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Prinz Mirceo Dakiano ist ein junger Vampir, der sein Dasein in vollen Zügen genießt. Er gibt sich zügellos seinen Gelüsten hin, und Liebschaften holt er sich stets nur für eine Nacht in sein Bett. Bis er auf den mächtigen Dämon Caspion trifft, zu dem Mirceo sofort eine enge Verbundenheit spürt - und er will nichts mehr, als Cas zu erobern. Denn er ist überzeugt, dass dieser sein vom Schicksal erwählter Gefährte ist. Der Dämon hingegen wehrt sich mit Zähnen und Klauen gegen Mirceos Annäherungsversuche, da er eigentlich mit Männern nichts anfangen kann. Aber lange kann auch Cas das Feuer, das zwischen ihnen brennt, nicht leugnen ...
"Kresley Coles Geschichten sind der Kracher - mit jeder Menge Action, tiefer Leidenschaft und todesverachtender Spannung!" ROMANTIC TIMES
Ein Roman aus der Welt der Immortals after Dark und ein Spin-off der Dacian-Reihe!
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Seitenzahl: 323
KRESLEY COLE
Verheißung des Zwielichts
Roman
Ins Deutsche übertragen von Bettina Oder
Der Todesdämon Caspion hat sich als exzellenter Spurenleser und gnadenloser Kopfgeldjäger einen Namen gemacht. Doch hinter Cas liegt ein harter und steiniger Weg, auf dem er Unmengen an Leid, Schmerz und Gewalt erfahren musste. Seither verschließt er sein Herz und hat geschworen, sich niemals wieder demütigen zu lassen. Als er in einem Badehaus auf den jungen Vampirprinzen Mirceo Dakiano trifft, versucht dieser Cas zu umgarnen. Doch der Dämon lehnt die Avancen des Prinzen ab, denn er hat sich bisher stets nur mit Frauen vergnügt. Cas, der als Bettler aufwuchs, ist dennoch beeindruckt von dem weltgewandten Mirceo – und als der Vampir ihm seine Freundschaft anbietet, willigt Cas ein, Mirceo eine Zeitlang zu begleiten und mit ihm das süße Leben zu genießen: Gemeinsam vergnügen sich die beiden auf Festen, bei Kneipenprügeleien und vertrauen sich nächtelang Geheimnisse an. Zwischen dem rauen Dämon und dem sinnlichen Vampir entwickelt sich eine so tiefe Verbundenheit, dass Mirceo schließlich sicher ist, dass Caspion sein Gefährte ist. Und obwohl der Dämon sich dagegen sträubt, kann er den Bund zwischen ihm und dem Vampir nicht auflösen …
ich bin so glücklich, Verheißung des Zwielichts endlich mit euch teilen zu können. Es hat mir unglaublich große Freude gemacht, die Romanze von Mirceo und Caspion zu schreiben. Vor allem, da dies während einer Zeit geschah, in der ich ein Manuskript, das lieb zu mir war, bitter nötig hatte! Vermutlich hatte das mit der Tatsache zu tun, dass mir diese Liebesgeschichte schon seit Jahren im Kopf herumspukte, noch bevor die beiden überhaupt zu Mirceo und Caspion wurden.
Ich glaube, ich warte darauf, ihre Geschichte zu erzählen, seit ich 1996 meinen ersten modernen Liebesroman mit zwei männlichen Hauptpersonen gelesen habe. Zwanzig Jahre – und viele Und-wenn-sie-nicht-gestorben-sind später – war es dann endlich so weit …
Der Mythos
»… und jene empfindungsfähigen Geschöpfe, die nicht der menschlichen Rasse angehören, sollen in einer Schicht vereinigt sein, die neben der der Menschen besteht, ihnen jedoch verborgen bleibt.«
– Die meisten Mythenweltbewohner sind unsterblich und können sich nach Verletzungen regenerieren.
– Bei heftigen Gefühlsregungen verändert sich ihre Augenfarbe, die von Rasse zu Rasse variiert.
Die Vampire
– Jeder erwachsene männliche Vampir wandelt als lebender Toter über die Erde, bis er seine Gefährtin oder auch seinen Gefährten findet, die oder der ihm vom Schicksal auserwählt wurde. Diese Person haucht seinem Körper Leben ein, lässt ihn atmen und bringt sein Herz zum Schlagen; ein Prozess, der Erweckung genannt wird.
– Wenn ein Vampir Blut direkt aus dem Körper trinkt, nimmt er meistens die Erinnerungen seines Opfers in sich auf. Beißt er aber zu viele oder trinkt so lange, bis sein Opfer den Tod findet, färben sich seine Augen rot und er verliert den Verstand; ein Zustand, den man Blutgier nennt.
– Translokation nennt man die Fähigkeit, sich zu teleportieren. Ein Vampir kann sich nur zu Orten translozieren, an denen er schon einmal war.
– Es existieren drei Vampirfaktionen: die Armee der Devianten (gewandelte Menschen), die Horde (rotäugige Blutsauger) und die Dakier (die man für einen Mythos hält) …
Die Dakier
»Es wird gemunkelt, sie besäßen einen scharfen Verstand, jedoch ein steinernes Herz. Die Vampire des Nebels und der Legende beobachten die Mythenwelt mit leidenschaftslosem Blick. Auf ihnen lastet der Fluch immerwährender Zwietracht, bis sich ein Prinz aus längst vergangenen Zeitaltern erhebt …«
– Es heißt, das abgeriegelte Königreich Dakien, das Reich von Blut und Nebel, befinde sich in einer ausgehöhlten Bergkette.
– Dakier sind stärker und schneller als andere Vampire und besitzen esoterische Fähigkeiten.
Die Dämonarchien
»Die Dämonen sind so mannigfaltig wie die Stämme der Menschen …«
– Eine Ansammlung dämonischer Dynastien.
– Die meisten Dämonenrassen können sich an Orte teleportieren, an denen sie schon einmal gewesen sind.
Die Todesdämonen
»Brutal, kriegerisch und erbarmungslos gieren sie ständig nach dem nächsten Opfer – und der Stärke, die dieses ihnen bringt …«
– Eine Dämonarchie, die auf der fernen Ebene von Abaddon beheimatet ist.
– Todesdämonen erlangen jedes Mal, wenn sie töten, neue Kraft.
Die Akzession
»Und es wird eine Zeit kommen, da alle unsterblichen Kreaturen des Mythos kämpfen und einander vernichten sollen.«
– Eine Art mystisches System zur gegenseitigen Kontrolle in einer beständig wachsenden unsterblichen Bevölkerung.
– Geschieht alle fünfhundert Jahre. Oder genau in diesem Augenblick …
Das Leben ist nur ein Spiel, in dem zu siegen ich geboren wurde.
– Mirceo Dakiano, Prinz von Dakien, letzter männlicher Spross des Hauses Castellan.
Als ich noch jünger war, hatte ich keine andere Wahl, als um Nahrung zu betteln. Der Luxus einer Wahl kann nur von denen gewürdigt werden, die wissen, wie es ist, ohne ihn zu leben.
– Caspion der Jäger, Kopfgeldjäger, unbekannter Abstammung.
Palast der Freuden, Neu-Rom
Vor einigen Monaten …
»Mir gefällt dein Stil, Dämon.«
Cas hatte gerade den Kopf zurückgelegt, um sich in den warmen Quellen zu entspannen, als er die tiefe Stimme hörte, die in dem Stimmengewirr im Badehaus hervorstach.
Er setzte sich aufrecht auf die Unterwasserbank und blickte in die Richtung, aus der sie kam, spähte durch den Dampf hindurch, der über dem ausgedehnten Becken lag. Verschleierte graue Augen starrten zurück.
Der schwarzhaarige Vampir? Die Damen in diesem Palast tuschelten darüber, dass er ein Prinz aus uralter Familie sei, unermesslich reich und ein großzügiger Liebhaber von Frauen wie auch Männern. Er war ein lebender Widerspruch: ein auf natürliche Weise geborener Vampir, dessen Augen keine Spur der roten Färbung zeigten, die Blutgier signalisierte.
Der Prinz war von einem ganzen Haufen ergebener Bewunderer umgeben; warum sollte er also Cas ansprechen?
»Mein Stil?« Er muss mich heute Abend beobachtet haben. Cas kam gerade vom montäglichen Gelage, einer Orgie mit Hunderten von Unsterblichen. Er wollte sich nur kurz im heißen Wasser entspannen und einen letzten Krug des billigen Bräus zu sich nehmen, ehe er in sein Heimatreich Abaddon zurückkehrte.
Die Miene des Vampirs wirkte amüsiert. »Ich habe dich vorhin in Aktion gesehen, mein Süßer.«
Cas’ Gesicht wurde bei dieser Bezeichnung heiß. Errötete er etwa? Als Dämon, der sich mit Sex bestens auskannte, errötete er nicht. »Man tut, was man kann.«
Der Prinz lachte; ein überaus wohlklingender Laut. Eine Strähne seines schulterlangen, schwarzen Haars fiel ihm in die Augen, und er strich sie zurück. Auch wenn sein glatt rasiertes Gesicht die für Vampire typische Blässe aufwies, zeigten seine hohen Wangenknochen eine gesunde Farbe. »Du bist ja entzückend.« Er sprach mit deutlichem Akzent. Rumänisch? »Komm und gesell dich zu uns.«
Alle im Badehaus Anwesenden – Unsterbliche, die auf Liegen, im Wasser und sogar in der Luft Sex hatten – schienen diesen Austausch zu beobachten.
Was will er nur von mir? »Ich bleib lieber, wo ich bin, danke.«
Allgemeines Keuchen und Nach-Luft-Schnappen. Die Augenbrauen des Prinzen schossen vor Überraschung in die Höhe. Na, noch nie ’nen Korb gekriegt? Langsam breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus, als sich der Vampir erhob und auf den Weg zur anderen Seite des Pools machte.
Die von ihm verlassenen Bewunderer warfen Cas mörderische Blicke zu. Als ob er auf diese Aufmerksamkeit aus gewesen wäre. Er war hetero, was dem Prinzen klar sein müsste, wenn er Cas wirklich in Aktion beobachtet hätte.
Anstatt sich zu translozieren, entschied sich der Prinz, durch das hüfthohe Wasser zu waten. Er schien ein wenig kleiner zu sein als Cas mit seinen gut zwei Meter zehn. Im Gegensatz zu Cas, der kräftig gebaut war, war der Prinz eher schlank, wenn auch muskulös.
Andere Unsterbliche folgten jeder seiner hypnotischen Bewegungen. Ein Sukkubus, der einen blauen Zalos-Dämon auf einem Massagetisch ritt, kniff sich in die Nippel, während sie ihn anstarrte. Als der Prinz an einer Nymphe vorbeikam – die gerade von einem keuchenden Zaubermeister von hinten genommen wurde –, reckte sie sich, bis sie eben noch mit den Fingerspitzen über seinen Arm streichen konnte.
Typischer Vampirmagnetismus. Um sich nähren zu können, lockten die Angehörigen dieser Spezies andere Wesen in ihre Nähe, sodass sie zuschlagen konnten. Eine biologische Notwendigkeit machte aus Vampiren die hypnotisierendsten Kreaturen der Mythenwelt.
Als er Cas erreicht hatte, machte es sich der Prinz völlig ungezwungen auf der engen Bank neben ihm bequem. »Ich grüße dich, Dämon.«
Cas neigte den Kopf. »Was hat dich hierhergebracht?« In diese dunkle Ecke. Zu mir.
»Mein Schwanz.« Der Vampir wies auf seinen Schwanz, der begonnen hatte, hart zu werden, wie durch Dampf und Wasser deutlich zu sehen war.
Cas erstarrte. »Wie bitte?«
»Dieses launische Ding hat seinen eigenen Kopf. Er zeigt in eine Richtung, und ich muss folgen.« Er starrte hinab und stieß einen Seufzer aus. »Wenn er nur nicht so schön wäre …«
»Dein launischer Schwanz hat sich wohl geirrt, als er in meine Richtung zeigte.« Ein Satz, von dem ich nie gedacht hätte, dass ich ihn einmal sagen würde. Schon jetzt hatte Cas in diesem kurzen Wortwechsel das Gleichgewicht verloren und vermochte es einfach nicht wiederzuerlangen.
Der Prinz hob den Blick. »Ich erlaube mir nur einen Spaß mit dir«, sagte er, um gleich darauf die Worte Das ist kein Spaß mit den Lippen zu formen.
»Ich begehre ausschließlich Frauen, mein Freund.«
Die Lippen des Vampirs verzogen sich zu einem Lächeln, das weiße Zähne und Fänge aufblitzen ließ. »Meine eigenen Begierden sind nicht derartig … begrenzt. Aber ich habe andere, die diese Bedürfnisse befriedigen können. Ich habe dich nicht wegen einer bloßen Nummer aufgesucht.«
Er wollte Cas nicht ficken? Ein seltsamer Gedanke stieg in ihm auf: Was findet er denn an mir anstößig? »Was willst du dann?«
»Vorläufig wüsste ich gerne deinen Namen.«
Die Antwort folgte widerwillig. »Caspion.« Die anderen Männer, mit denen Cas sich sonst herumtrieb – ungehobelte Dämonen in Abaddon und andere Kopfgeldjäger – erschienen ihm weitaus weniger kompliziert als dieser Vampir.
»Ich bin Prinz Mirceo. Du kannst mich Mirceo nennen.«
»Prinz von welchem Königreich?«
»Einem geheimen. Mehr kann ich dir leider nicht sagen.«
Trieb dieser Vampir ein Spiel mit ihm? Obwohl Cas’ engste Freundin, Bettina, Erbin des Throns ihrer Dämonarchie war, misstraute er den Reichen. Bettina war eine seltene Ausnahme.
»Bereits jetzt breche ich die Gesetze meines Volkes, nur indem ich mit einem Andersländer rede«, sagte Mirceo.
Cas bezweifelte, dass es dem Prinz lediglich um Konversation ging. Sie wollen immer mehr. Er fühlte sich, als ob er zwei Leben lebte: seine normale Existenz in Abaddon und sein Schattenleben, das mit sexuellen Abenteuern ausgefüllt war. Niemand in seinem Schattenleben scherte sich darum, mit einem Dämon wie Cas Konversation zu machen. »Du hast mich aus einem bestimmten Grund aufgesucht …«
»Vielleicht suche ich die Freundschaft eines Kerls, der wie ich ein Kenner auf dem Gebiet der Erotik ist. Erzähl mir von dir.«
Warum verschwendet er seine Zeit mit mir? Im Gegensatz zu den anderen Anwesenden besaß Cas wenig Geld und keinerlei Erziehung. Er war auf der Straße aufgewachsen, hatte Lumpen getragen, Abfallbehälter geplündert und gebettelt. Da er keinen Namen besessen hatte, hatte man ihn Bettler genannt.
Cas kam nur darum in diese opulente Lasterhöhle, weil ihn die Geschäftsführung kostenlos hereinließ und die Frauen immer umwerfend waren.
Der Vampir musste wohl immer noch glauben, er habe eine Chance auf Sex. Die beiden saßen unbekleidet auf einer Bank, die von Sekunde zu Sekunde zu schrumpfen schien. Sollte Cas sein Bein auch nur einen Zentimeter verlagern, würde sein nackter Schenkel den des Vampirs streifen. »Ich meine, was ich sagte, Prinz. Ich weiß dein Interesse zu schätzen, erwidere es aber nicht.«
»Mein Interesse gilt zurzeit deinem Kopf, Caspion. Ich besitze nun mal die Neugier eines Vampirs, und dein Verhalten fasziniert mich. Beantworte einige Fragen und trinke etwas mit mir.« Er winkte einer der Kellnerinnen.
»Meinem Kopf?« Cas war seine Ungläubigkeit deutlich anzuhören. Er war des Lesens und Schreibens nahezu unkundig und konnte nur die Wörter lesen, die auf Steckbriefen immer wieder verwendet wurden.
»Ja, deinem Kopf.«
Geschmeichelt richtete Cas sich auf.
Die Kellnerin kam herbei; eine wohlgestaltete Dämonin, die Mirceo einen sehnsüchtigen Blick zuwarf. Hatte der Vampir diese Schönheit genossen? Anderen zufolge war er schon mit den meisten hier zusammen gewesen – weil er sich weigerte, es zweimal mit demselben Partner zu treiben.
Mirceo bestellte Blutmet für sich und das beste Dämonenbräu des Palasts für seinen »gut aussehenden neuen Freund«.
Cas hob die Brauen, als er das hörte – ein derartig erlesenes Getränk hatte er sich nie zuvor leisten können. Wie die meisten Dämonen liebte er Bräu. »Vielleicht könnte ich noch ein Weilchen hierbleiben.« Er wollte sowieso noch nicht nach Hause zurückkehren. Er war müde und erschöpft und war hierhergekommen, um sich zu entspannen.
»Gute Entscheidung.« Mirceo schenkte ihm ein Lächeln voll des Lobes. »Ach Liebster, wie viel Spaß wir zusammen haben werden.«
Aus irgendeinem Grund lief Cas ein Schauder den Rücken hinab. Die Worte des Vampirs klangen recht harmlos. Warum habe ich dann aber das Gefühl, ich hätte gerade mehr als nur einem Drink zugestimmt?
»Sei so lieb und sieh zu, dass wir immer genug zu trinken haben«, trug Mirceo der Serviererin auf, als sie mit zwei goldenen Kelchen zurückkam. Sie war eine Sturm-Dämonin, die ihm letztens erst einen denkwürdigen Blowjob geschenkt hatte.
Ihre Augen flehten um eine Wiederholung. Seine Augen sagten: Tut mir schrecklich leid, meine Tulpe, aber das wird nicht passieren.
Als eingefleischter Hedonist hielt sich Mirceo nur an einige wenige verbindliche Regeln in seinem Leben – aber er hatte nie zweimal Sex mit demselben Partner.
Sobald sie fort war, nahm Caspion einen Schluck aus seinem Kelch und leckte sich die Lippen. »Bei allen Göttern, das rinnt die Kehle hinab wie flüssiges Gold. Das muss ein Vermögen kosten.«
Ich würde ein wahres Vermögen ausgeben, nur um noch einmal zu sehen, wie du dir über diese Lippen leckst. »Ich bin ein Vampir mit mehr Gold als Zeit«, sagte er geistesabwesend, während sein Blick Caspions makellose Züge bewunderten: mitternachtsblaue Augen, ein gemeißeltes Kinn und ein Mund, der zum Küssen gemacht zu sein schien.
Und diese Hörner! Sie bogen sich entlang seines hellen Schopfes nach hinten wie eine Krone aus poliertem Bernstein; die perfekte Ergänzung zu seinem zerzausten blonden Haar und der von der Sonne geküssten Haut.
Der hoch aufragende Körper des Dämons strahlte Sex und Macht aus; es war der großartigste, den Mirceo jemals gesehen hatte.
Nun ja, abgesehen von seiner eigenen herrlichen Gestalt. Ich will ihn.
Während der Orgie vorhin hatte Mirceo gerade seine dritte Partnerin, einen entzückend gierigen Sukkubus, von oben genommen, während sie, nur auf Nacken und Schultern gestützt, ihm ihren Unterleib entgegengereckt hatte, als er den Dämon erblickt hatte. »Wer ist der Blonde dort?« Die Art und Weise, wie dieser Mann seine eigene Partnerin befriedigt – und beherrscht – hatte, war atemberaubend.
»Caspion der Jäger«, hatte der Sukkubus zwischen keuchenden Atemzügen herausgebracht. »Ein Todesdämon.«
Ein wenig später war einem von Mirceos Hedonistenfreunden aufgefallen, dass dessen Blick immer wieder von dem Dämon angezogen wurde. »Er wird von den Damen hoch geschätzt«, hatte er gesagt. »Lass es mich so sagen: Er ist der einzige Mann hier, der keinen Eintritt zahlen muss.«
»Wird er vielleicht von irgendwelchen Herren ebenso hoch geschätzt?«
»Er ist eingefleischter Hetero.«
»Ach ja?« Mirceo hatte gelächelt. »Ich mag Herausforderungen. Er wird die Eroberung aller Eroberungen werden.« Seine Freunde hatten Wetten abgeschlossen. Erstaunlicherweise waren einige töricht genug, gegen Mirceo Dakiano zu wetten …
Jetzt hob er seinen Kelch. »Lass uns anstoßen.«
Caspion hob den seinen. »Und worauf sollen wir trinken?«
»Auf dieser fantastischen Bank selbstverständlich. Lass uns die Kelche leeren!«
Sie tranken aus, woraufhin die Dämonin ihnen rasch nachschenkte.
Sobald sie wieder gegangen war, sagte Caspion: »Ich habe deine Bezahlung akzeptiert, Vampir. Stell deine Fragen.«
Dieser wunderbar dominante Mann hatte Mirceo heute Abend zwei Dinge zuteilwerden lassen, die ihm kein anderer zu geben gewagt hätte: eine Weigerung und einen Befehl. Mirceo fand seinen Mangel an Ehrerbietung … erregend. »Du willst also gleich zur Sache kommen? Bin ich denn so abscheulich, dass du es nicht erwarten kannst, meinen Fängen zu entkommen?« Ich muss unbedingt diesen gebräunten Brustkorb in die Finger bekommen. Und mich an das goldene Haar darauf schmiegen. »Nun gut, Dämon. Ich möchte wissen, woran du während dieser Orgie gedacht hast. An deine Partnerinnen jedenfalls gewiss nicht.«
Eine gewisse Anspannung schlich sich in Caspions breite Schultern. »Ich habe keinerlei Klagen gehört.«
Empfindlich, mein Süßer? »In der Tat, nein. Das ist ein Grund für mein Interesse. Obwohl deine Gedanken eine Million Meilen weit weg waren, hast du diesen Frauen mit derselben Leichtigkeit Orgasmen abgerungen wie ein Winzer den Trauben ihren Saft.« Er war ganz und gar Alphatier gewesen, hatte das Heft in der Hand gehabt – genau wie Mirceo selbst auch immer.
»Manchmal schweifen meine Gedanken beim Sex ab.« Als sich Caspion den Nacken rieb, wurde Mirceos Aufmerksamkeit vom hervortretenden Bizeps auf die sexy blonden Härchen in seiner Achsel gelenkt. »Wie lange hast du mich beobachtet?«
»Lange genug, um fasziniert zu sein.« Mirceo sah ihm in die Augen. »Ich muss wissen, worüber du nachgedacht hast.«
»Ich bin es nicht gewohnt, Fremden private Dinge anzuvertrauen.« Er nahm einen großen Schluck aus seinem Kelch, während sein Blick hitzig wurde.
Götter, diese Augen. Ich möchte in sie hinaufblicken, während ich seinen Schaft zwischen die Lippen nehme. Bei diesem Gedanken erstarrte Mirceo plötzlich. Nie war er derjenige auf den Knien gewesen – immerhin war er ein Prinz –, aber er wäre bereit, einmal einen Schwanz zu probieren, solange der Caspion gehörte. Vielleicht sollte ich mir von unserer Dämonen-Kellnerin ein paar Tipps geben lassen. »Soll ich anfangen?«, fragte er. »Wirst du mir vertrauen, wenn ich dir etwas aus meinem eigenen Leben erzähle?«
»Kommt drauf an, was das ist.«
»Also gut.« Mirceo senkte die Stimme – eine der verlässlichsten Waffen in seinem Arsenal der Verführungskünste war seine raue Stimme mit dem sexy Akzent. »Ich komme aus einem sagenhaften Reich, das nur wenige Außenseiter je gesehen haben.« Verborgen in einem Berg erstreckt sich das Königreich Dakien unter einer hoch aufragenden Höhlendecke. »Es gilt als ein Paradies für Vampire und ist mit Reichtümern angefüllt.« Blut sprudelt in Springbrunnen, Nebelschwaden tanzen über die Kopfsteinpflaster, und ein riesiger Diamant im höchsten Teil der Höhle filtert das Sonnenlicht. »Meine Art besitzt Fähigkeiten, die andere Vampire nicht besitzen.« Wir können uns in Nebel verwandeln und schweben. »Es ist mir verboten, mein Königreich ohne die Erlaubnis eines Torwächters zu verlassen. Doch ich verlasse es, sogar oft.« Weil der Torwächter einfach zu gerne Blutmet trinkt. »Obwohl ich gehalten bin, mich im Nebel zu verbergen, um von niemandem außerhalb unseres Reiches gesehen zu werden, lasse ich mich regelmäßig von anderen sehen.«
Wenn jemand Dakien ohne Erlaubnis verließ, konnte er sich nie wieder nach Hause translozieren und die Erinnerung an die Lage des Königreichs verging nach und nach. Aber ich habe einen Ausweg gefunden.
Die Lider des Dämons hatten sich gesenkt. Er sah aus, als ob er Mirceo bis in alle Ewigkeit zuhören könnte. »Ist dein Vater der König?«
»Wir haben gegenwärtig keinen König.« Sogar durch den Geruch nach heißen Quellen und Sex hindurch fing Mirceo einen Hauch von Caspions natürlichem Duft auf: eine berauschende Mischung, die an Regentropfen und Leder erinnerte. Als jemand, der aus einem Reich stammte, in dem es keinen Regen gab, fand Mirceo den Duft des Dämons ebenso exotisch wie verlockend.
Caspion nahm einen großen Schluck Bräu. »Wenn du ein Prinz bist, warum sitzt du dann nicht auf dem Thron?«
»Es gibt andere in meiner Familie, deren Anspruch ebenso groß wie der meine ist. Die Lage ist problematisch. Es gibt einen anderen, der uns regieren könnte – den rechtmäßigen Erben.« Lothaire der Erzfeind, ein dreitausend Jahre alter Vampir. »Aber seine Augen sind rot.« Er war zur Hälfte Dakier, doch die andere Hälfte gehörte der Horde an.
»Wegen seiner Blutgier.«
»In der Tat.« Mirceo nippte an seinem Kelch. »Er ist deswegen dem Wahnsinn anheimgefallen. In meinem speziellen Königreich gilt das Trinken aus lebenden Wesen als verabscheuungswürdiges Tabu. Natürlich träume ich ohne Unterlass davon.« Sein Blick wurde von Caspions Puls angezogen. Als der Dämon es bemerkte, schluckte er heftig. »Meine Verwandten und ich sind übereingekommen, die Angelegenheit zu überdenken und bald zu entscheiden.« Mirceo würde ohne zu zögern dafür stimmen, Lothaire den Thron zu überlassen. Nichts wäre besser geeignet, Dakiens Tabu bezüglich des Bluttrinkens zu zerschmettern, als ein rotäugiger König. »Bist du mit dem zufrieden, was ich dir erzählt habe?«
Caspion nickte. Langsam bemerkte er die Wirkung des Dämonenbräus. Er war wohl nicht an die Stärke teurer Jahrgänge gewöhnt. »Meine älteste Freundin – ein Sorceri-Dämonen-Halbling – wurde von einer Bande von Vrekenern überfallen.« Von Gefühlen überwältigt, flackerten seine Augen schwarz. »Der Angriff war grausamer als alles, was ich je gesehen habe. Sie hat nur knapp überlebt. Sechzig Tage lang saß ich neben ihrem Bett, während sie sich langsam erholte. Sechzig Nächte lang brach ich in verschiedene Welten auf, um ihre Angreifer zu jagen.« Es klingt, als ob sie mehr als eine Freundin wäre. »Ich bin von Beruf Kopfgeldjäger, aber diesen geflügelten Teufeln gelingt es, sich vor mir zu verbergen, da ihr schwebender Schlupfwinkel sich unaufhörlich in Bewegung befindet. Heute wurde mir befohlen, die Suche einzustellen.«
»Es tut mir leid, Caspion. Das zu akzeptieren muss dir schwerfallen. Sag mir, wenn ich dir irgendwie behilflich sein kann.«
»Warum?«, fragte der Dämon argwöhnisch. »Du kennst mich doch gar nicht.«
Wie wahr. »Ich kann es nicht erklären, aber ich fühle mich dir verbunden.« Vielleicht würde er mit Caspion befreundet bleiben, sogar nachdem sie einander genossen hatten. Es gibt für alles ein erstes Mal. »Das ist ungewöhnlich.« In der Nähe dieses Mannes fühlte er sich zugleich erregt und zufrieden. Belebt und doch beruhigt.
»Ungewöhnlich? Du bist hier der Favorit. Alle wetteifern um deine Aufmerksamkeit. Ich würde sagen, du fühlst dich sehr vielen verbunden.«
Mirceo grinste ihn an. »Dann bin ich dir also aufgefallen?«
Caspion starrte finster in seinen Kelch.
»Meine Heimat mag ein Paradies sein, aber sie ist voller Regeln, daher genieße ich die Gesellschaft von Andersländern. Aber niemals mehr als die deine.« Keine Lüge.
»Das wage ich zu bezweifeln.«
Damit hatte der Dämon eine weitere faszinierende Facette seiner Persönlichkeit aufgedeckt: Unsicherheit. Dieser mächtige blonde Adonis war verletzlich. Diese Erkenntnis erweckte in Mirceo den Wunsch, ihn zu verteidigen, ihn an sich zu drücken.
Beschützerinstinkt? Das sieht mir gar nicht ähnlich. Die Einzige, gegenüber der er so etwas empfand, war Kosmina, seine geliebte jüngere Schwester. Der Rest der Bevölkerung sämtlicher Welten konnte zur Hölle fahren, soweit es ihn betraf.
»Warum sollte ich irgendetwas von dem glauben, was du sagst?«, fragte Caspion.
»Warum solltest du es nicht tun? Vergiss nicht, ein auf natürliche Weise geborener Vampir wie ich ist gar nicht fähig, zu lügen.« Mirceo musterte das atemberaubende Gesicht des Dämons. »Fühlst du denn keine gleichgeartete Verbundenheit mit mir?«
Seltsamerweise war das tatsächlich der Fall. Oder vielleicht genoss er auch nur die Auswirkungen des süffigsten – und zugleich stärksten – Bräus, das er je konsumiert hatte. Denn warum sollte er wohl sonst eine Verbindung zu einem kultivierten Vampirprinz fühlen? »Allerdings keine sexuelle Verbundenheit.«
Mirceo fuhr mit den Fingern über den Rand seines Kelches; seine schwarzen Klauen trug er kürzer als Cas die seinen. »Dann hast du es also noch nie mit einem Mann getan?«
Cas schüttelte den Kopf. »Nicht mein Ding.«
»Meins auch nicht, bis ich es einmal probiert habe.« Mirceo nahm einen Schluck und leckte sich einen Tropfen Blutmet von der Lippe.
Cas war dermaßen in diesen Anblick versunken, dass er nur mühsam in die Gegenwart zurückfand. Wie sollte er auf diesen Kommentar reagieren? Verstehe. Schön für dich. Danke, dass du mir das mitgeteilt hast.
»Und was sollen wir nun wegen deiner Jagd tun?« Gnädigerweise wechselte der Vampir das Thema.
»Es gibt nichts, was ich tun kann. Ich muss meinem Befehl Folge leisten.« Raum, einer von Bettinas Vormündern und amtierender Herrscher von Abaddon, hatte geschworen, einen Kader seiner besten Krieger zu entsenden, die die Jagd übernehmen würden. »Ich habe das Gefühl … völlig hilflos zu sein.«
»Ist diese Frau, die du rächen willst, mehr als eine Freundin?«
»Ich werde in ihr nie mehr als eine Schwester sehen, obwohl sie wunderschön und hochbegabt ist. Sie ist eine Goldschmiedin ohnegleichen.« Cas hatte sie ins Reich der Sterblichen mitgenommen, um es gemeinsam zu erforschen. Er hatte ihr beigebracht, was Baseball ist und wie man ein Auto fährt.
Doch in letzter Zeit fühlte er sich bei seinen Besuchen zunehmend unbehaglich. Sie schämte sich wegen ihrer Reaktion auf ihre grauenhaften Verletzungen, wünschte sich, dämonischer zu sein. Stärker. Doch der zarte Halbling hatte niemals ausgesehen oder gehandelt, als ob in ihm Dämonenblut flösse. »Ich kenne sie seit über zehn Jahren, seit ich fünfzehn bin.«
»Du bist fünfundzwanzig? Fünf Jahre jünger als ich. Bist du schon vollständig unsterblich?«
»Ich habe die Transition gerade hinter mich gebracht.« Nun konnte Cas abgesehen von einer Enthauptung nur noch wenig umbringen.
»Bedauerlicherweise stehe ich ebenfalls kurz davor. Mein Herz verlangsamt sich seit Jahren und wird bald aufhören zu schlagen.« Durch seine Transition trat ein männlicher Vampir in eine Art lebende Stase über; Herzschlag, Atmung und sexuelle Fähigkeiten würden aussetzen und erst wieder durch seine Vampirbraut erweckt werden. »Hör zu.« Mirceo hielt eine Hand in die Höhe, um die Unterhaltung für einige Augenblicke zu unterbrechen. Dann zeigte er auf seine Brust. »Die ganze Zeit über hat sich mein Herz nicht gerührt. Ich denke, mir bleiben nur noch ein, zwei Monate, bevor ich unfähig bin zu ficken – bis ich meine Gefährtin finde«, fügte er mit düsterer Miene hinzu. »Die Aussicht, als lebender Toter existieren zu müssen, ist schon beklagenswert genug, aber von einer völlig Fremden abhängig zu sein, die mich wiederbelebt? Und die sicherlich von mir erwartet, ihr treu zu sein.« Ein Schaudern durchlief seinen Körper. »Ich kann mich also darauf freuen, eine einzige Partnerin zu haben. Für immer.«
»Götter, ich fühle mit dir, was dein Zölibat angeht, mein Freund.« Heutzutage schien Sex so ziemlich das Einzige zu sein, was Cas bei Verstand hielt. Das Problem war das Geld. Cas erhielt nicht in jedem Etablissement freien Eintritt.
Das Leben eines Casanova war eines in Armut. Ganz zu schweigen von den Unsummen, die er ausgab, um Jungspunden in Abaddon eine Berufsausbildung zu finanzieren.
»Und wegen der Monogamie nicht? Für mich stellt sie eine unerträgliche Härte dar.«
»Wenn ich erst einmal meine Gefährtin finde, werde ich ihr treu sein bis zum letzten Atemzug.« Auch wenn Cas noch jung war, sehnte er sich bereits nach ihr und den Jungen, die sie ihm schenken würde.
»Wenigstens kannst du bis dahin weiterficken. Dein Schwanz kann sich weiterhin austoben.«
»Zumindest weißt du, wie es ist, seinen Samen zu vergießen«, konterte Cas. Ein männlicher Dämon konnte zum Orgasmus kommen, ehe er die ihm vom Schicksal zugedachte Partnerin fand, aber zum Samenerguss konnte er erst dann kommen, wenn er sein dämonisches Siegel im Körper seiner Gefährtin verlor. »Warum bist du denn so gegen Monogamie?«
»Meine raubtierhafte Natur treibt mich dazu, immer wieder neue Eroberungen zu machen. Würdest du denn eine Beute verfolgen, die du bereits gefangen genommen hast? Würde ein Jäger einen Keiler jagen, den er bereits erlegt hat?« Mirceo seufzte. »Wenn mein Herz erst stillsteht, spielt das sowieso keine Rolle mehr. Aber bis dahin werde ich Sex haben wie ein Wahnsinniger und jede verruchte Wonne genießen, die einem Vampir mit mehr Geld als Zeit und weniger Weisheit als Wagemut zur Verfügung steht.«
Muss nett sein.
»Schließ dich mir an, mein Süßer. Auf meine Rechnung. Wir werden die Welten bereisen und Mädchen und Getränke gemeinsam genießen. Ich werde dich zu Bacchanalien mitnehmen, denen gegenüber alles zahm erscheint, was heute Abend hier vorgegangen ist. Ich werde dich Göttern vorstellen, und wir werden in bedeutungslosem Hedonismus schwelgen.«
Nach den letzten beiden Monaten klang das in Cas’ Ohren so verdammt verlockend. Wenn der verwöhnte Prinz unbedingt bezahlen wollte, sollte Cas das Ganze vielleicht einfach genießen. Aber zuerst einmal musste er eines klarstellen … »Wenn du daran denkst, mich zu verführen – daraus wird nichts. Ich werde niemals einen anderen Mann begehren.«
Mirceo hielt Cas’ Blick stand. »Wenn du mit mir unterwegs bist, wirst du niemals etwas tun, was du nicht zu tun wünschst.« Der Vampir lehnte sich zu ihm hinüber. »Ist das nicht die Essenz des Hedonismus? An allem teilhaben, was man begehrt, und an nichts von dem, was man nicht begehrt?«
Cas schien den Blick nicht abwenden zu können. Aus dieser Nähe sah er, dass ein schwarzer Ring Mirceos Iriden umgab. Hypnotisierend … »Aber warum ich? Jedes einzelne dieser Wesen würde mit Freuden auf das Angebot eingehen, das du mir gerade gemacht hast.«
Die Lippen des Vampirs krümmten sich zu einem Lächeln. »Was du mit dem Körper deiner Partner tust, kann man nur als Kunst bezeichnen. Betrachte mich als Förderer der Kunst, junger Dämon …«
»Das Ende unserer Zeit ist nahe, Caspion«, verkündete der Prinz in ernstem Ton.
Cas und er saßen hoch oben auf dem Turm einer Hängebrücke im Reich der Sterblichen. Zig Meter über dem Wasser blickten sie auf die Nebelschleier hinaus. Wie gewöhnlich hielt jeder von ihnen eine Flasche in Händen.
»Aber es waren doch gerade mal ein paar Wochen.« Wie versprochen hatte der Vampir Cas die Augen für eine überwältigende neue Welt geöffnet, hatte ihn überallhin mitgenommen, von erotischen Bällen bis hin zu verkommenen Kerkern, während er ihn großzügig mit den feinsten Delikatessen und Getränken versorgt hatte. »Warum die Eile?«
Sie hatten die Lebensfülle dreier Monate in diese drei Wochen gepackt, nur selten geschlafen und waren unzertrennlich geworden. Sie teilten dieselben Gelüste und Begierden, zumindest zum größten Teil. Denn Mirceo teilte das Bett genauso gern mit einem Mann wie mit einer Frau. Er hatte in diesem Fall keine Vorlieben.
Cas bemerkte: »Dein Herz schlägt nach wie vor.« Gelegentlich. »Es gilt immer noch so viele Wonnen auszukosten.« Selbst solche nicht sexueller Art.
Nach Nächten, die sie volltrunken mit Schlägereien und dem Beackern derber Kurtisanen verbracht hatten, pflegten Cas und Mirceo bis weit in den Tag hinein miteinander zu reden, einander Geheimnisse anzuvertrauen …
Mirceo: »Ich bin Dakier. Ich komme aus dem verborgenen Reich von Blut und Nebel.« Angeblich handelte es sich bei den Dakiern um einen echten Mythos; es hieß, sie seien stärker, schneller und skrupelloser als andere Vampire. »Ich bin der Anführer der Burgwache, aber meine Pflichten sind zurzeit nicht sehr umfangreich, da die Schwarze Festung keinen König beherbergt.«
Cas: »Ich war eine Waise, die auf der Straße lebte, hatte keine Ahnung, wer meine Eltern waren.« Er hatte sich zu sehr geschämt zuzugeben, dass er sein Leben als elender Bettler hatte fristen müssen, hatte aber eingestanden: »Auch wenn ich mir selbst beigebracht habe, die wichtigsten Wörter auf Fahndungsplakaten zu lesen, habe ich nie gewagt, es einmal mit einem Buch zu versuchen.«
Seitdem hatte ihm der Vampir jeden Morgen vorgelesen. Cas genoss diese besänftigenden Ruhephasen weit mehr als die ausgelassenen Lustbarkeiten …
Der Prinz seufzte. »Ich vermisse meine Schwester und mein Zuhause. Dazu kommt noch, dass wir einen neuen König krönen müssen.«
Den Verrückten? Mögen ihnen die Götter beistehen.
Mirceo blickte Cas prüfend an. »Wirst du mich vermissen, wenn ich fort bin?« Die grauen Augen des Vampirs passten zu dem Nebel, der über dem Wasser hing. So wie dieser Nebel war Mirceo Cas unter die Haut gesickert, bis in seine Knochen hinein.
»Das weißt du doch.« Cas war glücklicher denn je. Trotz ihrer grundsätzlichen Unterschiede hatten ihre Persönlichkeiten sich so einfach miteinander verbunden wie Ebbe und Flut. »Mein Instinkt rät mir, deine Nähe zu suchen.«
Nur eine Sache trübte ihre gemeinsame Zeit. Er wünschte, Mirceo würde seine Versuche einstellen, ihn mithilfe seiner Verführungskünste zu umgarnen. Alle Vampire besaßen diese übernatürliche Anziehungskraft, aber Mirceos war nahezu unwiderstehlich. Ihr Bund konnte eine solche Ablenkung nicht brauchen.
Mirceo wandte sich um, um die surreale Szenerie zu betrachten. »Ich habe eine Theorie, warum wir uns dermaßen verbunden fühlen.«
Cas ebenfalls. Er glaubte, das Schicksal habe ihm den Grundstein für etwas geschenkt, was sich zu einer legendären Freundschaft entwickeln würde – um ihn für all die Dinge zu entschädigen, die er nie gehabt hatte: Eltern, ein Zuhause, Nahrung. In seiner frühesten Erinnerung hielt er sich den Bauch, weil dieser vor Hunger unerträglich schmerzte. »Erzähl mir von deiner Theorie.«
»Du weißt doch, wie sehr ich meine kleine Schwester liebe?«
»Sicher.« Der Vampir sprach oft von ihr. Nachdem ihre Eltern von einem anderen Mitglied der königlichen Familie getötet worden waren, war Mirceo Minas ganze Welt geworden und sie die seine.
Mirceo wandte sich wieder zu ihm um. »Caspion, ich glaube, du könntest ihr … Gefährte sein.«
Cas stockte der Atem. Das würde bedeuten, das Mirceo sein ihm vom Schicksal gesandter Bruder war. Aber natürlich!
Mirceo war felsenfest davon überzeugt, dass niemand seine geliebte Schwester verdient hatte – er hatte sie aufgezogen, seit sie ein scheues kleines Ding von sechs Jahren war –, aber Caspion kam seinem Ideal eines Schwagers am nächsten.
»Eine Schicksalsverbindung zu deiner Familie?« Freudige Erregung ließ das Gesicht des Dämons aufleuchten. »Endlich etwas, das unsere Verbindung erklären würde.«
»Wie nichts anderes es könnte?«, murmelte Mirceo. Als Prinz von Dakien hatte er noch nie einen besten Freund gehabt. Ich hatte gehofft, dass ich etwas mit dieser Verbindung zu tun haben könnte.
»Das hab ich so nicht gemeint.« Caspion nahm einen Zug aus seiner Flasche. »Ich meinte doch nur, dass wir so unterschiedlich sind: unsere Spezies, Herkunft, Tätigkeit und … Stellung. Es gibt nicht viel, was uns miteinander verbindet.«
Aber wir beenden die Sätze des anderen. Unsere Gedanken scheinen im Gleichklang zu stehen. Wir vertrauen einander.
War seine Zuneigung zu Caspion tiefer als umgekehrt? Wie konnte das sein? Mirceo wurde von allen geliebt, wurde in seinem Königreich verehrt. Wie auch in den andersländischen Kreisen, in denen er verkehrte. Und in den Vergnügungspalästen der gesamten Mythenwelt. »Jedenfalls ist Mina inzwischen volljährig.« Frauen erreichten ihre vollständige Unsterblichkeit früher als Männer – und das ohne dieses verfluchte Erweckungsdrama. Bei Mina war es vor einigen Monaten so weit gewesen, um die Zeit herum, in der sie einundzwanzig geworden war.
Er zog ein Bild hervor, das er stets in der Tasche bei sich trug, und reichte es Caspion. »Darf ich dir Prinzessin Kosmina vorstellen?« Auf dem Porträt lächelte Mina schüchtern.
»Umwerfend.« Bei dem Anblick vergrößerten sich die Pupillen des Dämons. »Aber ich kann mir nicht vorstellen, mit einem Mitglied einer königlichen Familie zusammen zu sein. Jemandem, der mir so überlegen ist.« Caspion waren Klassenunterschiede wichtiger als jedem anderen, den Mirceo je gekannt hatte; dennoch versuchte er nie, sich einzuschmeicheln oder vor jemandem zu katzbuckeln.
»Die Vorstellung, jemand sehe sie als überlegen an, würde sie amüsieren. Sie ist furchtbar schüchtern und zurückhaltend, kann einem Fremden nicht mal in die Augen sehen.«
»Eine solche Frau würde mir gefallen.«
Kaum zu glauben, dass Mirceo vor nicht einmal einem ganzen Monat vorgehabt hatte, diesen Dämon ins Bett zu kriegen und eine Wette zu gewinnen. Diesmal bin ich der Angeschmierte. Caspion, der womöglich sein Schicksalsbruder war, war nun offiziell von der Speisekarte gestrichen.
Schade. Mirceo hatte gerade begonnen zu glauben, er könnte Caspion tatsächlich verführen und doch noch sein Ziel erreichen. Auch wenn der Dämon kein Verlangen danach gezeigt hatte, mitzutun, wenn sich Mirceo mit Männern vergnügte, schien er dem Ganzen aber auch nicht vollkommen abgeneigt zu sein. »Im Grunde genommen ist sie so scheu, wie ich arrogant bin. Es sei denn, es geht um den Schwertkampf. Mina ist eine meisterliche Kämpferin.«
»Sie klingt unglaublich.« Caspion sah mit unsicherem Blick zu Mirceo hinüber. »Wie würdest du dich fühlen, wenn ein namenloser Dämon sich mit deiner geliebten Schwester paart?«
Mirceo verdrehte die Augen und stieß ihn von der Brücke.
Der Dämon war an Mirceos Mätzchen gewöhnt und translozierte sich einfach an seinen Standort zurück. Caspion konzentrierte sich erneut auf das Bild. »Ich fühle tatsächlich etwas für sie. Da ist etwas.« Er ließ sein atemberaubend jungenhaftes Lächeln aufblitzen. »Wenn du mir mit deiner Schwester hilfst, werden wir dir einen ganzen Haufen Nichten und Neffen schenken.« Der Dämon hatte Mirceo erzählt, dass er sich Dutzende von Kindern wünschte. Seine Begründung: Auch wenn ich keiner ruhmreichen Ahnenreihe entstamme, könnte ich dem Schicksal das vergeben, wenn ich der Gründer einer solchen Reihe wäre. »Wann kann ich sie kennenlernen?«
»Da liegt das Problem. Es ist für sie zu gefährlich, Dakien zu verlassen.« Eine Seuche in den Andersländern hatte die weiblichen Vampire vollkommen ausgelöscht, sogar diejenigen, die die vollständige Unsterblichkeit erreicht hatten. »Und wir lassen keine Besucher in unser verborgenes Reich. Dir wird der Einlass verwehrt bleiben – es sei denn, du bist willens, für immer in unserer unterirdischen Welt zu bleiben.«
»Ich säße dort unten in der Falle?«
»Schlimmer noch. Du kannst fortgehen, aber wenn du das tätest, würdest du von meinem Onkel Trehan gejagt werden.« Mina und er waren im Vergleich zu ihren älteren Cousins so jung, dass sie Trehan, Viktor und Stelian Onkel nannten. »Du würdest nur fortgehen, um zu sterben.«
»Und ich kann sie nicht einmal für fünf Minuten gleich vor der Grenze eures Reiches treffen?«
Mirceo nahm das Porträt zurück. »Auch wenn sie sich nur allzu gerne hinauswagen würde, werde ich es niemals erlauben.« Er erschauerte bei dem Gedanken daran, sie zu verlieren.
»Aber was für eine Wahl bleibt mir dann?«, fragte Caspion. »Irgendetwas geht hier vor sich. Mein Instinkt rät mir zu gehen, und ich vertraue ihm.« Er drückte die Schultern durch. »Ich bin bereit, das Risiko auf mich zu nehmen.«
»Ich möchte, dass du deine Entscheidung noch einmal überschläfst.«
Überraschung blitzte auf dem Gesicht des Dämons auf. »Wozu? Welcher Mann würde nicht auf der Stelle losstürmen, um seine wunderschöne Gefährtin zu treffen?«
»Hör mir zu, Freund« – Mirceo blickte Caspion eindringlich in die Augen – »deine Wahl wird Auswirkungen auf den Rest deines ewigen Lebens haben.«
Das Reich von Blut und Nebel
Der Dämon steht offiziell wieder auf der Speisekarte.
»Ich habe eine Überraschung für dich«, sagte Mirceo am Ende von Caspions erster Woche in Dakien. Sie standen auf dem Balkon von Mirceos ausgedehnter Villa hoch oben auf einer Felskuppe, beinahe auf derselben Höhe wie das leere Königsschloss.
Während Caspion und er das schläfrige Reich betrachteten und aus Kristallkelchen tranken, genoss Mirceo den Duft des Dämons nach Regen und Leder. Ich muss mich beherrschen, darf ihn nicht beißen …
»Eine Überraschung?«, fragte Caspion geistesabwesend. Er nahm einen Schluck. Seitdem er hatte feststellen müssen, dass er für Mina nichts als brüderliche Zuneigung empfand, hielt tiefe Enttäuschung ihn in den Klauen. Er hatte gestanden, ihr gegenüber beschützerische Gefühle zu haben, genauso wie für Bettina.
Doch Minas Verlust war der Gewinn ihres Bruders. Mirceo war davon überzeugt, den Dämon doch noch ins Bett kriegen zu können. Er hätte jeden Eid geleistet, dass Caspions Achtung vor ihm im Laufe der letzten Woche gestiegen war. Kleine Hinweise hatten Mirceos Hoffnung geschürt.
Ein Funke der Erkenntnis in den Augen des Dämons. Ein überlanges Starren. Eine Veränderung seines Dufts.
Immer wenn Caspion Lust verspürte, neigte sich sein Regen-und-Leder-Duft mehr zum Ledrigen; und genau das hatte Mirceo wahrgenommen – als die beiden zusammen allein gewesen waren.
Doch ihm lief die Zeit davon; sein Herz wurde immer langsamer, was bedeutete, dass er dem Dämon gegenüber nicht länger fair sein konnte.