Was werd ich tun, wenn alles brennt? - António Lobo Antunes - E-Book

Was werd ich tun, wenn alles brennt? E-Book

António Lobo Antunes

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Zu Lebzeiten war Carlos eine tragischschillernde Figur und hat als Drag Queen die Lissabonner Nachtclubszene beherrscht. Zu seinem furiosen, vielgestaltigen neuen Roman ließ sich Lobo Antunes von einer realen Figur inspirieren. Er geht den Selbstzweifeln und Verirrungen eines Mannes nach, mischt dessen Geschichte mit den Stimmen seiner Freunde, seines Sohnes in einem farbenprächtigen Kaleidoskop, das stets neue Bilder eines maßlosen Lebens erstehen lässt.

Das Schicksal des berühmtesten Transvestiten Portugals – ein schillernder Roman um den Zusammenhang zwischen Geschlecht und Identität.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 909

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Buch

Als Paulo seinen Vater Carlos im Sarg sieht, ordentlich zurechtgemacht in Anzug und Krawatte, bekommt er einen hysterischen Lachanfall. Jahrelang kannte er ihn nur als Drag Queen, als Star der Lissabonner Nachtclubszene, und nur allzu gern ließ er sich in diese zwielichtige Welt am Rande der Gesellschaft hineinziehen. Vor allem Carlos’ große Liebe, der jugendliche Draufgänger und Junkie Rui, faszinierte ihn, er führte ihn in die Unterwelt ein, brachte ihn zum Heroin. Jetzt ist auch Rui tot, wird zusammen mit Carlos begraben.

In einem halluzinatorischen Furor rekapituliert Paulo sein Leben, die gescheiterte Ehe seiner Eltern, die Frage, ob Carlos wirklich sein Vater ist, die spießige Welt seiner Pflegeeltern, seine Drogenerfahrungen.

Vielstimmig kreist dieser Roman um die Identitätssuche Carlos’, der inmitten der Gebeutelten und Getriebenen als einziger seinen Weg zu gehen schien, während er die anderen in tiefe Selbstzweifel, ja zur Selbstzerstörung trieb.

Autor

António Lobo Antunes wurde 1942 in Lissabon geboren. Er studierte Medizin, war während des Kolonialkrieges Militärarzt in Angola und arbeitete danach als Psychiater. Heute lebt er als Schriftsteller in Lissabon.

António Lobo Antunes

Was werd ich tun, wenn alles brennt?

Roman

Aus dem Portugiesischen von Maralde Meyer-Minnemann

Die Originalausgabe erschien 2001 unter dem Titel

»Que Farei Quando Tudo Arde?« bei

Publicações Dom Quixote, Lissabon.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright © der Originalausgabe 2001 António Lobo Antunes und Publicações Dom Quixote

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2003 beim

Luchterhand Literaturverlag, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, München, durch Vermittlung von Thomas Colchie, New York

Umschlaggestaltung: Design Team München

Umschlagfoto: Tina Deininger / Gerhard Jaugstetter

Satz: Filmsatz Schröter GmbH, München

SR · Herstellung: Augustin Wiesbeck

ISBN 978-3-641-30267-2V001

www.btb-verlag.de

Gewidmet

Marisa Blanco wegen ihrer erbarmungslosen Freundschaft

meinem Cousin José Maria Lobo Antunes Nolasco, der aus meinem Leben die Gräten herausgezogen hat

und dem Dichter Francisco de Sá de Miranda, einem von uns, der aus dem 16. Jahrhundert gekommen ist, um dem Buch den Titel zu schenken.

Ich bin du, und du bist ich; wo du bist und in allen Dingen finde ich mich verstreut. Wo auch immer du dich befindest, wirst du mich finden: Und indem du mich findest, findest du dich selbst.

(Epiphanie in Haer. 26.3)

Inhalt

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Ich war mir sicher, daß ich diesen Traum am Vortag geträumt hatte oder an einem Tag davor

am Vortag

und gerade deshalb dachte ich, ohne aufzuwachen

– Es lohnt nicht sich darüber den Kopf zu zerbrechen das kenne ich schon

denn ich war nicht an Geschehnissen interessiert, von denen ich wußte, daß sie nicht stimmten

– Ich schlafe

gestern hatten sie mich erschreckt, aber sie erschreckten mich nicht mehr

–Warum soll ich mich aufregen alles gelogen

war mir der Lage meines Körpers im Bett bewußt, einer Falte im Bettlaken, die mir am Bein weh tat, des Kopfkissens, das

wie immer

zwischen die Matratze und die Wand gerutscht war, die Finger

selbständig, allein

suchten es, packten es, holten es zurück, falteten es unter der Wange, die sich ihrerseits hineinfaltete, so daß ein Teil von mir das Kissen und ein Teil die Wange war, die Arme umfaßten den Bezug, und ich half den Armen

– Es sind meine

verblüfft darüber, daß sie mir gehören, war mir einer der Platanen am Zaun bewußt, nachts ein Fleck an der Scheibe, aber jetzt deutlich, trat sie in meinen Traum und hob meinen Kopf an

nur den Kopf, da die Bettlakenfalte mir immer noch weh tat

zum Fenster neben dem Büro, in dem der Arzt eine Information oder einen Bericht schrieb

der Schreibtisch, der Stuhl und der Tisch alt, die Tür immer offen, durch die die Kranken hineinspähten und bartstoppeldreckig und mit toten Augen um Zigaretten bettelten

ich war immer außerstande gewesen, im Restaurant die Fischaugen zu essen, mein Onkel stach mit der Gabel hinein, und ich schrie blind

mich nimmt niemand wahr, niemals hat mich jemand wahrgenommen, die Krankenpfleger begnügten sich damit, mich rauszuschieben

– Ist ja gut ist ja gut

und die Fische saßen mit ausgestreckten Händen auf Bänken, bettelten um Zigaretten, der Onkel hielt mit der Gabel inne

– Magst du die Augen nicht Paulo?

der Schreibtisch, der Stuhl, der Schrank, der Arzt, der irgend etwas unterschreibt, mich anstarrt, schnell die Gabel packt, sie der Meerbrasse, der Dorade nähert, ich mag Augen, Onkel

– Morgen kannst du nach Hause

und während ich wach wurde und sich eine Taube auf einem Platanenzweig auf und nieder wiegte, die Bettlakenfalte aufhörte, mir weh zu tun, der Fisch sich vom Kopfkissen löste, das ich nun doch nicht bin, und der Onkel vergnügt in diesen Traum vom Vortag zurückwich, in dem riesige Meeraale, von den Tabletten in Aufziehpuppen verwandelt, mich um Zigaretten anbettelten

– Magst du keine Augen Paulo?

beispielsweise der Ertrunkene links von mir, der gezeitenlangsam zur Oberfläche der Matratze aufstieg, seine Frau besuchte ihn immer sonntags mit einem Päckchen Pfirsiche, und er lehnte die Pfirsiche mühsam, wie aufgezogen ab, ohne die Geste zu beenden

– Hast du Zigaretten mitgebracht Ivone?

meine Mutter Judite, mein Vater Carlos, der Arzt, nicht dieser, aber ein dicker

ich erinnerte mich an die rote Krawatte, als ich eingeliefert wurde, an eine Zigeunerin, die schrie

oder war ich es, der schrie?

der Arzt

–Wie heißt deine Mutter?

und ich erinnerte mich auch an die Feuerwehrleute, die von Dona Helena gerufen worden waren, um meine Handgelenke festzuhalten

– Schön ruhig Junge

so viele Untertassen in der Küche, die zerschlagen werden mußten, die Vase unversehrt, die Zeiger der Uhr, die den Eintopf überwachten

– Zerstör uns

wenn die Feuerwehrleute mir anstelle des dicken Arztes mit der roten Krawatte helfen würden, nicht in diesem Büro, in einem Raum ohne Fenster oder Schrank, wo die Zigeunerin oder ich schrien, oder aber keiner von uns beiden, das Zerschellen des Geschirrs

–Wie heißt deine Mutter?

meine Mutter Judite mein Vater Carlos

– Hast du Zigaretten mitgebracht Ivone?

samstags fünf Zigaretten, aber die Zigaretten gehen aus, ein Bon für ein Glas Milch im Café, aber die Milch, die sich nicht halten kann, ergießt sich auf den Tresen, sobald man sie berührt, der Krankenpfleger wischt den Tresen ab, wischt uns die Jacke und das Kinn mit einem zerlöcherten Stück Stoff ab, dem Fossil eines Handtuchs, auf einem hoch oben angebrachten Brett schimpft der Fernseher

– Schmutzfinken

Kuchen, die zerbröseln, wenn man sie ißt, belegte Brote, deren Schinken Widerstand leistet, Zigaretten, die beim zehnten Streichholz am Filterende brennen, und eine kleine Flamme verschlingt die Watte

– Sie merken es nicht einmal die Armen

das Streichholz geht zu früh aus oder weigert sich auszugehen, verbrennt uns die Haut, die Gewißheit, daß ich dieser Tage, am Vortag oder am Tag vor dem Vortag geträumt habe, und warum sollte ich mir den Kopf zerbrechen, wo ich mich außer an vorgestern nur an eine Zigeunerin erinnere, die schrie, und daß sie mich mit Verbandmullknoten ans Bett fesselten, vielleicht an die Feuerwehrleute

– Schön ruhig schön ruhig

der Krug, den ich der Spüle gestohlen hatte, zerschellte auf dem Boden, Dona Helena in Tränen, ich muß diese Untertassen zerschlagen, die Vase unversehrt, beleidigt

wie sehr ich diese Vase gemocht hatte

die fragte

– Und ich?

der Arzt mit zwei oder drei Psychologen oder Studenten oder Kunden der Diskothek, in der mein Vater arbeitete, und der Platanenzweig hielt endlich still wie immer am Mittag, den Ellenbogen auf das Fenstersims gestützt, hielt er die Haarsträhnenspatzen seiner Stirn, Katzen in einer Dornenhecke oder bei den Resten des Speisesaals, wo ein Mädchen mit Haube Eimer ausschüttete, der Arzt zu den Studenten

– Sie leben in sich selber und fühlen fast gar nichts schwer ihnen zu helfen wieder etwas zu fühlen

schenkt mir ein Körbchen mit Pfirsichen, nein, schenkt mir eine Zigarette, das Streichholz ging an, als es angehen sollte, ging aus, als es ausgehen sollte, im Aschenbecher ist Asche, und da es so ist, tu ich meine Asche dort hinein, ich glaube, der Mann von Dona Helena hat die Feuerwehrleute begleitet, auf die Auslegeware gezeigt, den Fußboden

– Er macht alles voller Asche

ich glaube, der Arzt

– Sie leben in sich selber erkennen nicht einmal ihre Familienangehörigen

und die Psychologen oder Studenten oder Kunden der Diskothek, die sich über meinen Vater lustig machten, wiederholten es gehorsam in Heften, sie leben in sich selber, erkennen nicht einmal ihre Familienangehörigen, der Ehering des Arztes bewegte sich auf dem Schreibtisch nach vorn

– Schauen Sie

der Kugelschreiber schlug auf die Tischplatte, weckte mich auf, ich war mir der Lage meines Körpers im Bett bewußt, einer Bettlakenfalte unter dem Bein

– Paulo

den Kugelschreiber kaputtmachen und die Untertassen in der Küche, Dona Helena nahm mir die Vase mit der Bruchlinie an der Stelle, an der sie sie geklebt hatten, ab, der Kugelschreiber beharrlich auf der Tischplatte, verbot mir zu rauchen

– Paulo

der zweite Sarg, und ich tat so, als hätte ich ihn nicht gesehen

–Wie heißt deine Mutter?

und da, ich merkte es fast nicht, begann ich zu lachen, als mein Vater gestorben ist, habe ich auch angefangen zu lachen, Leute auf langen Bänken, ein Alter mit geschminktem Mund mit einem Pudel auf dem Schoß, der zweite Sarg, den ich nicht zu sehen vorgab, der Priester kam hinter einem Vorhang hervor, und ich, an den Sarg gelehnt, lachte

–Wie heißt Ihre Mutter können Sie sagen wie Ihre Mutter heißt wie heißt Ihre Mutter können Sie das sagen?

hinderte die Psychologen oder die Studenten oder die Kunden der Diskothek daran, die Leiche zu bemerken und sie zu verspotten, mein Vater ist ein Clown mit Federn und Pailletten und Perücke, Polstern an den Hüften, an der Brust, der geschminkte Mund des Alten mit dem Pudel, der sich bellend gegen mich sträubt, einmal habe ich den Köter mit der Schleife, der meinem Vater gehörte, in den Park am Príncipe Real gebracht, wo sie nie mit mir auf der Schaukel spielten, im Teich waren Fische, ich habe den Fischen keine Kekskrümel gegeben

– Iß den Keks Paulo

ich habe die Leine vom Halsband gehakt

– Hau ab

und das Tier unentschlossen, verkroch sich, Urin auf den Teppich tropfend, unter den Möbeln, würde man ihm ein Glas Milch im Café des Krankenhauses bezahlen, würde es sie auf dem Tresen verschütten, mein Vater wischte ihm die Schnauze mit einem zerlöcherten Stück Stoff ab, dem Fossil eines Handtuchs, ich habe Steine nach ihm geworfen, bis er endlich an einer Ecke verschwand, erschrocken, dumm, die Schleife löste sich, verhedderte sich in den Pfoten, wenn ich ihn mit Steinen bewerfen würde, meinen Vater

– Hau ab

bis er endlich an einer Ecke verschwand, die Federn, die Pailletten, die Perücke, wenn ich aufhören könnte zu lachen

– Sie leben in sich selber erkennen nicht einmal ihre Familienangehörigen

ohne daß eine einzige Träne den Sarg verbarg, die Musik, der Lichtkegel, der auf der Bühne anging, und mein Vater, der sang

nicht mein Vater, ein Clown mit Federn und Pailletten und Perücke

nicht der Clown, eine Frau, so viele Untertassen in der Küche, die zerschlagen werden mußten, in seinem Zimmer die Parfümflakons, die Nagellackfläschchen, die Lippenstifte, das Messer zum Bartverhehlen, Röcke über Röcke an einer Wäscheleine, wenn ich ihn mit Steinen bewerfen könnte, den Psy

–Wie heißt deine Mutter?

chiater, meine Mutter wohnt in Bico da Areia auf der anderen Seite des Tejo, ein Bus, noch ein Bus, Lissabon auf den Kopf gestellt im Wasser, wenn ich an ihre Tür klopfe, hakt sie die Leine von meinem Halsband, und ein Mann auf der Stufe zum Tor, meine Mutter

– Hau ab

das brennende Licht anschauen, die Häuser nur Dächer aus Holz und Wellblech, Negerhütten, Beete mit vertrockneten Blumen, Kastanien, bei meinem Vater würden Blumen nicht so enden

– Schau mal nach ob der Sohn von der Schwuchtel noch immer da draußen ist

immer frische Blumen im Wohnzimmer, warum sind Ihre Nägel lila, Vater, der Tintenstrich, der Augenbrauen erfand, der Mann erschien kauend auf der Stufe, um den Hals die Serviette, und die vertrockneten Blumen

– Schau da ist der Sohn von der Schwuchtel

der Tejo kam und ging, legte den Ponton frei, das heißt, er kam und ging und blieb zugleich dort, die Pferde der Zigeuner weideten das Dünengras ab, ich hatte das Gefühl, da war eine Grille oder ein Nachtvogel am Straßenrand, der Mann mit der Serviette um den Hals schrappte mit den Pantoffeln auf der Stufe und kehrte kauend an den Tisch zurück

– Da draußen ist niemand

Rüschengardinen, Magnolien aus Pappe, meine Mutter wusch Töpfe in einer Schüssel im Garten ab, nicht als Braut gekleidet, barfuß, ohne Perlenkette an der Stirn, mein Vater und sie schnitten eine Torte an, und oben auf der Torte ein Paar, kleine Wachsfiguren, ich wachte auf der Matratze in der Küche auf, weil mich ihr Streit aus der Überdecke herauszog, und brachte das Gummikrokodil mit, meine Mutter jetzt nicht mehr Braut, aber auch nicht barfuß und auch nicht dabei, Töpfe in einer Schüssel zu waschen und die Schüssel in das Beet auszugießen, zeigte meinem Vater einen Büstenhalter

sie hatte die Perlen in einer Schachtel für Knöpfe verwahrt, und die Figürchen von der Torte zierten das Radio

– Trägst du das Carlos?

meine Mutter hieß Judite, seither habe ich gelobt, nichts zu sagen

wenn die Augen meiner Mutter merkwürdig wurden und mein Onkel mit der Gabel auf uns zeigte

– Magst du keine Augen Paulo?

das Krokodil entwich mir und wickelte sich um ihre Beine

– Mutter

während ich dachte, hoffentlich merken es die Psychologen oder die Studenten oder die Kunden der Diskothek nicht, wo sind wohl die Figürchen von der Torte geblieben, wo wird die Kette sein, einer der Zigeuner tauchte mit einer kleinen Gerte auf und trieb die Pferde zum Kiefernwäldchen, mich unter den Möbeln zusammenkauern wie der Hund, dabei Stichelhaare und Urin tropfen, trägst du das, Carlos, und mein Vater schwieg, Steine nach ihm werfen, bis er endlich an einer Ecke verschwindet, während das Krokodil

– Mutter

laßt nicht zu, daß ich allein bleibe, wenn die Rolläden heruntergelassen werden, und der Mann mit der Serviette

– Judite

kein Mann, Scheiben eines Mannes in den Zwischenräumen des Rolladens, treibt mich wie die Pferde zum Kiefernwäldchen, das Krokodil beharrlich am Tor

– Laßt mich bei euch bleiben

ihnen erklären, daß ich nicht ich bin, ich keine Schuld habe, wenn ich mich an ihren Beinen festklammere, die Scheiben meiner Mutter werden größer, die Hälfte der Brille forschend von den Holzleisten her

– Hast du die Türangeln gehört?

ich glaubte, die Scheiben einer Flasche zu sehen, die wieder auf Scheiben einer Anrichte zurückgestellt wurden, man hörte die Nadeln der Kiefern und den Fluß am Ponton, wie er die Zähne mit der Zunge absaugte, die Scheiben der Flasche wurden hochgehoben, und der Mann mit der Serviette erschien, nunmehr vollständig, zusammen mit ihr ärgerlich auf der Stufe, kratzte sich

der Kühlschrank mit dem Zwerg aus Schneewittchen obendrauf, der mit der Hacke über der Schulter, der die Kollegen befehligt, der Zwerg zu meiner Mutter

– Man hört nichts Judite das müssen die Pferde gewesen sein

die in einer Bodensenke herumtrabten, in der Zelte, zweirädrige Karren standen, die Flasche zerteilte sich auf der Anrichte erneut in kleine Streifen, jetzt fast ausschließlich Glas, ein anderer Büstenhalter, Cremetiegel, ein Stiefelchen auf dem höchsten Bord der Speisekammer, die mit einer Muße der Verachtung gegen meinen Vater geschleudert werden, mit einer Langsamkeit wie unter Wasser die Algen und die Kiesel, ich weiß nicht, ob sie sich überhaupt bewegen oder ob es die Schatten sind

– Trägst du das Carlos?

die mit der Handfläche über die Dinge streichen, so wie der Bahnsteig sich nach hinten bewegt, nicht der Zug, die Leute ziehen vorbei, und da, ein Seufzer aus Dampf und Metall, der Bahnsteig entfernt sich, genau wie bei der Zeit, wie beim Tod, die Gesichter der Verstorbenen in Reichweite und dennoch unendlich weit weg, ernster, würdiger, wenn meine Mutter

– Trägst du das Carlos?

antwortet mein Vater im Sarg nicht, und ich verteidige ihn, indem ich lache, sie haben ihm eine Krawatte umgebunden, ein Hemd ohne Spitzen angezogen, eine Weste, die er hassen würde, sie haben ihn gekämmt wie vor den Federn, den Pailletten und der Perücke, das Figürchen schneidet auf dem Foto die Hochzeitstorte an, die Wange an die Wange meiner Mutter geschmiegt, während meine Wange an das Kopfkissen geschmiegt ist und die Platane mich aus dem Schlaf herauszieht, ich mir der Lage meines Körpers im Bett bewußt bin, dem Geruch nach Desinfektionsmittel, mit dem der Boden gewischt wird

– Morgen kannst du nach Hause gehen

und beim Haus wartet die Schüssel im Garten auf den Morgen

– Schau mal nach ob der Sohn von der Schwuchtel immer noch da draußen ist

und im Haus

– Hast du die Türangeln gehört?

das andere Haus, das verlassene an der Praça do Príncipe Real, der Sarg von Rui links von dem meines Vaters, eine Krawatte, ein Hemd ohne Spitzen und die gleiche Weste, er ist nicht wie ein Clown gestorben

die Schuhe der beiden weisen, von den Hosen gelöst, zur Decke

sie haben ihn am Strand gefunden, der Köter mit der Schleife schnüffelte an ihm herum oder bellte die Wellen an

er schnüffelte weder an ihm herum, noch bellte er die Wellen an, im Kreis, aufgeregt wegen eines Stücks Schilfrohr oder eines Flaschenhalses, im Haus meines Vaters interessierten ihn die Muster auf dem Teppich, stundenlang starrte er die Rhomben an

– Hau ab

der Polizist zu mir

–Weißt du wer das ist kennst du den?

vier Pfähle und ein Seil um den Körper von Rui, die Scheinwerfer der Wagen zeigten wie im Theater auf ihn, in wenigen Augenblicken auch Trommeln, dann Musik, dann die Stille, da die Musik ausfiel, dann unsichtbares Gerenne, dann

– Du lernst das nie Idiot dann

– Das ist nicht meine Schuld jemand hat den Stecker rausgezogen

dann laute Musik, ein Lichtoval auf dem Vorhang mit Brandflecken, mein Vater mit nackten Beinen und einem Diadem, das ihm aufs Ohr rutschte, und er sang, die Arme zu einem Kreuz ausgebreitet, die Vergebung der Sünden, meine Mutter, die das Diadem, dem Diamanten fehlten, von allen Seiten betrachtete

– Trägst du das Carlos?

wenn ich in Bico da Areia wohnen würde, würde ich im Kiefernwäldchen umhertraben oder am Strand oder da, wo die Zelte, die zweirädrigen Karren, ein Kleinlaster ohne Reifen standen, die Zigeuner würden mir die Augen verbinden, wie sie es mit den Pferden taten, bevor sie den Schuß abgaben, und ich auf Knien, ich ausgestreckt, ich in einem Sarg in der Kirche, wenn wir im Dorf ankamen, hat meine blinde Großmutter immer meine Gesichtszüge mit den Fingern abgetastet, sie mit Töpferbewegungen verändert, sie veränderte meine Nase, die Wangenknochen, das Kinn, ich habe mich verändert, ich erkenne mich in den Spiegeln nicht wieder

– Ihr Enkel Mama

meine Großmutter im Dunkeln in dem kleinen, mit Bildern und Kerzen gekrönten Zimmer verlängerte meine Ohren und vergrößerte meine Zähne, sie wird mich verschlingen und mich auf der Erde verteilen, wie es Schweine tun, die Finger ließen ab, lagen verwirrt im Schoß, eine staubige Frage bahnte sich den Weg durch die schwarzen Tücher

bis in die Seele in Trauer gekleidet

–Welcher Enkel Töchterchen?

wandte sich an meine Mutter, an ein Huhn, das sich mörtelstiebend unter den Flügeln kratzte, die Handflächen zerteilten Dunkelheit, gaben auf

–Welcher Enkel Töchterchen?

während sie mit eiligen Gesten meine Gesichtszüge wieder an ihren alten Platz setzte, wenn ich in Bico da Areia wohnen würde, würde ich schneller als die Krankenpfleger, als die Pferde traben, meine Großmutter suchte meine Mutter, maß ihr Gesicht mit den Daumen

– Du bist dünner geworden Judite

irgendwann werde ich sie in dem Dorf zwischen den Ulmen besuchen, entkomme Brennesseln und Mäusen, ihre Augen erraten meine Schritte, ohne sie zu hören, ihre Finger kneten verwirrt die Leere, es heißt, mein verstorbener Großvater würde nachts mit gezückter Hacke hereinkommen

– Camélia

mit diesem Hunger der Toten die Deckel von den Bratpfannen nehmen, sein Atem ebenfalls schimmlig, wir hatten leben wollen, wir hatten nicht fliehen können, und ringsum alles still, die Lehrerin ging auf dem Weg zum Friedhof spazieren, wenn die Schule aus war, Bienen über Bienen an den Stämmen der Weiden, meine Großmutter zur Hacke

– Du kommst doch nicht etwa um zu stehlen?

ich bin nicht gekommen, um Sie zu bestehlen, Großmutter, ich bin gekommen, um Sie zu bitten, mich zu berühren, zu helfen, wenn Sie im Gemüsegarten arbeiten, die Eimer aus dem Brunnen zu ziehen, den Nachmittag mit den Händen zu verändern, wären Sie in der Kirche gewesen, hätten Sie im Handumdrehen meinem Vater wieder ein ordentliches Gesicht geschaffen, und ich hätte mich nicht mehr geschämt, ein Mann, kein Clown mit Federn, Pailletten und Perücke, am Nachmittag, an dem er mich verkleidet im Krankenhaus besucht hat

einer der Krankenpfleger pfiff oder hustete, die weiblichen Angestellten in der Waschküche riefen einander mit Grimassen, ich wäre so gern ein Pferd gewesen und wäre so gern weit weg den Strand entlanggetrabt, sollen sie mir die Augen verbinden, einen Schuß auf mich abgeben, das Tier kniete nieder und dachte eine Zeitlang nach, der Zigeuner drückte mit dem Fuß gegen meine Flanke, als der Schweif nicht mehr zitterte, wurde die Musik lauter, das Lichtoval auf dem Vorhang mit den Brandflecken verschwand, soweit ich gesehen habe, hatte sich keine Künstlerin mit einer Stola und einem Brillantendiadem einem Mikrophon genähert, der Polizist

nein, der Arzt zu mir

diesen Traum habe ich schon einmal geträumt diesen Traum habe ich

–Weißt du wer das ist kennst du den?

nein, diesen Traum habe ich nicht geträumt, vier Pfähle und ein Seil um den Körper, der Hund, der die Wellen anbellt, wenn man ihn mit einer kleinen Gerte schlug, sprang er zur Seite, kam zurück, mein Vater und Rui hatten einen anderen Hund gehabt, aber ein Lastwagen hat ihn überfahren, seine Kruppe war zerquetscht, aber der Mund redet noch

– Morgen können Sie nach Hause

wir haben ihn nach Hause gebracht, die Kruppe in eine Decke eingewickelt, um zu vermeiden, daß das Blut, ich habe mit dem Ärmel gewedelt, um zu verhindern, daß die Fliegen

–Wedel mit dem Ärmel um zu verhindern daß die Fliegen

die Fliegen, Vater, ab März im Park in Príncipe Real, Fliegen im Wohnzimmer, im Schlafzimmer, im Kabuff mit dem Waschtrog, der Veterinär bereitete die Spritze vor, würde mein Vater weinen, die Schminke würde in schwarzen, nassen Streifen von den Lidern rinnen, man wischte mit dem Taschentuch darüber, und noch mehr Streifen und Flecken

– Seien Sie still Vater

vier Pfähle und ein Seil um den Körper an der Stelle, zu der sie im Sommer immer kamen, mein Vater badete wegen der Perücke nicht, erst Trommeln, dann Musik, dann Stille, dann

– Das ist nicht meine Schuld jemand hat den Stecker rausgezogen

dann wieder Musik

– Singen Sie Vater

obwohl es die Musik war, die sang, nicht er, die Stimme in den Lautsprechern, und mein Vater fing sie, das Kinn in der Luft, ein, wenn man einen Ball durchs Zimmer rollte, bewegte sich der Hund, von den Echos des Klanges in die Irre geleitet, auch nach rechts und links, die Clowns

die Frauen

die Clowns, die meinen Vater begleiteten und jünger waren als er, weniger Federn trugen, bewegten im Hintergrund die Hüften, sie richteten die Kleider mit Klammern, einer von ihnen, ohne Perücke, rasierte sich vor einem Taschenspiegel, verfolgte die Härchen, die entwischt waren, mit einer Pinzette, der Polizist zu mir

–Weißt du wer die sind kennst du die?

nein, der Arzt

–Wie heißt deine Mutter?

meine Mutter Judite mein Vater Carlos sie fühlen fast gar nichts schwer ihnen zu helfen wieder etwas zu fühlen

ich habe keine Mutter, ich habe zwei Mütter, und Rui im zweiten Sarg in der Kirche, Leute auf langen Bänken, der Alte mit dem Pudel auf dem Schoß, und ich lache, an die Bronzegriffe gelehnt, ein alter Anzug von Dona Helenas Mann mit Hustenbonbons und einer leeren Zahnstocherverpackung in der Tasche

nein, einem einzigen Zahnstocher tock tock

der mir zu kurz war, sie bürsteten die Revers, applizierten mir einen Tropfen Brillantine, verrenkten sich, um mein Aussehen zu prüfen, hatten die Beerdigung vergessen, zogen mir zufrieden den Scheitel

– Der ist am Bauch nicht zu weit zieh den an

stellten mich vor die Frisierkommode, Dona Helenas Mann umkreiste mich prüfend, ich fragte schweigend, indem ich ihm auswich

–Wollen Sie nicht mein Vater sein?

sie fühlen fast gar nichts schwer ihnen zu helfen wieder etwas zu fühlen

aber er war damit beschäftigt, meine Schulter zu korrigieren, er kannte die Namen der Bäume auf lateinisch, liebkoste den Stamm, und die Bäume waren dankbar, glaube ich

– Senhor Couceiro

er hat seinen Militärdienst in Timor gemacht, wo eine Kugel die Hüfte

– Die Japaner Junge tagelang bis zum Hals in einem Reisfeld mit Büffeln gesteckt

glaube ich nicht

wenn er mich wegen der Droge in der Polizeiwache abholte und die Eingeweide einzeln dahintrieben, hörte ich seinen Spazierstock, bevor er eintrat, ich wußte genau, in welchem Augenblick er seinen Nacken mit dem Taschentuch abtrocknen würde, das in Verlegenheitsknoten ewig nicht aus seiner Tasche herauskommen wollte, der Spazierstock stöberte zwischen den Wurzeln der Büsche, Hörnern, den Leichen von Eingeborenen nach mir

– Die Japaner Junge

er steckte das Taschentuch wieder ein, um mir zu helfen, meinen Magen, die Lunge, einen Arm wiederzufinden, von dem ich meinte, er würde ihm danken, und der an der Decke levitierte, mich unter den Möbeln verstecken, dabei Urin auf den Teppich tropfen, wenn sie mir ein Glas Milch anböten, würde ich sie auf dem Tresen verschütten, Senhor Couceiro warf keine Steine nach mir, befahl mir nicht

– Hau ab

er begrüßte die Bäume, erinnerte sich an die Japaner, hat mir eine Feldwebeluniform gezeigt, die die Reisfelder entfärbt hatten, drei Tage und drei Nächte bis zum Hals im Wasser, und am Ende waren sie es leid, Junge, er sah mich an, wie meine Mutter meinen Vater ansah

– Trägst du das Carlos?

nicht einmal enttäuscht, demütig, als die Lampe auf ihn traf, hatte er keine Pupillen, darüber und darunter Falten und anstelle von Pupillen kleine Lichtkugeln, Dona Helena

der Ehering des Arztes klopfte mit dem Kugelschreiber auf die Tischplatte

–Wie heißt deine Mutter?

und keine Taube wiegte sich auf der Platane mit mir auf dem Arm

– Guck mal was ich mitgebracht habe Couceiro

eine enge Wohnung, Pflanzen in Farbeimern, die eingerollte Fußmatte, über die man immer stolperte, ineinander verschachtelte Zimmer

der Eßtisch hörte am Bett auf

deren Türknäufe sich unbrauchbar drehten, man packte welchen auch immer und hatte ihn in der Hand, will heißen, einen Porzellanball und einen rostigen Schaft, abgelöste Kachelpaneele, Senhor Couceiro kam von den Antipoden, wo ein Radio spielte, nicht das, was ich kaputtgemacht habe, sondern das alte beim runden Tisch mit der langen, gerüschten Decke, Senhor Couceiro mit dem Spazierstock, wie er in einem Luftzug dahinsegelt, der sein Hemd blähte

– Genau wie der Monsun in Timor Junge jede Menge umgekippter Palmen

Dona Helena drehte sich mit empörtem Zungenschnalzen um sich selber, als hätte mich jemand geschlagen, und ging mit mir in den Schützengraben der Anrichte, bot mir Birnen in Sirup an, bot mir Kekse an, zeigte mir eine Spieluhr, und der kleine Walzer brach los

– Du hast ihn erschreckt und er hat angefangen zu weinen wer beruhigt ihn nun wieder?

für heute reicht es mir, an sie zu denken

sie fühlen fast gar nichts schwer sie etwas fühlen zu lassen mit ein bißchen Glück bringen die Medikamente manchmal

und ich erinnere mich an alle Töne, ich überrasche mich manchmal dabei, wie ich sie wiederhole, wenn ich mich aufrege, ich habe keine zwei Mütter, meine Mutter heißt Dona Helena, sie zeigte mir die kleine Spieluhr noch einmal, setzte sich aufs Sofa neben der Nähmaschine, verbannte Senhor Couceiro ins Exil des fernen Radios

der Zeiger bewegte sich auf dem Zifferblatt, und fremde Sprachen Pfiffe Knacken, blieb dort stehen, wo der Priester den Sechsuhrrosenkranz betete, eisige Kapellenechos, die Hälfte der Gebete er und die andere Hälfte die Frauen, sie machten eine Pause, und dann begannen die Frauen, und der Priester führte die Gebete zu Ende, nach dem Heroin vermischten sich die Stimmen, die Nähmaschine

stichelte mich, vor und zurück, ich versuchte zu rufen, aber die Kehle verschloß sich, das Lämpchen zum Löffelerhitzen rollte über die Matte, die Nadel, die ich nicht herausreißen konnte, ein Blutstropfen, der erschien und herunterrann, Senhor Couceiro besorgt

–Was hat er?

meine Mutter Dona Helena mein Vater Senhor Couceiro er hat deinetwegen zu weinen angefangen wer beruhigt ihn nun wieder versuch ihn mit deinen Japanern und deinen Büffeln zu unterhalten den Monaten die du bis zum Hals in einem Reissumpf verbracht hast quäl ihn nicht morgen wenn er wieder aus dem Krankenhaus zurückkommt laß ihn in Ruhe erzähl ihm von den Bäumen stell den Rosenkranz im Radio ein

hinter dem Haus ein Balkon zur Igreja dos Anjos, zwei Handbreit Fluß und fast nie Schiffe, ich setzte mich mit der Zitrone und der Spritze auf einen Blumentopf, band den Arm mit einem Bindfaden ab, wie Rui es mir beigebracht hatte, um die Ader auszusuchen, er kam mit einem kleinen Ring oder einem Armreif oder dem Geld von der Aufführung vom Vortag, das für die Rate für die Waschmaschine oder für die Reparatur des Ofens bestimmt war

– Laß nur dein Vater zahlt

mein Vater heißt Senhor Couceiro, meine Mutter Dona Helena, der Clown, von dem Rui meinte, er sei mein Vater, ich schwöre, ich weiß nichts von ihm, ich kenne ihn nicht, mein Vater ist weggegangen, oder aber ich hatte keinen, oder aber er hat sich in Luft aufgelöst und sich Jahre später wieder materialisiert, damit ich mich lachend an seinen Sarg lehne, der Alte mit dem Pudel wedelt Empörungen

– Mein Gott

der Clown, der nicht mein Vater war, wühlte in Etuis, Silikonfläschchen, Watte

– Der Umschlag mit dem Geld Rui?

lugte unter das Tablett für die gebügelten Blusen, schob Strumpfgürtel, Kappen und Mantillas zur Seite, mein Vater ist ein Mann, er weiß alles über die Japaner, kennt die Namen der Bäume auf lateinisch, hat in Timor Büffel getötet, heißt Senhor Couceiro

– Du hast ihn erschreckt und er hat angefangen zu weinen wer beruhigt ihn nun wieder?

wir hatten einen Mauerrest gefunden, als wir von den Kapverdianern wieder herunterkamen, nicht über die Straße, über einen Weg durch Unkraut, Stücke von einem Gartenzaun, von etwas, das einmal eine Statue war

ein Neptun oder ein Apollo?

aber ohne Glieder, ein zerbeulter Kochtopf flehte

– Versetzt mir Fußtritte

wie gut ich ihn verstand

– Bitte versetzt mir Fußtritte

genau wie die Apfelsinen, die vom Obstwägelchen herabfielen, und ich

–Wir haben jetzt keine Zeit

wir falteten die Zeitung auseinander, und ein feines weißes Pulver, verhinderten, daß die Körner am Knick entlangrieselten, nahmen einen Teil davon, bewahrten den anderen Teil auf, am Mauerrest jede Menge Feuerzeuge, Gummibänder, Fußabdrücke, unleserliche, mit dem Taschenmesser geschriebene Sätze, wir gaben die Scheine an einer Luke ab, ohne jemanden zu erkennen, man wartete ein wenig, bekam die Zeitung, ein Mulatte, der auf die Ecke aufpaßte, klappte ein Kindertaschenmesser auf und zu, seine Handflächen waren weicher als meine, rosig und mit schwarzen Falten, ich glaubte, er habe Angst, hatte er aber nicht, oder, besser gesagt, er hatte weniger Angst, als ich dachte, das Pulver untersuchen, vielleicht Kreide, vielleicht Gips, wie macht man es, Rui, erklär mir, wie man das macht, der Mann meines

nicht der Mann meines Vaters, der Mann des Clowns, sie schliefen im selben Bett, und deshalb waren sie verheiratet, vor diesem hat es mehrere gegeben, Alcides, Fausto

der Clown

– Ich möchte dir Alcides vorstellen ich möchte dir Fausto vorstellen

aber sie schliefen nicht mit ihm, sie gingen, Fausto stieß ihn gegen die chinesische Truhe, auf der mein Vater sich jammernd wand

hör mal, sagte mein Vater, ich habe mich geirrt

– Du Scheißschwuchtel

riß ihm die feine Halskette ab, steckte die Halskette in die Tasche, und der Clown

– Vergib mir

die Frau von Rui kam einmal nach Príncipe Real, um ihn zu beschimpfen, die Mieterin vom dritten Stock

Dona Aurorinha

– Junge Dame

sie ging langsam, regte sich nie auf, eine halbe Stunde auf jeder Stufe mit dem Einkaufsbeutel rang sie, die Brust zusammendrückend, nach Luft

– Kein Problem mir geht es ausgezeichnet

bestand darauf, daß ich ihr Guavenmus probierte, Zimmer im Dunkeln, da sie den Strom nicht bezahlt hatte, sie zündete eine Kerze an

– Strom stört mich

man drehte die Wasserhähne auf, und kein einziger Tropfen

– Ich brauche kein Wasser ich bin sauber

die Möbel weiß von Schimmelpilzen, verzweifelte Kakerlakenfluchten, im April hat sie ein Aneurysma geholt, die Frau von Rui zu den leeren Fensterscheiben

– Kommt raus ihr Scheißkerle

versuchte den Türdrücker mit einem Ziegelstein aufzubrechen, und Dona Aurorinha

– Stürzen Sie sich nicht ins Unglück junge Frau

rollte die Mülltonne die Straße entlang, ging

– Ihr Scheißkerle

mein Vater

Senhor Couceiro

mein Vater?

mein Vater mit den falschen Wimpern eines der Lider auf einer Pinzette, die anderen angstvoll bebend

– Eine Schande

und irgend etwas zitterte in seinem Gesicht, eine Sehne oder ein Muskel, die vom grauen Star nebligen Augen wie die meiner Großmutter, fast fiel er gegen die Truhe, obwohl Fausto ihn nicht stieß, Dona Aurorinha bot ihm Guavenmus an

– Senhor Carlos

in mühsamem Heroismus stieg sie Stufe für Stufe hinunter, der Clown tröstete sich, den kleinen Finger zum Bogen geformt, mit Kamillentee über die Schande hinweg, streckte eine Tasse hin

– Darf ich Ihnen eine anbieten Dona Aurorinha?

er klebte die falschen Wimpern vor dem Spiegel an, vor dem er früher den Schnurrbart gestutzt hatte, Alcides oder Fausto, die ja, mit

Schnurrbart, und mein Vater in Schürze briet Koteletts, ihnen gab er die Armbanduhr, ihnen gab er Ketten, hoffnungsvoll, unterwürfig

– Eine freundschaftliche Erinnerung

Alcides oder Fausto beäugten, dem Angebot gegenüber mißtrauisch, die Schätze

– Ist das wenigstens was wert?

Umschlagtücher, Haarreifen mit Mohnblüten, Plastikvikunjas, meine Mutter zertrat all diesen Luxus, den ich für ihren gehalten hatte

– Trägst du das Carlos?

wir hatten einen Mauerrest gefunden, als wir von den Kapverdianern wieder herunterkamen, nicht über die Straße, über einen Weg durch Unkraut, Stücke von einem Gartenzaun, von etwas, das einmal eine Statue war

ein Neptun oder ein Apollo?

aber ohne Glieder, ohne Glieder, wir falteten die Zeitung auseinander, und ein feines weißes Pulver, am Boden vor dem Mauerrest jede Menge Feuerzeuge, Gummibänder, Fußabdrücke, Rui, so drückt man die Zitrone aus, so mischt man das Wasser darunter, so macht man das mit dem Löffel, man erhitzt das so, und sobald es kocht, nimmt man einen Bindfaden, so, über dem Ellenbogen, ich glaubte über einer Steinmulde einen Eichelhäher zu sehen

der Kopf klingelte, die Spasmen des Schweifes, gleich bin ich ein Vogel, erreiche den Wipfel des Feigenbaums, schüttle mich oder bin ruhig, zufrieden, die Nadel, da, wo die breiteste Ader ist, keine Eile mit dem Kolben, so, eine Art Hitze, eine Art Kälte, der Mauerrest, der Eichelhäher, wieder Hitze im Bauch, in der Brust, in der das Herz nicht schlug, sich weitete, an Gewicht verlor, sich von mir löste, ich sah ihn beinahe violett in der Mulde mit dem Vogel, wie heißt du, wie heiße ich, sag mir, wie ich heiße, und Rui zog auch den Bindfaden an, so

– Sei still

Wind, wo es keinen Wind gab, Durst, wo kein Durst war, mit dem Pulver verstehe ich alles, Rui, verstehe ich alles, die mit dem Taschenmesser geschriebenen Sätze sind beinahe lesbar, soll ich sie dir vorlesen, Rui, dir ist doch auch kalt, nicht wahr, du bist auch ein Eichelhäher, leg dich nicht in den Schlamm, der Kopf klingelt, die Spasmen des Schweifes, die winzigen Früchtchen des Feigenbaums, schau nur, wie meine Blätter sich kreuzen, schau nur, wie ich wachse, leg dich nicht in die Weiden, steh auf, warum schimpfst du, Rui, schimpf nicht mit mir, bitte mich nicht, still zu sein, die mit dem Taschenmesser geschriebenen Sätze lauten

– Sie fühlen nichts

lauten

– Schwer ihnen zu helfen etwas zu fühlen

lauten

– Schau mal nach ob der Sohn von der Schwuchtel noch da draußen ist

nicht ein Feigenbaum, zwei auf demselben Stamm, Rui bedeckte die Öffnung der Nadel, und der rote Tropfen

dunkler als rot, man denkt bei Blut immer an rot, granat

– Sei still

der Mulatte kam von einem Kleinlaster ohne Reifen heran, klappte das Kindertaschenmesser auf und zu, ein leichtes Klikken, wenn die Klinge zu sehen war, ein leichtes Klicken, wenn sie nicht mehr zu sehen war, Dona Helena entfernte sich mit mir auf dem Arm in Richtung Speisekammer

– Du hast ihn erschreckt und er hat zu weinen angefangen wer beruhigt ihn nun wieder?

der Mulatte stützte die Sandale auf den Sockel, auf dem eine Regenpfütze, eine dieser Spuren des Oktobers, und die Spuren des Oktobers, während ich die Gartenzaunstäbe zusammenzählte, sechzehn

– Hier nicht

noch einmal zählen, ich hatte Angst, daß fünfzehn und sechzehn, ich hatte es richtig getroffen, vier bei uns in der Nähe und dazu sieben und noch fünf, der Mulatte zeigte auf die Stadt da unten

– Hier nicht

die Gewißheit, daß ich diesen Traum gestern oder vorgestern geträumt habe

gestern

und eben deshalb dachte ich, ohne aufzuwachen

– Es lohnt nicht sich darüber den Kopf zu zerbrechen das kenne ich schon

ich war nicht an Geschehnissen interessiert, von denen ich wußte, daß sie nicht stimmten, das Taschenmesser an meiner Kehle, die Sandale trat auf mich

– Ich schlafe

und da ich schlafe, kümmert es mich nicht, alles gelogen, ich war mir bewußt, daß das Kissen zwischen den Fußboden und die Truhe rutschte, gegen die ich gestoßen wurde

– Ich habe keine Goldkette die man mir wegnehmen könnte

Dona Aurorinha mit dem Einkaufsbeutel

– Paulo

eine halbe Stunde auf jeder Stufe, die riesigen, erschöpften Füße

– Kein Problem es geht dir großartig

gingen vor mir her, zündeten eine Kerze an, und ich folgte der Kerze im Dunkeln durch den Flur, bis Dona Aurorinha mir riet

– Setz dich

auf einen unsichtbaren Stuhl, und dort saßen wir beide schweigend, lauschten den Geräuschen im Haus und hörten etwas Fernes, das mich verspottete.

Einen Eichelhäher?

der mich verspottete.

Kapitel

Als ich klein war, setzten sie mich draußen hin, in die Nähe der Pferde und des Meeres, so daß die Wellen die Stimmen im Inneren des Hauses auslöschten und ich sie ein oder zwei Stunden lang vergaß, meinen Vater beim Kühlschrank mit dem Zwerg aus Schneewittchen darauf, den er hin und her drehte, ohne ihn zu sehen, meine Mutter, die ihn mit einem Hauchen fragte, das die Kiefern forttrugen und das mich dazu brachte, sie zu rufen, mit den Händen gegen den Kleiderschrank zu schlagen oder das Auto mit den Holzrädern zu zertrümmern, als meine Mutter

–Warum Carlos?

und das

–Warum Carlos?

nicht im Wohnzimmer, von Baum zu Baum, mit den Lichtflecken auf den Kiefernnadeln vermischt, der Zwerg aus Schneewittchen drehte sich auf dem Kühlschrank hin und her, und die Frage meiner Mutter ohne meine Mutter

–Warum Carlos

noch heute dieselbe Frage

noch gestern

noch heute im Krankenhaus die Platanen entlang, man blickte auf die Stämme, und die Frage auf jedem Zweig, die Silben deutlich, mit den Händen gegen den Kleiderschrank schlagen, nicht den Tauben zuhören, die Angestellten aus dem Speisesaal, der Mann der nächsten Abteilung auf dem Rücken liegend, murmelnd, sein Bauchnabel

gestern

heute, ich habe heute gesagt

– Die verstehen nichts von der Zeit

–Warum Carlos?

ich verstehe was von der Zeit, ich kann die Uhrzeit auf den Uhren lesen, fünf vor sechs, zwanzig nach sieben, acht Uhr zwölf, was glauben die Ärzte eigentlich, daß ich nichts von der Zeit verstehe, zeigen Sie mir das Handgelenk, und ich sage sie Ihnen, anstatt daß Sie mich eine Familie zeichnen lassen, und die Person mit den Röcken, als Braut gekleidet, mit Perlen im Haar, größer als der Ehemann und der Sohn, der Ehemann am Kühlschrank, der Sohn zerstört das Auto auf der Strohmatte, und die zerschlissene Bastmatte

–Warum Carlos?

die Braut nahm den Zwerg aus Schneewittchen, hinderte ihn daran, zu tanzen, erklärte dem Psychologen, der mir das Papier und den Bleistift gegeben hatte, es handele sich nicht um eine Wassermelone oder so

– Es handelt sich nicht um eine Wassermelone oder so

es handelt sich um den Zwerg aus Schneewittchen, den die Braut weiter wegstellte

– Hör auf damit herumzuspielen das macht mich nervös

den Ehemann daran hinderte, ihn zu berühren, das ist der Ehemann, das ist der Sohn, das ist das Auto mit den Holzrädern des Sohnes, ich hatte ein großes, wenn Sie nicht die Platanen bitten, still zu sein, gehe ich, der Bauchnabel des Mannes an der Wand, ich habe ihn nicht geschlagen, ich habe mit den Händen gegen den Kleiderschrank geschlagen, und der Krankenpfleger, als hätte ich jemanden geschlagen, ich habe ihn aber nicht verletzt, ich war verletzt da draußen bei den Pferden am Meer

– Laß ihn los

wo die Stimmen nicht hingelangten, die Dusche war auch draußen, und es tropfte die ganze Nacht lang auf den Zement, eine Pfütze, voller Wespen im August, man drehte den Wasserhahn auf und legte die Seife auf die Fensterbrüstung, oder, besser gesagt, bei meinen Eltern blieb sie auf der Fensterbrüstung, bei mir hielt sie sich eine Sekunde lang, und dann, da ich ein Kind war und nichts zu sagen hatte, rutschte sie zu Boden, sie schnell aufheben, bevor die Wespen, sonntags kamen sie durch ein Loch im Fliegengitter am Fenster, das die Wellen in Quadrate aufteilte, mein Vater außer Seife, Deodorant, Parfüm heimlich die Creme meiner Mutter, ich beobachtete ihn, und mein Vater hörte auf, sich einzureiben, schaute mich an, irgend etwas ist seltsam bei der Figur auf der Zeichnung, nicht er, eine Schüchternheit, eine Scham, eine Art Furcht, der Psychologe ein ovaler Strich und ein Pfeil, Creme auf den Hinterbacken, auf den Schulterblättern, auf der Brust

– Ist das dein Vater?

einer der Nachbarn, der Besitzer des Straßencafés, hockte auf dem Bretterverschlag, so daß ich den Clown, um zu verhindern, daß er ihn sah und den Kunden davon erzählte, mit dem Ellenbogen verbarg, und nur ich an der Hausecke spähte, die Pferde trabten wegen der Peitsche, einer meiner auf der Zeichnung unvollständigen Füße hinderte mich daran, zu laufen, den Bleistift nehmen, einen Schuh fabrizieren, aus der Zeichnung heraus durch den Hof, den Zaun des Krankenhauses, der Fluß

– Auf Wiedersehen

der Fluß morgen, wenn ich mich vom Arzt verabschiede, heute der Hof und der Zaun, eine Zigarette, mein Freund, eine Münze für einen Kaffee, mein Freund, ich bin nicht krank, mein Freund, ich wurde hier eingekerkert, das Körbchen mit den Pfirsichen an der Platane stehengelassen, Senhor Couceiro half mir mit dem Koffer, der Wäsche, den Pantoffeln, ein Plakat meines Vaters in Abendgarderobe, ich erinnere mich nicht, es mit hergebracht zu haben

–Warum Carlos?

– Nein

–Warum Vater?

und Senhor Couceiro faltete es eilig zusammen, und es verschwand zwischen den Hemden, wenn ich

–Warum Vater?

mein Vater stumm, es schien so, als würde er sprechen, aber er war stumm

reden Sie mit mir, sagen Sie mir

ich wachte in Bico da Areia auf, und die Sprungfedern des Bettes bewegten sich durch den Bretterverschlag, mit den Federn das Bein meiner Mutter

ganz langsam

über einem eingeschlafenen Bein, eine endlose Pause, in der die Pferde

das Meer

schwiegen, das eingeschlafene Bein entwischte unter Bretterächzen, die Stimme meines Vaters

– Nein

–Warum Vater?

und die Pferde oder das Meer oder weder Meer noch Pferde, die Pantoffeln meiner Mutter auf dem Fußboden, nachdem die Sprungfedern des Bettes beleidigt wieder in ihre Position zurückkehrten, ich merkte, daß sie sich am Kleiderschrank gestoßen hatte, wir stießen immer an den Kleiderschrank, unsere Wohnung stieß mit uns zusammen, erst überrascht, dann ärgerlich, das Knie mit beiden Händen gepackt, ein wütender Reflex, bevor unser Mund

– Verdammt

ich merkte, daß sie die Stufe hinunterstieg, ihre Hände am Tor, das Hin und Her der Angeln, weder Mond noch Kiefern, nur die Wasserschuppen, ich merkte, daß der Atem merkwürdig war, das Nachthemd zog sich zusammen, und da etwas Weißes, das hüpfte, und ich

–Weinen Sie nicht

weder Meer noch Pferde, die Nase schneuzte sich am Ärmel, die Hände umarmten mich halb, und halb stießen sie mich weg

– Geh hinein sonst erkältest du dich noch Dummkopf

dann umarmten sie mich doch, noch mehr Hüpfen des Nachthemds, ihr Körper so warm, Tränen, die mir nicht gehörten, wurden nun meine, weine nicht, Paulo, weine nicht, wenn Dona Helena mich auf den Arm nehmen und sich mit mir entfernen würde, wenn Senhor Couceiro mir von Timor erzählen würde, wenn sie mir den Mund mit Löffeln voller Guavenmus füllen würden, als ich meinen Kopf hob, mein Vater im kleinen Fenster

mit den Pferden traben

als er begriff, daß ich ihn bemerkt hatte, verschwand er aus dem Fensterrahmen, und das Glas bleich, als ich hineinkam, sah ich ihn gekreuzigt an der Wand, weit hinter mir, nicht im Nachthemd, im Pyjama

– Soll ich Ihnen meinen Ärmel leihen Vater?

Nachthemden nur in Príncipe Real, rot, silbrig, nicht aus Baumwolle, aus Seide, wenn ich ihn mal ohne Perücke überraschte, ein ärgerlicher spitzer Schrei, Fingerchen, die mich verscheuchten

– Ach Paulo

und ohne Perücke die Glatze, die Leberflecken, er band ein Tuch um, wenn er ins Bett ging, die Zeder im Príncipe-Real-Park zu mir

– Man starrt Krüppel nicht an das gehört sich nicht

Dona Aurorinha in der Eingangshalle mit ihrem Einkaufsbeutel, eine Brasse, zwei Kartoffeln, vertrocknetes Gemüse, sie Stockwerk für Stockwerk hinaufführen

– Ich helfe Ihnen

während sie Überraschungen mümmelte, jede Diele, auf die getreten wird

– Na wie geht es Paulos Vater Dona Aurorinha?

ihr Onkel Unteroffizier

– Mein Onkel war Unteroffizier

und daher ist Dona Aurorinha wichtig, die Arme, wenn man ihr den Respekt versagte, drohte sie mit dem Heer

– Ich werde es in der Kaserne melden

sie präsentierte sich mit der Brasse, den Kartoffeln, mit ihren abgelaufenen Schuhen, hob den Regenschirm zu einem feierlichen militärischen Gruß, holte das Foto eines alten Kerls mit Schiffchenmütze, wischte es gemächlich und pompös mit dem Jackensaum ab, schaute sich mit Verwandtenvertrautheit die Fahne genau an

– Ich bin die Nichte von Unteroffizier Quaresma der Zweiten Infanterie

überzeugt davon, daß die Obersten furchtsam

– Das ist die Nichte von Unteroffizier Quaresma da bleibt kein Stein auf dem anderen

die Nichte von Unteroffizier Quaresma hat die ganze Nacht gehustet, bei ihrer Beerdigung kein Oberst, keine Wache, keine militärischen Ehren, ein paar Spatzen auf den Zypressen, wenige und zudem unaufmerksam, mein Vater und ich haben den Sarg begleitet, er zum Glück in Hosen und ohne Nagellack, fast ein Mann, außer den Clownsspuren an den Augenbrauen von der Aufführung vom Vorabend, meine Mutter wies mit dem Zeigefinger darauf

wir hatten eine Stehlampe aus Glas mit einem bemalten Schirm

–Wer ist sie lüg nicht

Worte im Spiegel, noch bevor sie in ihrem Mund waren, die Stehlampe im Kleiderschrank wertvoller, schöner, der abgeschlagene Rand fast eine Verzierung oder eine Laune, Blumengirlanden in einem lila Rand, sie fiel ohne ein Geräusch im Spiegelbild um, und als sie eine Ewigkeit später hier herunterkrachte

–Wer ist sie lüg nicht

ein Wirbelsturm aus Geglitzer, die Zeit in Erwartung geronnen, die Pferde reglos trotz der Peitsche, eine Welle, die am Strand die Arme ausbreitete und Müll zusammensammelte

ich ein Stück Müll, geh mit mir zusammen weg, nicht diese Körbe, nicht diese Algen, ich

meine Mutter

– Geh zur Seite Paulo

kippte die Splitter in den Eimer, Reliefs, den gerüschten Teil

handbemalt, wurde mir gesagt

– Sie ist handgemalt geh nicht so nah dran faß sie nicht an

kippte nicht mich weg, mein Vater wusch das Gesicht im Waschtrog, Dona Helena unterbrach ihre Arbeit am Herd

– Dich wegkippen mein Sohn?

sie nannte mich mein Sohn, sehen Sie nicht, daß sie mich mein Sohn nannte?

sie roch nach in Olivenöl angebratenen Zwiebeln, nach Gummi, nach Güte, man konnte an ihrer Brust einschlafen, Senhor Couceiro hat erst, nachdem er immer wieder im Kreis um uns herumgelaufen war, gewagt, mir einen Finger auf die Stirn zu legen, während der Spazierstock hinterherpickte

– Hat er Fieber?

ihr Kleiderschrank hat mich nie verletzt, ein großer, gütiger Spiegel mit dem ganzen Zimmer darin, davor der dreiteilige Spiegel, und Dona Helena dreimal, ich dreimal, Senhor Couceiro drei Feldwebel in den Reisfeldern von Timor, lassen Sie ruhig den Finger auf meiner Stirn, es stört mich nicht, Dona Helena

– Vorsicht mach ihm keine Angst

sie ließ zu, daß ich an ihren Ohrringen zog, die Haarklammern in ihrem Haar woandershin steckte, als sie mich eingewiesen haben, der Arzt zu Senhor Couceiro, während die Feuerwehrleute meine Handgelenke losbanden, die Koliken, weil mir das Heroin fehlte, mein Vater tot, und dennoch Gelächter

Gelächter

erklären, daß, wenn ich nicht lachen würde, nicht immer weiterlachen würde

– Ich muß unbedingt lachen verstehen Sie denn nicht daß ich lachen muß Doktor?

der Arzt zu Senhor Couceiro

– Ist das Ihr Enkel?

Paulo an den Sarg des eigenen Vaters gelehnt wie schrecklich an den Sarg des eigenen Vaters die Hände die Hände umarmten ihn halb und halb stie

die Lampe auf dem Dach des Krankenwagens ging an, daher ein Wogen von Wand zu Wand

– Paulo

ich habe Dona Helena Geld gestohlen, und Dona Helena hat sich nicht über mich beklagt, ich habe das kordelgeschmückte Kästchen aus dem Minho aufgebrochen, und kein einziger Ohrring, Haarklammern und Metallspäne, damit zu hören war, wenn jemand es in die Hand nahm, in ihrem Namen beim Krämer, beim Fleischer Geld leihen, der Krämer nahm den Kram

sie hat mich nicht geschlagen

– Geh mir aus den Augen du Dieb

ich machte noch mehr Löcher in den Gürtel, weil die Hosen zu weit waren, und Dona Helena Suppe, mit Chinin versetzten Wein, Sirupe

– Nimm das Kräftigungsmittel Paulo

legen Sie mir den Finger auf meine Stirn, Senhor Couceiro, wenn Sie ihn auf meiner Stirn lassen, werden die Koliken weniger, so viele Einstiche von den Spritzen, die Venen hart, dunkel, das sind keine Arme, das sind Zweige, ich bin ein Busch, Dona Helena, meine Gaumen lösen sich auf, ich verstecke die fehlenden Zähne mit der Zunge, der Aschenbecher auf dem Schreibtisch des Arztes, verzweifelt, bang

– Zerschlag mich sofort

jedesmal, wenn die Lampe des Krankenwagens ihn zwang zu existieren, ich habe die Wanduhr verkauft, und Dona Helena sagte nichts, Senhor Couceiro

– Ist das Ihr Neffe?

sagte nichts, der einsame Nagel klagte mich an, ein weiterer Nagel links davon, der Spazierstock schien sich bewegen zu wollen, war aber nicht einmal wütend

um Ihrer Gesundheit willen, werden Sie böse, schreien Sie, werden Sie wütend auf mich

Dona Helena hielt ihn mit den Augen zurück

– Jaime

Jaime Couceiro Marques

den Nagel ausreißen, ihn darin hindern, mich anzuklagen, mich zur Abendbrotszeit vor sie hinstellen, Senhor Couceiro im Sessel, Dona Helena wegen ihrer Wirbelsäule auf dem samtbezogenen Stuhl, manchmal traf ich sie allein in der Küche an, wo sie das Pflaster mit einem Lächeln über der Schmerzgrimasse ablöste

– Es wird vorbeigehen

das Lächeln kleiner als die Grimasse, so daß ihre Mundwinkel zu sehen waren, als sie meinte, ich sei gegangen, verschwand das Lächeln, sie bewegte sich auf die Spüle gestützt vorwärts

der Toaster auch zum Mitnehmen, der Fleischwolf, mich vor ihnen aufbauen, auf den Nagel zeigen

– Das war ich nicht

nein

Nelken in der unversehrten Vase, Strelizien

– Ich war es werft mich raus ich war es

zwei Tulpen

nein, eine aufgesetzte Empörung, eine in Unschuld gespreizte Hand

– Ich war heute nicht im Haus wie kann ich das gewesen sein?

zwei Tulpen und Geranien, antworten Sie nicht, bitte diskutieren Sie nicht mit mir, Senhor Couceiro kannte die Namen der Bäume auf lateinisch, er kniff sie in den Stamm, und sie antworteten, der riesige Nagel, wenn ich den Kapverdianer bitten würde, mir die Uhr wiederzugeben

– Leih mir die Uhr für eine Woche ich bring sie wieder

das Kindertaschenmesser klappt auf und zu, die Sandale schubst mich weg

– Bist du immer noch da?

ein Labyrinth aus Gassen und kein Ausgang, alte Mauern, kleine zerborstene Fenster, wo ist die Stadt, man erkannte eine Büste, aber welche Büste auf welchem Platz, nachts suchte mein Vater mit Perücke Rui, der Clown mit den hohen Hacken und dem Ballkleid hob ihn von den Steinen auf

– Rui

Rui auf dem matschigen Boden

– Scheißschwuchtel

und der Clown, mein Vater, säuberte ihm eine Wunde, machte sich die Stola dreckig, er

sage ich, er küßte ihn, Mutter?

er küßte ihn, die beiden

entschuldigen Sie bitte

im selben Bett, mein Vater mit einem Tuch um den Kopf, ich existiere überhaupt nicht, er legte Rui ins Auto, rückte ihn auf der Decke zurecht, die Scheinwerfer schepperten bei den Bodenwellen, ich allein in Chelas

siehst du denn nicht, daß du ihn erschreckt hast, wer beruhigt ihn nun wieder, das Kindertaschenmesser veränderte seine Stimme, jetzt interessiert

– Die Scheißschwuchtel ist dein Vater?

der Teich im Príncipe-Real-Park im Dunkeln, die Bäume, deren Namen Senhor Couceiro kannte und ich nicht, der Schlüssel im Schloß hinderte mich daran, reinzukommen, die Müllwagen sammelten Mülltonnen ein, auch eine Lampe

zwei

auf dem Dach

gelb, nicht blau

die mich hervorhoben oder verbargen, losfuhren und wiederkamen

und ich fuhr los und kam wieder

der Einkaufsbeutel von Dona Aurorinha mit den Kartoffeln, die sie, tot auf dem Friedhof, bestimmt nicht kochte, von der Bronchitis erstickt, die Helligkeit auf dem Treppenabsatz in Anjos, bevor ich auf der Fußmatte ankam, stolperte Dona Helena schlaflos, erleichtert, zufrieden

– Mein Sohn

während ich sie haßte und dachte, daß ich den Staubsauger, das bronzene Tintenfaß, die Eheringe der Schwiegereltern auf dem Wattekissen stehlen könnte, die Kiste mit dem Werkzeug herausziehen

– Begreifen Sie nicht daß Sie mich ärgern mich nerven daß ich Sie hasse?

und das Radio mit dem Hammer zertrümmern, das mit dem Rosenkranz, wo sie den Priester begleitete, ohne mit dem Häkeln aufzuhören, und für mich betete, Senhor Couceiro auf der verglasten Veranda, wo Lindenblütenduft

– Ist das der Junge Helena?

aber ich höre den Spazierstock nicht, wehe dir, wenn der Spazierstock, zum Glück nur die Pantoffeln auf dem Boden und das Alteleutehüsteln, die Teekanne wegwerfen

alles verbrennen, alles kaputtmachen, Dona Helena

– Paulo

nicht mein Sohn

– Paulo

ich bin nicht ihr Sohn, ich war nie ihr Sohn, der Schlüssel im Türschloß meines Vaters, der mich daran hinderte, reinzukommen, Synthetikchinchillas auf einem Drahtbügel, Musselin, Fächer, Rui und der Clown, die nicht auf mich achteten, spielten Dame, wenn Dona Helena es wagt

– Mein Sohn

zermalme ich gleich die Terrine

– Sie sind nicht meine Mutter

anfangs Hitze, dann Kälte, dann der Wunsch, mich selber zu zermalmen, ich weiß zwar nicht, was sterben bedeutet, aber es befreit mich von meinem Körper, Gespräche, die ich nicht mitbekomme, Vogelscheuchen im Kittel, die mir eine Schüssel gegen das Brett meiner Brust drücken

– Nun kotz schon

als ich ein Häher war, der nicht fliegen konnte, ein kranker Vogel, ein von Bindfäden aus Nerven zusammengehaltenes Paket, das um eine Spritze bat, eine Zitrone, eine Schnur, um der Nadel zu helfen, als ich ein feuchtes Bündel war, das sich vorbeugte und umfiel, tauchten die Japaner von Senhor Couceiro oder die Krankenpfleger oder die Ärzte mich, während ich schrie, in das Reisfeld von Timor, die dahintreibenden Büffel verboten mir zu atmen, sehen Sie die Köpfe mit den toten, leeren Augen, die Uhr ausleihen, um sie wieder zu verkaufen, wenn ich das Einmalsieben oder die Nebenflüsse des Guadiana aufsage, geht es mir besser, der Krankenpflegerhelfer

– Bist du wieder in der Schule Blödmann

einmal habe ich mich angeboten, Dona Aurorinha nach oben zu begleiten, habe ihr die Brasse, die Kartoffeln, das dahinsterbende Gemüse, ein Fläschchen Olivenöl, das grüne Tränen tropfte, raufgetragen, wir hintereinander schweigend auf den Stufen, sie nur rasselnde Bronchitissteine, ich bei den Kapverdianern

– Stirb jetzt nicht

die Steine fügen sich mühsam wieder zusammen, ein Erbeben, ein Einsturz und noch mehr Bronchitis, mir kam es wie schlecht angezogene Schrauben vor, die sich vom Fleisch lösten, der Hals so dünn, Insektenknorpel, hin und wieder die gehauchte Frage

– Bist du nicht müde mein Junge?

keine Frage, eine Hoffnung

–Wenn du müde bist lehn dich an den Putz ich warte auf dich

und die Einladung von einem Dutzend Schrauben in einem Zinktunnel annehmen, das Oberlicht immer weiter weg, der Handlauf endlos, das Portemonnaie glänzend vor Alter, mit einem verchromten Verschluß

–Wie viele Münzen Alte?

kein Armband, kein Ring, ein Schirm, der keinen Heller wert war, wenn du wenigstens reich wärst, Alte, Silberbesteck, Aquarelle, Kristall, aber anstatt der Aquarelle und des Kristalls Kisten mit Blumen auf dem Treppenabsatz, nur Kisten, keine Blumen, das heißt, dreckige Erde, die nach Katze stank, eine Taube im Oberlicht oder eine Krähe, die auf dem Glas lief

ich wollte gerade wetten, daß da eine Krähe auf dem Glas lief

da kam der Schlüssel unter schwierigen Manövern hervor

noch eine Schraube fiel runter

aus den Tiefen des Rockes, unter einem schlammigen kleinen Lachen, das sie mit Jubel näßte, der linke Mundwinkel glitt am Kinn hinunter

wenn du abnibbelst, wen stört das wohl?

der Schlüssel versuchte es im Loch und zerkratzte die Farbe

– Die Diebe würden den nicht finden mein Junge

die Türangeln qualvoll, als stäche ein Taschenmesser eine Wunde, und das Schloß schnappte auf, derselbe beunruhigende Katzengeruch, denn es gab keine Katze, Dona Aurorinha schwebte weiß ich wo herum, die Anwesenheit der Möbel in der Dunkelheit erratend, hatte ich die Hände vor den Augen, weil ich fürchtete, daß eine Kommode oder eine Konsole mich angreifen würde, wenn sie mit mir reden würde, wenn sie mich auf den Schoß nehmen würde

früher hat sie mich auf den Schoß genommen

wenn sie

– Mein Junge

sagt, dann beraube ich sie nicht, helfen Sie mir, der Krankenpfleger im Krankenhaus mit einem mitleidigen Rempeln

– Dem Blödmann ist eingefallen um Hilfe zu rufen

Krähen nicht nur im Oberlicht, auf der Zeder im Príncipe-Real-Park, auf den Bäumen, die Senhor Couceiro kannte, Krähen, wein nicht, Krähen, geh hinein, damit du dich nicht erkältest, Dummkopf, Wellenkrähen, Pferdekrähen, Krankenpflegerkrähen, dem Blödmann ist eingefallen, um Hilfe zu rufen, Ärztekrähen, die anordnen, mich ans Bett zu fesseln

– Ist das Ihr Enkel?

der Spazierstock von Senhor Couceiro anfangs in einer vagen Arabeske, und dann sich den Japanern entgegenstellend

– Das ist nicht mein Enkel das ist mein

wenn er mich Sohn nennt, zerschmettere ich nachher seine Terrine

Krähen vier mal sieben, fünf mal sieben, sechs mal sieben, bist wieder in der Schule, was, Blödmann, Koliken, Erbrechen, diese Kälte im Bauch, ein Löffel, ein Streichholz, gebt mir keine Medizin, dann mache ich auch das Holzauto mit den Rädern nicht kaputt, das ist nicht mein Großvater, das ist mein Vater, wer beruhigt ihn nun wieder, mein Vater, der Clown

–Warum Carlos?

mit Perücke, die Lippen bis über den Rand angemalt, die Träger des Kleides nicht auf den Schultern, auf den Armen, durch einen Spalt im Fenster

der Vorhang, der Lüster, ein Zinngestell und die Fassungen im Kreis, drei davon brannten

wieviel ist sieben mal drei?

die andern im Schatten

– Geh zu Dona Helena zurück weck die Nachbarn nicht auf

eine Stimme, die so anders war als die von den Liedern bei der Aufführung, Schmuck, der ohne Scheinwerfer nicht glänzte, es gab keine Badewanne, einen Waschtisch aus Terrazzo und spanisches Parfüm anstelle von Katzengeruch, man erhitzte das Wasser in Töpfen, schwankte inmitten des Dampfes, während die Topflappen an jedem Griff Schwaden ausstießen, der Clown

– Ich habe mich verbrannt

Rui, der im Liegen nach der Zeitung griff

– Hast du dich verbrannt Liebling?

ein scharlachroter Fleck mit Blasen, mein Vater, der nach der Cremetube vom Strand suchte, und Lavendel, Azeton, Bilder von ihm als Rotblonde, er als Blondine, er als Sevillanerin mit übermäßig viel Kastagnetten und Schleiern, Rui zwischen zwei Seiten damit beschäftigt, die Zigarette zu überprüfen

– Du findest die Tube nicht Liebling?

auf dem Herddeckel ein Sträußchen Vergißmeinnicht aus Wolle, Dona Aurorinha nicht lokalisierbar, eine zarte Gegenwart in einer Vergangenheit voller Sehnsucht nach den Toten, die Bronchitissteine kullerten irgendwo, eine kleine, rachitische Kralle klaubte sie mühsam zusammen

– Komm her

der Rolladen erschien unter Knochenschlenkern, legte einen leeren Vogelkäfig frei, der einen Stempel gefangenhielt, jemand soll mir mal erklären, ob Stempel singen

was ist ein Stempel wert?

eine kleine Truhe für mich offen

danke, Truhe

mit ein oder zwei Postkarten, auf denen Fettflecken die Buchstaben auflösten