Wenn Habich kommt - Wolf S. Dietrich - E-Book

Wenn Habich kommt E-Book

Wolf S. Dietrich

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Beschreibung

Göttingen 2004: Lebenslänglich für Mark Habich. Er hat eine junge Frau umgebracht; ihre Leiche war im Leinekanal gefunden worden. Fünfzehn Jahre später wird er vorzeitig aus der Haft entlassen. Hat er diejenigen vergessen, die zu seiner Verhaftung und Verurteilung beigetragen haben? Zum Beispiel die Journalistin Anna Lehnhoff. Sie hat geholfen, den Fall zu lösen. Und dann Jessica Lehberg, die Hauptbelastungszeugin. Sie lebt heute mit ihrem Sohn in einem Göttinger Ortsteil. Der vierzehnjährige Lukas liebt Oldtimer. Die Leidenschaft des Jungen macht sich ein unbekannter Mann zunutze; er gewinnt sein Vertrauen und gelangt so in Jessicas Haus ...

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Inhalte

Titelangaben

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Danksagung

Wolf S. Dietrich
Wenn Habich kommt
Göttingen Krimi
ProlibrisVerlag
Handlung und Figuren dieses Romans entspringen der Phantasie des Autors. Ebenso die Verquickung mit tatsächlichen Ereignissen. Darum sind eventuelle Übereinstimmungen mit lebenden oder verstorbenen Personen zufällig und nicht beabsichtigt.
Nicht erfunden sind bekannte Persönlichkeiten, Personen der Zeitgeschichte, die im Roman erwähnt werden, sowie Institutionen, Straßen und Schauplätze in Göttingen.
Alle Rechte vorbehalten,
auch die des auszugsweisen Nachdrucks
und der fotomechanischen Wiedergabe
sowie der Einspeicherung und Verarbeitung
in elektronischen Systemen.
© Prolibris Verlag Rolf Wagner, Kassel, 2019
Tel.: 0561/766 449 0, Fax: 0561/766 449 29
Titelfoto: © fotogestoeber - fotolia.com
E-Book: Prolibris Verlag
ISBN E-Book: 978-3-95475-210-2
Dieses Buch ist auch als Printausgabe im Buchhandel erhältlich.
ISBN: 978-3-95475-199-0
www.prolibris-verlag.de
Der Autor
Wolf S. Dietrich studierte Germanistik und Theologie und arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Göttingen. Dann war er Lehrer und Didaktischer Leiter einer Gesamtschule. Er lebt und arbeitet heute als freier Autor in Göttingen.
»Wenn Habich kommt« ist sein achtzehnter Krimi im Prolibris Verlag und der achte, der in Göttingen spielt. Der Autor ist Mitglied im Syndikat, der Autorengruppe deutschsprachiger Kriminalliteratur.
1
Aus einiger Entfernung wirkte die Justizvollzugsanstalt wie ein Schloss. Nach französischem Vorbild war sie Anfang des achtzehnten Jahrhunderts errichtet worden, als »Allgemeines Zucht-, Werk- und Tollhaus«. Es hieß, die Bürger von Celle hätten sich zum Schutz ihrer Töchter vor Studenten seinerzeit für das Zuchthaus und gegen eine Universität entschieden. »Zur Bestrafung der Übeltäter, zur Bewachung der Tobsüchtigen und Geisteskranken aus öffentlichen Mitteln errichtetes Haus« – prangte auf Lateinisch über dem Torbogen mit dem kupfergedeckten Glockenturm.
Heute gab es hier weder Tobsüchtige noch Geisteskranke. Die Insassen verbüßten Freiheitsstrafen. Für Mark Habich näherte sich die Zeit im Knast dem Ende. Obwohl er seinerzeit vom Göttinger Schwurgericht zu lebenslänglicher Haftstrafe verurteilt worden war, standen für ihn die Zeichen nach sechzehn Jahren auf vorzeitige Rückkehr ins Leben. Als Erstverbüßer hatte er einen Antrag stellen können, dass man seine Strafe zur Bewährung aussetzte. Der war von der Leitung der JVA unterstützt worden, nachdem interne Einschätzungen, insbesondere des Sozialdienstes und der Gefängnispsychologin positiv ausgefallen waren. Die Frau hatte ihm gefallen. Er ihr offensichtlich auch. Immer wieder hatte sie ihn zu Beratungen in ihr Büro kommen lassen. Irgendwann hatte es so kräftig zwischen ihnen gefunkt, dass es nicht bei Gesprächen geblieben war.
Schließlich war den zuständigen Richtern ein Gefährlichkeitsgutachten vorgelegt worden, das ein Sachverständiger erstellt hatte und ebenfalls eine positive Prognose enthielt. Mark Habich grinste innerlich, als er an die mündliche Anhörung dachte. »Wir gehen davon aus«, hatte der Vorsitzende gesagt, »dass Sie in Freiheit nicht rückfällig werden. Denken Sie daran, dass die Strafe für Sie nicht erledigt, sondern nur ausgesetzt ist. Wenn Sie erneut straffällig werden, fahren Sie sofort wieder ein.« Er hatte einen strengen Blick aufgesetzt und hinzugefügt: »Sie teilen uns umgehend Ihren Wohnsitz mit und setzen sich mit Ihrem Bewährungshelfer in Verbindung. Er wird Sie bei der Wohnungs- und Arbeitssuche unterstützen. Von weiteren Auflagen sehen wir ab.«
Damit war die Anhörung auch schon beendet. Ging vielleicht so schnell, weil auf dem Flur weitere Insassen in Begleitung zweier Schließer darauf warteten, vorgelassen zu werden. Habich wurde in die Schlosserei zurückgebracht, wo er den Rest des Tages bei der Arbeit an Fenstergittern zubringen würde.
»Und?«, fragte sein Mitgefangener, der mit der Feile Grat von einem Gussteil entfernte.
Habich hob die Schultern. »Sieht gut aus. Kann aber ein paar Tage dauern, bis ich draußen bin. Gibt noch eine Menge Papierkram. Außerdem hab ich keinen gültigen Perso. Die müssen mir einen provisorischen Ausweis ausstellen.«
»Maul halten und arbeiten!«, fuhr einer der Schließer dazwischen. »Quatschen könnt ihr beim Hofgang.«
Die Gefangenen senkten die Köpfe, Habich griff nach dem nächsten Gitter und beugte sich über die Eisenstäbe. »Ich gebe natürlich einen aus«, flüsterte er, als sich der Schließer einige Schritte entfernt hatte. »Muss aber erst mit Ziege sprechen.«
Ziege hieß eigentlich Alexander Koslow. Seine Vorfahren stammten aus Russland. Irgendwann hatte jemand herausgefunden, dass der Nachname angeblich auf Ziegenbock zurückzuführen sei. Seitdem nannten ihn seine Mitgefangenen, wenn er nicht in der Nähe war, Ziege. Interessanter als sein Name war die Rolle, die er in der JVA spielte. Koslow/Ziege hatte die Nachfolge eines ehemaligen Insassen übernommen, der nur »der Geschäftsmann« genannt worden war, über beste Kontakte nach draußen verfügt und innerhalb der Gefängnismauern ein Netz aus Abhängigkeiten geschaffen hatte. Der Geschäftsmann stammte aus Göttingen, hieß mit bürgerlichem Namen Hinrich Grobeck und war schon vor Jahren in die JVA Rosdorf verlegt worden. Dort war er später verstorben. Ziege galt als sein Ziehsohn und genoss heute dessen Privilegien. Wie sein Vorgänger betrieb er einen schwunghaften Handel mit allem, was verboten war. Es war unbegreiflich, wie er es anstellte, aber gegen Geld besorgte er fast alles. Kippen und Koks, Handys und Heroin. Die meisten Schließer waren zu unbedarft, um ihn zu durchschauen, und diejenigen unter den Beamten, die etwas hätten wissen können, verschlossen lieber die Augen. Mindestens drei Wachteln, wurde erzählt, standen auf seiner Gehaltsliste.
Ohne Ziege lief nichts in diesem Knast. Wer besondere Wünsche hatte, brauchte seine Hilfe oder zumindest seine Billigung. Ein gewöhnlicher Gefangener wie Mark Habich musste eine Audienz beantragen und die Aufforderung zum Besuch in Koslows Zelle abwarten. Das konnte Tage oder Wochen dauern.
Habich wurde bereits einen Tag nach der mündlichen Anhörung von einem Schließer abgeholt und zum »Geschäftsmann« gebracht. Dessen Zellentür stand offen.
Koslows Privilegien sprangen ins Auge. Der Raum war größer, besaß eine eigene Dusche mit gesonderter Toilette und war üppig möbliert. Neben dem üblichen Bett gab es ein Sofa, einen Sessel und einen Schreibtisch. Auf einem komfortablen Bürostuhl saß davor der Geschäftsmann groß und schlank, hatte kurzes, perfekt geschnittenes und frisiertes schwarzes Haar mit grauen Ansätzen an den Schläfen. Mark schätzte ihn auf Mitte vierzig.
Der Schließer schob Mark durch die Türöffnung. »Hier ist der junge Mann, den Sie sprechen wollten, Herr Koslow.«
Habich lag ein Widerspruch auf der Zunge. Schließlich hatte er um das Gespräch gebeten. Der Blick, mit dem Ziege ihn musterte, machte ihn stumm. Er saß am Schreibtisch, die stahlblauen Augen verrieten keine Regung. »Danke, Pohlmann!« Mit einer Kopfbewegung entließ er den Schließer und rief ihm hinterher: »Mach die Tür zu!«
Koslow deutete zum Sessel. »Setz dich! Du bist Mark Habich?« Die Frage klang eher wie eine Feststellung.
Habich bestätigte sie mit einem knappen Ja und ließ sich vorsichtig nieder. Bevor er sein Anliegen vortragen konnte, zeigte Zieges Finger auf ihn. »Ich habe gehört, du wirst entlassen und willst dich verabschieden.« Er nickte anerkennend und fuhr fort: »Zwei gute Botschaften. Wohin gehst du?«
»Nach Göttingen. Ich habe da was zu erledigen. Außerdem einen Kumpel, bei dem ich vielleicht unterkomme.«
»Eventuell habe ich da was für dich.« Ziege lehnte sich zurück und kniff die Augenlider zusammen. »Aber ich muss wissen, ob auf dich Verlass ist. Darum wirst du mir ein paar Fragen beantworten.«
»Wenn ich kann.« Habich versuchte dem Blick seines Gegenübers standzuhalten.
»Kannst du.« Koslow beugte sich vor. »Betrifft nur dich. Also: Du hast jemanden umgebracht. Wen? Wie? Warum?«
Habich erschrak. »Ich war«, antwortete er zögernd, »ein Jahr lang beim Dachdecker. Zum Auswuchten. Der hat bescheinigt, dass …«
Ziege hob eine Hand. »Den Knastjargon musst du dir abgewöhnen. Kommt draußen nicht gut an. Und eine Psycho-Behandlung solltest du niemals erwähnen. Das bringt nur Nachteile mit sich.« Er lehnte sich zurück. »Das hier wird kein Psychogequatsche. Ich mache mir nur ein Bild von dir. Also?«
»Eine Frau.« Habich holte tief Luft. »Sie hieß Laura. Freundin von Jessi, meiner damaligen Braut. Wohnte im selben Haus. Eigentlich war es ein Unfall. Genau genommen war sie schuld. Hat bei mir geklingelt. Im Bademantel. Weil das heiße Wasser nicht lief. Ich wollte sie … Erst dachte ich, sie hat Bock … Und dann ...«
»… hast du sie kalt gemacht«, unterbrach Ziege ihn.
»Nein. Ja. Nicht extra. War besoffen, hatte aber voll den Trieb. Es war wie ein Rausch. Sie hat sich gewehrt. Ich hab geglaubt, es gehört dazu. Plötzlich hat sie sich nicht mehr bewegt.«
»Da hättest du eigentlich mit Totschlag davonkommen müssen. Oder schwerer Körperverletzung mit Todesfolge. Anscheinend hattest du keinen guten Anwalt.«
Habich zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht. War so ’n Pflichtverteidiger. Aber der Staatsanwalt hat mich als kaltblütigen Mörder hingestellt. Weil …« Er brach ab und senkte den Kopf. Als er wieder aufschaute, sah er Zieges skeptischen Blick. »Weil …?«
»Irgendwie musste ich die … Leiche ja loswerden. Habe sie zerlegt und die Einzelteile im Stadtgebiet verteilt. Daraus haben sie mir ’nen Strick gedreht. Und Jessica hat gegen mich ausgesagt. Ich wäre sexuell aggressiv. Und gewalttätig. Bloß, weil ich sie mal …« Er brach ab und seufzte.
»Und was hast du jetzt vor?«
Habich hob die Schultern »Weiß ich noch nicht. Hab ja meine Strafe verbüßt. Vielleicht hat sie es sich ja überlegt und wir können wieder … Wenn ich sie überhaupt finde.«
»Um sie zu bestrafen?«
»Eigentlich nicht. Kommt drauf an. Kann ja sein, sie ist inzwischen … anders. Erst mal will ich mit ihr reden. Und dann … mal sehen. Aber die Tusse vom Tageblatt. Muss unbedingt rauskriegen, wo die jetzt steckt … Weiß genau, was ich mit ihr mache. Die hat mich als eine Art Monster dargestellt. Richter lesen ja auch Zeitung. Außerdem hat sie mich … mir … in … die Eier getreten.«
Ziege nickte nachsichtig. »Ich kann dich gut verstehen. Trotzdem besser, du bist vorsichtig. Wenn du nächste Woche rauskommst und übernächste Woche stößt einer Frau in Göttingen etwas zu, haben sie dich gleich wieder am Arsch. Die Bullen sind nicht blöd und können zwei und zwei zusammenzählen.«
»Ich weiß.« Habich grinste. »In den letzten fünfzehn Jahren hier habe ich viel gelernt. Und lange über einen Plan nachgedacht. Ich lasse mir Zeit und gehe die Sache so an, dass kein Verdacht auf mich fällt.«
»Klingt vernünftig.« Zieges harter Blick wurde weicher, fast freundlich. »Weißt du schon, was du in Göttingen machen wirst? Ich meine Arbeit, Wohnung, Kontakte.«
»Keine Ahnung. Darum kümmert sich der Bewährungshelfer.«
»Vergiss es.« Mit einer abwertenden Handbewegung wandte sich Ziege um, nahm einen Stift und notierte etwas auf einem Zettel. »Ich könnte dir helfen. Brauche einen Mitarbeiter, der in Göttingen bestimmte … Geschäfte erledigt und auf den Verlass ist. Du hättest ein ausreichendes Einkommen und, falls du dich bewährst, eine dauerhafte Existenzgrundlage. Außerdem kriegst du eine Wohnung. Bist also auf den Sozialtypen nicht angewiesen.«
»Geschäfte? In Göttingen?« Habich staunte.
»Genau«, bestätigte Ziege. »Worum es geht, erfährst du von meinem Anwalt.« Er hielt ihm den Zettel vors Gesicht. »Das ist sein Name und seine Adresse. Der erledigt die Formalitäten und erklärt dir die nächsten Schritte. Geh zu ihm, stell dich vor und hör gut zu! Nachdem du bei ihm unseren Vertrag unterschrieben hast, gehst du zu Borgmann-Automobile. Der Laden gehört mir. Patrick, das ist der Geschäftsführer, gibt dir einen Wagen. Von ihm bekommst du dann die weiteren Informationen über deine Aufgaben.«
»Ein Auto? Für mich?« Habich strahlte und schob das Papier in die Tasche. »Okay. Mach ich.«
Ziege nickte zufrieden. »Du willst sicher deinen Abgang hier feiern. Oder?«
»Ja, ich möchte für unseren Flur einen ausgeben. Deshalb wollte ich …«
»Das bekommen wir hin. Kleines Besäufnis oder große Fete? Mit Weibern oder ohne?«
»Mit …?« Entgeistert starrte Habich sein Gegenüber an. »Geht das denn?«
Ziege lachte. »Alles geht. Ist nur eine Frage des Preises. Aber für Mädels dürfte dein Überbrückungsgeld nicht ganz reichen. Mehr als achtzehnhundert Euro wirst du nicht kriegen. Und draußen brauchst du ja auch was. Ich empfehle dir die kleine Feier. Bier, Korn, Cola, Chips. Macht fünfhundert Tacken. Meine Leute organisieren das. Einverstanden?«
Habich nickte wortlos.
»Gut.« Ziege stand auf und klopfte an die Zellentür. »Du darfst jetzt gehen.«
Als der Schließer öffnete, wandte sich Koslow noch einmal an Habich. »Wenn du draußen bist, musst du dir als Erstes ein Smartphone besorgen und dir zeigen lassen, wie man damit umgeht. Internet, Google, E-Mail, WhatsApp, Facebook, Instagram. Ohne den ganzen Mist bist du aufgeschmissen. Du weißt, was ein Smartphone ist?«
»Klar«, antwortete Habich, obwohl er nur eine sehr vage Vorstellung davon hatte, wie die Dinger funktionierten, die er nur von Fernsehbildern kannte. Heutzutage hatte offenbar jeder so ein Teil in der Tasche, mit dem man überall telefonieren und Bilder und Nachrichten verschicken konnte.
*
»KuQua: Verzögert sich der Bau des Kunsthauses weiter?«, formulierte Anna Lehnhoff als Überschrift für ihren Beitrag im Tageblatt. Das Kunstquartier mit dem Neubau in der Düsteren Straße hatte sie schon oft beschäftigt. Zuletzt war sie im Herbst vor Ort gewesen, hatte mit dem Göttinger Stadtbaurat, einem Architekten und dem Initiator des Projekts, einem stadtbekannten Verleger, die Baugrube besichtigt. Sie war mit massiven Betonstützen abgegrenzt und stabilisiert worden. Ein Bagger hatte Erdreich aus der mit Grundwasser gefüllten Senke gegraben. Immerhin gingen die Arbeiten voran.
Der Baudezernent hatte den Zeitplan erläutert. Danach hätte das Kellergeschoss im Januar fertig sein sollen, im März das Erdgeschoss, im Sommer der gesamte Rohbau. »Der Aufbau der Erd- und der Obergeschosse ist kompliziert«, hatte der Architekt erklärt. »Damit die Ausstellungsräume weitgehend frei von Säulen und Wänden bleiben, muss mit Spannbeton gearbeitet werden. Das ist aufwendig. Aber wir gehen davon aus, dass 2021 die erste Ausstellung eröffnet werden kann.«
Anna dachte an die Hamburger Elbphilharmonie und den Berliner Flughafen. Sie rechnete damit, dass, wie häufig bei öffentlichen Bauvorhaben, auch in Göttingen weder Zeit- noch Kostenrahmen eingehalten würden. Im vergangenen Jahr war ein Unternehmer aus Duderstadt mit einer Spende von einer Million Euro eingestiegen. Anna bezweifelte, dass dieser Betrag die Finanzierungslücke schließen würde. Es gab Gerüchte über einen weiteren Sponsor. Er sollte aus der Finanzbranche kommen. Dabei könnte es sich um die Sparkasse Göttingen handeln. Aber Anna hatte keinen konkreten Beleg. Und gegen ihre Vermutung sprachen die Kosten, die der Sparkasse gerade durch ihren Neubau am Groner Tor entstanden waren. Vielleicht wollte die Optirenta etwas für ihr Image tun. Das Finanzdienstleistungsunternehmen war eine Tochter der weltweit agierenden Blackrock-Vermögensverwaltung, die einem breiten Publikum im vergangenen Jahr bekannt geworden war, weil der Aufsichtsratsvorsitzende für den Vorsitz einer großen Partei kandidiert hatte. Immerhin ließen sich Fragen formulieren. Sie zog die Tastatur heran und begann zu schreiben.
Als sie die Redaktion verließ, dämmerte es bereits. Am Ende des Monats würden die Uhren auf Sommerzeit umgestellt werden, dann wäre es zur Feierabendzeit wieder heller. Im vergangenen Jahr hatte die EU-Kommission vorgeschlagen, das Verstellen der Uhrzeiger abzuschaffen, und damit eine heftige Diskussion ausgelöst. Obwohl der Kommissionschef eine rasche Lösung angekündigt hatte, war noch immer nicht absehbar, was sich ändern würde. Die Mitgliedsstaaten waren zerstritten. Die deutsche Bevölkerung auch. Eine Mehrheit wünschte sich die dauerhafte Beibehaltung der Sommerzeit und ließ sich dabei von persönlichen Vorteilen leiten. Anna liebte es, im Sommer nach Feierabend mehr Zeit zu haben, bis es dunkel wurde. Ihr Freund Ingo war entschieden gegen die Umstellung. »Solange es in Deutschland nicht wie in anderen Ländern möglich ist, mit dem Unterricht später zu beginnen«, argumentierte er, »macht uns die Sommerzeit unzählige erste Stunden kaputt, weil die Schüler einfach noch nicht wach und kaum aufnahmebereit sind.«
Das Zwitschern ihres Smartphones unterbrach ihre Gedanken. Eine WhatsApp-Nachricht. Anna überquerte den Parkplatz, öffnete die Türen ihres Renault Twingo und setzte sich hinter das Lenkrad. Sie kramte das Handy aus der Handtasche und ließ das Display aufleuchten. Muss dich unbedingt sprechen! Liebe Grüße, Sven.
Überrascht ließ sie das Handy sinken. Von ihrem Exfreund, dem Kriminaloberkommissar im Fachkommissariat für Tötungsdelikte, hatte sie lange nichts gehört. Was mochte er von ihr wollen? Gab es einen neuen Fall? Die Aussicht darauf elektrisierte Anna. Rasch tippte sie eine Antwort. Komm doch vorbei! Bin auf dem Weg nach Hause. Besorge nur noch eine Kleinigkeit zum Essen. In einer Stunde?
Sie schob das Smartphone zurück in die Handtasche und startete den Motor. Während der Wagen in Richtung Stadt rollte, kreisten ihre Gedanken um Sven. Sie kannten sich nun achtzehn Jahre. Fünf davon waren sie ein Paar gewesen. Bis Anna durch ihre Freundin Lea deren Kollegen Ingo Steinberg kennengelernt hatte. Am Carl-Friedrich-Gauß-Gymnasium hatte es ein mysteriöses Verbrechen gegeben. Bei einem Brand war der Direktor ums Leben gekommen, Ingo hatte vorübergehend zum Kreis der Tatverdächtigen gehört. Sie hatte sich in den elf Jahre älteren Lehrer verliebt und Sven verlassen. Seitdem hatte ihr Ex zahlreiche Beziehungen gehabt. Kein Wunder, er war eine attraktive Erscheinung und jünger als Anna. Sie fand es schade, dass aus keiner seiner Liebschaften eine dauerhafte Partnerschaft geworden war, und fühlte sich irgendwie mitschuldig an Svens Solo-Dasein. Auch aus der Affäre mit seiner Kollegin Sabrina Lorenz hatte sich nichts entwickelt. Da waren Anna und er allerdings noch ein Paar gewesen … Sie schob den Gedanken zur Seite. Sie hatte ihm nichts vorzuwerfen. Schließlich hatte sie später einmal mit ihm … Als sie längst mit Ingo zusammen war.
Zum Glück hatte sich das Verhältnis zwischen Sven und ihr trotzdem zu einer beständigen Freundschaft entwickelt. Nach wie vor informierte er Anna, wenn es ein interessantes Verbrechen in Göttingen und Umgebung gab. Allerdings hatte er bisher fast immer eine Nachricht geschickt oder angerufen. Jetzt wollte er mit ihr sprechen. Was konnte das bedeuten? Wie so oft schon war sie froh, dass sie ihre kleine Wohnung in Nikolausberg behalten hatte. Ingo war mit seinem Leistungskurs auf Studienfahrt in England und würde erst zum Wochenende wiederkommen. Bei ihm hätte sie Sven nicht empfangen wollen.
Der schnellste Weg führte über die Autobahn. Doch dort gab es mal wieder Stillstand. In beide Richtungen. Lkw-Unfälle mit Sperrungen waren auf der A7 an der Tagesordnung. Anna nahm die Otto-Brenner-Straße. Zwar wälzte sich hier der Verkehr vom Kauf Park entlang, aber sie kam wenigstens voran, erreichte die B27 ohne Stau. Während sie an der Kreuzung mit der B3 auf Grün wartete, meldete sich Annas Smartphone erneut. Bin pünktlich bei dir. Freue mich. Sven.
*
Er hielt eine Flasche Rotwein in der Hand, als sie die Tür öffnete. »Hallo Sven, komm rein! Gibt’s was zu feiern?«
»Ja und nein«, antwortete er und trat zögernd ein. »Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht. Und ich dachte, bei einer Flasche Wein …«
»Zuerst die schlechte!«, bat Anna und dirigierte Sven in die Küche.
»Nicht ohne …« Sven hielt die Flasche hoch.
»Okay.« Anna griff in eine Schublade, drückte ihm einen Korkenzieher in die Hand und nahm zwei Gläser aus dem Schrank. »Hast du Hunger? Ich habe Käse und Weintrauben.«
»Gern. Ich hatte noch keine Zeit zu essen. Wir suchen gerade einen alten Kunden, der untergetaucht war und angeblich in Grone gesehen worden ist. Seit gestern observieren wir in drei Schichten seine Wohnung. Also rund um die Uhr. Eigentlich haben wir dafür nicht genug Leute. Das gibt wieder jede Menge Überstunden.« Er zog den Korken aus der Flasche und schnupperte daran. Der Duft schien ihm zu gefallen.
Während Anna Camembert, Chèvre und Bleu de Bresse mit den Trauben auf einem großen Teller arrangierte und Baguette in kleine Scheiben schnitt, füllte Sven die Gläser. Schließlich saßen sie sich an Annas Esstisch gegenüber und hoben die Gläser.
»Jetzt bin ich aber neugierig«, sagte sie, nachdem sie mit Sven angestoßen und einen Schluck genommen hatte. »Also zuerst die schlechte Nachricht!«
»Der Wein ist gut. Oder?«, murmelte er und griff nach einem Stück Brot.
»Ausgezeichnet – Und?« Anna schob eine Weintraube in den Mund.
»Erinnerst du dich an Mark Habich?«
Schlagartig überfiel Anna ein ungutes Gefühl. »Der Mark Habich? Der Typ, der eine Frau umgebracht, die Leiche zerstückelt und die Körperteile an verschiedenen Stellen im Stadtgebiet deponiert hat? Unter anderem im Leinekanal. Richtig? Das muss ewig her sein, mindestens fünfzehn Jahre. Der hat damals lebenslänglich gekriegt. Wie kommst du jetzt auf den?«
»Sechzehn Jahre«, korrigierte Sven. »Es ist gut sechzehn Jahre her, fast siebzehn. Habich … wird … entlassen.«
»Entlassen?«, echote Anna entsetzt. »Aber wieso …?«
»Ein zu lebenslänglich verurteilter Ersttäter kann bei guter Führung nach fünfzehn Jahren auf freien Fuß gesetzt werden, wenn es eine günstige Sozialprognose gibt. Im Fall Habich hat die Strafvollstreckungskammer das so gesehen und entsprechend entschieden.«
»Günstige Sozialprognose?« Anna verzog das Gesicht. »Bei diesem Arsch …?«
Sven hob die Schultern. »Ich hoffe nur, dass er nicht nach Göttingen kommt und wieder Ärger macht. Seine damalige Freundin wohnt noch hier. Natürlich hat beziehungsweise hatte sie längst einen anderen. Sie ist geschieden, hat aber ein Kind von ihrem Ehemaligen. Eine Konstellation, bei der einem Ex-Knacki leicht die Sicherungen durchbrennen. Die Leute leben halb in der Vergangenheit und glauben gern, dass die Zeit stehen geblieben ist und sie dort weitermachen können, wo sie aufgehört haben.«
»Und wenn er doch zurückkommt?« Anna blieb skeptisch. »Hat seine Freundin nicht damals gegen ihn ausgesagt? Wäre sie nicht gefährdet?«
»Wir warnen sie und behalten sie im Auge. Ist natürlich nicht möglich, sie rund um die Uhr zu bewachen. Oder Habich ständig zu observieren.«
Anna nickte. »Ihr habt nicht genug Leute.«
»Wir tun, was wir können.«
»Und du bist heute gekommen, um mich ebenfalls zu warnen? Ich bin ja wohl nicht in Gefahr.«
»Vielleicht doch. Man weiß nicht, was in Habichs Kopf vorgeht. Du hast dich damals ziemlich … in den Fall eingemischt, hast über ihn geschrieben, bist ihm begegnet. Er weiß, wo du wohnst.« Sven deutete zur Wohnungstür. »Außerdem hast du ihm hier im Treppenhaus in die Kronjuwelen …«
Plötzlich war die Szene wieder da. Habich hatte ihr aufgelauert, war in ihren Twingo eingedrungen und hatte sie mit einem Messer bedroht. Um mit ihr seine Fantasien auszuleben. Sie sah das Messer vor sich, glaubte seinen Alkohol-Atem zu riechen, erinnerte sich an die Panik und an ihre eigenen Worte. »Nicht hier«, hatte sie ihm vorgeschlagen. »Nicht im Dunkeln. Und schon gar nicht im Auto. Das ist Kinderkram. Ich mach’s lieber bei Licht. In ’nem großen Bett. Wo’s richtig zur Sache geht.« Darauf hatte er sich eingelassen, war mit ihr nach Nikolausberg gefahren.
Auf dem Treppenabsatz vor ihrer Wohnungstür hatte sie ihm das Knie zwischen die Beine gerammt. Er war gestürzt, auf die steinernen Stufen gekracht, eine Treppe wieder hinuntergerollt und mit dem Hinterkopf gegen die Glasbausteine der Außenwand geschlagen.
Sie schüttelte sich, griff nach ihrem Glas und leerte es hastig. »Der Mann war doch schon mit Sexualdelikten aufgefallen. Also konnte er unmöglich als Ersttäter gelten.«
»Vielleicht ist er angeklagt, aber nicht verurteilt worden. Oder er hat eine Jugendstrafe erhalten und die war im Register bereits getilgt, als er in Göttingen wegen Mordes vor Gericht stand.« Sven breitete bedauernd die Arme aus. »Ich weiß es nicht. Jedenfalls musst du auf dich aufpassen. Und dich beim geringsten Verdacht melden. Am besten bei mir.«
Anna nickte wortlos. Sie wollte lieber gar nicht daran denken. »Und was ist die gute Nachricht?«
Sven schenkte ihr nach und hob sein Glas. »Wir können noch mal anstoßen.« Er lächelte breit. »Die gute Nachricht ist … Ich werde heiraten.«
2
»Wir brauchen einen BMW X6. SUV-Coupés sind gerade der letzte Schrei.« Patrick Borgmann schüttelte den Kopf und löschte die Nachricht auf seinem Smartphone. »Hat aber keine Eile.«
»Dann kann das der Neue machen«, schlug der schmächtige Mann im grauen Overall vor, der damit beschäftigt war, einen schwarzgrauen Porsche zu polieren. Das Gespräch fand in der hinteren Halle statt, wo die zur Auslieferung vorgesehenen Fahrzeuge den letzten Schliff erhielten. Bei Borgmann-Automobile kümmerte sich ein kleines Team ausschließlich um Kunden, deren Wagen zur Premium-Klasse gehörten. Die Käufer erschienen nicht persönlich auf dem Gelände des Fahrzeughandels, sie bestellten ihre Autos über das Internet, bezahlten bar und bekamen sie nach Hause oder in die Firma geliefert.
»Der ist kein Profi«, widersprach Borgmann. »Der wird alles erst noch lernen. Und zwar von dir, Yannick.«
»Warum kommt er dann zu uns?«, fragte der Mann im Overall, ohne in seiner Arbeit innezuhalten. »Gibt’s kein qualifiziertes Personal mehr?«
»Ob einer gut ist oder nicht, erweist sich in der Praxis. Dieser hat den Vorteil, dass der Chef ihn in der Hand hat. Er muss mitmachen und kann uns nicht gefährlich werden. Solche Mitarbeiter sind genauso schwer zu bekommen wie gute Mechatroniker.« Borgmann breitete die Arme aus. »Wir werden sehen, was er bringt. Hängt nicht zuletzt von dir ab.« Er wandte sich zum Gehen. »Bis später.«
»Wann kommt der Neue?«, rief Yannick ihm nach.
»Vielleicht schon heute, sonst morgen«, antwortete Borgmann über die Schulter und verließ die Halle.
Yannick Osborn blieb mit widersprüchlichen Gefühlen zurück. Einerseits verspürte er wenig Lust, einem Anfänger die Feinheiten der Keyless-Go-Technik und elektronischer Wegfahrsperren beizubringen. Andererseits mussten sie zu zweit arbeiten, wenn es um Fahrzeuge der Oberklasse ging. Sein bisheriger Partner, ein begabter Junge aus Wolfsburg, der bei Volkswagen gelernt hatte, war plötzlich spurlos verschwunden, nachdem am Tag zuvor ein Typ aufgetaucht war, der sich als sein Cousin ausgegeben und sich nach ihm erkundigt hatte.
Ersatz war weder auf der Straße noch durch Inserate zu finden. Eigentlich erstaunlich, dass schon morgen ein Nachfolger kommen sollte. Das musste mit dem Chef zu tun haben, einem Mann, der stets unsichtbar blieb, aber als Phantom die wichtigen Entscheidungen für Borgmann-Automobile traf und ständig für neue Aufträge sorgte. Patrick war, hatte Yannick irgendwann herausgefunden, nicht der Eigentümer, sondern nur eine Art Geschäftsführer. Er hatte ihn, Yannick, zwar eingestellt, jedoch die Zustimmung seines Chefs dafür einholen müssen. Dieser Hintergrund hatte sich ihm erst später erschlossen. Und bis heute wusste er nicht, wie der wahre Chef hieß und wo er wohnte. Letztlich war ihm das auch gleichgültig, denn Patrick zahlte gut. Als einfacher Mechatroniker in einer normalen Werkstatt würde er nur halb so viel verdienen.
Kritisch musterte er den Porsche. Er gehörte zu einer limitierten Sonderversion. Die Fahrzeuge der Exclusive Manufaktur Edition waren achatgrau lackiert und mit Elementen in Weißgoldmetallic und Silber versehen worden. Morgen würde er den 911 Targa 4 GTS ausliefern. Yannick spiegelte sich im makellos glänzenden Lack. Auch der Innenraum war blitzsauber. Der Kunde würde zufrieden sein. Sein Wagen hatte fast tausend Kilometer auf dem Tacho, trotzdem würde der Käufer nur gut die Hälfte des Listenpreises für einen Neuwagen zahlen müssen. Und dieser war so gut wie neu. Fast zärtlich strich Yannick über einen der vorderen Kotflügel. Sein Blick fiel auf die Uhr. Zeit für die Mittagspause. Er räumte die Reinigungsutensilien zur Seite, schloss die Werkstatt ab und verließ die Halle.
*
Mehr als ein Dutzend Haltestellen hatte der Metronom passiert, bevor er in Göttingen einlief. Dunkel erinnerte sich Mark Habich an Umbauarbeiten, die in den neunziger Jahren begonnen hatten. Während seiner Jahre in Celle musste der gesamte Bahnhof umgestaltet worden sein. In der Tunnelpassage gab es eine Geschäftszeile, die Eingangshalle war nicht wiederzuerkennen, ein Burger King nicht zu übersehen. Er hatte Geld in der Tasche, konnte sich frei bewegen und selbst bestimmen, was er mit der Kohle machte. Die ungewohnte Entscheidungsfreiheit ließ ihn zögern, doch die Verlockung war zu groß. Obwohl die Zeit bis zu seinem Termin bei Zieges Anwalt knapp war, bestellte er einen Double Whopper, verschlang ihn heißhungrig und spülte mit einer Cola nach.
Die Kanzlei Dr. Seibold, Seibold und Partner lag in der Theaterstraße. Auch wenn Habich keine Mühe hatte, die Adresse zu finden, erschien ihm der Weg durch die Straßen unwirklich. In der Goetheallee war eigentlich alles wie früher, am Nabel saßen junge Leute mit Getränkebechern. Vor der Sache mit Laura hatte er hier manche Stunde mit seinen Kumpeln zugebracht, damals hatten sie allerdings keine Plastikbecher, sondern Bierdosen.
Mark sah sich um. Die Fußgängerzone hatte sich verändert. Man hatte die grobe Pflasterung durch hellgraue Platten ersetzt, die Läden waren andere. Für Bücher hatte er sich nie interessiert, aber für Jessi oft eins mitbringen müssen, das sie bei Deuerlich bestellt hatte. Die Buchhandlung war verschwunden. Auch das Geschäft mit den Haushaltswaren von der gegenüberliegenden Ecke war nicht mehr da. Dort hatte er damals das Messer gekauft, das er … Mit einem heftigen Kopfschütteln unterbrach er diese Gedanken und eilte weiter die Theaterstraße hinauf.
Das aufwändig restaurierte klassizistische Gebäude hätte schon von außen erkennen lassen, welcher Klasse sein heutiger Besitzer angehörte. Mark Habich hatte weder den Blick noch die Kenntnisse für eine solche Einstufung. Erst die getäfelten, mit schweren Teppichböden ausgelegten Räume der Kanzlei vermittelten ihm den Eindruck, es mit einer Gesellschaftsschicht zu tun zu haben, die von der eigenen sehr weit entfernt war.
Zu seiner Überraschung bekam er keinen Anwalt zu Gesicht, sondern wurde, nachdem er seinen Namen genannt hatte, in einen kleinen Raum geführt, wo wenig später ein Mann mit einer Mappe auftauchte. Er stellte sich als Bürovorsteher vor und legte ein Schriftstück auf den Tisch. »Wenn Sie bitte hier unterschreiben.«
Irritiert registrierte Habich, dass es sich nicht um einen Vertrag handelte. Der Text war mit »Erklärung« überschrieben und beschränkte sich auf eine halbe Seite. Er überflog den Inhalt, ohne ihn wirklich zu verstehen. Anscheinend ging es darin um das Gegenteil dessen, was er mit Ziege erlebt hatte. Nach dem, was hier stand, hatte er niemals Anweisungen, geschäftliche Informationen oder finanzielle Zuwendungen von Koslow oder einer von ihm beauftragten Person erhalten und pflegte keinerlei Kontakt zu ihm.
Unsicher sah er den Bürovorsteher an. »Ich kapiere nicht …«, begann er.
»Juristische Absicherung«, unterbrach ihn der Mann. »Für den Fall der Fälle. Ist nur zu Ihrem Schutz, Herr Habich. Wir wollen doch nicht, dass Sie unter Verdacht geraten, wenn jemandem aus Herrn Koslows Geschäftsbereich etwas zustößt.« Er legte den Finger auf die Stelle, an der bereits Ort und Datum eingetragen waren und ein Kreuz den Platz für Habichs Unterschrift markierte. »Bitte. Hier.«
Habich zuckte mit den Schultern und unterschrieb. Darauf ließ der Mann das Blatt in seiner Mappe verschwinden und drückte ihm einen Zettel in die Hand. »Sie melden sich bei Borgmann-Automobile. Siekhöhe. Am besten gehen Sie die paar Schritte zum Markt und steigen in die Zweiunddreißig. Aber rufen Sie vorher an und lassen sich erklären, wo genau Sie aussteigen müssen und wie Sie dann die Firma finden!« Er öffnete die Tür und wartete.
Zögernd erhob sich Habich, verließ den Raum, fand den Ausgang und stand kurz darauf wieder auf der Straße. »Linie zweiunddreißig«, murmelte er, betrachtete die Nummer auf dem Zettel und sah sich suchend um. Telefonzellen schien es nicht mehr zu geben. Weder am Bahnhof noch auf seinem Weg hatte er eins der gelben Häuschen gesehen. Plötzlich stieß ihn jemand an. Er zwang sich, nicht sofort zuzuschlagen, wie er es im Knast getan hätte. Drei Jugendliche umrundeten ihn, ohne sich zu entschuldigen, jeder von ihnen starrte auf das leuchtende Display eines Smartphones.
Habich erinnerte sich an Zieges Worte. So eins brauche ich, dachte er. Mit den Dingern konnte man alles Mögliche machen, aber eben auch telefonieren. Jessica hatte ein Handy besessen, das er hin und wieder benutzt hatte. Also würde er mit einem Smartphone klarkommen. »Hey«, rief er, »wartet mal!« Er lief den Jungen nach und deutete auf eins der Geräte. »Wo bekommt man so was?«
Drei Gesichter staunten ihn an. Ungläubig, zweifelnd, argwöhnisch. »Bin neu hier«, erklärte Mark. »Kenne mich in Göttingen nicht aus. Nun sagt schon, wo?«
*
Unschlüssig starrte Jessica Lehberg aus dem Fenster des Wohnzimmers, ohne wahrzunehmen, was draußen vor der Reihenhaussiedlung geschah. Tagsüber hatte es geregnet, inzwischen hatten sich die Wolken verzogen. Die Kinder aus der Nachbarschaft kehrten auf die Straße zurück. Sie sah Bewegungen, hörte Stimmen, doch sie fügten sich nicht zu einem Bild zusammen.
Ihr blieb noch eine gute Stunde, bis Lukas nach Hause kam. Ihr Sohn war vierzehn und zurzeit nicht gerade einfach. Mal schien er vernünftig und sensibel, dann wieder reizbar und unverträglich. Was sollte sie ihm sagen? Dass sie vor der Zeit mit seinem Vater mit einem Mörder befreundet gewesen war? Nicht aus Liebe und nicht lange. Es war eine Art Notgemeinschaft gewesen. Für Bad, Küche, Bett. Konnte ein Vierzehnjähriger das verstehen? Sie hatte die Episode längst aus ihrem Gedächtnis gestrichen. Mark Habich war für immer weggesperrt – hatte sie geglaubt. Er war damals zu lebenslänglicher Haft verurteilt worden. Auch weil sie vor Gericht gegen ihn ausgesagt hatte. Nun war er zurück. »Nichts deutet darauf hin«, hatte die freundliche Polizistin gesagt, »dass er Sie behelligen wird. Man hat ihn auf Bewährung entlassen, da ihm eine günstige Sozialprognose bescheinigt wurde. Das heißt, man rechnet mit einer erfolgreichen Resozialisierung. Im Gefängnis hat er eine Lehre zum Mechatroniker gemacht. Sofern er einen Job findet, könnte das klappen. Er darf sich nur nichts zuschulden kommen lassen, sonst fährt er wieder ein. Sie brauchen sich also keine Sorgen machen, wir informieren Sie nur vorsorglich.«
An die Worte der Beamtin klammerte sie sich. Man muss jedem Menschen eine zweite Chance geben, dachte sie. Auch einem wie Mark. Wenn er sich jetzt um ein geordnetes Leben bemüht, wird er alles vermeiden, was seine unverhoffte Freiheit gefährdet. Wahrscheinlich würde er gar nicht nach Göttingen zurückkehren und sie würde nie mehr etwas von ihm hören oder sehen. Es gab keinen Grund, ihren Sohn mit der Geschichte zu beunruhigen.
Sie wandte sich um, in der Küche zerriss sie die Visitenkarte, die ihr die Polizistin gegeben hatte, in winzige Fetzen und schob sie tief unter den Abfall in den Mülleimer. Anschließend ging sie ins Bad, wusch sich die Hände und zog den Lippenstift nach. Ihr Spiegelbild gefiel ihr trotzdem nicht.
*
Rasch hatte Habich die Filiale eines Mobilfunkunternehmens gefunden. Dort hatte er lange warten müssen, bis man ihn wahrgenommen und nach seinen Wünschen gefragt hatte. Noch länger hatte die Prozedur gedauert, ein passendes Smartphone zu finden und freizuschalten. Er hatte nicht geahnt, wie viele Geräte und Vertragsvarianten es gab, erwarb schließlich eine Prepaid-Karte.
Von den Erklärungen des Verkäufers hatte er nicht viel verstanden. Immerhin gelang es ihm beim dritten Versuch, die Nummer zu wählen, die auf dem Zettel notiert war.
Während er vor dem Handy-Laden stand und auf das Rufzeichen lauschte, beobachtete er die Menschen, die durch die Weender Straße strömten. In seiner Erinnerung war die Fußgängerzone vor sechzehn Jahren nicht so voll gewesen. Damals hatte noch niemand ein Smartphone vor sich hergetragen. Die meisten Jugendlichen, auch viele Erwachsene, betrachteten das Display ihres Geräts, während sie gingen. Manche hatten das Handy senkrecht am Ohr oder waagerecht vor dem Mund und telefonierten im Gehen.
Als Habich schon auflegen wollte, meldete sich eine männliche Stimme. »Hallo?«
»Hier ist Mark«, antwortete er rasch. »Mark Habich. Ich sollte mich bei Ihnen melden.«
»Wir warten schon«, entgegnete der Mann. »Setz dich in den Bus und komm her!« Er nannte die Buslinie, die auch der Bürovorsteher der Anwaltskanzlei erwähnt hatte, und beschrieb den Weg von der Bushaltestelle zu Borgmann-Automobile.
Gut zehn Minuten später bestieg Habich einen Bus der Linie 32, war auf dem Weg in Richtung Siekhöhe und betrachtete sein Smartphone. Noch gaben ihm die bunten Symbole auf dem Display Rätsel auf. Trotzdem durchströmte ihn ein Glücksgefühl. Freiheit war anstrengend, aber voller überwältigender Eindrücke. Farben, Geräusche, Gerüche, die nichts mit dem grauen Alltag im Knast gemein hatten – das Leben stürzte auf ihn ein.
Die Groner Straße hatte einen neuen Belag bekommen, am Groner Tor war ein neues Gebäude entstanden, das Straßenbild hatte sich völlig verändert. Ein Klotz, der anscheinend die Sparkasse beherbergte, begrenzte den Platz.
Fasziniert beobachtete er den Verkehr auf der Berliner Straße. Kaum eines der Autos entsprach seinen Erinnerungen. Das ein oder andere Modell hatte er im Fernsehen gesehen, aber die Fülle der neuen Karossen überraschte ihn. Noch erstaunlicher war der Fahrradverkehr. Nicht wenige Fahrräder fuhren fast so schnell wie die motorisierten Fahrzeuge. Es sah so aus, als hätten sie kleine Elektromotoren, die aus Akkus gespeist wurden. In der JVA hatte jemand von E-Bikes erzählt, die draußen angeblich massenweise unterwegs waren. Habich hatte sich das nicht vorstellen können.
Am Bahnhof füllte sich der Bus. Auf dem Sitz vor ihm ließ sich ein Mann nieder und faltete eine Zeitung auseinander. Göttinger Tageblatt. Sofort krampfte sich Habichs Magen zusammen. Der Reporterin vom GT, die über ihn und den Prozess berichtet hatte, verdankte er seine Verurteilung. Ihr und Jessi. In der Behandlung durch den Gefängnispsychologen hatte er lernen sollen, seine Gefühle zu bezähmen. Doch die Wut war geblieben. Immerhin war sie nicht sichtbar, loderte aber tief in seinem Inneren. Äußerlich konnte er cool bleiben, verstand es, seine Erregung zu verbergen, musste nicht mehr sofort zuschlagen. Eine Situation wie damals mit Laura würde er heute beherrschen. Planvoll handeln, sich nicht hinreißen lassen. Das war der entscheidende Unterschied. Noch einmal würde er nicht in den Knast gehen. Nicht wegen Jessi und nicht wegen der Tusse vom Tageblatt. Diesmal hatte er Zeit, würde die beiden in Ruhe beobachten und sich eine Strategie überlegen.
Fünfzehn Minuten später saß Habich seinem künftigen Chef in dessen Büro gegenüber, hatte die Sekretärin Katrin Klemme kennengelernt, seine Verspätung erklärt und sah sein Gegenüber mit gespannter Erwartung an. Borgmann zog eine Zigarette aus einer Packung und hielt ihm die Schachtel hin. Dankbar nahm Habich das Angebot an. Nachdem sie einige Züge inhaliert hatten, lehnte sich Borgmann zurück. »Es gibt drei Geschäftsbereiche in unserem Betrieb. Dazu die Lackiererei. Wir restaurieren Oldtimer, vermieten Wohnmobile und beschaffen im Kundenauftrag neue Gebrauchte der Oberklasse. Du wirst hauptsächlich im letzten Bereich arbeiten. Zusammen mit Yannick.«
»Neue Gebrauchte?«, fragte Mark. »Ist das nicht ein Widerspruch?«
»Bei uns nicht.« Borgmann schüttelte den Kopf, zog an seiner Zigarette und stieß den Rauch in die Luft. »Es gibt Leute, die möchten Audi Q8, Porsche Panamera oder Maserati Quattroporte fahren, dafür allerdings keine hundert- oder zweihunderttausend Euro auf den Tisch legen. Für die besorgen wir das gewünschte Modell zum halben Preis. Nicht ganz fabrikneu, aber fast.«
»Ich verstehe.« Habich war klar, was Borgmann meinte. Er dachte an die Gefahren dieser Tätigkeit. Wenn er mit dem Gesetz in Konflikt geriet und erwischt würde, wäre es aus mit seiner Freiheit. »Das ist mir zu riskant«, stellte er fest. »Ich kann das nicht machen. Mir wäre es lieber …«
»Hast du ’ne Wohnung?«, unterbrach Borgmann ihn.
Habich schüttelte den Kopf. »Ich wollte sagen, ich würde gerne in einem anderen Bereich ...«
»Dein Einsatzgebiet musst du schon uns überlassen«, fuhr Borgmann dazwischen. »Wer sich für Koslow entschieden hat, hat nichts mehr zu entscheiden. Morgen bekommst du eine Wohnung und einen Wagen. Katrin gibt dir die Schlüssel. Vorher lieferst du mit Yannick einen Porsche aus.«
»Aber …«
»Nichts aber. Wenn du nicht spurst, arrangieren wir einen kleinen Unfall mit Fahrerflucht oder einen Einbruch, bei dem du Spuren hinterlässt. Und schon gehst du zurück nach Celle. Oder nach Rosdorf.«
Habich wurde klar, dass er in der Falle saß. Stumm verfolgte er, wie Borgmann zum Telefon griff, wählte und offenbar mit jenem Yannick sprach, den er erwähnt hatte. »Der Neue ist hier. Kannst ihn abholen.«
*
Am Nachmittag des Tages, an dem Annas Artikel über das KuQua erschienen war, erhielt sie einen Anruf mit unterdrückter Rufnummer. Leserinnen und Leser riefen häufig an, um den Redakteuren zu erklären, dass sie mit ihrer Darstellung falsch lägen. Meistens handelte es sich um neunmalkluge Besserwisser, manchmal aber auch um Menschen, die von der Berichterstattung betroffen waren und über erstaunliche Detailkenntnisse verfügten. Es war nicht immer leicht, sie voneinander zu unterscheiden. »Sie können davon ausgehen«, sagte eine männliche Stimme, »dass die Optirenta keinen Cent ins Kunstquartier steckt.«
»Wer sind Sie?«, fragte Anna, da sich der Anrufer nicht vorgestellt hatte. »Und woher wollen Sie das wissen?«
»Mein Name kann in diesem Zusammenhang nicht genannt werden«, antwortete der Unbekannte. »Meine Quelle ebenfalls nicht. Sie müssen einfach selbst herausfinden, was bei der Optirenta los ist. Jedenfalls wird sie derzeit kein Geld für Kunst, Kultur oder Sportförderung ausgeben. Wahrscheinlich auch in Zukunft nicht.«
»Warum nicht? Wenn irgendwo viel Geld ist, dann bei Banken und Finanzdienstleistern.«
Der Anrufer lachte verhalten. »Normalerweise schon. Aber gelegentlich geraten Geldhäuser in Schieflage. Oder eine Finanzholding. Darf ich Sie an die Göttinger Gruppe erinnern? Sie haben damals viel Druckerschwärze verbraucht, um die Machenschaften der Finanzjongleure und die Verluste ihrer Opfer, der geprellten Anleger, darzustellen.«
Anna war plötzlich elektrisiert. »Sie meinen, die Optirenta geht den gleichen oder einen ähnlichen Weg?«
»Finden Sie es heraus!«, forderte der Mann. »Ich werde das Gespräch jetzt beenden.«
»Warten Sie!«, rief Anna. Doch aus dem Hörer ertönte nur noch das Freizeichen.
Sie legte auf und startete Google. Die Internetseite der Optirenta warb mit farbenfrohen Familienfotos für Geldanlagen. Ein junges Paar vor einem luxuriösen Eigenheim, eine Mutter mit zwei fröhlichen Bilderbuchkindern beim Ballspielen auf grünem Rasen, drei augenscheinlich erfolgsgewohnte Männer vor einem teuren Sportwagen. Sichern Sie die Zukunft Ihrer Kinder! Erfüllen Sie sich Ihre Träume! Lassen Sie Ihr Vermögen wachsen! Anna scrollte nach unten, fand das Impressum und notierte die dort angegebene Telefonnummer.
Sie brauchte fast zwanzig Minuten, musste eine Warteschleife und drei verschiedene Gesprächspartner überwinden, bis sie schließlich eine Sekretärin für die Chefetage erreichte. Nicole Schneider. »Ich mache Ihnen einen Termin«, schlug sie vor. »Mit unserem Herrn Ostendorf. Er ist für Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Schon morgen könnten Sie mit ihm …«
»Es geht nicht um das Erscheinungsbild der Optirenta«, widersprach Anna. »Auch nicht um die Vorzüge Ihres Unternehmens auf dem Finanzdienstleistungssektor. Es geht um Ihren Job, Frau Schneider.«
Für einen Augenblick herrschte Schweigen. »Wie meinen Sie das?«, fragte die Sekretärin. Ihre Stimme klang plötzlich verändert.
Anna frohlockte innerlich. »Es kommt gelegentlich vor, dass Unternehmen in finanzielle Schieflage geraten. Sind es dann nicht immer die Arbeitnehmer, die als Erste dran glauben müssen?«
»Aber wir, ich meine die Optirenta …«
»Steht gut da«, ergänzte Anna rasch. »Ich weiß. Aber wie lange noch? Ich habe Hinweise auf … sagen wir: gewisse Einschränkungen bei der Ausgabengestaltung. Das kann, wenn auch nicht zwangsläufig, ein Anzeichen für Liquiditätsprobleme sein.«
Erneut entstand eine Pause. »Darüber sprechen Sie am besten mit unserem Finanzgeschäftsführer, Herrn Fasshauer. Der ist allerdings morgen … Warten Sie! Ich frage kurz nach. Bitte bleiben Sie dran! Ich melde mich gleich wieder.«
Aus dem Telefonhörer erklang die Wartemelodie der Optirenta, die Anna nun schon mehrmals gehört hatte. Dancing Queen von Abba. Nicht schlecht, dachte sie. Ein optimistischer Sound, den fast jeder kennt. Passt gut zu »Erfüllen Sie sich Ihre Träume!«
»Hören Sie?« Nicole Schneider war zurück. »Herr Fasshauer kann es einrichten. Wenn Ihnen dreizehn Uhr recht ist.«
In ihrer Mittagspause, sozusagen privat, da brauchte sie in der Redaktion niemandem Bescheid zu geben. »Kein Problem«, sagte sie. »Wo werde ich ihn treffen?«
»Im Bullerjahn. Ich reserviere Ihnen einen Tisch.«