Verlorene Heimat - Felix Mitterer - E-Book

Verlorene Heimat E-Book

Felix Mitterer

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Beschreibung

1837 mussten über 400 evangelische Christen aus dem Zillertal ihre Heimat verlassen: Sie wurden ihres Glaubens wegen zur Auswanderung gezwungen. Felix Mitterers Stück "Verlorene Heimat" ist ein Gedenken an die Vertriebenen und soll an die begangenen Fehler erinnern. Es wurde 1987 in Stumm im Zillertal mit beeindruckender Mithilfe aus der Bevölkerung uraufgeführt.

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Seitenzahl: 187

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Felix Mitterer: Verlorene Heimat

HAYMON

Felix Mitterer

Verlorene Heimat

aus: STÜCKE 2

Die Herausgabe der Werksammlung wurde vom Land Tirol, dem Bundesministerium für Unterricht und Kunst und von der Gemeinde Telfs gefördert.

©1992HAYMON verlagInnsbruck-Wienwww.haymonverlag.at

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Aufführungsrechte für alle Stücke beim ÖsterreichischenBühnenverlag Kaiser & Co., Am Gestade 5111, A-1010 Wien

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

ISBN 978-3-7099-7113-0

Umschlaggestaltung:hœretzeder grafische gestaltung, Scheffau/Tirol

Dieses Stück wurde dem Sammelband »Stücke 2«, erschienen 1992 im Haymon Verlag, entnommen. Den Sammelband »Stücke 2« erhalten Sie auch in gedruckter Form mit hochwertiger Ausstattung in Ihrer Buchhandlung oder direkt unter www.haymonverlag.at.

INHALT

Verlorene Heimat

Lebenslauf

VERLORENE HEIMAT

Die Zillertaler Auswanderer 1837

1985 traten die Zillertaler Heinz Tipotsch und Friedl Wildauer an mich heran und fragten, ob ich nicht ein Stück über die Vertreibung der Zillertaler Protestanten schreiben könne, welches Ereignis sich 1987 zum 150. Mal jähren würde und woran man erinnern wolle. Da ich es für wichtig halte, über die Vergangenheit, über die begangenen Fehler möglichst viel zu erfahren, und vielleicht doch ein wenig daraus zu lernen, erklärte ich mich sofort bereit, hier mitzumachen. Die Zillertaler äußerten zudem den Wunsch, das alleinige und ausschließliche Aufführungsrecht für das Stück erwerben zu wollen, womit ich einverstanden war, da mir das die Chance gab, auf die Lokalgeschichte wirklich genau einzugehen. Als Schauplatz der Aufführung wurde der Dorfplatz von Stumm vorgeschlagen, der sich dann tatsächlich als einziger Platz im Zillertal herausstellte, wo man mit nur einer Retusche (Abdeckung der Glasfront einer Gemischtwarenhandlung) das Jahr 1837 herstellen konnte. Ein Gasthaus liegt am Platz, die Kirche mit dem Friedhof, das Pfarrwidum und ein Schloß, das die Rolle des Landgerichtes übernehmen konnte. Nach langen Recherchen und Studien lag das Stück Anfang 1987 vor.

Was nun folgte, war mein schönstes und wichtigstes Theatererlebnis bisher. Die Zillertaler gründeten einen Verband, in dem sich alle Volksbühnen des Tales zusammenschlossen, um gemeinsam dieses große Projekt durchzuführen. Das ganze Tal arbeitete mit dem Regisseur Ekkehard Schönwiese an der Entstehung der Produktion. 150 Schauspieler, Sänger und Statisten wurden ausgesucht, Pferde, Widder, Kühe und Hunde wurden engagiert, geputzt, gepflegt und für ihre Auftritte trainiert, alte Gerätschaften, Schuhe, Kleider trug man zusammen, Kutschen und Leiterwagen trieb man auf, und hinter der Bühne werkten nocheinmal 50 Mitarbeiter am Tribünenbau, an den Lichtanlagen, in der Kostüm- und Bühnenwerkstatt, in der Organisation. Und dies alles neben der täglichen Berufsarbeit, die jeder der Mitwirkenden natürlich trotzdem absolvieren mußte.

Am 27. Juni 1987 fand die Uraufführung statt, und das Interesse war enorm. Alle Talbewohner wollten das Stück sehen, wollten etwas erfahren über ihre Geschichte, über den Schmerz ihrer Vorfahren. Selbst viele Nachkommen der damaligen Auswanderer reisten von weither an, lernten Verwandte kennen, sprachen über die damaligen Ereignisse. Die Zustimmung war einhellig, ausgenommen ein paar konservative Pfarrer und deren Schäfchen, die immer noch meinten, die Vertreibung der Protestanten sei damals rechtmäßig und richtig gewesen, und außerdem solle man die alten Geschichten nicht aufwärmen und damit – wie sie meinten – neuerlichen Zwiespalt schaffen. Bis in den Oktober hinein wurde an den Wochenenden gespielt, erst Kälte und Dauerregen setzten der Sache ein Ende. Es ist geplant, das Stück alle zehn Jahre aufzuführen.

PERSONEN:

Andreas Egger (50), Bauer

Anna (42), seine Frau

Kinder: Hans (17), Georg (15), Simon (13), Eva (10), Viktoria (9), Blasius (7), Markus (4)

Jakob Egger (82), Vater von Andreas, blind

Christian Brugger (40), Knecht bei Egger, Protestantenführer

Steindl-Maria (35), Magd bei Egger

Michael (10), Sohn von Brugger und Maria

Johann Fleidl (45), Schuhmacher, Weber, Protestantenführer

Bartholomäus Heim (47), Bauer, Protestantenführer

Miedl Heim (40), seine Frau

Die Heims haben vier Kinder (13, 10, 9, 8)

Pfarrer (60)

Landrichter (50), Auswärtiger

Vorsteher (50)

Vorstehersfrau (40)

Vorsteherskinder: Peter (12), Thomas (11)

Schmied-Josef (35), Sensenschmied

Sensen-Simon (30), Sensenhändler

Klocker-Traudl (80), Für-und-Für-Toanerin (alte Dienstmagd)

Wäscherin (65), bissige Alte

Kreishauptmann (55), Auswärtiger

1. Gerichtsdiener (40), 2. Gerichtsdiener (35)

Noch weitere 6 Gerichtsdiener

Balthasar Rieser (40), Bauer; mit Frau (40) und 3 Kindern (18, 16, 14)

Dornauer (55), Bauer; seine Frau (50)

Reitender Bote (30)

Arzt (35)

Noch etliche weitere Rollen mit wenig Text. Katholische und protestantische Dorfbewohner.

ORT UND ZEIT: Zillertal 1830-1837

BÜHNE:

Der Dorfplatz von Stumm im Zillertal. Den Asphaltboden eventuell mit Schotter abdecken. Das Stiegler-Haus ist im Spiel das Haus des Gemeindevorstehers. Die Glasfront der Gemischtwarenhandlung muß abgedeckt werden. Der Geschäftseingang ist der Eingang zum Haus. Der Balkon und mehrere Fenster spielen mit. Das Schloß spielt die Rolle des Landgerichts. Links neben dem Tor hängt an der Umfriedungsmauer ein großes Schild: »K. K. Landgericht«. Links hinter dem Tor weht auf einer hohen Stange die Fahne der Monarchie. Rechts hinter dem Tor die Tiroler Landesfahne. Das Haus Rieser (»Kratzl«) spielt das Pfarrwidum. Der Postkasten muß entfernt werden. Die Sitzbank an der rechten Seite bleibt. Der eiserne Rolladen an der linken Seite ist mit einer Platte abgedeckt, die Hälfte der Platte wird von einem Muttergottesbild eingenommen.

1. BILD

Sonntag. 20 Uhr 30. Noch hell. (Im Laufe des Bildes wird es dunkel, die Scheinwerfer simulieren Mondlicht.) Aus der Kirche hört man leise die Geräusche des Abendgottesdienstes. Auf der »Lugenbank« an der Gerichtsmauer sitzen schweigend drei alte, schwarz gekleidete Männer, haben ihre Hände auf die Stöcke gestützt. Sie sitzen während des ganzen Stückes da, verlassen nie ihren Platz. Sie müssen aber nicht ständig unbeweglich sitzen, sie können sich auch eine Pfeife anzünden, sich zurücklehnen, es sich bequem machen. Am rechten Rand der Lugenbank sitzt in Alltagskleidung der »heutige Zillertaler«, hält einen Schnellhefter mit seinem Text in der Hand. Am Brunnen spielen Peter (12) und Thomas (11), die zwei Buben des Gemeindevorstehers. Sie lassen zwei geschnitzte Holzschiffchen schwimmen. Peter macht mit einer Hand große Wellen.

PETER: Hui! Der Sturm! Der Sturm!

THOMAS: Zu Hilf! Zu Hilf! I sauf ab! Heiliger Christophorus, hilf!

Die Buben spielen weiter, der heutige Zillertaler steht beim ersten Wort Peters von der Lugenbank auf, geht auf den Platz, tritt vor die Zuschauer, schlägt den Schnellhefter auf, beginnt zu lesen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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