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Mit »Wachsame Sorge« präsentiert Haim Omer die nächste Stufe seines Konzepts für einen entwicklungsförderlichen Umgang von Eltern mit ihren Kindern. Ausgehend von den Grundsätzen der »elterlichen Präsenz«, dem Modell der »Neuen Autorität« sowie der bindungsrelevanten Ankerfunktion geht es in diesem Buch um die grundlegende elterliche Haltung, auf der eine aktive und respektvolle Teilhabe am Leben ihres Kindes basiert. »Wachsame Sorge« wird in der Umsetzung als ein abgestuftes Vorgehen verstanden, das von »offener« über »fokussierte Aufmerksamkeit« mit Blick auf das Alltagsleben bis hin zu Maßnahmen reicht, die den Handlungsspielraum des (meist) Jugendlichen unmissverständlich begrenzen. In den allermeisten Fällen ist es aus Elternsicht nicht notwendig, in diesem Sinne alle Register zu ziehen. Anhand einer Vielzahl instruktiver Beispiele zu verschiedensten Problemkonstellationen, wie dem Umgang mit Geld, dem Konsum von Suchtmitteln, Internetgebrauch und Autofahren, wird deutlich, welche Handlungsoptionen Eltern haben, um ihre eigene Position zu festigen – ganz und gar zum Wohl ihres Kindes auf dessen Weg zu mehr Selbstfürsorge.
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Seitenzahl: 385
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Haim Omer
Wachsame Sorge
Wie Eltern ihren Kindern ein guter Anker sind
Mit einem Vorwort von Arist von Schlippe
Vandenhoeck & Ruprecht
Aus dem Hebräischen von Miriam Fritz Ami-Ad
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
eISBN 978-3-647-99676-9 ISBN 978-3-647-40251-2
Umschlagabbildung: xuanhuongho/shutterstock.com
© 2015, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen / Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A.www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.
Satz: SchwabScantechnik, Göttingen
Inhalt
Vorwort
Was ist wachsame Sorge?
Wachsame Sorge als flexibler Vorgang
Offene Aufmerksamkeit
Fokussierte Aufmerksamkeit
Einseitige Schutzmaßnahmen
Wachsame Sorge, Kontrolle und Unabhängigkeit
Privatsphäre, Vertrauen und Spionieren
Die Ankerfunktion der Eltern
Ziel dieses Buches
Aufsicht im Alltag: Begleitung und Nähe
In Zusammenarbeit mit Tal Fisher
Eltern-Kind-Kontakt im Alltag
Elterliche Fürsorge als Netzwerk: das Einbeziehen von Familie, Freunden, Lehrern und anderen Eltern
Die Zusammenarbeit des Elternpaars
Andere Menschen mit einbeziehen
Der Dialog zwischen Eltern und Kind
Moral predigen oder Freundschaft pflegen – zwei unerwünschte Extreme
Aufmerksamkeit, Zugänglichkeit und Selbstkontrolle
Elterliche Mitteilungen – wie sprechen, ohne Widerstand zu provozieren?
Problematische Geschehnisse vorhersehen und besprechen
Der Umgang mit dem Widerstand des Kindes
Die vergebliche Erwartung einer einschneidenden Veränderung
Die langfristige wachsame Sorge
Die Erfahrung der Konfrontation und des Bruchs zwischen Eltern und Kind
Wie finden Eltern den Weg zurück zu ihrem Kind?
Sich auf Konfrontationen vorbereiten und die Selbstkontrolle festigen
Selbstüberzeugung und Ausstrahlung ruhiger Bestimmtheit
Wie bereiten Eltern sich auf Notfälle vor?
Das Unterstützungsnetz
Wie wählen Eltern geeignete Helfer aus?
Wie Helfer kontaktieren?
Was dem Helfer sagen und welche Art von Unterstützung erfragen?
Die Drohung des Kindes, von zu Hause wegzulaufen
Suiziddrohungen
Die Angst, das Kind könnte die Eltern hassen
Lügen
Auswirkungen von Lügen auf die Entwicklung des Kindes
Der erfolglose Versuch, Lügen gänzlich zu unterbinden
Die Verstärkung der wachsamen Sorge – Präsenz und Begleitung
Lügen und ihre Folgen – im Allgemeinen und in zwischenmenschlichen Beziehungen
Folgen eines Vertrauensbruchs
Die Auswirkungen des Vertrauensbruchs auf das Verhältnis mit der Umwelt
Eine Wiedergutmachung des durch Lügen angerichteten Schadens
Freunde
Wer sind die Freunde meines Kindes?
Elterliche Handlungsweisen im Fall von gefährlichen Aktivitäten
Das Miteinbeziehen von Familie und Freunden
Die Bedeutung der Freundschaften für das Kind anerkennen und gleichzeitig eine entschiedene Haltung zur Verringerung der Gefahren einnehmen
Telefonrunden und Treffen am Aufenthaltsort der Freunde des Kindes
Die Veränderung des Gleichgewichts und ihre Auswirkungen
Geld
In Zusammenarbeit mit Yael Nevat
Wie mit Kindern über Geld sprechen?
Den Forderungen des Kindes widerstehen
Diskussionen zu Ausgaben
Das Überwinden schädlicher Verhaltensweisen des Kindes im Umgang mit Geld
Eine Welt der Versuchungen
In Zusammenarbeit mit Yaara Geyra, Or Nethaneli, Casriel Juravel, Avigail Assa, Yaara Shimshoni und Ayala Alexandron
Zigaretten, Alkohol und Drogen
Computer, Smartphone und andere Bildschirme
Die Gefahren des Internets – eine kurze Anleitung für Eltern
Der übermäßige Internetgebrauch und die virtuelle Welt als Zufluchtsort
Sichere Computernutzung: Vorschlag zu einer Vereinbarung zwischen Eltern und Kind
Der Übergang zu einseitigen Schutzmaßnahmen
Die Begrenzung der Nutzungsstunden des Computers
Die Kündigung des Internet-Services
Fahranfänger
Die Zeit des begleiteten Autofahrens
Die Zeremonie der Schlüsselübergabe
Bei der Ankunft am Ziel und um Mitternacht eine SMS schreiben
Das Unterschreiben einer Vereinbarung
Befürchtungen, in die Privatsphäre einzudringen
Warnzeichen
Die Einschränkung der Fahrprivilegien
Was noch und bis wann?
Literatur
Vorwort
Der Begriff »Wachsamkeit« wird, ähnlich wie der Begriff »Autorität«, in unserer Kultur mit einer gewissen Zwiespältigkeit betrachtet und verwendet. Die Assoziationsräume, die sich da eröffnen mögen, beginnen vielleicht bei Bildern des misstrauischen Beäugens und gehen über zu Kontrolle, Überwachung und schließlich offener Machtausübung: Der eine, der wachsam Beobachtete, hat keine privaten Spielräume mehr, denn dem anderen, dem Beobachter, bleibt nichts verborgen. Manch einem mögen auch Erinnerungen an die verschiedenen Formen von Wachsamkeit in den autoritären Staatsformen der jüngeren deutschen Geschichte in den Sinn kommen, an Spitzelwesen und Denunziantentum. Wie auch immer, das Wort ist nicht unbedingt positiv besetzt: Wer wachsam sein muss, der ist offenbar auch bedroht, der hat Feinde. Das Wort »Wachsamkeit« zu verwenden, erscheint uns daher im Kontext von liebevollen Familienbeziehungen doch eher unpassend. Er verträgt sich nicht mit den Werten, die in unserer Kultur die Bilder des gemeinsamen Umgangs von Eltern und Kindern heute bestimmen. Wir bevorzugen Begriffe wie Vertrauen, Offenheit, Respekt vor der Privatsphäre und Gewährenlassen als Ausdruck elterlicher Liebe zum Kind.
So ist es nicht ganz ohne Risiko, ein Buch herauszubringen, das den Begriff »Wachsamkeit« ins Zentrum stellt und ihn bereits im Titel führt. Ich denke, das Wagnis lohnt sich. Es gefällt mir, wie Haim Omer, dem ich seit vielen Jahren freundschaftlich verbunden bin, immer wieder daran arbeitet, Begriffe, die ihren Wert verloren haben, wieder zu rehabilitieren. Er erfindet sie neu und eröffnet ihnen die Chancen neuer Assoziationsräume. So wird heute wesentlich entspannter über die »neue Autorität« gesprochen als vor einigen Jahren, als der Begriff aufkam. Ich hoffe, dass es mit Wachsamkeit auch so gehen wird.
Es gibt ein Bild, das dabei hilfreich sein dürfte, es ist das Bild des Ankers. Wenn die Begriffe »Wachsamkeit« und »Autorität« mit der Vorstellung vom Anker verbunden werden, verändert sich ihr Bedeutungsfeld. Die feindlichen Assoziationen verschwinden, denn ein Anker ist ja gerade nicht bedrohlich. Er ist friedlich – und zugleich ist er nicht kraftlos. Seine Stärke liegt in seiner Beharrlichkeit. Eine Form von Wachsamkeit, die sich als Anker versteht, stellt nicht die Kontrolle ins Zentrum, sondern den Schutz. Und ähnlich wie der Anker dem Boot vermittelt, dass er kein Interesse daran hat, es zu besiegen, dass er nicht Gegner des Bootes ist, sondern nur darauf achtet, dass es nicht an die Kaimauer schlägt oder aufs offene Meer hinaustreibt, können Eltern ihren Kindern vermitteln: »Unsere Augen sind offen – nicht um dich zu überwachen und zu kontrollieren, wohl aber, um zu zeigen, dass wir entschlossen sind, als Eltern an deinem Leben in angemessener Weise teilzuhaben.«
Dass dieses Teilhaben sich im Laufe des Lebens eines Kindes natürlich verändert, dass Wachsamkeit keine statische Funktion ist, davon handelt dieses Buch. Natürlich ist man als Mutter oder Vater ganz anders wachsam bei einem Säugling als bei einer vierzehnjährigen Tochter oder einem neunzehnjährigen Sohn. Doch die Beziehungsbotschaft ist die gleiche: »Ich bin da!« Dieses Moment, wie sich elterliche Präsenz im Leben des Kindes vermittelt, scheint mir der Kern des Ansatzes von Haim Omer zu sein. Er vermittelt uns sein Wissen darum, wie wichtig es für die Seele des Kindes ist, dass in seinem Leben Eltern vorkommen.
Natürlich verschwindet die andere Seite nicht ganz. Wachsamkeit ist nie ganz ambivalenzfrei zu haben! Natürlich besteht die Gefahr, dass die Konzepte dieses Buches auch von Eltern genutzt werden, denen man in der Beratung lieber sagen würde: »Wagen Sie es doch einmal, ein bisschen weniger präsent im Leben Ihrer Kinder zu sein, ein wenig mehr ›Leine‹ zu geben.« Wie vieles im Leben, so will auch Wachsamkeit sensibel gehandhabt werden. Wer sich nur stumpf auf die Instrumente verlässt, die in diesem Buch vorgestellt werden, der verpasst die wichtigste Botschaft. Es geht nicht darum, immer feinere Kontrollmechanismen zu erarbeiten, sondern darum, eine Haltung freundlicher und gewaltloser Präsenz zu lernen. Die Instrumente sind nur Hilfsmittel. Wenn sie ohne die entsprechende Haltung und ohne Sensibilität angewendet werden, können sie in ihr Gegenteil umschlagen. Elterliche Präsenz will auch gelernt werden, manchmal braucht man genau dafür Unterstützung und Hilfe.
Eine solche Hilfestellung will dieses Buch sein. Es soll Fachpersonen dabei unterstützen, im Elterncoaching und in der Beratungsarbeit die Konzepte des gewaltlosen Widerstands und der elterlichen Präsenz zu vermitteln. Zugleich ist es auch als Hilfestellung für Eltern gedacht, die ihre Fähigkeiten verbessern möchten, im Leben ihres Kindes auf eine nicht bedrohliche, liebevolle Weise anwesend zu sein. Ich bin überzeugt davon, dass beide Gruppen sehr von diesem Werk profitieren werden, und wünsche ihm viele engagierte Leserinnen und Leser.
Arist von Schlippe
Was ist wachsame Sorge?
Die Vielfalt an Unterhaltungsangeboten war noch nie so groß und das soziale Umfeld der Jugend noch nie so anonym und verführend wie in der heutigen Gesellschaft. Eltern fühlen sich mehr denn je ausgeschlossen von dem, was ihre Kinder machen und erleben. Wie Fremde stehen sie hilflos den vielen Versuchungen und Gefahren gegenüber, denen ihre Kinder im Alltag ausgesetzt sind. In Anbetracht des Überflusses an Reizen der modernen Welt scheint die elterliche Aufgabe, ihre Kinder zu beschützen, beinahe unerfüllbar. Umso erstaunlicher ist es, dass eine präsente elterliche Aufsicht die Gefahren erheblich eindämmen kann und den Kindern genügend Stärke gibt, um von der Flut der Verlockungen nicht mitgerissen zu werden und sich nicht in Schwierigkeiten zu verwickeln. Forschungsergebnisse haben wiederholt bewiesen, dass mit Hilfe der elterlichen Begleitung Kinder weniger Bedrohungen ausgesetzt sind, Versuchungen besser widerstehen können und der Schaden möglicher Fehltritte minimiert wird (vgl. Racz u. McMahon, 2011). Eltern müssen nur daran festhalten, dass das Leben ihres Kindes ihr Belang ist, und es als ihre Pflicht ansehen, zu wissen, was sich im Leben des Kindes abspielt. Das Ziel dieses Buches besteht darin, Eltern dabei zu helfen, nicht weiter hilflos und ausgeschlossen zu sein, sondern ihre Kinder aktiv zu begleiten. Wir nennen diese elterliche Haltung wachsame Sorge.
Es ist eine Haltung, in der die Eltern auf aktive und respektvolle Weise am Leben des Kindes Anteil nehmen. Sie verlassen sich auf das Kind, solange die Dinge sich normal entwickeln, bewahren jedoch ein gewisses Maß an Vorsicht. Sobald sich besorgniserregende Anzeichen zeigen, schauen die Eltern genauer hin und verfolgen die Angelegenheiten des Kindes von Nahem. Stellen die Eltern hierbei fest, dass tatsächlich eine Gefahr besteht, greifen sie entschlossen ein, um das Kind zu beschützen und es aus der bedrohlichen Lage zu befreien. Somit erweist sich die wachsame Sorge als ein flexibler Vorgang: Die Eltern üben Achtsamkeit und begleiten das Kind mit einer Distanz, die für sie und das Kind angebracht ist, sind aber im Notfall dazu bereit, eine das Kind betreffende Sachlage aus unmittelbarer Nähe zu betrachten und, wenn es zum Schutz des Kindes nötig ist, einzuschreiten.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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