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Soziale Konflikte sind Konflikte um Verteilungsfragen. Seit vielen Jahren bestimmen sie den demokratischen Streit. Politische Machtkonflikte haben sich um zwei Achsen geordnet – einmal um den Ausgleich zwischen (ökonomischer) Freiheit und (sozialer) Sicherheit; zweitens um ein progressives oder konservatives Verhältnis zu Liberalisierung und Pluralisierung. Das Kursbuch 215 kreist um diese Konflikte. Dietmar Dath erkundet in seinem Beitrag die soziale Frage aus der Perspektive einer ML-Lesart – aus der Perspektive des Marxismus-Leninismus. Seine Antwort zeigt, dass selbst diese Perspektive nicht eindeutig durchhalten kann, was man ihr und sie sich selbst zurechnet.
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Seitenzahl: 16
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Inhalt
Dietmar DathWas sagt die rote Tradition dazu?Sozialistische Antworten im Kurzcheck
Der Autor
Impressum
Dietmar DathWas sagt die rote Tradition dazu?Sozialistische Antworten im Kurzcheck
Die Debattenausgangslage
Eine Bekannte aus Berlin hat mir neulich den Gruß eines dort ansässigen liberalkonservativen Politikers ausgerichtet. Der habe überraschenderweise erklärt, ihm gefalle an meinen Texten die Nähe zum Marxismus-Leninismus (ab hier: ML). Denn bei Leuten, die dem ML nahestehen, wisse man doch, so soll er gesagt haben, woran man sei. Denen gehe es nämlich immer um »die soziale Frage«. Was das sei, konnte er definieren: ungleich verteilte Zugänge zu den Segnungen der Waren- und Dienstleistungswelt.
Als Mensch, der sich im ML auskennt, wird man zu dieser Frage in der Tat oft ähnlich aufmerksam vernommen wie eine Buddhistin, die sich äußern soll, wenn es um fleischarme oder fleischlose Ernährung geht: Die Weltanschauung hinter der jeweiligen Sprechposition gilt als schräg, aber eine gewisse Zuständigkeit für die in Rede stehende Sache wird freundlich zugestanden. Um diese Freundlichkeit zu erwidern, beschränke ich mich in solchen Situationen auf die Darstellung der jeweiligen ML-Positionen und suspendiere das Bedürfnis, auch noch zu diskutieren, ob sie stimmen. Mit der Darstellung habe ich ja genug zu tun, denn besagte Positionen sind nicht nur nahezu unbekannt, sondern werden obendrein gleichzeitig für bekannt gehalten. Das macht die Darstellung knifflig.
Annähernd niemand im gegenwärtigen Debattengeschäft der BRD kennt zum Beispiel Namen wie Domenico Losurdo, Kurt Gossweiler, Nobuo Okishio oder Vladimiro Giacché und die von den Trägern dieser Namen erarbeiteten Ansichten. Marx und Lenin sind schon bekannter. Aber was in der »Kritik des Gothaer Programms« (1875) von Marx steht oder in »Wie soll man den Wettbewerb organisieren?« (1917) und »Die große Initiative« (1919) von Lenin, also in drei Schriften, die im Schatten der kapitalismuskritischen Äußerungen ihrer Verfasser stehen, weil sie statt vom Kapitalismus vom Sozialismus handeln, können hier und heute nur noch hart gesottene Kommunistinnen und Kommunisten wiedergeben.
Eine gängige Verwechslung