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Drei Leben, die thematisch miteinander verbunden sind. Drei Leben, die auf den Tod zugehen. TUSITALA «Seeräuber! Vor den Kanaren! So etwas gibt es doch heutzutage gar nicht mehr.» TORNIAMO A ROMA Triest. Der Kriminalaktuar Johann Veit Piechl von Ehrenlieb schrieb am 8. Juni: «Vor dem Kriminalgericht erschien der städtische Bargello Giovanni Zanardi und eröffnete diesem kaiserlich-königlichen Kriminalgericht, erfahren zu haben, daß soeben ein Mord verübt worden sei.» CONCERT SPIRITUEL Celestino fragte Rosetti, ob er erfahren habe, daß Mozart am 5. Dezember vom Tode übereilt worden. Rosetti sah Celestino an. Er sagte: «Mozart.» Im selben Moment liefen Tränen über sein Gesicht. «Drei Meistererzählungen.» (Süddeutsche Zeitung, Jens Bisky) «Ein kostbares Buch. Eine Prosasonate in drei Sätzen, erzählt in Hans Joachim Schädlichs ganz und gar eigentümlicher Weise.» (Frankfurter Allgemeine Zeitung, Peter von Matt) «Mit großer Leichtigkeit lässt sich das lesen. Es ist Handlung auf jeder Seite, nie erlischt das Interesse an den Figuren. Der existenzielle Einschlag dieser Prosa ist großräumiger, nachhaltiger, als der schmale Band auf den ersten Blick vermuten lässt.» (Stuttgarter Zeitung, Jürgen Verdofsky)
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Seitenzahl: 140
Veröffentlichungsjahr: 2011
Hans Joachim Schädlich
Vorbei
Drei Erzählungen
«Ach, wissen Sie. Erzählen Sie doch nichts. Was verstehen denn Sie davon. Ich ein Abenteurer? Louis war mein Patient!»
Dr.Clark legte seine Bruyère auf den Rand des Aschenbechers und stand vom Sessel auf. Hammerton blieb sitzen.
«Louis kam Ende ’73 in meine Londoner Praxis. Ich habe gesehen, was mit ihm los ist. ‹Sie müssen sofort an die Côte d’Azur. Am besten nach Menton. Der Winter in Edinburgh ist Gift für Sie. Und rauchen Sie nicht mehr!›»
«Menton ist ein teures Pflaster», sagte Hammerton.
«Seine Eltern… Sie kamen extra nach London, um sich zu vergewissern. Ich habe ihnen klipp und klar gesagt: ‹Seine Lunge ist in einem bedenklichen Zustand. Und er ist nervlich am Ende.› Louis’ Mutter wollte wissen, ob sie ihn nach Frankreich begleiten solle. ‹Nein›, habe ich gesagt. ‹Er braucht einen kompletten Klimawechsel. Umfeld, Essen, Gesellschaft. Fremde werden ihn viel eher zu sich bringen als Sie es könnten.›»
«Ist er nach Menton gegangen?»
«Natürlich. Der Winter in Menton ist mild. Menton ist gegen Nordwinde geschützt. Dagegen Edinburgh: feucht, kalt, windig.»
«Hat er zu rauchen aufgehört?»
«Nein.»
«Ihr Vorhaben bleibt abenteuerlich», sagte Hammerton. «Fürchten Sie das oder wünschen Sie es.»
«Ich fürchte es und wünsche es.»
«Wenn Sie es wünschen, so sage ich: Kommen Sie mit! Sie können während der Reise Briefe verfassen, die wir in jedem Hafen auf die Post geben. Sie erscheinen regelmäßig in einer Zeitschrift, und am Ende füllen Sie vielleicht ein Buch.»
«Der Gedanke gefällt mir», sagte Hammerton. «Wann müssen Sie meine Antwort wissen?»
Dr.Clark nahm seine Bruyère zur Hand. «Ich reise in zwei Tagen nach Deutschland. Es genügt, wenn Sie mir nach meiner Rückkehr Bescheid geben.»
Dr.Clark wußte nur, daß Behrens sich in Nürnberg als Lebküchner niedergelassen hatte. Seine Adresse kannte er nicht.
Er betrat die erstbeste Lebküchnerei und fragte nach Carl Friedrich Behrens.
Die Antwort war: «Meinen Sie den wohlversuchten Südländer?»
«Sie kennen ihn?»
«Wer von uns kennt Behrens nicht. Sie finden ihn ganz in der Nähe. Gehen Sie unsere Straße hinauf, die zweite Querstraße links, das dritte Haus rechts.»
Behrens war zu Hause. Dr.Clark, hocherfreut, sagte: «Verehrter Herr Behrens, ich bin glücklich, Sie anzutreffen. Mein Name ist Dr.Clark, meines Zeichens Arzt in London.»
Behrens sagte gleichmütig: «Guten Tag. Was kann ich für Sie tun?»
«Sie werden es mir hoffentlich nachsehen, wenn ich bekenne, daß es mich wehmütig berührt, den berühmten Seefahrer mit Mandeln und Honig hantieren zu sehen.»
«Achten Sie die Lebkuchen nicht gering, mein Herr. Ich wollte, es wären auf See immer genug davon zur Verfügung gewesen.»
«Ich möchte mit meinem Wunsch nicht hinter dem Berg halten. Es wäre mir eine Freude, Sie für eine große Fahrt gewinnen zu können.»
«Wohin soll es gehen?»
«Sie fuhren seinerzeit auf der ‹Arend› unter Kapitän Jobon Koster. Ich will Kapitän Koster dazu bewegen, sein Schiff neu auszurüsten, so daß wir die Reise in Gottes Namen antreten können.»
Behrens schüttelte den Kopf. «Wissen Sie, was Sie da sagen? Wir hatten damals drei Schiffe. Die ‹Arend› unter Kapitän Koster, die ‹Thienhoven› unter Kapitän Cornelis Bouman und die ‹Afrikaansche Galey› unter Kapitän Rosendahl. Mit nur einem Schiff wäre die Reise schwerlich gutgegangen. Bedenken Sie, daß wir gut ausgerüstet waren. Auf der ‹Arend› mit 111Mann und 36Kanonen, auf der ‹Thienhoven› mit 100Mann und 28Kanonen, auf der ‹Afrikaansche Galey› mit 60Mann und 40Kanonen. Vor allem aber: Die Expedition stand unter dem Oberbefehl von Admiral Jacob Roggeveen, der mich übrigens dank der Vermittlung meines Zürcher Freundes Kaspar Scherer als Kommandeur der Seesoldaten in Dienst genommen hat. Ein Mann wie Roggeveen findet sich nicht noch einmal. Das alles ist lange her. Warum sich noch einmal quälen.»
«Das Abenteuer.»
Behrens sagte: «Als ich jung war, trieb es mich immerfort zu nichts anderem als zu weiten Reisen, auf dem Wasser oder zu Lande. Aber jetzt… Möchten Sie zum Tee meinen Lebkuchen probieren?»
Der Tee war nicht nach Dr.Clarks Geschmack; er sagte: «Ihr Lebkuchen schmeckt köstlich. Es wäre zu wünschen, man könnte eine beträchtliche Menge davon mit auf die Reise nehmen.»
«Keine schlechte Idee. Der Lebkuchen ist haltbar. Aber Sie haben mir noch immer nicht gesagt, wohin die Reise gehen soll.»
«Zu allen Plätzen, die Sie damals mit der ‹Arend› angelaufen haben. Eine Wieder-Entdeckungsreise, wie das Wiedersehen mit einer alten unvergessenen Liebe. Für mich ein Abenteuer mit einem großen Ziel. Ich will am anderen Ende der Welt einen Mann treffen, der einst mein Patient war und, ohne daß er es weiß, zu meinem Freund geworden ist.»
«Wissen Sie auch, wie lange wir unterwegs sein werden?»
«Beinahe ein Jahr», sagte Dr.Clark.
«Wenn ich meinem Herzen folge, sage ich: Ja! Aber mein Verstand fragt mich: Was wird aus meinem Lebkuchengeschäft? Wie erkläre ich es meiner Frau?»
Dr.Clark sagte leichthin: «Folgen Sie Ihrem Herzen. Die Gelegenheit kommt nicht wieder. Ihre Frau kann Sie begleiten.»
«Wo denken Sie hin. Die Strapazen der Schiffsreise…»
«Vielleicht will Ihre Frau das Geschäft solange halten.»
«Ich rede mit ihr. Und ich berate mich mit Adam Krüger, einem getreuen Nürnberger Freund.»
Dr.Clark sagte: «Ich mache mich auf den Weg nach Amsterdam. Ich will mit Kapitän Koster sprechen. Wenn ich ihm sagen kann, daß Sie, sein alter Soldat, an der Reise teilnehmen, dann ist das bestimmt von Nutzen. Sobald er zugesagt hat, lasse ich Ihnen Post zugehen.»
Für Nürnberg hatte Dr.Clark kein Auge. Es zog ihn nach Amsterdam.
In der Hafenmeisterei fragte er nach Kapitän Kosters Adresse. Der hatte sich ein Haus unweit des Hafens zugelegt. Er begrüßte Dr.Clark freimütig: «Dr.Clark, sagen Sie? Ich hatte einmal einen Schiffsarzt namens Clark. Sind Sie verwandt?»
«Davon weiß ich nichts.»
«Was führt Sie zu mir?»
«Ich möchte mit Ihnen als Kapitän die Fahrt der ‹Arend› von damals unternehmen.»
«Wer soll das bezahlen. Eine Handelskompanie?»
«Eine Königliche Gesellschaft. Übrigens, Ihr damaliger Milizkommandeur Behrens würde sich der Reisegesellschaft anschließen, hat er mir in Nürnberg versichert.»
«Behrens! Er hat sich bewährt. Wer ist Ihre Reisegesellschaft.»
«Ich kann sie ohne Ihre Zusage nicht zusammenstellen.»
Kapitän Koster sagte: «Frei heraus. Ich habe Lust auf diese Fahrt. Ich chartere die ‹Arend› und lasse sie ausrüsten.»
«Kann die Reise mit nur einem Schiff gutgehen? Behrens hat das zu bedenken gegeben.»
«Die ‹Arend› genügt.»
Dr.Clark war seit seiner Abreise aus London zum ersten Mal wirklich glücklich. «Kapitän Koster», sagte er, «Ihre Zusage beflügelt mich.»
In Amsterdam wäre Dr.Clark gerne noch ein paar Tage geblieben. Aber er versagte es sich. Er mußte die wichtigste Person aufsuchen, die an der großen Fahrt teilnehmen sollte.
Am nächsten Tag machte er sich auf die Reise nach Schottland. Daß es bei seiner Ankunft in Edinburgh regnen würde, hatte er erwartet. Er war sich seiner sicher, daß sie noch in Edinburgh wohnte. Er ging in die Heriot Row und klopfte an die Tür des Hauses, in dem Louis mit seiner Mutter zuletzt gewohnt hatte. Ein älterer Mann öffnete die Tür, und er wußte ihre Adresse.
Dr.Clark hatte nicht weit zu gehen. Als die Tür aufging, sagte er: «Guten Tag, Frau Cummy! Mein Name ist…»
«Wer gibt Ihnen das Recht, mich ‹Cummy› zu nennen! Dieses Recht besitzen nur Louis, seine Mutter und sein seliger Vater. Wer sind Sie überhaupt.»
«Dr.Clark. Ich habe mir erlaubt, Sie bei diesem Namen zu nennen, weil ich Sie sogleich zu einer Reise einladen wollte…»
«Wohin?»
«…um Louis wiederzusehen.»
«Ach, treten Sie doch ein.»
Sie führte Dr.Clark in ihr kleines Wohnzimmer. «Ich soll mein Jungchen wiedersehen?»
«Ja. Verzeihen Sie, daß ich…»
«Schon gut. Ich nehme die Einladung mit der größten Freude an. Mein Laddie! Er ist jetzt 43Jahre alt.»
Dr.Clark, wieder in London, empfing Hammerton. Ehe Hammerton zu Wort kam, sagte Dr.Clark: «Die Reise ist gesichert. Kapitän Koster rüstet die ‹Arend› aus.»
«Ich habe mich entschlossen mitzukommen.»
«Das freut mich, für Sie und für mich.»
Gerne hätte Dr.Clark Herrn Anwalt Utterson dabeigehabt. Der Anwalt war ihm seit ’86 bekannt. Aber Dr.Clark wußte, daß Utterson unzugänglich war und düster wirkte. Er mußte auch die enge Freundschaft bedenken, die Utterson mit Herrn Enfield verband. Enfield war im Unterschied zu Utterson ein Lebemann. Die beiden Herren gingen jeden Sonntag miteinander spazieren; es hieß, daß sie meist schweigend ausschritten.
Hätte Dr.Clark Herrn Utterson gefragt, ob er an der Reise teilnehmen wolle, so hätte er zweifellos auch Herrn Enfield fragen müssen.
Utterson war seinerzeit durch Louis in eine fatale Geschichte verwickelt gewesen, die auch Enfield berührt hatte.
War es nur die abweisende Art von Utterson, die Dr.Clark zögern ließ? Oder glaubte er, Utterson werde vielleicht nicht gerne an diese Geschichte erinnert. Dr.Clark konnte sich darüber nicht klarwerden.
Aber Dr.Clark wollte unbedingt Louis’ Cousin Bob dabeihaben. Er kannte Bobs Kunstkritiken aus der Pall Mall Gazette und schickte die Einladung zur Schiffsreise an die Adresse der Redaktion. Bobs Antwort kam vom Department für Kunstgeschichte am University College Liverpool: Eine großartige Idee sei das. Louis wiederzusehen scheue er keine Mühe. Er wolle nur seine Frau Harriet davon überzeugen, daß sie sich eine Weile alleinfühlen müsse. Urlaub vom College werde er bekommen. «Haben Sie auch an Charles Baxter gedacht? Ohne Baxter ist die Runde nicht komplett. Er ist Richter, aber er wird es verschmerzen, eine Zeitlang keine Verbrechervisagen zu sehen. Baxters Adresse anbei.»
Charles Baxter antwortete postwendend. Es verstehe sich von selbst, daß er Louis sehen wolle. Die Gelegenheit komme wie gerufen. «Fragen Sie auch den alten Freund und ‹Seebären› Walter Simpson, korrekt gesagt: Sir Walter Simpson, der ’78 mit Louis eine Kanufahrt bestanden hat von Antwerpen bis in die Oise.»
Von Sir Walter Simpson kam keine Antwort. Dr.Clark fragte sich, ob er einen Fehler begangen hatte. Hielt Simpson die Einladung für einen Scherz? Oder war er gar krank?
Beim Anblick der «Arend» verschlug es Dr.Clark die Sprache. Das alte Schiff – ein Schmuckstück. Kapitän Koster hatte offensichtlich alle Mühe darauf verwendet, die «Arend» aufs beste instandsetzen und ausrüsten zu lassen.
Kapitän Koster empfing Dr.Clark und wies mit kaum verhohlener Zufriedenheit auf das Deck. «Admiral Roggeveen hätte seine Freude an seinem Schiff. Ich habe zehn Kammern für die Gäste eingerichtet, und ich hoffe, daß es an nichts mangeln wird. Sie und die Gäste speisen in der Offiziersmesse.»
«Wir werden zusammen mit Behrens sechs sein», sagte Dr.Clark, «nämlich Frau Cunningham…»
«Eine Frau? Auf dieser langen und beschwerlichen Reise?»
«Sie ist von altem Schrot und Korn, Herr Kapitän. Dann: ein Cousin meines fernen Freundes, außerdem Herr Baxter und schließlich Herr Hammerton.»
Als nächster traf Behrens in Amsterdam ein, Kapitän Koster begrüßte ihn für seine Verhältnisse überaus herzlich. «Mein alter Milizkommandeur von damals! Aber diesmal sind Sie Passagier und können die Reise genießen. Kommen Sie, ich zeige Ihnen Ihre Kammer. Danach können Sie sich in aller Ruhe das Schiff ansehen, die Mannschaft inspizieren und die Kanonen. Natürlich alles als Privatmann!»
Kapitän Koster hatte die «Arend» mit 111Mann Besatzung ausgerüstet und mit 36Kanonen bestückt, genau wie bei der Fahrt damals. Behrens war beeindruckt. Er fühlte sich natürlich an früher erinnert, konnte es aber schätzen, daß er diesmal keine Verantwortung als Offizier tragen mußte.
Zu Dr.Clark sagte Behrens, er sei froh, daß Kapitän Koster das Schiff ausreichend gegen Angriffe gewappnet habe.
«Angriffe?» Dr.Clark stutzte.
Aber da war Behrens schon weiter. Er interessierte sich jetzt für die Beiboote.
Am Tag darauf gegen 11Uhr wurde Dr.Clark durch einen Matrosen zu Kapitän Koster gerufen. Koster stand da mit einer älteren Frau, die Dr.Clark aus der Entfernung als Frau Cunningham erkannte. Sie gestikulierte heftig und redete auf Koster ein. Dr.Clark hatte die beiden noch nicht erreicht, als er Frau Cunningham schon sagen hörte: «Auf diesem Seelenverkäufer soll ich über das Meer zu meinem Louis gelangen?»
Dr.Clark trat hinzu, und Kapitän Koster hob hilflos die Hände.
«Da sind Sie ja endlich!», sagte Frau Cunningham zu Dr.Clark. «Sie haben mir nichts davon gesagt, daß das Schiff so ein Pott ist, der bei dem nächsten Wind auseinanderfällt. Und vom Segeln war auch nicht die Rede. Wie lange soll denn das dauern, wenn Windstille herrscht…»
«Wenigstens fällt der Kasten bei Windstille nicht auseinander», sagte Dr.Clark. «Aber im Ernst: Beruhigen Sie sich doch bitte, Frau Cunningham…»
«Ich beruhige mich, wann ich will. Jedenfalls nicht, wenn ich die Gesichter dieser Matrosen sehe, lauter Taugenichtse und Halsabschneider…»
«Aber ich bitte Sie…»
«Ich soll mich in die Hände dieses Gesindels geben? Lieber…»
«Sie kennen diese Leute doch gar nicht!»
«Sehr richtig! Und was sollen die vielen Kanonen? Will uns der Herr Kapitän in eine Seeschlacht verwickeln? Ich danke.»
«Sie wollen doch Louis wiedersehen.»
«Ja. Ich will meinen Smout an mein Herz drücken. Dafür muß ich auf einem brüchigen Kahn inmitten von Trunkenbolden eine waghalsige Seereise unternehmen, und niemand weiß, ob ich ankomme. Angenommen, wir werden von Piraten aufgebracht, und ich die einzige Frau an Bord…»
«Gegen Piraten haben wir die Kanonen. Und 111Mann Besatzung. Das sind nicht nur Matrosen, das sind in der Mehrzahl Soldaten.»
«Das kann ja heiter werden.»
«Erlauben Sie, daß ich Sie zu Ihrer Kammer bringe?»
«Ich erlaube Ihnen gar nichts. Bringen Sie mich gefälligst zu meiner Kammer. Und einer dieser Galgenvögel soll mir meine Koffer tragen.»
Bob und Baxter hatten sich für die Reise nach Amsterdam zusammengetan und kamen gemeinsam an Bord. Dr.Clark lief ihnen über den Weg. «Ich freue mich, daß Sie…»
Baxter schlug ihm auf die Schulter und sagte: «Hallo, alter Junge. Die Schaluppe gefällt mir. Aber verraten Sie uns eines: Welchen Scotch hat der Kaptän gebunkert? Die Reise ist lang. Unser eigener Vorrat wird nicht reichen.»
«Ich erkundige mich. Jetzt bringe ich Sie erst einmal zu Ihren Kammern.»
«Die müssen nebeneinanderliegen», sagte Bob.
Als Dr.Clark zurückkam, trat ihm Frau Cunningham in den Weg. Sie sagte: «Ich habe sehr wohl gehört, wer da gelärmt hat. Ich kenne die beiden Herren. Diese Trunkenbolde wollen Sie zu Louis bringen? Das ist gar nicht gut. Diese beiden haben Louis schon als Studenten zu Tollerei und Ausschweifung angestiftet.»
«Verzeihen Sie, Frau Cunningham, der eine ist Richter, der andere Professor.»
«Richter hin, Professor her. Tunichtgut bleibt Tunichtgut.»
Als letzter Passagier kam der junge Hammerton an Bord. Dr.Clark sagte: «Sie haben wenig Gepäck für die lange Reise.»
«Was brauche ich schon. Das wichtigste sind meine Schreibhefte. Die Wäsche und Kleider kann ich hier waschen lassen.»
Dr.Clark nutzte die Zeit bis zur Abreise, um in Amsterdam ein Cembalo zu kaufen und auf das Schiff bringen zu lassen.
Baxter beobachtete, wie das Cembalo an Bord gehievt wurde. Er sagte zu Dr.Clark: «Wollen Sie uns zum Tanz aufspielen? Zum Tanzen bedürfte es junger Damen. Was wir antreffen, ist die alte Cunningham.»
Dr.Clark sagte: «Ich möchte die lange Zeit zwischen damals und heute mit Musik überbrücken.»
«Damals?»
«Als die ‹Arend› unter Kapitän Koster jene Fahrt unternahm, die wir jetzt wiederholen.»
«Deshalb der alte Kahn?»
«Deshalb.»
«Ihrem Spiel würde ich gelegentlich gerne zuhören.»
Behrens und Hammerton traten hinzu. Behrens sagte: «Ich habe die Vorräte inspiziert. Kapitän Koster hat diesmal gründlicher gegen Scharbock vorgesorgt. Eine ganze Hahnenfuß-Pflanzung hat er angelegt.»
«Scharbock?» fragte Hammerton.
Dr.Clark sagte: «Skorbut.»
Hammerton, gegen Behrens gewandt, sagte: «Aber gegen Skorbut…»
Dr.Clark schnitt ihm das Wort ab: «Lassen Sie es gutsein.»
Die «Arend» lichtete die Anker. Es war 6Uhr morgens. Kapitän Koster hatte über die Toppen flaggen lassen. Er ließ Segel setzen, und die «Arend» glitt langsam aus dem Hafen. Trotz der frühen Stunde standen die Passagiere an der Reling.
Dr.Clark hielt Frau Cunningham für gutgelaunt. Ihr schienen der klare Himmel und die frische Luft zu gefallen. Sie bemerkte Dr.Clarks Blick und sagte: «Ich weiß nicht, wie ich die stickige Kammer ertragen soll. Die ersten drei Nächte waren eine Qual. Wie wird das erst in anderen Breiten werden.»
«Ich lasse Ihnen einen Liegestuhl an Deck bringen.»
«Soll ich im Freien übernachten?»
Bob stand einige Meter abseits, hielt in der Armbeuge einen Skizzenblock und zeichnete die Amsterdamer Silhouette.
Der junge Hammerton hörte Behrens zu. Behrens trug einen Dreispitz. Er hatte ein Seidenhemd mit Stehbündchen, einen silberbetreßten Schoßrock und Kniehosen über weißen Strümpfen an. Dazu schwarze Schnallenschuhe. Eingedenk der Ermahnung oder Warnung Dr.Clarks zeigte Hammerton seine Verwunderung nicht.
Behrens überragte Hammerton um Kopfeslänge. «Auf der vorigen Reise war die ‹Arend› unser Admirals-Schiff», sagte er. «Admiral Roggeveen hatte dem Schiff den Namen seines Vaters gegeben, eines Mathematikers, Astronomen und Seefahrtskundlers, von dem ein stattlicher Atlas stammt. Admiral Roggeveen war von Hause aus Jurist. Er hielt sich lange in Ostindien auf und wurde in Batavia Mitglied des Obersten Gerichts. Er kehrte nach Holland zurück und bereitete seine Expedition vor.»
«Ich habe noch nie etwas von Admiral Roggeveen gehört», sagte Hammerton.
Die Zuidersee war ruhig, es schien die Sonne. Dr.
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