer beladen in den Hof rumpelte, hatte zumindest eine müde und niedergeschlagene Mitreisende den Eindruck, als sei dieser Hof vollgestellt mit allen nur erdenklichen Fahrzeugen: angefangen bei einer gelben Postchaise bis hin zu einem Fuhrwagen, dessen Deichseln in die Luft ragten, während die verschiedenen Kisten und Pakete, die er befördert hatte, über den Hof verstreut lagen. Es ging drunter und drüber; minutenlang fühlte sich Miss Malvern, die gerade aus der Kutsche stieg, von diesem Getümmel so verwirrt, dass sie dastand und einigermaßen ratlos um sich blickte. Der Postillion, der den kleinen, verschnürten Koffer mit ihrem ganzen Hab und Gut vor ihre Füße fallen ließ, riet ihr, ein wachsames Auge darauf zu haben. Ein Stallknecht, der zwei Pferde herausführte, herrschte sie an, aus dem Weg zu gehen, und einer dieser unvermeidlichen Straßenhändler, die sich in den bevölkerten Höfen der Posthaltereien herumzutreiben pflegten, flehte sie an, ihm ein wenig Ingwerbrot abzukaufen. Der Postillion, der von den ängstlichen Reisenden mit dem Verlangen bedrängt wurde, unverzüglich ihre Reisetaschen und Hutschachteln auszuhändigen, hatte nur wenig Zeit, doch Miss Malverns blumenhafte Erscheinung und ihre Miene jugendlicher Unschuld veranlassten ihn zu der Frage, ob sie denn abgeholt werden würde. Als sie verneinend den Kopf schüttelte, schnalzte er missbilligend mit der Zunge und äußerte die Hoffnung, dass sie doch wohl zumindest wüsste, wohin sie gehen wollte.

Ein belustigtes Aufflackern erhellte die Schatten in Miss Malverns großen Augen; mit einem unterdrückten Lachen antwortete sie: »O ja – das weiß ich!«

»Was Sie brauchen, Fräuleinchen, ist ein Mietpferd!«, erklärte darauf der Postillion.

»Nein, keineswegs, nur einen Gepäckträger!«, erwiderte Miss Malvern mit unerwarteter Entschiedenheit.

Der Postillion schien Lust zu haben, mit ihr über diese Frage zu streiten, doch als eine beleibte Dame ihn an den Rockschößen zog und mit schriller Stimme zu wissen begehrte, was er mit dem ihm anvertrauten Korb Fische getan hätte, war er gezwungen, Miss Malvern ihrem Schicksal zu überlassen. Er konnte nichts anderes tun, als mit lauter Stimme nach einem Gepäckträger zu rufen, der den Koffer der jungen Dame tragen sollte.

Diese Aufforderung wurde von einem stämmigen, in einen Friesrock gekleideten Individuum beantwortet, das sich für ein Sixpencestück bereit erklärte, Miss Malverns Koffer zum Warenspeicher der Speditionsfirma »Josiah Nidd & Sohn« zu tragen. Da diese Firma nur eine knappe Viertelmeile von der Posthalterei entfernt lag, hatte Miss Malvern den heftigen Verdacht, dass sie eine viel zu hohe Gebühr bezahlte. Obwohl sie durch eine erlebnisreiche Jugend in wechselnden Garnisonen an das Feilschen mit portugiesischen Bauern und spanischen Maultiertreibern gewöhnt war, verspürte sie dennoch keine Lust, sich auf diesem belebten Londoner Postmeistershof in eine Diskussion einzulassen. So stimmte sie dem verlangten Preis zu und forderte den Träger auf, sie zu dem genannten Haus zu führen.

Die vor wenigen Jahren von Mr. Nidd und seinem Sohn erworbenen Gebäude waren einstmals ein Gasthaus gewesen, zwar nicht von der Größe und Bedeutung der Posthalterei ›Bull and Mouth‹, doch genau wie diese mit einem von Säulengängen umgebenen Hof, mit Stallungen und Remisen für Kutschen versehen. Ein riesiger Fuhrwagen auf neun Zoll dicken, zylindrischen Rädern, mit einer Zeltplane überdeckt, nahm einen großen Teil des Hofes ein. Drei muskulöse Kerle waren damit beschäftigt, das Vehikel mit den unterschiedlichsten Waren, von Kisten bis zu Ackergeräten, zu beladen. Beaufsichtigt und mit schriller Stimme kritisiert wurden sie dabei von einem älteren Herrn, der auf einem Balkon an der Seite des Hofes saß. Die unter diesem Balkon befindliche Glastür hatte einst zum Eintreten in den Kaffeesalon eingeladen; inzwischen jedoch war sie durch eine grüngestrichene Holztür ersetzt worden, die mit einem glänzenden Messingtürklopfer versehen und zu beiden Seiten von Fässern voll blühender Geranien flankiert war, wodurch deutlich wurde, dass das einstige Gasthaus zu einem privaten Wohnsitz geworden war. Indem sie sich ihren Weg durch die überall aufgehäuften Waren suchte und dem Träger bedeutete, ihr zu folgen, trat Miss Malvern auf diese Tür zu, hob ohne besondere Förmlichkeit den Riegel und trat in einen schmalen Korridor, von dem aus eine Tür in den ehemaligen Kaffeesalon führte, während sich eine aus ungleichmäßigen Stufen bestehende Treppenflucht in die oberen Stockwerke wand. Nachdem der Koffer abgesetzt und der Träger entlassen war, stieß Miss Malvern einen Seufzer der Erleichterung aus, wie jemand, der ein gefahrvolles Unternehmen hinter sich gebracht hat, und rief dann: »Sarah?«

Da nicht sogleich eine Antwort erfolgte, rief sie noch einmal und lauter, wobei sie sich zum Fuß der Treppe begab. Doch gerade als sie die unterste Stufe betrat, hörte sie, wie eine Tür am Ende des Korridors aufgestoßen wurde. Eine Frau in einem geblümten Kleid, ein altmodisches Tuch um die füllige Brust gebunden und auf dem Kopf ein gestärktes Musselinhäubchen, dessen Schleife sie unter dem Kinn geknüpft hatte, stand wie erstarrt auf der Schwelle und keuchte: »Miss Kate! Sind Sie es wirklich? Oh, mein Liebling, mein teures Lämmchen!«

Die rundlichen Arme ausgebreitet, kam sie heran, und Miss Malvern warf sich halb lachend, halb weinend hinein. Sie drückte die Frau an sich und stammelte unzusammenhängend: »Oh, Sarah, oh, Sarah! Dass ich wieder bei dir bin! Den ganzen Weg habe ich nichts anderes denken können! Oh, Sarah, ich bin so müde und mutlos, und ich wusste nicht, wo ich sonst hätte hingehen sollen, aber natürlich werde ich dir und dem armen Mr. Nidd nicht zur Last fallen. Nur so lange, bis ich eine neue Stellung gefunden habe!«

Tränen liefen Mrs. Nidd über die Wangen, doch sie sagte in tadelndem Ton: »Also, das ist wirklich keine Art, so etwas zu sagen, Miss Kate, das weißt du ganz genau! Wohin sonst solltest du wohl gehen, möchte ich gern wissen? Nun, sei erst einmal schön brav und komm mit mir in die Küche, während ich den Kessel aufsetze und ein paar Butterbrote streiche!«

Miss Malvern trocknete sich die Augen und erklärte seufzend: »Oh, Liebste, hättest du es für möglich gehalten, dass ich so empfindlich sein könnte? Es war eine so entsetzliche Reise – sechs Passagiere in der Kutsche – und als wir zum Frühstück haltmachten, war kaum Zeit für einen Schluck Kaffee.«

Mrs. Nidd, die sie in die Küche führte und auf einen Stuhl drückte, erkundigte sich: »Willst du damit sagen, Miss Kate, dass du mit der gewöhnlichen Postkutsche gekommen bist?«

»Ja, natürlich. Schließlich konnte man ja nicht erwarten, dass sie mir ihre Privatpost zur Verfügung stellten. Und wenn du an den Postwagen denkst, so bin ich ausgesprochen froh, dass sie mich nicht damit reisen ließen, denn der kam kurz nach vier Uhr morgens in London an. Was hätte ich dann nur getan?«

»Du wärest natürlich geradewegs hierhergekommen! Du lieber Himmel, Kind, was ist denn nur geschehn, dass du so plötzlich zurückkommst, ohne mir vorher ein Wort zu schreiben, dass ich dich hätte abholen können?«

»Dazu war keine Zeit mehr«, erklärte Kate. »Außerdem hätte ich keinen Freivermerk bekommen, und warum solltest du genötigt sein, für einen Brief Geld auszugeben, wenn du mich doch gleich darauf persönlich wiedersehen würdest? Ich bin entlassen worden, Sarah.«

»Entlassen?«, wiederholte Mrs. Nidd entgeistert.

»Ja, aber nicht ohne Zeugnis«, sagte Kate mit einem Augenzwinkern. »Zwar wollte Mrs. Grittleton mir keines geben, doch Mr. Astley versicherte mir, dass seine Frau es tun würde, und dass es ihr sehr leidtäte, mich zu verlieren. Und das glaube ich auch, denn wir kamen recht gut miteinander aus und ich hatte erreicht, dass die Kinder mir gehorchten.«

»Und wer ist bitte diese Mrs. Grittleton?«, fragte Mrs. Nidd und hielt im Abmessen von Teeblättern inne, die sie in eine große Kanne warf.

»Ein weiblicher Geier«, erwiderte Kate.

»Ich könnte ihr die Augen auskratzen! Aber wer ist sie wirklich, Liebling? Was hatte sie bei all dem überhaupt zu sagen?«

»Sie ist Mrs. Astleys Mutter. Sie führte überall das Kommando, das kann ich dir sagen! Sie war mir vom ersten Augenblick an nicht wohlgesonnen. Sie erklärte, ich wäre zu jung, um die Aufsicht über ihre Enkel zu übernehmen, und redete der armen Mrs. Astley ein, ich hätte aufreizende Manieren! O ja, und ich wäre ganz verschlagen und berechnend! Weil nämlich ihr grässlicher Sohn versuchte, mich zu küssen, hatte ich ihn ins Gesicht geschlagen. Ich kann einfach nicht begreifen, warum sie mich dennoch für berechnend hielt. O Sarah, du hast noch niemals ein solches Mondkalb gesehen! Er ist so töricht wie seine Schwester, doch keineswegs von so angenehmem Wesen. Sie mag eine Transuse sein – und in der Tat, das ist sie –, doch zugleich ist sie ein äußerst liebenswürdiges Geschöpf! Und wenn es stimmen sollte, dass ich zu jung bin, um die Aufsicht über die drei Kinder zu haben, so war sie jedenfalls viel zu jung, um ihre Mutter zu sein! Denk doch, sie ist nur drei Jahre älter als ich, Sarah, und noch so ein Kindskopf! Und jetzt hat sie beim vierten Kind eine Fehlgeburt erlitten, wofür Mrs. Grittleton mir die Schuld gibt! Ich muss schon sagen, es war ziemlich feige von Mr. Astley, sie nicht aus dem Haus gewiesen zu haben, weil er mir erzählte, dass es jedes Mal, wenn sie zu Besuch käme, Ärger gäbe. Und was den jungen Grittleton angeht –« Mit einem glucksenden Lachen hielt sie inne. »Was er alles über den gesagt hat, Sarah! Ich konnte nicht anders als lachen! Und dabei waren die Absichten dieses abscheulichen Menschen durchaus ehrbar! Er machte mir einen Heiratsantrag! Und das war es natürlich auch, was Mrs. Grittleton so in Wut brachte, denn ich konnte, so sehr ich mir auch Mühe gab, sie nicht davon überzeugen, dass nichts mich dazu bringen könnte, ihren widerlichen Sohn zu heiraten. Sie raste wie eine Teufelin und brachte mit ihrem Schelten die arme Mrs. Astley so in Verzweiflung, dass sie in heftige Krämpfe fiel und eine Fehlgeburt erlitt. So blieb Mr. Astley nichts anderes übrig, als mich zu entlassen. Ich muss zugeben, dass er sich sehr anständig verhielt, indem er mich für das ganze Jahr bezahlte und nicht nur für die sechs Monate, die ich dort tatsächlich gearbeitet habe; zudem ließ er mich in seinem eigenen Wagen zur Posthalterei fahren. Aber wenn ich bedenke, dass er mir sagte, nach seiner Meinung wäre ich nicht zu tadeln, dann kann ich nicht umhin, es feige von ihm zu finden, dass er statt meiner nicht Mrs. Grittleton aus dem Hause gewiesen hat!«

»Feige?«, stieß Mrs. Nidd hervor, während sie den Deckel von einem der auf dem Feuer stehenden Kochtöpfe hob und seinen Inhalt wütend umrührte, »das kannst du wohl sagen – und so sind sie alle! Das ist typisch Mann – sie tun alles, nur um ihre Ruhe zu haben!« Sie setzte den Deckel wieder auf den Topf und wandte sich danach mit besorgtem Gesicht ihrem Schützling zu. »Ich möchte ja nicht gerade sagen, du hättest den Antrag des jungen Grittleton annehmen sollen, aber – oh, Herzchen, was soll denn jetzt geschehen?«

»Ich muss mir natürlich eine andere Stellung suchen«, erwiderte Kate. »Ich habe vor, noch heute das Vermittlungsbüro aufzusuchen. Nur –« Sie stockte und blickte zögernd zu Mrs. Nidd.

»Nur was?«, fragte dieselbe.

»Nun, ich habe mir da etwas überlegt, Sarah, und obwohl ich weiß, dass du nicht einer Meinung mit mir sein wirst, glaube ich doch, dass ich gut beraten wäre, wenn ich mir eine Stellung als – als Hausangestellte suchen würde.«

»Als Haus... Niemals, so lange ich noch am Leben bin!«, erklärte Mrs. Nidd. »Der Himmel mag wissen, dass es mir schon schwer wurde, zuzusehen, dass du Erzieherin wurdest, aber das war doch wenigstens etwas Vornehmes. Wenn du aber daran denkst, als Küchenmädchen oder –«

»Ich glaube kaum, dass jemand, der seine fünf Sinne beisammenhat, mich als Küchenmädchen einstellen würde«, unterbrach Kate lachend. »Du weißt doch, dass ich nicht einmal ein Ei braten kann, ohne es anbrennen zu lassen. Nein, ich glaube vielmehr, dass ich mich recht gut – oder jedenfalls einigermaßen – zur Kammerzofe eignen würde. Wirklich, ich möchte sogar behaupten, dass ich mich zur Kammerfrau hocharbeiten könnte. Und du weißt, dass ich dann eine einflussreiche Person wäre, ganz abgesehen davon, dass ich damit ein Vermögen erwerben könnte. Mrs. Astleys Wirtschafterin hat eine Cousine, die bei einer vornehmen Dame Kammerfrau ist, und du kannst dir gar nicht vorstellen, wie viel Geld sie hat!«

»Kann ich mir in der Tat nicht vorstellen!«, gab Mrs. Nidd zurück. »Und selbst wenn ich es könnte –«

»Aber es ist wirklich wahr!«, beharrte Kate. »Erstens kann eine erstklassige Kammerfrau einen viel höheren Lohn verlangen als eine einfache Erzieherin, und außerdem ist sie eine viel angesehenere Person. Es sei denn, die Erzieherin wäre außergewöhnlich gut ausgebildet und in der Lage, die ihr anvertrauten Kinder in allen vornehmen Fertigkeiten zu unterrichten. Und du weißt, selbst dann schiebt ihr niemand Geldstücke oder Scheine zu, um ihr Wohlwollen zu erringen!«

»Also, ich muss schon sagen!«, fuhr Mrs. Nidd erregt auf.

In Kates Augen tanzte der Schelm. »Das ist empörend, nicht wahr? Aber wer arm ist, kann nicht wählerisch sein, und ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass es mir wichtiger ist, Wohlstand und jedenfalls eine gewisse Unabhängigkeit zu erringen, als meinen vornehmen Stand zu bewahren. Nein, nein, hör nur zu, Sarah! Du musst wissen, dass ich keine besonderen Talente habe. Ich kann nicht Italienisch, ich kann nicht Klavier spielen, geschweige denn Harfe, und selbst wenn die Leute ihre Kinder Spanisch lehren lassen wollten, was sie übrigens gar nicht wollen, dann glaube ich kaum, dass sie mit dem Soldatenjargon einverstanden wären, der alles ist, was ich von der spanischen Sprache beherrsche. Andererseits verstehe ich mich aufs Nähen und kann wirklich wundervolle Frisuren machen. Einmal habe ich Mrs. Astley frisiert, als sie zu einem Ball gehen wollte und ihre Zofe ihr das Haar einfach stümperhaft zurechtgemacht hatte. Das –«

»Nein!«, erklärte Mrs. Nidd in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. »Jetzt trinkst du schön deinen Tee und isst dein Butterbrot, und bitte kein Wort mehr von diesem Unsinn! Dass ich mir so ein Gerede überhaupt anhöre! Und dass du mir nicht mehr davon sprichst, du würdest mir oder Nidd zur Last fallen, denn das ist durchaus nicht der Fall, und ich finde es gar nicht nett von dir, Miss Kate, so etwas überhaupt zu äußern!«

Kate ergriff ihre Hand und schmiegte ihre Wange hinein. »Nein, nein, Sarah! Du weißt selbst, dass ich Recht habe. Wie unverschämt wäre es von mir, mich dir einfach aufzudrängen. Wenn ich daran denke, wie viel Arbeit du hast, da doch der alte Mr. Nidd bei euch lebt, und seine vielen Enkel, die du beherbergen und verpflegen musst, finde ich, dass es schon ziemlich rücksichtslos von mir ist, auch nur zu einem kurzen Besuch herzukommen! Ich könnte nicht für immer hierbleiben, Sarah, Liebste! Das musst du doch zugeben!«

»Nein, das könntest du nicht«, bestätigte Mrs. Nidd. »Es wäre unpassend. Nicht nur, weil da diese drei Enkelsöhne sind, von denen einer bei seiner Mama lebt – das ist Joes Schwester Maggie, übrigens das ungeschickteste Geschöpf, das du dir denken kannst! Aber sonst ist nichts Schlechtes über sie zu sagen, und ich muss zugeben, dass sie jederzeit bereit ist, herzukommen und mir ein wenig zu helfen – wenn man das, was sie vollbringt, Hilfe nennen kann! Nein, aber der Hof eines Fuhrgeschäftes ist kein Platz für dich, Herzchen, und das weißt du selbst nur zu gut! Wir werden uns schon etwas einfallen lassen, mach dir nur keine Sorgen!«

»Ich habe mir ja schon etwas einfallen lassen«, sagte Kate schalkhaft.

»Nein, das hast du nicht, Miss Kate. Du bist von dieser grässlichen Postkutsche durcheinandergerüttelt und ganz verwirrt von dem Skandal, den diese Mrs. Brimstone, oder wie sie sonst heißen mag, angerichtet hat. Du wirst dich gleich ganz anders fühlen, wenn ich dich erst ins Bett gesteckt habe, was ich noch in derselben Minute zu tun gedenke, in der du deinen Tee ausgetrunken hast. Du wirst dich erst einmal ausschlafen, und wenn du dann wieder wach bist, wirst du im Wohnzimmer oben dein Mittagessen einnehmen, und dann wollen wir sehen, was weiter zu tun ist.«

Kate seufzte. »Ich bin wirklich sehr müde«, gab sie zu, »aber ich würde so gern mein Mittagessen unten bei euch verzehren. Ich möchte nicht –«

»Es gibt Ochsenfleisch mit Mehlklößen«, unterbrach Mrs. Nidd. »Jawohl! Aber ich möchte es nicht haben, Miss Kate, und auch Nidd und den Jungen wäre es nicht recht, denn wenn sie sich in Gesellschaft einer jungen Dame zu Tisch setzen müssten, würde sie das in größte Verlegenheit wegen ihrer Manieren und so weiterbringen, was ihnen ganz und gar den Appetit verschlagen würde! Darum tu nur, was Sarah dir sagt, Herzchen, und –«

»– und sei überzeugt, dass Sarah am besten weiß, was richtig ist!«, ergänzte Kate kapitulierend.

»Worauf du dich verlassen kannst!«, erklärte Mrs. Nidd.

Miss Malvern war weder so jung noch so naiv, wie ihre blumenhafte Erscheinung fremde Leute häufig vermuten ließ. Sie war vierundzwanzig Jahre alt, und ihr Leben hatte sich durchaus nicht in der geborgenen Atmosphäre eines Schulzimmers abgespielt. Sie war der einzige Nachkömmling einer heimlichen Ehe zwischen dem charmanten, aber bedauerlicherweise untüchtigen Spross einer vornehmen Familie und einem romantischen jungen Mädchen von großer Schönheit, jedoch von etwas geringerem Stand. Kate war in einer Garnisonsstadt geboren worden und in einer Reihe verschiedener Unterkünfte aufgewachsen. Die aus ihrem Elternhaus entflohene junge Frau, die Captain Malvern sich erobert hatte, enttäuschte ihre empörten Verwandten dadurch, dass sie nicht das geringste Bedauern darüber empfand, von ihnen verstoßen worden zu sein. Und sie strafte alle Voraussagen Lügen, indem sie so albern verliebt blieb, dass weder die Unbequemlichkeiten eines dem Zug der Armee folgenden Lebens noch die Verirrungen ihres leichtsinnigen Gatten ihrer Liebe Abbruch taten oder ihr den Frohsinn raubten. Sie erzog Kate in dem Glauben, dass Papa die Verkörperung jeglicher Tugend wäre (die peinlichen Situationen, in denen er sich von Zeit zu Zeit befand, waren nicht auf seine Unzuverlässigkeit, sondern auf seine übergroße Gutmütigkeit zurückzuführen) und dass es die Pflicht seiner Frau und seiner Tochter wäre, ihn zu verwöhnen. Sie starb in Portugal, als Kate zwölf Jahre alt war, und beschwor ihr Kind fast noch mit dem letzten Atemzug, gut für Papa zu sorgen. Unterstützt von ihrer energischen Kinderfrau Sarah, hatte Kate ihr Bestes getan. Sarah gab sich keinen Illusionen hin, doch wie fast alle Menschen, die ihn näher kannten, verfiel sie seinem bezwingenden Charme. »Der arme Herr!«, sagte sie damals nach seiner Beerdigung. »Er hatte seine Fehler, wie sie auch die Besten unter uns haben – womit ich allerdings nicht sagen will, dass er zu den Besten gehörte, denn ich halte nun einmal nichts davon, wenn man ein falsches Lob singt, und es gibt kaum jemand, der besser weiß als ich, wie wenig man sich auf ihn verlassen konnte, denn die Art, in der er sein Geld verschwendete, brachte mich so in Wut, dass ich manchmal nicht wusste, wie ich noch meine Zunge zähmen sollte. Er dachte nie an den nächsten Tag, und meine arme Herrin ebenso wenig. Man wusste nie, wie es stand – an einem Tag war nicht einmal genug Geld da, um ein mageres Hühnchen auf dem Markt zu kaufen, und am nächsten konnte er schon mit der jubelnden Ankündigung heimkommen, dass er gewonnen hatte, und dann hatten er und meine Herrin nichts anderes im Kopf, als das Geld auf raschestem Wege wieder auszugeben. Gewiss, er hat mir einmal erklärt, dass es keinen Zweck hätte, ihn deshalb zu tadeln, dass er in gewöhnliche Spielkasinos ginge, denn er sei mit einer Sprungfeder im Ellbogen geboren worden, und die Kartenspiele, oder was sonst beim Regiment üblich sei, böten ihm keinen Anreiz, weil fast alle Offiziere, wie übrigens auch er selbst, nur von ihrem Sold lebten. Aber das muss ich ihm schon zugutehalten: Es hat auf der Welt niemals einen friedlicheren und gutmütigeren Mann gegeben als ihn!«

»Ja, ja«, hatte Mr. Nidd einigermaßen zweifelnd zugestimmt. »Obwohl mir scheinen will, dass er sich Miss Kate gegenüber nicht sehr anständig verhielt, indem er sie mit einem Haufen Schulden zurückließ und keine Mittel, sie zu bezahlen, außer dem Geld, das er gewonnen hatte – oder was davon noch übrig war, und das war, wie du mir erzähltest, nicht allzu viel.«

»Er dachte immer, er würde einmal ein Vermögen gewinnen! Und wie sollte er ahnen, dass er auf solche Weise enden würde? Oh, Joe, ich wünschte, er wäre bei Waterloo gefallen, denn dies ist schlimmer als alles andere. Wenn ich daran denke, wie vergnügt und elegant er immer war, gleichgültig, ob er im Geld schwamm oder bis zum Hals in Schulden steckte, und mir dann vorstelle, dass er von einer gewöhnlichen Mietskutsche überfahren wurde, dann bin ich froh, dass meine arme Herrin das nicht mehr erlebt hat, was ich nie für möglich gehalten hätte! Und da steht nun mein Lämmchen Kate ganz allein, ohne ein Sixpencestück zum Leben, und hing doch so sehr an ihrem Papa! Ich hätte dich niemals heiraten sollen, Joe, und es liegt mir schwer auf der Seele, dass ich mich von dir dazu überreden ließ, denn wenn Miss Kate mich jemals brauchte, dann jetzt!«

»Ich brauche dich aber auch, Sarey«, hatte Mr. Nidd etwas schwerfällig gesagt.

Sarah, die den Ausdruck ängstlicher Besorgnis auf seinem Gesicht bemerkte, tupfte sich die Augen und drückte ihm einen herzhaften Kuss auf die Wange. »Und du bist ein guter, liebevoller Ehemann, Joe. Wenn mehr Menschen sich als so treu erweisen würden, wie du es bist, sähe es auf der Welt viel freundlicher aus«, erklärte sie.

Tief errötend hatte Mr. Nidd einen unartikulierten Protest hervorgebracht. Doch dieses seltene Lob von Seiten seiner scharfzüngigen Ehegefährtin war wohlverdient gewesen. Er, der sich in die viel jüngere Sarah verliebt hatte, die gerade im Begriff stand, ihre Herrin und das ihr anvertraute Kind nach Portugal zu begleiten, und die seinen Heiratsantrag zurückgewiesen hatte, war in der Tat seiner Liebe treu geblieben. Sieben Jahre später (›Genau wie Jakob!‹, hatte Kate gesagt, als sie ihrer Kinderfrau zuredete, ihr Jawort zu geben), als Sarah mit ihrem verwitweten Herrn und seiner Tochter nach England zurückkehrte, hatte Joe Nidd seinen Antrag wiederholt und war für seine Beständigkeit belohnt worden: Miss Sarah Publow hatte ihren Familiennamen in Nidd geändert und keine Sekunde gezögert, in der Familie ihres Mannes die Führung zu übernehmen und deren Vermögen bedeutend zu vermehren. Innerhalb eines Jahres hatte sie ihren betagten Schwiegervater mit Schmeicheln und Drängen dahin gebracht, seine eifersüchtig gehorteten Ersparnisse zum Erwerb des Gasthofes zu verwenden. So verfügte die Firma jetzt über ausreichende Räumlichkeiten und war von einem Ein-Mann-Betrieb zu einem Unternehmen geworden, das mit der Firma Pick Jord konkurrieren konnte. Von ihrem Mann wurde Sarah vergöttert; sein Vater, der keine Gelegenheit ausließ, sich mit ihr zu streiten, hatte angeblich gegenüber seinen Freunden im »Cock«, nachdem er sich ausreichend mit dem, was er wenig elegant »Magensaft« nannte, besänftigt hatte, geäußert, sie wäre eine »sichere Karte«. Seine Schwestern schwankten zwischen nutzloser Ablehnung ihrer Machtposition und behaglichem Vertrauen auf ihre Bereitschaft, ihnen in jeglicher Schwierigkeit beizustehen. Seine Neffen, alle ebenso wortungewandt wie er selbst, pflegten lediglich zu sagen, dass man nirgendwo ein besseres Dinner bekäme als bei Tante Sarey.

Selbst Miss Malvern wandte sich trotz ihrer inzwischen vierundzwanzig Jahre bei Schwierigkeiten instinktiv an sie und fühlte sich durch Sarahs ruhige Umsichtigkeit unbewusst beruhigt. Als sie ins Bett gesteckt und ihr erklärt worden war, dass kein Grund zur Aufregung bestünde und sie jetzt lieber schlafen sollte, da überlegte Kate, während sie sich in die weichen Federkissen schmiegte, dass sie möglicherweise doch zu sehr ein Opfer der eigenen Verzagtheit geworden war und dass Sarah wirklich am besten wusste, was gut war.

Doch Sarah, die wieder in die Küche hinunterstapfte, war weit davon entfernt, ruhige Umsichtigkeit zu empfinden. Zwar verriet das Mittagessen, das sie gleich darauf ihrem Mann, ihrem Schwiegervater, einem ihrer Neffen und den zwei im Stall beschäftigten Knechten vorsetzte, nichts von ihrer inneren Verwirrung, doch aß sie selbst nur wenig von ihrer Portion, und die Antworten, die sie gab, wenn eine Bemerkung an sie gerichtet wurde, waren ein wenig kurz angebunden. Dieser Umstand entging weder Mr. Nidd senior noch Mr. Nidd junior. Als jedoch der Jüngere sich besorgt erkundigen wollte, ob irgendetwas nicht in Ordnung sei, schnitt sein feinfühliger Erzeuger ihm das Wort ab. Stattdessen verlangte er selbst in freundlichem Ton von Sarah zu erfahren, ob das nicht Miss Kate gewesen sei, die er vor einer Weile über den Hof habe gehen sehen. »Und ich hoffe, dass sie es war«, sagte er, während er die Sauce auf seinem Teller mit einem großen Stück Brot auftunkte, »denn sie hat mir vom ersten Augenblick an, als ich sie zu Gesicht bekam, gut gefallen, und so ist sie herzlich willkommen. Ich habe nie ein hübscheres Mädchen gesehen, und sie hat überhaupt kein anspruchsvolles Getue an sich. Immer blitzsauber und wie aus dem Ei gepellt, und gerade weil sie Leute wie uns nicht hochnäsig behandelt, ist sie eine wirkliche Dame. Merk dir das, Ted!«, schloss er und fuhr mit solcher Heftigkeit unvermittelt zu seinem Enkelsohn herum, dass diesem sein Messer aus der Hand fiel. »Wenn du dich ihr gegenüber ungebührlich benimmst, prügle ich dich windelweich!«

Die Ehrfurcht, die seine Nachkommen ihm entgegenbrachten, war von solcher Art, dass der junge Ted, ein muskulöser Riese, an dieser Drohung nichts Absurdes fand, sondern in hastigem Gestammel seinem Großvater versicherte, dass ihm nichts ferner läge, als Miss Kate ungebührlich zu begegnen. Dieser nahm die Erklärung zwar entgegen, brachte dann jedoch die beiden Stallburschen zum Erzittern, indem er sagte: »Und was euch angeht, so bleibt ihr dem Mädchen aus dem Weg, ihr zwei Holzklötze!«

An diesem Punkt mischte sich Sarah ein und erklärte ihrem Schwiegervater, dass durchaus kein Anlass bestünde, die armen Burschen derart herunterzumachen; gleichzeitig versorgte sie die beiden mit großzügig bemessenen Portionen Apfelkuchen. Ihre Worte klangen zwar scharf, doch war sie von dem Tribut, der ihrem Liebling gezollt worden war, nicht unbeeindruckt; und als die jüngeren Teilnehmer der Tischrunde sich zurückgezogen hatten und Mr. Nidd sie bat, nun mit ihren Sorgen herauszurücken, sagte sie mit wesentlich sanfterer Stimme: »Ach, nun, eigentlich sollte ich keine gedrückte Stimmung haben, Vater. Aber ich mache mir Sorgen – das kann ich nicht leugnen.«

»Aha!«, entgegnete Mr. Nidd. »Und zwar wegen Miss Kate. Das habe ich mir fast gedacht. Was hat sie denn so plötzlich nach London zurückgebracht? Aber da brauchst du mir eigentlich gar nicht viel zu erzählen, denn ich bin ja nicht auf den Kopf gefallen. Irgendjemand hat versucht, ihr eins auszuwischen, was ich sowieso erwartet hatte, denn das ist doch klar, dass eine so auffallende Schönheit wie sie, der gewisse Leute, die es besser wissen müssten, erlauben, ohne Schutz im Lande umherzureisen, in Schwierigkeiten geraten muss.«

»Ja! Das weiß ich nur zu gut!«, rief Sarah, aufgebracht über diesen deutlich auf sie geführten Hieb. »Aber was konnte ich denn tun, wenn sie es doch nun einmal so beschlossen hatte und dazu arm war wie eine Kirchenmaus? Ich dachte, bei dieser Mrs. Astley würde sie in guter Obhut sein!«

»Da hast du dich eben geirrt, mein Mädchen«, erklärte Mr. Nidd mit einer gewissen Genugtuung. »Denn wenn nun Mrs. Astleys Ehegespons ein Schürzenjäger ist –«

»Er nicht!«, unterbrach Sarah mit hochroten Wangen. »Er hat sich Miss Kate gegenüber sehr anständig verhalten! Vielmehr war es Mrs. Astleys Bruder! Und auch der scheint kein Schürzenjäger zu sein, obwohl er natürlich kein Recht hatte, Miss Kate küssen zu wollen. Aber er hat ihr einen Heiratsantrag gemacht!«

»Nun«, erklärte Mr. Nidd, »das ist immerhin etwas. Was Miss Kate braucht, ist ein Ehemann!«

»Du brauchst nicht zu denken, dass ich das nicht selbst wüsste, Vater! Wenn dieser junge Grittleton ihr zugesagt hätte, würde ich Gott auf meinen Knien gedankt haben, selbst wenn sie sich mit dieser Verbindung unter ihren Stand begeben hätte. Schließlich ist sie vornehmer als diese Astleys. Aber sie wollte nicht. Er sei ein richtiges Mondkalb, hat sie gesagt.«

»Nun, und so etwas kann sie nicht brauchen«, sagte Mr. Nidd und ließ damit jegliches Interesse an dem jungen Grittleton fallen. »Was gedenkt sie denn jetzt zu tun, Sarey?«

»Sie will sich als eine gewöhnliche Zofe verdingen!«, erwiderte Sarah voll Bitterkeit.

Bei dieser Eröffnung blickte der jüngere Mr. Nidd völlig konsterniert drein und erklärte, dass man ihr etwas derartiges auf keinen Fall erlauben dürfte. Schüchtern fügte er hinzu: »Wenn sie sich herablassen würde, hier zu leben, während du, Sarah, dich um sie kümmerst, würden wir stolz sein, sie bei uns zu haben, nicht wahr, Vater?«

»Es hat nichts zu bedeuten, was wir sein würden oder nicht: Es wäre einfach unpassend!«, erwiderte Mr. Nidd sogleich. »Wenn du überhaupt jemals ein Quäntchen Verstand gehabt hast, möchte ich wohl wissen, wo das geblieben ist. Wie ich zu einem Sohn komme, der nicht mehr ist als ein ungeschickter Tölpel, werde ich nie begreifen, und wenn ich hundert Jahre alt werde!«

»Gewiss! Aber ebenso wenig werde ich begreifen, wie du zu einem Sohn mit einem so guten Herzen kommst!« Sarah war sofort bereit, Joe zu verteidigen. Der von ihm murmelnd hervorgebrachte Protest veranlasste sie, ihm die Hand zu streicheln und in besänftigtem Tone fortzufahren: »Ich will dich bestimmt nicht beleidigen, Vater, aber ich kann es nun einmal nicht leiden, wenn du Joe beschimpfst. Allerdings hat er recht, Joe: Es wäre unpassend! Doch wie ich sie daran hindern soll, etwas zu tun, das unter ihrem Stande ist, weiß ich wirklich nicht! Vielleicht weiß Vater, schlau wie er ist, einen Rat!«

»Worauf du dich verlassen kannst!«, erklärte Mr. Nidd mit triumphierendem Funkeln in den Augen. »Im Nachdenken bin ich dir wirklich voraus, Sarey! Was Miss Kate braucht, ist ein Heimatrecht bei ihrer eigenen Verwandtschaft.«

»Richtig! Das braucht sie wirklich!«, pflichtete sein Sohn ihm bei, überwältigt von solcher Klugheit.

»Ich habe das schon gesagt, als der Major starb, und ich sage es wieder«, fuhr Mr. Nidd fort. »Man hätte ihren Verwandten schreiben sollen. Und jetzt erzähle mir nicht wieder den Blödsinn, dass sie keine Verwandten hat, wie damals, Sarey! Jeder von uns hat irgendwelche Verwandten.«

»Ja«, erwiderte Sarah langsam. »Aber da ist niemand mehr von der Seite meiner Herrin als eine Schwester, und wenn die einen Finger für Miss Kate rühren sollte, müsste sie sich schon mächtig verändert haben seit dem Tag, als ich sie kennenlernte! Außerdem würde Miss Kate mit dieser Sippe nichts zu reden haben, und ich würde es auch selbst gar nicht wollen, so, wie sie sich ihrer Mama gegenüber verhalten haben! Ich will nicht leugnen, dass sie möglicherweise einige Vettern und Basen hat, aber ich weiß nicht, wer sie sind oder wo sie leben. Und was den Major angeht, so habe ich ihn niemals von irgendwelchen Verwandten außer seiner Halbschwester reden hören, die sich um ihn ebenso wenig kümmerte wie er sich um sie. Sie heiratete einen Herrn mit Adelstitel und Grundbesitz – Staplewood hieß das Gut –, was den Major zum Lachen brachte, als er es las, und ihn zu meiner Herrin sagen ließ, dass es niemand gäbe, der ehrgeiziger wäre als seine Schwester, und dass es ihn nur wunderte, wie sie sich mit einem Baronet zufriedengeben konnte, anstatt sich einen Herzog, einen Marquis oder etwas Ähnliches zu angeln. Ich glaube allerdings, dass es ein ziemlich hochgestellter Baronet gewesen sein muss, denn der Major sagte damals: ›Gut gemacht, Minerva! Kein Geringerer als Broome von Staplewood!‹ Und meine Herrin erzählte mir, dass es eine sehr alte Familie sei, die seit ich weiß nicht wann auf Staplewood residierte – und alle seien sie stolz wie die Pfauen. Aber ich weiß nicht, wo das liegt, und es hätte auch nichts zu bedeuten, wenn ich es wüsste, denn der Major sagte damals, dass seine Schwester sich nun weit über sein Niveau erhoben hätte, und dass er sich würde glücklich schätzen müssen, wenn er bei einem künftigen Treffen noch mit einem lässigen Kopfnicken bedacht würde, vorausgesetzt, dass ihn nicht der Schlag träfe!« Ihre Augen füllten sich plötzlich mit Tränen. Sie wischte sie weg und fuhr fort: »Er steckte immer so voller Spaß und Unsinn, der arme liebe Herr! Wenn ich nur daran denke, wie er … Aber es hat keinen Zweck, über etwas nachzugrübeln, was geschehen ist und nicht mehr ungeschehen gemacht werden kann! Tatsache ist, dass man kaum erwarten kann, dass diese Frau irgendetwas tun würde, um Miss Kate zu helfen, wenn sie schon zu stolz geworden ist, um sich ihrem eigenen Bruder gegenüber höflich zu benehmen. Außerdem weiß ich überhaupt nicht, wo diese Dame lebt!«

»Das hat nichts zu sagen«, erwiderte Mr. Nidd ungeduldig. »Es gibt ja schließlich Bücher, aus denen du erfahren kannst, wo der Adel und die vornehmen Gutsbesitzer wohnen. Und dann gibt es auch noch Adressbücher. Ich bin vielmehr der Überzeugung, dass eine so stolze Lady nicht damit einverstanden wäre, wenn ihre Nichte sich verdingt, wie Miss Kate es im Sinn hat. – Nun, was ist denn mit dir, Joe?«

Der jüngere Mr. Nidd, der dagesessen war, die Stirn in heftigem Nachdenken gerunzelt, öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen, schloss ihn dann wieder, schluckte und erwiderte schließlich schüchtern, dass er fast glaube, er wüsste es.

»Was wüsstest du?«, fragte sein Erzeuger gereizt.

»Staplewood«, brachte Joe hervor. »Ja, richtig, das war es! Market Harborough! Wenn man’s genau nimmt, ist es nicht da, aber anscheinend in der Nähe. Weil doch der Auftrag lautete, die Ladekiste im ›Angel‹ abzuladen. Wahrscheinlich haben sie dann einen Karren oder vielleicht auch einen Ackerwagen hingeschickt, um sie abzuholen. Ich weiß nicht mehr, was es war, aber ich habe es noch im Kopf, dass es eine große Ladekiste war, so eine, wo man ein Piano hineinpacken könnte – obwohl ich mir nicht sicher bin, ob es ein Piano war, versteht ihr?«

»Nein, und es ist auch ganz gleichgültig, selbst wenn es ein Küchenherd gewesen wäre!«, erklärte Mr. Nidd. »Alles, was wir wissen wollen –«

»Du hast es getroffen, Dad!«, brachte Joe hervor, während die Sorgenfalten auf seiner Stirn von einem breiten Grinsen vertrieben wurden. »Also du bist mir schon einer!«, sagte er dann in liebevoller Bewunderung. »Ein Bodley-Range-Herd – genau das war es! Mir fiel es in dem Augenblick ein, als du ›Herd‹ sagtest!«

Beschwörend blickte Mr. Nidd gen Himmel. »Achte nicht auf ihn, Sarey!«, bat er. »Er hat immer schon ein Rädchen zu viel gehabt, und er ändert sich auch nicht mehr. Du hast jetzt nichts anderes zu tun, als einen Brief an Miss Kates Tante zu schreiben und ihr mitzuteilen, dass Miss Kate ziemlich in der Patsche sitzt und die Absicht hat, sich sehr wahrscheinlich als Hausmädchen oder als Verkäuferin zu verdingen. Du musst ihr erklären, wer du bist, und dass der Major ganz plötzlich gestorben ist, was sie vielleicht noch nicht weiß. Aber gib acht, dass es keine endlose Geschichte wird. Wenn du nämlich quer darüberschreibst, wette ich zehn zu eins, dass sie es nicht lesen kann; und wenn du ein zweites Blatt nimmst, wird sie dafür bezahlen müssen, und das könnte ihr vielleicht gar nicht passen, ebenso wenig wie jedem anderen!«

»Aber Vater!«, protestierte Sarah. »Ich weiß nicht, ob das gut ist!«

»Gewiss nicht, und ich weiß es ebenso wenig«, gab Mr. Nidd gnädig zu. »Doch niemand kann sagen, ob es möglicherweise nicht doch etwas Gutes bringt, und wenn es nicht so ist, dann kann es zumindest nicht schaden. Du tust, was ich dir gesagt habe, Mädchen. Und fang nicht wieder an zu widersprechen! Ich will zugeben, dass du mehr Grips besitzt als die meisten anderen Frauenzimmer, aber du hast in deinem Oberstübchen doch nicht so viel sitzen wie ich, glaub mir das!«

Kapitel 2

Der Brief wurde geschrieben und – unter der Aufsicht von Mr. Nidd, der sich als strenger Kritiker erwies – umgeschrieben, doch geschah dies alles nicht ohne ein Gefühl von banger Ahnung. Sarah wusste recht gut, wie wenig Miss Kate das alles gefallen würde. Sie fühlte sich hin- und hergerissen zwischen der Hoffnung, dass der Brief eine Antwort von Lady Broome bewirken möge, und der Furcht, dass sie Miss Kates Unwillen auf sich ziehen würde. Ihr Schwiegervater allerdings hielt ihr einen Vortrag darüber, was für schlimme Folgen es haben könnte, wenn man vor etwas zurückschreckte, was nichts anderes als Menschenpflicht sei. Er stand wachsam daneben, als sie das einzelne Blatt zusammenfaltete, es mit einem Kleber verschloss und sorgfältig an Lady Broome adressierte. Gleich darauf entriss er ihr den Brief mit der Bemerkung, dass er schon selbst mit Miss Kate reden würde, falls sie ärgerlich werden sollte.

»Ich hoffe sehr, dass du das nicht tun wirst!«, sagte Sarah, die mit Missbilligung und einer gewissen Beunruhigung bemerkt hatte, dass ihr Schwiegervater Vorliebe für Kates Gesellschaft zeigte.

»Jetzt reg dich nur nicht auf!«, befahl ihr Mr. Nidd. »Wir haben keinen Grund, ihr ein Wort zu sagen, ehe du eine Antwort auf diesen Brief erhältst; und wenn keine Antwort kommt, braucht Miss Kate es überhaupt nicht zu erfahren! Und du brauchst dir auch nicht jedes Mal Gedanken zu machen, wenn sie und ich ein Schwätzchen halten!«, fügte er etwas schroff hinzu. »Sie und ich, wir kommen recht gemütlich miteinander aus.«

»Ja, Vater ich weiß!«, erklärte Sarah hastig. »Aber du sagst manchmal Sachen!«

»Ich möchte wetten, dass sie von mir nichts Schlimmeres hört, als sie es von den Soldaten ihres Herrn Papa gewohnt war!«, erwiderte Mr. Nidd.

Da dies nicht zu bestreiten war, gab Sarah klein bei. Auch als sie Kate bat, ihn nicht zu ermutigen, dass er sich ihr aufdrängte und sie mit seinem Geschwätz langweilte, antwortete Kate nur mit einem Lachen und der Bemerkung, dass seine Besuche im Wohnzimmer ihr Spaß machten. »Ich habe ihn gern!«, erklärte sie. »Und von wegen langweilen – er bringt mich zum Lachen, weil er so spaßig ist. Und außerdem gibt er mir manchen guten Rat, das kann ich dir sagen! Manchmal schimpft er auch mit mir.« In ihren Augen funkelte es schelmisch. »Er hat mir gesagt, dass ich nicht viel mehr als eine leichtsinnige Person wäre, wenn ich mich auf die erste sich bietende Chance stürzte wie ein Hahn auf die Brombeere. Leider hat sich nur noch keine Chance geboten! Ich habe mir erlaubt, ihn zu fragen, ob Hähne sich denn wirklich auf Brombeeren stürzen, worauf er mir ohne das geringste Zögern erwiderte, die dummen täten das schon. Er ist übrigens auch der Meinung, dass ich schlecht beraten wäre, wenn ich mir eine Anstellung bei einer Putzmacherin oder einer Schneiderin suchte. Das war ein Einfall, der mir neulich in den Sinn kam, denn ich weiß, wie man modische Kleider näht, und Hüte und Hauben verstehe ich auch aufzuputzen, nicht wahr, Sarah?«

Entsetzt über die Feststellung, dass die Prophezeiung ihres Schwiegervaters anscheinend Wirklichkeit werden sollte, erwiderte Sarah: »Gewiss, Miss Kate, aber das würde nicht gut gehen – ich versichere dir, das würde nicht gut gehen!«

»Ja, ja, dasselbe sagt auch Mr. Nidd. Er meinte, es wäre nichts als eine Plackerei, es sei denn, ich hätte das Geld, selbst ein Geschäft zu eröffnen, was natürlich nicht der Fall ist.« Sie runzelte die Stirn. »Er glaubt übrigens auch nicht, dass ich Zofe werden könnte. Ich muss sagen, dass er mich ein wenig deprimiert – aber vielleicht irrt er sich bei dem, was er sagt.«

»Nein, Schätzchen, er hat recht!«, erwiderte Sarah mit Nachdruck. »Hör zu, mein Liebchen, du wirst doch nicht verzagen, nur weil diese Mrs. Lasham, zu der man dich geschickt hat, dich nicht einstellte!«

»Nein«, erwiderte Kate ein wenig verloren. »Wirklich, wenn ich die Wahrheit sagen soll, Sarah, dann möchte ich gar keine Erzieherin sein!« Als sie Sarahs besorgte Miene bemerkte, lächelte sie und fuhr fort: »Ich werde natürlich eine werden, wenn ich jemand finde, der mich anstellt, aber ich bin nun einmal nicht so wie du, weißt du? Ich kann mir vorstellen, dass es dich entsetzt, wenn ich so etwas sage, aber ich finde es sterbenslangweilig, mich mit Kindern abgeben zu müssen, besonders wenn es die verzogenen Gören anderer Leute sind!«, schloss sie mit Nachdruck.

»Du würdest es sicherlich nicht langweilig finden, wenn es deine eigenen wären, Herzchen«, vermutete Sarah voll Zuversicht.

»Möglicherweise nicht. Aber ich möchte behaupten, dass wir das niemals erfahren werden, weil es höchst unwahrscheinlich ist, dass ich jemals heiraten werde«, sagte Kate, nicht in bedauerndem Ton, sondern wie jemand, der leidenschaftslos die gegebenen Möglichkeiten betrachtet. Sarah widersprach, doch Kate schüttelte den Kopf. »Gewiss, es ist richtig, dass dieser Grittleton mir einen Antrag gemacht hat, aber eigentlich hatte er nicht den geringsten Wunsch, das zu tun, und ich bilde mir keineswegs ein, dass er es jemals getan hätte, wenn Mr. Astley ihm nicht eine solche Standpauke gehalten hätte. Gewiss habe ich auch Anträge bekommen, als ich noch jung war, aber –«

»Was kommt wohl jetzt?«, rief Sarah. »Als du noch jung warst – nein, wirklich! Du liebe Zeit, du bist ja jetzt kaum mehr als ein Baby, Miss Kate!«

»Aber ich bin nun einmal kein Baby mehr, Sarah: Ich bin vierundzwanzig, und wenn ich in der üblichen Weise in die Gesellschaft eingeführt worden wäre, erlebte ich jetzt schon meine fünfte Saison, und jedermann würde sagen, dass ich eine alte Jungfer bin.«

»Nun, das würden sie ganz gewiss nicht, weil du nämlich schon längst verheiratet wärst, Miss Kate! Und was die Anträge betrifft, die man dir machte, als der Major noch lebte, so ist es gut, dass du keinen davon angenommen hast, denn es war kein junger Mann darunter, den deine Mama als eine gute Wahl betrachtet hätte! Außerdem hättest du den Major ja niemals allein gelassen!«

Kate dachte über diese Worte nach. Dann verzogen sich ihre Lippen zu einem etwas reumütigen Lächeln. »Du musst wissen, Sarah, dass ich durchaus keine solche Heilige bin, wie du gern annehmen möchtest. Ich glaube, dass ich Papa schon verlassen hätte, wenn ich mich zu jemand stärker hingezogen gefühlt hätte. Aber ich hatte niemals dieses Gefühl und werde es sehr wahrscheinlich auch niemals haben. Und das ist auch gut so, denn obwohl Johnny Raws, genau wie der junge Grittleton, mich vielleicht ganz gern küssen würde – wenn es ans Heiraten geht, wollen sie doch alle ein Mädchen mit Mitgift. O Sarah, schau doch nicht so drein – bitte nicht. Das ist nun wirklich keine solche Tragödie, und ich kann dir versichern, dass ich durchaus nicht das Opfer einer unglücklichen Romanze bin!« Sie lachte leise vor sich hin. »Ich möchte sogar garantieren, dass ich das nie sein werde! Wirklich, ich glaube, ich könnte es gar nicht sein, weil ich durchaus keine romantische Veranlagung besitze! O Sarah, ich wünschte, ich wäre ein Mann – oder es müsste so sein, dass es auch Frauen erlaubt wäre, sich in einträglichen Berufen zu betätigen, die nicht häuslicher Natur sind! Mir fällt einfach keiner ein, denn es ist ja sinnlos, sich vorzustellen, dass ich plötzlich eine große Sängerin werde, Bücher schreiben oder Bilder malen könnte. Ist das nicht ein bedrückender Gedanke? Es sei denn – sag, Sarah, meinst du, ich könnte Schauspielerin werden? Das wäre doch immerhin etwas!«

Da Sarah alle Schauspielerinnen als lasterhafte Geschöpfe betrachtete, versetzte sie dieser Vorschlag in eine so tiefe Niedergeschlagenheit, dass sie sich bald darauf hilfesuchend an Mr. Nidd wandte, er möge doch seinen Einfluss auf die junge Waise geltend machen. Er redete ihr zu, sich keinen Befürchtungen hinzugeben, doch da sie wusste, wie viel es da zu befürchten gab, reichte dieser eindringliche Zuspruch nicht aus, ihre Besorgnisse zu zerstreuen. Zu den Dienstbotenräumen und Schneiderwerkstätten gesellte sich jetzt noch die Bühne als Albtraum, um ihr den Schlaf zu rauben; denn Kate, die sich nur zögernd um eine neue Stellung als Erzieherin bemühte, handelte sich eine Absage nach der anderen ein. »Zu jung!«, war die Begründung, die von den künftigen Dienstherrinnen angeführt wurde, aber Sarah wusste, dass sie in Wirklichkeit »Zu hübsch!«, meinten, besonders dann, wenn es sich um Familien handelte, in denen es Söhne im heiratsfähigen Alter gab. Und im Grunde kann man es ihnen nicht übel nehmen, dachte Sarah, die immer tiefer ins Grübeln geriet, denn man wird kaum ein Mädchen finden, das hübscher und liebenswerter wäre als Miss Kate. Nicht nur die drei Enkelsöhne von Mr. Nidd, auch die Stallburschen und selbst der alte Tom, der die Aufsicht über die Ställe führte und ein notorischer Griesgram war, waren von ihr entzückt. »Was soll nur aus ihr werden«, fragte Sarah ihren mitfühlenden, aber wortkargen Ehemann, »wenn ihre Tante nicht auf meinen Brief reagiert?«

Außer einem zweifelnden Kopfschütteln erhielt sie keine Antwort. Doch bereits zehn Tage später wurde Sarahs Frage durch die Ankunft Lady Broomes in einer gewöhnlichen Kutsche überflüssig.

Mr. Nidd, der sich auf seinem geliebten Beobachtungsposten auf dem Balkon an der Frühlingssonne erfreute, nahm von dem Herannahen dieses Vehikels nur beiläufig Notiz; als jedoch eine hochgewachsene und vornehm gekleidete Dame ausstieg, die mit elegant behandschuhten Fingern in ihrer Handtasche nach der Geldbörse suchte, warf er die Decke beiseite und eilte mit erstaunlicher Behändigkeit ins Haus, um Sarah auf die Ankunft von Miss Kates Tante vorzubereiten.

Sarah, die mit mehlbestäubten Armen und einem Nudelholz in der Hand aus der Küche trat, brachte nur ein keuchendes »Nein!«, hervor.

»Nun ja, da wir kaum eine Herzogin zu Besuch erwarten, muss es doch wohl Lady Broome sein!«, erwiderte Mr. Nidd bissig. »Nun rühr dich schon, Mädchen! Sie bezahlt gerade den Kutscher, aber sie sieht mir nicht so aus wie jemand, der sich lange damit aufhält, über das Fahrgeld zu verhandeln, darum ist es wohl besser, wenn du dich tummelst!«

Dieser Rat war unnötig; Sarah war schon wieder in der Küche und nahm die Schürze ab; und als sie wenige Augenblicke nach dem Ertönen des Klopfers ihrer Besucherin die Tür öffnete, sah sie adrett aus wie eine Wachspuppe und hatte auch ihre Beherrschung einigermaßen wiedererlangt.

Lady Broome war eine imposante Erscheinung. Sie war eine hochgewachsene, hübsche Frau in einem mit Zobelpelz besetzten Samtumhang, die einen riesigen Muff aus dem gleichen Pelz trug. Ein enganliegender Hut aus bronzegrünem Samt, passend zu ihrem Umhang und geschmückt mit einer einzigen, gekräuselten Straußenfeder, saß auf einem Kopf mit untadelig frisiertem dunklem Haar. Ihre Handschuhe waren aus feinem Ziegenleder; die Halbstiefelchen aus Samt passten ebenso wie der Hut exakt zur Farbe ihres Umhangs. Ihr Gesicht war von fesselndem Aussehen und wurde beherrscht von einem Paar strahlender Augen, deren Farbe zwischen Blau und Grau schwankte, unter stark ausgeprägten Brauen. Sie hatte sehr ebenmäßige Züge, und die Umrisse ihres Gesichtes wurden nur durch den etwas hängenden Unterkiefer und das beinahe zu eckige Kinn gestört. Sie war eine Frau von ungefähr vierzig Jahren, und auf den ersten Blick fand Sarah sie furchteinflößend. Ihr Lächeln allerdings war liebenswürdig, und ihr Verhalten, obwohl unverkennbar das einer Dame von Stand, weder hochmütig noch imposant, sondern sofort freundlich und entgegenkommend. »Guten Morgen! Ich bin Lady Broome«, sagte sie mit einem leisen Lächeln und einer Stimme, die tiefer klang als bei den meisten Frauen. »Und Sie, denke ich, müssen Miss Sarah Nidd sein. Oder muss es Mrs. Nidd heißen?«

»Mrs. Nidd, wenn Mylady belieben«, sagte Sarah und versank in einem Knicks.

»Verzeihung! Ich komme – wie Sie sich denken können – auf Ihren Brief, für den ich Ihnen sehr dankbar bin. Ich wusste nicht, dass mein Bruder gestorben ist, und hatte keine Ahnung von den widrigen Umständen, in denen sich meine arme kleine Nichte befindet. Darf ich sie wohl einmal sprechen?«

»Natürlich, Mylady!«, erwiderte Sarah und machte, während sie die Tür weit aufhielt, einen zweiten Knicks. »Es ist nur so, dass sie im Moment nicht da ist, doch ich erwarte sie jede Minute zurück. Wenn Mylady sich herablassen würden, die Treppe hinauf ins Wohnzimmer zu gehen, wären Sie dort ganz ungestört, denn nur Miss Kate benutzt das Zimmer.«

»Besten Dank. Und wenn Sie mir Gesellschaft leisten würden, Mrs. Nidd, so bin ich sicher, dass Sie mir vieles erzählen können, wonach Miss Kate zu fragen ich vielleicht zögern würde, um sie nicht in Verlegenheit zu bringen. Sie müssen nämlich wissen, dass ich meinen Bruder seit der unglückseligen Entfremdung von seiner Familie aus den Augen verloren habe. In der Tat habe ich ihn kaum gekannt, da zwischen uns ein beträchtlicher Altersunterschied bestand. Sie schrieben, dass sein Tod sich erst in jüngster Zeit ereignet hätte; dann darf ich wohl annehmen, dass er nicht in einer militärischen Aktion sein Leben verlor?«

»Nein, Mylady«, erwiderte Sarah, die ihren Besuch die Treppe hinaufführte und die Tür zum Wohnzimmer aufstieß. »Er hatte seinen Abschied genommen, worüber ich damals froh war, weil ich fand, dass es schon längst an der Zeit für ihn war, sesshaft zu werden. Schon wegen Miss Kate, Mylady – nur hätte ich eigentlich besser wissen sollen, was kam!«

»Und er ließ sich wohl nicht häuslich nieder?«, fragte Lady Broome, die auf einem der Sessel neben dem Kamin Platz nahm und Sarah mit einer lächelnden Geste bedeutete, ihrem Beispiel zu folgen.

Mit einem gewissen Zögern gehorchte Sarah, indem sie sich auf der vordersten Kante des Sessels niederließ. »Nein, Mylady, das tat er nicht. Und ich glaube auch, dass er es nie getan hätte, selbst wenn er ein Vermögen gewonnen hätte, wie er immer prophezeite; denn er war ein leidenschaftlicher Spieler, Madam, und ich habe oft sagen hören, dass solchen Menschen nicht zu helfen ist. Er wurde von einer gewöhnlichen Mietskutsche überfahren und schlug mit dem Kopf auf die Bordkante. Er war nicht – nicht betrunken gewesen, aber – aber geistesabwesend.« Lady Broome nickte verständnisvoll. »Und Miss Kates Mutter – so schrieben Sie mir doch wohl – starb schon einige Jahre zuvor? Das arme Kind! Sind ihre Verwandten mütterlicherseits von dem traurigen Ereignis verständigt worden?«

»Ja, Mylady, das wurden sie!«, erwiderte Sarah mit aufflammendem Blick. »Da ich Mrs. Malverns Zofe war, ehe sie mit dem Major – der damals noch kein Major war – davonlief, habe ich mir die Freiheit genommen, ihrem Herrn Papa einen Brief zu schreiben; doch ich erhielt niemals eine Antwort. Ich will ja nichts Schlechtes über Tote sagen, denn tot sind sie beide, die Eltern meiner Herrin, aber ich glaube, dass es sie nicht im Geringsten kümmerte, was aus ihrer Tochter oder Miss Kate wurde! Und was Miss Emily angeht, das ist die Schwester meiner Herrin, so ist sie voller Gift wie eine Kröte, Mylady, das weiß ich genau, und ich würde um keinen Preis der Welt an sie schreiben!«

»Nun, ich bin jedenfalls sehr froh, dass Sie mir geschrieben haben, Mrs. Nidd«, sagte Lady Broome. »Ich werde gewiss nicht zulassen, dass meines Bruders Kind sich für irgendeine niedrige Arbeit hergibt – denn das scheint nach allem, was ich gesehen habe, das Schicksal einer Erzieherin zu sein.«

»Ja, Mylady, und es steht noch Schlimmeres zu befürchten!«, sagte Sarah eifrig.

»Erzählen Sie!«, forderte Lady Broome sie so mitfühlend auf, dass Sarah sich sogleich in eine Schilderung der unerfreulichen Pläne stürzte, die Kate sich in den Kopf gesetzt hatte.

Mitten in diesem Bericht betrat Kate selbst den Raum, blieb auf der Schwelle stehen und blickte verwirrt zwischen ihrer Tante und ihrer Kinderfrau hin und her. »Mr. Nidd – Mr. Nidd hat mir gesagt – dass meine Tante zu Besuch gekommen ist!«, stammelte sie. »Aber das verstehe ich nicht! Sind Sie meine Tante, Madam? Wie haben Sie nur – Sarah! Da musst du doch die Finger im Spiel haben! Wie konntest du nur?«

Lady Broome brach in ein tiefes Lachen aus, erhob sich, schob ihren Muff beiseite und näherte sich Kate mit ausgestreckten Händen. »Oh, du hübsches Kind!«, sagte sie liebevoll. »Wirklich, Mrs. Nidd, Sie hatten mich auf den Anblick eines solchen Stückchens Vollkommenheit nicht vorbereitet. Mein Liebes, ich freue mich, dir zu sagen, dass ich deine Tante Minerva bin.«

Sie zog während des Sprechens Kate in die Arme und küsste sie leicht auf die Wange. Kate war so überwältigt, dass sie glaubte, sich dieser sanften Umarmung nicht entziehen zu dürfen, doch der Blick, den sie Sarah zuwarf, war voller Vorwürfe. Das brachte Lady Broome von Neuem zum Lachen, worauf sie in scherzendem Ton fragte: »Was ist denn daran so schrecklich, dass Mrs. Nidd mir geschrieben hat? Ich muss dir sagen, ich bin durchaus nicht deiner Meinung! Sie hat mir nämlich etwas mitgeteilt, das ich vorher nicht wusste: Dass ich eine Nichte habe!«

»Nur – nur eine Halbnichte, Madam!«, stammelte Kate. »Und dazu eine, die keine Ansprüche an Sie zu stellen hat!«

»Ach, du verstehst mich nicht. Aber wie solltest du das auch? Du bist zu jung, um zu wissen, was es bedeutet, das einzige Kind zu sein und sich dann, wenn man mein Alter erreicht hat, ohne nahe Verwandte zu sehen, wenn man selbst keine Tochter hat. Ich habe mich immer nach einer gesehnt und niemals heftiger als jetzt! Gewiss, ich habe einen Sohn, doch ein Junge kann einem nicht diese Art von Gemeinschaft schenken. Liebes Kind, ich bin gekommen, um dich mit mir nach Staplewood zu nehmen! Ich bin überzeugt, dass ich dir zur natürlichen Beschützerin bestimmt bin!«

»Aber ich bin doch schon volljährig, Madam!«, protestierte Kate, der zumute war, als würde sie von einer unwiderstehlichen Flutwelle hinweggespült.

»Ja, das hat mir deine liebenswürdige Kinderfrau schon gesagt. Ich kann dich nicht zwingen – und der Himmel möge verhüten, dass ich das wollte –, aber ich kann dich bitten, mit einer sehr einsamen Frau Mitleid zu haben.«

An diesem Punkt entfernte sich Sarah, die bemerkte, dass ihr Schützling innerlich sehr bewegt war, mit einer gemurmelten Entschuldigung. »Sie sind sehr freundlich, Madam – eh, Tante«, sagte Kate. »Ich bin Ihnen außerordentlich dankbar, doch kann ich Ihre Großzügigkeit nicht in Anspruch nehmen, wirklich nicht! Sie wissen doch gar nichts über mich – vielleicht wäre ich Ihnen sogar unsympathisch!«

»Möglich«, gab Lady Broome mit amüsiertem Gesichtsausdruck zu. »Aber ebenso gut könntest du mich unsympathisch finden! Wenn das eintreten würde, gäbe es keinen anderen Weg, als sich voneinander zu trennen. Du wärst ja nicht meine Gefangene, weißt du? Komm, setzen wir uns und besprechen wir die Sache! Und dann musst du mir erzählen, wenn es dir nichts ausmacht, wie, um alles in der Welt, es möglich ist, dass du noch nicht verheiratet bist, denn das erscheint mir doch wirklich ungewöhnlich. Deine Mama muss sehr schön gewesen sein: Ich erinnere mich nicht mehr allzu deutlich an meinen Bruder, aber ich glaube kaum, dass du ihm sehr ähnlich bist, oder?«

»Nein«, gab Kate mit leisem Erröten zu. »Das heißt, man meinte allgemein, ich geriete meiner Mutter nach, doch war sie viel hübscher als ich.«

»Und sie starb, als du zwölf Jahre alt warst? Du armes Kind! Ich wünschte, ich hätte davon gewusst, aber ich war noch im Schulalter, als mein Bruder heiratete, und noch ein Kind, als er in die Armee eintrat, und so war er für mich fast ein Fremder. Bist du mir böse, dass ich in späteren Jahren nicht versucht habe, ihn näher kennenzulernen? Bitte nicht!«

»O nein!«, sagte Kate. »Und er selbst war auch nicht böse.« Sie blickte zu dem freundlichen Gesicht auf. Auf ihrer Stirn lag eine winzige Falte und in ihren Augen zweifelndes Fragen. »Erinnern Sie sich nicht mehr an ihn, Madam? Er konnte sich Ihrer noch erinnern!«

»Das ist ganz verständlich: Er war sechsundzwanzig, als ich sechzehn war. Ich wünsche mir nur, dass seine Erinnerung an mich etwas Vorteilhaftes betraf, doch wenn ich selbst an dieses Alter zurückdenke, komme ich zu der Erkenntnis, dass ich damals ein grässliches Mädchen gewesen sein muss: Sehr von mir selbst eingenommen und den Kopf voll mit allen möglichen ehrgeizigen Plänen, angefangen bei dem Wunsch, eine brillante Heirat zu machen, bis zu der Vorstellung, durch eine unwahrscheinliche Heldentat jedermanns Bewunderung auf mich zu ziehen. Ich fürchte, daran war meine Erzieherin schuld: Sie war darauf versessen, sentimentale Romane zu lesen, und ließ es geschehen, dass ich sie las.«

Kate lächelte beruhigt. »Papa sagte wirklich, dass Sie sehr ehrgeizig wären«, gab sie zu.

»Das behauptete er mit Recht! Ich hoffe nur, er erfuhr, dass ich später über solchen Unsinn hinauswuchs und, anstatt einen Prinzen oder Herzog zu heiraten, mich in meinen lieben Sir Timothy verliebte. Ich muss dir sagen, meine Liebe, dass er beinahe genauso erfreut war wie ich, von deiner Existenz zu erfahren. Er hätte mich nach London begleitet, wenn ich es ihm gestattet hätte, doch war ich gezwungen, es ihm zu verbieten. Du musst wissen, dass ich sehr über ihn wachen muss: Er erfreut sich nicht gerade bester Gesundheit, und die Reise hätte ihn zu sehr angegriffen. Und so soll ich dir von ihm ausrichten, dass dich in Staplewood ein herrliches Willkommen erwartet.«

»Wie freundlich – wie überaus freundlich er sein muss!«, rief Kate tiefbewegt aus. »Bitte sagen Sie ihm, wie dankbar ich ihm bin, Madam! Aber –«

»Nein, nein, kein Aber!«, unterbrach sie Lady Broome. »Du sollst ja nur zu einem Besuch nach Staplewood kommen. Du kannst doch nichts dagegen haben, einen oder zwei Monate auf dem Lande zu verbringen. Wenn du dann immer noch entschlossen bist, dir eine Stellung zu suchen, muss ich sehen, ob ich eine für dich finden kann.« Sie lächelte über Kates raschen, fragenden Blick. »Ja, das kann ich, weißt du – und eine bessere Stellung, als du sie jemals selbst zu finden imstande wärest. Doch wir wollen jetzt noch nicht an so etwas denken. In zwei Wochen haben wir Mai und dürfen hoffen, dass dieser scheußliche Wind sich dann endlich legt. Oh, du kannst dir keinen schöneren Ort vorstellen als Staplewood im Sommer!«

Es war zu verführerisch; es wäre zu ungezogen, sich weiter zu weigern. Kate stammelte ihren Dank, wurde zum Schweigen gebracht und sah sich einer Beschreibung des Haushaltes in Staplewood lauschen.

»Sir Timothy«, sagte Lady Broome, »ist viele Jahre älter als ich und schon sehr gebrechlich. Ich bin seine zweite Frau, musst du wissen, und mein Sohn Torquil ist sein einziges, am Leben gebliebenes Kind. Torquil ist ein paar Jahre jünger als du.« Sie stockte und sah plötzlich ein wenig ernst aus; dann seufzte sie und fuhr ruhig fort: »Ich muss leider sagen, dass seine Konstitution von etwas anfälligem Charakter ist. Es war niemals möglich, ihn zur Schule zu schicken. Er wird von Dr. Delabole betreut, der bei uns wohnt und auch Sir Timothy behandelt. Du siehst also, meine Liebe, warum ich mir immer eine Tochter gewünscht habe! Ich bin eine sehr einsame Frau.«

Mit aller Verlegenheit eines Menschen, der sich zum Zuhörer solcher vertraulichen Eingeständnisse gemacht sieht, murmelte Kate: »Ja – ich meine, ich verstehe!«

Lady Broome beugte sich vor, um ihre Hand zu streicheln. »Du verstehst durchaus nicht – aber mach dir nichts daraus! Du wirst es schon verstehen! Jetzt müssen wir nur überlegen, nicht wahr, welche Bezahlung für deine Kinderfrau angemessen ist dafür, dass sie dich bei sich beherbergt hat. Meinst du –«

»O nein!«, rief Kate aus und wich zurück. »Nein, nein, Madam! Ich bitte Sie, Sarah auf keinen Fall Geld anzubieten! Ich werde ihnen allen Geschenke machen – Joe, und Mr. Nidd, und natürlich auch den Neffen –, doch die muss ich aus meinen eigenen Ersparnissen bezahlen!«