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Spannend, unterhaltsam, plakativ - so sollte eine Rede sein! In Bildern mitreißend reden: Der Wunsch eines jeden Redners. Doch der Wunsch muss kein Traum bleiben. Kommunikationsprofi Matthias Pöhm behandelt in seinem Buch die wichtigsten Punkte, die beim Vortragen zu beachten sind. Er zeigt u.a., wie der Körper die Wirkung der Worte unterstreicht, Gestik und Mimik der Rede den letzten Schliff verleihen. Von der spektakulären Eröffnung zur Wortschatzerweiterung und Stegreifrede ohne Notizen und Hilfsmittel - mit praktischen Tipps und witzigen Beispielen.
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Seitenzahl: 199
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
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3. Auflage 2013
© 2001 by mvg Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
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D-80636 München
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Umschlaggestaltung: Münchner Verlagsgruppe GmbH
Satz: Fotosatz H. Buck, Kumhausen
Druck: Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN Print 978-3-86882-377-6
ISBN E-Book (PDF) 978-3-86415-416-4ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86415-862-9
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Einleitung
1. Die neue Rhetorik
Nur die Wirkung zählt
Die zeitgemäße Rhetorik
Der Aufbau Ihres Bewusstseins
2. Faszination auslösen
Die Sprache der neuen Rhetorik
Die reine Bildersprache – Reden mit Zuhörzwang
Kanalisieren Sie die Handlungsenergie der Zuhörer
Der Sündenfall: Folien
Neue Erkenntnisse zu rhetorischen Fragen
Die Anaphora
Die Macht von Gleichnissen
3. Reden direkt ins Unterbewusstsein
So werden Sie zum Meinungsführer
Der Körper spricht zuerst
Große Gesten
4. Wie Sie auch skeptische Zuhörer dazu bewegen, für Ihr Anliegen zu stimmen
Nur der Vorteil zählt
Überprüfen Sie die Logikkette
So verkaufen Sie Zahlen
Der Trick mit der „Horrorlösung“
Bei Abstimmungen: Lassen Sie den Gegner aktiv werden
Formulieren Sie die Gegenargumente Ihrer Widersacher
Das Selbstbild des Publikums
Zustimmung auf einem Nebengleis bringt Zustimmung auf dem Hauptgleis
Wie Sie Ihr Anliegen unter die Bauchdecke bringen
Lassen Sie das Publikum die betroffene Person sein
Der Konkurrenzgedanke
Der Wettbewerbsgedanke
Keine Aussage ohne Beispiel
Der Flipchart – Ihr bester Freund
Verkaufen Sie Ihre Lösung als „Ei des Kolumbus“
Wie Sie Ihren Vortrag wie einen Krimi aufbauen
5. Die spektakuläre Eröffnung
Weg mit alten Redeeröffnungen
Die persönlich erlebte Geschichte
Fragen ins Publikum
Anonymes Reden
Mitten ins Geschehen tauchen
Die Demonstration – das Maximum der Anschaulichkeit
Anschauungsobjekte
6. Der letzte Schliff
Die Nervosität in den Griff kriegen
So einfach sind Jubiläumsreden
Die Simulgantechnik
Beraterinnen und Berater
7. Kurztipps zur Rhetorik
8. Die Checkliste für eine mitreißende Rede
Zum Schluss
Anmerkungen
Ich bin Rhetoriktrainer aus Leidenschaft. Das war aber nicht immer so. Bevor ich mich als Rhetorik- und Schlagfertigkeitstrainer selbstständig gemacht habe, war ich Software-Ingenieur. Ich möchte Ihnen einmal die Geschichte erzählen, wie ich zur Rhetorik gekommen bin:
Ich hatte Riesenprobleme vor Leuten zu reden. Schon in der Schule hatte ich fürchterliches Herzpochen und Händezittern, wenn jeder Schüler etwas vorlesen musste und ich mir ausrechnete, wann die Reihe an mir war. Später hatte ich ein echtes Schlüsselerlebnis. Es war zu der Zeit, als ich als Software-Ingenieur in Genf arbeitete. In Genf spricht man Französisch. Ich war damals als Personalvertreter gewählt, weil ich sowohl Deutsch als auch Französisch sprach. Mein damaliger Chef hielt am Ende des Jahres eine Mitarbeiterversammlung ab. Er referierte über das Ergebnis des vergangenen Jahres, gab einen Ausblick auf das kommende Jahr und plötzlich kam die Rede auf das Thema der Personalvertretung. Er begann darüber zu sprechen, da sah er mich in der Menge und sagte unvermittelt: „Ah, Herr Pöhm ist ja da, der könnte uns mal darüber berichten“. Und so musste ich von einer auf die andere Sekunde aufstehen und unvorbereitet Stellung nehmen, noch dazu in einer Sprache, die nicht meine Muttersprache war. Ich hatte schweißnasse Hände – ich war knallrot im Gesicht – mein Herz pochte so heftig, dass meine Stimme bebte – hörbar für alle 50 Mitarbeiter. Und ich weiß bis heute nicht, was ich dort zusammengestammelt habe. Mein Hirn hatte sich von den gesprochenen Worten gelöst. Knallrot und beschämt habe ich mich wieder hingesetzt. Ich war vor allen blamiert. Der gewählte Personalvertreter! Es war so peinlich, dass ich zwei Tage nicht mehr in die Firma gehen wollte.
Damals schwor ich mir: Das bekommst du weg! Kurze Zeit später zog ich in die Deutschschweiz um und meldete mich dort für einen Rhetorikkurs nach dem anderen an. Es gab Wochen, da war ich an fünf Abenden in fünf unterschiedlichen Rhetorikkursen. Mit so einem massiven Aufwand wird man irgendwann besser. Das kann man gar nicht verhindern.
Dann legte ich mir die Latte immer höher. Eines Tages sah ich in einer Zeitung einen Artikel über den Schweizer Mineralwasserproduzenten Rhäzünser. Der investierte sein ganzes damaliges Werbebudget in eine Tournee durch alle größeren Schweizer Städte. Es wurde ein Spiel veranstaltet, wo man den „Hochstapler des Jahres“ suchte. Kandidaten stapelten Getränkekisten, und wer den höchsten Turm schaffte, bevor der Turm mitsamt dem Kandidaten einstürzte, hatte gewonnen. Ich rief aufgrund des Artikels die Firma an und fragte, ob sie schon jemanden hätten, der das in der Öffentlichkeit präsentiert. Sie sagten: „Nein, haben wir nicht, aber dafür ist auch kein Budget vorgesehen.“ Ich sagte: „Egal, ich mach’s Ihnen umsonst.“ Und auf diese Weise begann ich, Veranstaltungen in der Öffentlichkeit zu moderieren: Eventmarketingveranstaltungen, Galas, Messen.
Dann legte ich mir die Latte wieder ein Stück höher. Die höchsten Weihen für einen Moderator sind Auftritte im Fernsehen. Und es ist mir tatsächlich gelungen, zu Probeaufnahmen, den so genannten Castings, eingeladen zu werden. Eine der häufigsten Fragen, die mir dort gestellt wurden, lautete: „Herr Pöhm, haben Sie eine Sprachausbildung?“ Ich musste verneinen, aber für mich beschloss ich: Die machst du. Und so machte ich damals neben meinem normalen Job drei Jahre lang eine Sprachausbildung. Irgendwann war auch da der Durchbruch geschafft und ich konnte professionell als Sprecher arbeiten. Ich wurde von Tonstudios engagiert, als Kommentarsprecher für Infofilme oder als Sprecher für Werbung.
Ich habe sehr viele Rhetorikkurse selbst besucht, darunter die teuersten, die Sie in Deutschland und der Schweiz finden können. Meiner Einschätzung nach wissen die meisten Rhetoriktrainer nicht, worauf es wirklich ankommt. Sie wissen schlicht und einfach nicht, wie Rhetorik funktioniert. Man hat den Eindruck, sie haben ein paar Rhetorikbücher gelesen und plappern einfach nach, was der Durchschnitt aller anderen auch sagt. In solchen Kursen hören Sie dann Tipps wie: Der Redner muss langsam, gemächlich zum Rednerplatz gehen; Nutzen Sie die Struktur: Einleitung – Hauptteil – Schluss; Vor- und Nachteile von Präsentationshilfsmitteln … usw.
Dieses Buch hat den Anspruch, Ihnen eine komplett neue, moderne Art der Rhetorik zu vermitteln. Rhetorik, wie ich sie verstehe, ist die Kunst, Bilder in den Köpfen der Menschen entstehen zu lassen. Es ist das freie Sprechen vor einem Publikum, so dass Spannung, Begeisterung und Emotionen vermittelt werden. Ich habe mir die Frage gestellt, wie man mit freiem Reden Faszination auslösen kann. Sie bekommen hier eine handfeste Anleitung in die Hand, wie Sie das im Detail bewirken können. Rhetoriker müssen sich heutzutage als Entertainer begreifen. Das haben noch viele nicht mitbekommen. Eine Teilnehmerin eines meiner Seminare erzählte mir, dass ihr Rhetorik-Professor an der Universität den Studenten beigebracht hätte: „Bleiben Sie immer auf der Sachebene – erzählen Sie nichts Persönliches.“ Nein – das Gegenteil ist die Wahrheit. Erzählen Sie möglichst viel Persönliches und Sie werden das Publikum gewinnen.
Das Problem bei einem Buch über Rhetorik ist leider, dass es auf Papier gedruckt ist – Sie lesen dieses Buch. Aber die Gesetze der geschriebenen Sprache sind komplett anders als die Gesetze der gesprochenen Sprache. Auch das ist die Ursache so vieler schlechter Reden: Sie werden schriftlich auf Papier entworfen. Die Beispiele in diesem Buch müssten Ihnen eigentlich frei gesprochen vorgetragen werden, nur dann entfalten sie ihre volle Wirkung. Ein Satz, den Sie hören, wird von Ihrem Bewusstsein anders aufgenommen als ein Satz, den Sie lesen.
Hier ein Beispiel aus einer frei gesprochenen Rede:
„Psychologisch passiert dabei Folgendes: Der Angreifer macht einen Vorwurf – negativ vorprogrammiert – plötzlich wird von ihm geredet – auch noch positiv – und jetzt die Frage, die ihn in den Mittelpunkt stellt, auch noch als Vorbild – das ist zu verführerisch.“
Diesen Satz würde so niemand niederschreiben. Aber genau so reden wir. Die Regeln, die uns für das Schreiben gegeben wurden, können wir für das freie Sprechen teilweise genau ins Gegenteil umkehren.
Noch ein Tipp zum Lesen dieses Buches: Untersuchungen haben gezeigt, dass der Durchschnitt aller Menschen ein Buch nur bis zur Seite 21 liest. Nicht alles, was in diesem Buch steht, wird für Sie wichtig erscheinen. Deshalb blättern Sie zunächst dieses Buch durch und markieren Sie sich mit einem Bleistift die Überschriften, die bei Ihnen Interesse auslösen. Und dann lesen Sie nur diese Kapitel. So bleiben Sie mit Freude daran und haben das Wichtigste aus dem Buch für Sie herausgezogen.
Nur die Wirkung zählt
Sie werden in diesem Buch etliche Regeln finden, die das Gegenteil dessen propagieren, was Sie bisher für gültig erachtet haben. Ich habe mir einen ganz einfachen Grundsatz zu Eigen gemacht: Ich betrachte alles von der Wirkung her. Ich schaue mir eine bestehende Rhetorikregel an, probiere sie aus und entscheide aus dem Bauch heraus, wie sie auf mich wirkt. Dann nehme ich genau das Gegenteil dieser Regel, probiere es aus, und höre wieder auf meinen Bauch. Und wenn mein Bauch sagt, dass die bestehende Regel eine bessere Wirkung hat, dann wird natürlich die bestehende Regel übernommen. Wenn allerdings mein Bauch die neue Version von der Wirkung her als besser einstuft, dann wird sie eben nun zur Regel. So flogen etliche, verkopfte Ansätze, die sich seit Jahrzehnten in Rhetorikbüchern und bei Rhetoriktrainern gehalten haben, über Bord.
Ich habe mit meinem Ansatz des öffentlichen Redens einen sehr hohen Anspruch. Ich habe Redner analysiert, die wirklich mitreißend und begeisternd reden. Von ihnen habe ich mir Dinge abgeschaut. Ich will Ihnen Techniken und Tricks zeigen, wie Sie ein Zauberer werden können. Mein Anliegen ist es aber nicht, Sie zu einem Zauberer zu machen, der ein Dorffest unterhalten kann. Meine Intention ist es, Ihnen solche Details und Feinheiten beizubringen, damit Sie zukünftig wie ein David Copperfield auftreten.
Eine Rede muss wirken. Es gibt ein strenges Kriterium, das ich manchmal in meinen Rhetorik-Coachings einsetze:
Jeder Satz, der nicht interessant wirkt, der nicht unterhaltend wirkt, der nicht spannend wirkt, kann ersatzlos gestrichen werden.
Wenn Sie mit diesem Leitfaden einmal Ihre bestehenden Präsentationen durchgehen, dann bekommen Sie zwingend kürzere und viel bessere Reden.
Die zeitgemäße Rhetorik
Rhetorik, wie sie heutzutage benutzt werden soll, hat ihr Vorbild in der Werbung: spannend, unterhaltsam, bildorientiert, kurze Abfolge von Bildern, emotional, wenige plakative Botschaften. Nach diesen Kriterien beurteilen wir unterbewusst inzwischen auch öffentliche Reden. Viele Rhetoriktrainer kommen aus einer Generation, die diesen Wandel nicht nachvollzogen hat. Sie halten sich immer noch an eine überkommene Rhetorik, an Grundsätze der alten Griechen und Römer, und denken, die Rhetorik sei vom Prinzip her gleich geblieben. Aber wie in allen anderen Bereichen hat auch hier ein rasanter Wertewandel stattgefunden. Regeln, die Jahrhunderte lang ihre Gültigkeit hatten, sind blitzartig zu Staub geworden. Redestrukturen, Übersichten am Anfang, geschliffene Ausdrucksformen, Begrüßungen, Zitate und Stilblüten, Fünf-Satz-Strukturen … Das sind inzwischen alles Relikte aus vergangener Zeit.
Leider machen es uns öffentliche Personen wie Politiker, Manager und hohe Führungskräfte noch immer schlecht vor. Und der Mensch ist ein Wesen, das 95 Prozent seines Verhaltens durch Imitation erlernt hat – also imitieren wir auch schlechtes Verhalten. Wenn es der Herr Generalmanager und der prominente Politiker so vormachen, kann das doch nicht verkehrt sein – sonst wären sie ja schließlich nicht auf diesem Posten. Und so multipliziert sich ein mangelhaftes Verhalten ganz unbewusst über die Zeit hin.
Der Aufbau Ihres Bewusstseins
Ihr Bewusstsein können Sie sich wie einen Eisberg vorstellen: 90 Prozent des Eisbergs liegen unter Wasser und nur 10 Prozent über Wasser. Der obere Teil entspricht Ihrem wachen Bewusstsein – ist also der Teil, der für Ihr logisches Verständnis zuständig ist. Die restlichen 90 Prozent, die unter Wasser, entsprechen Ihrem Unterbewusstsein. Ihr Unterbewusstsein ist nur in der Lage, Bilder oder Gefühle zu verarbeiten. Wenn Sie jetzt beispielsweise den Ausdruck „Kommunikationskompetenz professionalisieren“ hören, so landet dieser Ausdruck im wachen Teil über Wasser.
Sie müssen jetzt Energie aufwenden, um diesen Ausdruck in etwas Anschauliches zu übersetzen, damit der Teil unter der Wasseroberfläche das auch verarbeiten kann. Weder zum Wort „professionalisieren“ noch zu „Kommunikationskompetenz“ haben Sie ein konkretes Bild. Sie müssen für ein paar Zeiteinheiten innehalten, um sich eine Vorstellung zu machen, was der Redner wohl damit meint. Und hier liegt das große Problem: Sie verlangen vom Zuhörer jedes Mal ein Stückchen Energieaufwand, um Ihnen zu folgen. Die Mühe macht er sich drei-, viermal, aber dann ist es ihm zu anstrengend und er schweift mit seinen Gedanken ab. Sie als Redner verlangen zu viel Energie vom Zuhörer. Was ich Ihnen in diesem Buch vermitteln will, ist das energielose Reden.
Energieloses Reden: Das heißt so anschaulich reden, dass wir direkt ins Unterbewusstsein funken und den Logikteil kurzschließen.
Für das Unterbewusstsein ist es umso besser, je konkreter und fassbarer Sie sich ausdrücken.
Ihr Hirn liebt Konkretes. Machen Sie abstrakte Zeit- und Mengenangaben immer konkret.
Wenn Sie jetzt beispielsweise davon sprechen, dass Ihr Vorschlag „Kostenersparnis“ bringt, so landet dieser Begriff nur im über der Wasseroberfläche liegenden Logikteil. Es löst bei den Menschen noch nichts aus. Konkrete Zahlen sind immer fassbarer für unser Hirn. Wenn Sie von „Kosten“, „Zeiten“, oder „Strecken“ sprechen, so geben Sie immer konkrete Zahlen. Sprechen Sie also besser von 4.000 Euro pro Woche statt von „Kosteneinsparung“ oder von zwei Stunden jeden Tag statt von „Zeitverlust“ oder von vier Kilometern Umweg statt von „längerem Weg“. Das ist viel anschaulicher, fassbarer und landet direkt im Unterbewusstsein.
Hier nun als Beispiel ein spezieller Tipp, wie Sie das häufig verwendete Wort „amortisieren“ in Zukunft umschreiben sollten. Sagen Sie statt dessen „es bezahlt sich von selbst“, geben Sie danach konkret an, ab wann sich die Investition bezahlt macht und im Anschluss sagen Sie, dass der Zuhörer ab dem Datum X Geld verliert. Hier ein Beispielsatz: „Der Einbau dieser Heizungsanlage amortisiert sich.“ – Heißt in der Umformulierung:
„Der Einbau dieser Heizungsanlage bezahlt sich von selbst. Sie sparen dadurch jeden Monat 200 Euro Heizkosten. Nach vier Jahren haben Sie die Anschaffungskosten von 9.700 Euro wieder drin. Nach dem vierten Jahr verlieren Sie Geld. 200 Euro: Monat für Monat, Jahr für Jahr.“
Die Sprache der neuen Rhetorik
Rupert Lay, Jesuit und Urvater der Dialektik, wurde in einem Interview des Tagesanzeigers aus Zürich gefragt: „Nun werden Sie auch über die lenkenden Reaktionen sprechen. Dabei geht es um das Lenken bei Provokationen in Gesprächen oder bei Interviews. Was können Sie dazu schon heute verraten?“
Rupert Lay:
„Vorerst noch ein Wort zu den lenkenden Reaktionen. Um sinnvoll auf Provokationen reagieren zu können, muss derjenige, der provoziert wird, über eine begründete Erkenntnistheorie verfügen. Diese Erkenntnistheorie darf nicht rekonstruktivistisch sein, nach der wir uns selbst oder andere Menschen so erkennen, wie sie an sich sind. Alle Abbildtheorien sind widerlegt worden …“1
Mit so einem Satz konnte man in den 70-er Jahren vielleicht noch einen Blumentopf gewinnen. Die Zeiten sind heute vorbei!
Dr. Michael Spitzbart, zur Zeit Deutschlands Gesundheitsexperte Nr. 1, in einer frei gesprochenen Rede:
„Risiken bei Überdosierung? – Keine Nebenwirkung! Sie können die Apotheke leer fressen, es kann nix passieren. Aber es wird Ihnen nicht nicht geraten, äh, auch nicht erlaubt …“.2
Spitzbart ist ein packender Redner. Bei dem sind Sie keine Minute gelangweilt.
Eine Rede, die sich gut liest, ist eine schlechte Rede.
Gesprochene Sprache gehorcht anderen Gesetzen als die geschriebene Sprache. Eine Rede muss am Rednerpult wirken und nicht auf Papier. Eine frei gehaltene Rede, die packend ist, hätte wörtlich niedergeschrieben haufenweise Stil- und Grammatikfehler – wenn man die Gesetze der geschriebenen Sprache anwenden würde.
Altbundespräsident Richard von Weizsäcker wird allgemein als großer Redner eingeschätzt. Doch nach den modernen Grundsätzen der Rhetorik kann man das nicht mehr so sehen. So sehr ich diesen Mann schätze: Er redet für eine akademische Elite, die sich die Mühe machen will, seine Satzungetüme in anschauliche Bedeutungen zu übersetzen. Hier beispielsweise ein Satz aus seiner berühmten, hochgelobten Rede vor dem Europäischen Parlament:
„Soweit im Zuge der Einigung nationale Gesetzgebungskompetenzen auf europäische Gremien verlagert werden, vermindert dies den Einfluss nationaler Parlamente, ohne dass aber schon eine entsprechende Parlamentskompetenz in Europa entsteht.“
Ein Satz mit 28 Worten. Das ist eine Rede, die am Schreibtisch entstanden ist. Ein 15-jähriger hätte sich aus dieser Rede spätestens nach einer Minute verabschiedet.
Das ist Rhetorik aus einer vergangenen Zeit: eloquent und wohlformuliert. Gemacht für Menschen, die Freude an geschliffener Sprache haben. So wie Shakespeares Bühnenstücke. Das große Problem dabei: Es erfordert Energie, dem zuzuhören. Es erfordert Energie, es in anschauliche Bedeutung zu übersetzen. Heutzutage müssen Sie aber so reden, dass Ihre Botschaft ohne Aufwand an Energie in den Köpfen der Zuhörer landet. Wir müssen immer so reden, dass die Mehrheit der Bevölkerung uns verstehen würde. Diesen „Niveauverlust“ können wir bekämpfen oder nicht. Die Zeit, in der wir leben, ist nun mal so, wie sie ist – die kann ich nicht ändern, aber Sie und Ihr Redeverhalten schon.
Hier nun ein Grundsatz. Prinzipiell gilt:
Verben haben einen größeren Emotionalgehalt als Hauptworte.
Um das zu demonstrieren, möchte ich mit Ihnen einen kleinen Test veranstalten. Bitte lesen Sie die nachfolgenden drei Hauptworte so oft, bis Sie sie auswendig können:
Weggang, Hilfe, Handlung
Jetzt schließen Sie die Augen, wiederholen Sie die Worte immer noch und achten Sie dabei nur auf Ihren Bauch. Welche Gefühlsregung können Sie bei sich ausmachen? Tun Sie es bitte jetzt!
Dann lesen Sie die nachfolgenden drei Verben ebenfalls so oft, bis Sie sie auswendig können:
Weggehen, helfen, handeln.
Schließen Sie wieder die Augen, wiederholen Sie die Worte weiter und achten Sie dabei ebenfalls nur auf Ihren Bauch. Welche Gefühlsregung können Sie diesmal bei sich ausmachen?
Vergleichen Sie jetzt direkt hintereinander nur Ihr Bauchgefühl bei den beiden Wortgruppen. Sie werden feststellen: Die Hauptworte haben bei Ihnen im Normalfall viel weniger ausgelöst als die Verben.
Die Sprache der modernen Rhetorik besteht nicht aus Sätzen mit Hauptworten, sie besteht aus Sätzen mit Verben. Bei öffentlichen Reden hören Sie oft Sätze wie: „Die Zielsetzung besteht in der Bündelung aller PR-Aktivitäten.“
Das ist das Gegenteil von Bildersprache! In der Bildersprache heißt es kürzer und anschaulicher: „Unser Ziel: Die PR-Aktivität muss gebündelt werden.“ Der Satz wurde in zwei Sätze mit Doppelpunkt aufgeteilt. Aus der „Bündelung“ wird „bündeln“. Das ist viel emotionaler.
Ersetzen Sie jeden Fachbegriff durch einen bildhaften Ausdruck.
Ich weiß, viele Menschen haben Mühe, sich von ihren Fachbegriffen zu trennen. Folgendes Argument höre ich immer wieder in meinen Seminaren: „Das ist ein Fachpublikum, bei uns wird immer so geredet. Die kennen diese Ausdrücke. Die wollen das so hören.“ Ich wag es mal, ein großes Fragezeichen hinter diese Aussage zu setzen. Wollen die das wirklich so hören? Die meisten Redner stellen sich das nur so vor, haben es aber in Realität noch niemals anders versucht.
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Nehmen wir an, Sie halten einen Vortrag vor Kaufleuten. Jeder, der kaufmännisch ausgebildet ist, weiß, was Debitoren und Kreditoren sind. Achten Sie nun bitte nur auf Ihren Bauch, welche Wirkung der folgende Satz bei Ihnen auslöst (gerade, wenn Sie tatsächlich Kaufmann sind):
„Damit eine Firma funktioniert, müssen Sie nur eins beachten: Die Rechnungen, wo Sie Geld bekommen, müssen höher sein, als die Rechnungen, wo Sie Geld zahlen müssen.“
Und jetzt achten Sie auch bei diesem Satz nur auf Ihren Bauch:
„Damit eine Firma funktioniert, müssen Sie nur eins beachten: Die Debitorenrechnungen müssen höher sein als die Kreditorenrechnungen“.
Na klar, ein Kaufmann versteht auch den zweiten Beipielsatz perfekt. Aber selbst für einen Kaufmann hat der erste Satz einfach mehr Emotionalgehalt und mehr Wirkung. Auch wenn „Debitoren“ und „Kreditoren“ zu seinem Fachvokabular gehört, mit dem er täglich um sich wirft.
Wenn Sie Arzt sind und einen Vortrag bei einem Ärztekongress halten, so können Sie natürlich Folgendes sagen: „Der Patient litt an einem Myokardinfarkt“.
Gut, das versteht jeder Arzt. Aber Sie können sicher sein: Ein Arzt würde es auch verstehen, wenn Sie sagen würden: „Der Patient hatte eine Herzattacke“.
Das Problem mit Fachbegriffen ist Folgendes: Auch wenn der Zuhörer diese Ausdrücke im Schlaf beherrscht, er braucht immer noch ein kleines Stückchen Übersetzungsenergie, um einen „Myokardinfarkt“ in etwas Anschauliches für sein Unterbewusstsein zu übersetzen. Und mit jedem weiteren Begriff fordern Sie wieder Energie, Energie, Energie. Bis es dem über dem Wasser liegenden Logikteil zu mühsam wird und er einfach abschaltet. Die Gedanken wandern dann selbstständig zu irgendetwas Anschaulichem. Zum Urlaub, zum Feierabend oder zum nächsten Golfspiel. Jedenfalls ist der Zuhörer weg von Ihrer Rede. Die Bildersprache, die Sie im nächsten Kapitel kennen lernen werden, ist eine energielose Sprache. Das heißt: Sie funken ohne notwendige Übersetzungsenergie direkt in das Unterbewusstsein des Zuhörers. Jeder Fachbegriff, den Sie Ihrem Publikum zumuten, erfordert ein Quäntchen Energie, das auch den geneigtesten Zuhörer auf Dauer Stück für Stück einschläfert.
Es gibt eine Ausnahme, wann Sie Fachbegriffe benutzen dürfen, aber nur wenn Sie sie direkt auch bildhaft übersetzen. Lesen Sie dazu das Kapitel „So werden Sie zum Meinungsführer“ auf Seite 93.
Weg mit den Hauptwort-Monstern!
Wie wir bereits erwähnt haben, haben Hauptworte keinen so hohen Emotionalgehalt wie die dazugehörigen Verben (Ausnahmen bilden bildhafte Worte wie Baum, Sonne, Stuhl … usw.). Jetzt gibt es noch eine Steigerung des Sündenfalls: alle Worte, die mit -ung, -heit, -keit, -nis oder -ion enden. Sie landen nur im Logikteil und müssen mit sehr viel Energieaufwand mühsam in ein Bild übersetzt werden. Einfachheit, Verabschiedung, Arbeitslosigkeit, Kommunikation, Kostenersparnis, Preis-Leistungs-Verhältnis, Flexibilität, Kundenzufriedenheit, Arbeitsplatzsicherung, Restrukturierungsmaßnahme, Arbeitslosenförderung … usw. Man könnte diese Liste beliebig fortsetzen. Die meisten Zuhörer machen sich leider nicht die Mühe, diese Begriffe in etwas Anschauliches zu übersetzen. Also bleiben sie unübersetzt im Logikteil des Hirn kleben. Sie haben wenig Chancen, Menschen mit dieser Art Worte zu überzeugen.
Mir ist eines Tages ein Rhetorik-Lehrvideo untergekommen. In diesem Video hält ein Schauspieler eine Modell-Rede vor einem Firmengremium. Hier einige Zitate daraus:
„Durch den hohen technischen Standard … gilt es, die Vernetzung der Einzelmaßnahmen zu Einzelkonzepten zu fördern … was eine wichtige zu kommunizierende Aufgabe ist. … Die Erstellung der von Ihnen gewünschten Broschüre … sowie die Verstärkung der Pressearbeit … von deren Wirksamkeit wir aber überzeugt sind …“ usw., usw.
Wahnsinn! Dies war jetzt nicht etwa als abschreckendes Beispiel einer Rede gedacht, sondern im Gegenteil! Der Autor dieses Lernvideos ging ernsthaft davon aus, dass man heute so reden solle. Soweit ich mich erinnere, ging es im besagten Redebeipiel darum, dass eine Werbeagentur den Auftrag für eine Werbekampagne dieser Firma bekommen wollte. Wenn jemand mit so einer Präsentation kommt, müssen Sie als Firma schon selbstquälerisch veranlagt sein, demjenigen auch nur seine Reisekosten zu erstatten, geschweige denn ihm einen Auftrag für eine Werbekampagne zu geben!
Weg mit den Mode-Worthülsen!
Stellen Sie sich vor: Sie sind zu Hause in Ihrer Wohnung. Plötzlich klingelt es an der Haustüre. Sie machen auf. Draußen steht ein Herr im Zweireiher-Anzug und sauber gescheitelter Frisur. In seiner rechten Hand eine Lederaktentasche. Der Herr spricht folgenden Satz zu Ihnen:
„Guten Tag. Darf ich Sie auf die innovative Produktpalette eines zukunftsorientierten Unternehmens aufmerksam machen?“
Wie wäre es bei Ihnen um die Lust bestellt, diesen Herrn herein zu bitten? Wenn Sie wie die Mehrheit der Menschen veranlagt sind, liegt die Lust bei Null. Das ist unglaubhaftes Werbeblabla: „innovativ, zukunftsorientiert, dynamisch“. Das glaubt doch keiner! Warum denken eigentlich so viele Redner, wenn sie solche Werbeausdrücke in den Mund nehmen, dass die Menschen ihnen vor Verzückung um den Hals fallen? Das geht ins rechte Ohr rein und fliegt ohne Nachhall aus dem linken Ohr wieder heraus.
Bitte trennen Sie sich von diesen modischen Worthülsen, die man zwar überall hören kann, die aber bei niemandem etwas auslösen.
Teamorientiert, kommunizieren, dynamisch, zukunftsorientiert, innovativ, Kernkompetenz, modifizieren, effektiv, flexibel, effizient, optimal, speditiv, prozessorientiert, professionell … usw. Das wirkt nicht einmal in einer Werbebroschüre, geschweige denn in der gesprochenen Sprache.
Beachten Sie für wirksame Reden folgenden Grundsatz:
Vermeiden Sie vage Ausdrücke und „Weichmacher“!
„… Im Prinzip denke ich, das wäre vielleicht nicht so gut. Ich würde das eher an den Schluss setzen, weil ich es eigentlich sinnvoller fände, die Sponsorengelder noch zu beantragen.“