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Eigentlich sollte Kate den ihr unbekannten Trauzeugen ihrer Zwillingsschwester nur vom Flughafen abholen. Dass sie im Hotel mit Harry im Bett landet, war nicht geplant – aber trotzdem wahnsinnig schön. Doch dann stellt sich heraus: Ihr Liebhaber ist gar nicht Harry …
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Seitenzahl: 202
IMPRESSUM
Wer bist du wirklich, Geliebter? erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© 2002 by Harlequin Books S.A. Originaltitel: „Double Exposure“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 1395 - 2006 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Johannes Heitmann
Umschlagsmotive: PeopleImages / Getty Images
Veröffentlicht im ePub Format in 10/2023.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751528092
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Ich würde alles geben für ein heißes Bad und eine heiße Frau, dachte Hugh Armstrong, während er sich zum zehnten Mal durch die eisigen Wellen kämpfte, die der Studiohubschrauber aufpeitschte, und zu dem langsam sinkenden Segelboot schwamm, eine Rettungsleine zwischen den Zähnen. Der ehrgeizige Regisseur hielt sich für einen zweiten James Cameron und glaubte fest daran, diese Einstellung von Antonio Banderas auf dem Weg durchs kalte Meer werde ihm einen Oscar einbringen. Leider war es Hugh, der die Wellen durchpflügen musste, und nicht Banderas.
Die Leute dachten immer, das Meer vor der Küste Südkaliforniens sei warm, und das mochte im August auch so sein, aber jetzt war es gerade mal Juni, und noch dazu ein sehr kalter. Und durch die Windböen, die der Hubschrauber verursachte, wurde das Wasser noch eisiger.
Normalerweise liebte Hugh seinen Job, aber bei seinen Lieblingsstunts ging es darum, von Felsen und durch Fenster zu springen. Er war Stuntman, weil er den Adrenalinrausch so liebte, doch bei diesem Einsatz bestand nicht die geringste Gefahr. Niemand würde ihn ertrinken lassen, während er versuchte, die sechs Schauspieler von Bord des Segelboots zu retten.
Nein, die Szene bot ihm kein bisschen Aufregung, Hugh schwankte lediglich zwischen Langeweile und Erschöpfung. Zu alledem musste er unbedingt um acht Uhr seinen Flug von Los Angeles nach Rhode Island erwischen, wo er ein langes Wochenende verbringen wollte. Harry, sein Zwillingsbruder, sollte dort auf der Hochzeit seines Freundes Stuart als Trauzeuge fungieren. Hugh freute sich schon auf das Treffen – seit dem letzten Treffen mit Harry war entschieden zu viel Zeit vergangen. Außerdem konnte er dringend ein paar freie Tage gebrauchen.
Wieder traf ihn eine Welle direkt ins Gesicht, und er schwor sich, dass nach dieser zehnten Aufnahme alles im Kasten sein würde. Er bot die letzten Kraftreserven auf und schwamm noch schneller. Das musste der Regisseur doch einfach lieben! Hugh erreichte das halb gesunkene Segelboot und befestigte rasch die Rettungsleine. Diesmal sollte der Regisseur auf keinen Fall „Cut!“ rufen, so wie die neun Mal zuvor.
Die Kameras liefen weiter.
Hugh streckte die Arme nach dem ersten Passagier aus, einem achtjährigen Jungen, dem eine goldene Zukunft in der Filmbranche bevorstand. Der Junge sprang ihm in die Arme, wobei er Hugh mit einem Fingernagel an der Stirn kratzte. Hugh zuckte nicht mal zusammen, während er die Leine packte und den Jungen zum Rettungsboot zog. Die Kameras liefen immer weiter. Ein Glück! dachte Hugh. Vielleicht würde er seinen Flieger doch noch erreichen.
Schon wieder zu spät.
Ein ehemaliger Freund hatte Kate unterstellt, sie würde nur deshalb regelmäßig zu spät kommen, um ihrem Leben mehr Dramatik zu verleihen. Sie hatte dem Mann empört den Laufpass gegeben, aber insgeheim hatte sie zugeben müssen, dass er den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. Nichts sorgte bei ihr so sicher für einen ordentlichen Adrenalinschub, als wenn sie eine Viertelstunde hinter dem Zeitplan zurücklag.
Auf dem Highway brauste sie von Providence in Richtung Flughafen Warwick. Das Verdeck ihres Miatas hatte sie heruntergeklappt, und das Radio war voll aufgedreht. Kate fühlte sich wie im Rausch. Juni in Rhode Island, das bedeutete zum ersten Mal im Jahr Cabrio-Wetter. Sie liebte den Fahrtwind im Haar, wenn sie sich in ihrem kleinen roten Wagen durch den Verkehr schlängelte, um ein paar Sekunden aufzuholen.
Es dauerte nicht lange, bis sie die Abzweigung zum Flughafen nahm. Kate machte sich ohnehin keine Sorgen, dass irgendetwas schieflaufen könnte. In ihrer Handtasche steckte ein Foto von Harry Armstrong, also konnte sie ihn gar nicht verpassen. Irgendwo in der Ankunftshalle würde sie ihn schon entdecken. In jedem Fall wäre es aufregender, ihn suchen zu müssen, als wenn sie herumstand und abwartete, bis er sein Gepäck eingesammelt hatte und in die Halle kam.
Offenbar hatte sie das Glück heute gepachtet! Auf dem überfüllten Parkplatz fuhr direkt vor der Halle ein anderer Wagen ab. Schwungvoll steuerte Kate ihren Wagen in die Lücke und stellte den Motor aus. Nach kurzem Kramen in der Handtasche fand sie ihren Kamm, fuhr sich damit durch das kurze Haar und prüfte im Rückspiegel ihr Make-up.
Rasch steckte sie den Kamm zurück in die Handtasche und vergewisserte sich, dass der Film in ihrem Fotoapparat noch nicht abgeknipst war. Mit makellosen Studiofotos ließ sich zwar die Miete bezahlen, doch in letzter Zeit fand Kate viel mehr Gefallen an witzigen Schnappschüssen. Sie sah es eher als Hobby an und hatte ihre langsam anwachsende Sammlung an Aufnahmen noch niemandem gezeigt. Mittlerweile ging sie nirgendwo mehr ohne Fotoapparat hin.
Nachdem sie den Wagen abgeschlossen und sich die Handtasche über die Schulter gehängt hatte, lief sie auf das Flughafengebäude zu. Durch die große Glasfront sah man das Segelschiff im Empfangsgebäude, das alle Welt daran erinnern sollte, dass sich genau an dieser Stelle mal ein Hafen befunden hatte, lange bevor die Menschheit das Fliegen überhaupt erfunden hatte.
Kate schlängelte sich durch die Drehtür und lief die Rolltreppe hinauf, wobei sie die Menge nach Harry absuchte und sich vorstellte, sie sei Geheimagentin mit dem Auftrag, einen gefährlichen Doppelagenten aufzuspüren, der sich als Harry ausgab. Dichtes dunkles Haar, ein markantes Kinn und blaue Augen – dem Foto nach zu urteilen, würde er einen sehr attraktiven Agenten abgeben. Eine gute Wahl für einen Trauzeugen, zumal wenn Kate die dazugehörige Brautjungfer war. In den nächsten Tagen würde sie viel mit Harry zu tun haben. Allerdings wollte sie sich nicht allzu große Hoffnungen machen.
Ganz bestimmt war er der typische Stadtmensch mit einem gut bezahlten Job, einem neuen Volvo und einem Handy. Ein netter Kerl eben. Tja, dachte Kate, ich sehne mich nach Abenteuern und nicht nach Nettigkeiten. Leider lernte sie nie abenteuerliche Männer kennen.
Es war durchaus möglich, dass ihre Mutter versuchte, sie mit Harry zu verkuppeln. Durch Kims Heirat geriet Kate unter Zugzwang. Schließlich waren sie Zwillinge. Erst vor ein paar Tagen hatte Kates Mutter zugegeben, sie sei traurig darüber, dass Kate noch keinen festen Partner gefunden hatte, da sie immer von einer Doppelhochzeit geträumt hatte.
Kim und Kate hatten sich nur angesehen und sich wie üblich auch ohne Worte verstanden. Fast hätten sie beide laut losgelacht, weil sie sich ausgemalt hatten, wie ihre Mutter versuchen würde, sie für die Hochzeit in die gleichen Kleider zu zwängen.
Diese Tortur hatten sie zuletzt beim Schulabschluss ihres älteren Bruders Nick durchmachen müssen. Die Schwestern hatten die kleinen grünen Kleidchen mit der Gartenschere zerschnipselt und laut verkündet, sie würden dasselbe mit allen weiteren „Zwillingskleidern“ tun. Das hatte ihnen zwar einen Monat Hausarrest eingebracht, doch ihre Mutter hatte die Warnung verstanden.
Kate kramte in ihrer Handtasche nach Harrys Foto. Er war wirklich ein echter Hingucker. Hieß es nicht, er sei Arzt? Ja, Kim hatte erzählt, er habe mit Stuart zusammen studiert. Stuart hatte gesagt, er sei groß und kaum zu übersehen. Kate sah sich in der Menge um. Und dann entdeckte sie ihn.
Verdammt, in Wirklichkeit sah er ja noch besser aus als auf dem Foto, das Stuart ihr gegeben hatte. Allerdings wirkte der arme Kerl zu Tode erschöpft. Er trug Jeans, ein weißes T-Shirt und eine Jeansjacke. Eigentlich sah er im Moment eher wie ein Rockstar aus als wie ein Arzt.
Dem Bartschatten auf seinen Wangen nach zu urteilen, hatte er nicht mehr die Zeit zum Rasieren gefunden, bevor er zum Flughafen gehetzt war. Kate fragte sich, ob er bis kurz vor dem Abflug im Krankenhaus Patienten versorgt hatte. Das passte zum Image eines Helden. Vielleicht entsprach Harry doch stärker ihrem Idealbild von einem Mann, als sie gedacht hätte.
Er schlenderte durch die Halle. Über eine seiner breiten Schultern hatte er sich eine Ledertasche gehängt. Anscheinend wartete er nicht länger darauf, abgeholt zu werden, und hatte jetzt vor, sich ein Taxi zum Hotel zu nehmen. Kate bekam Gewissensbisse. Sie ließ sich Zeit mit dem Abholen, und der Mann sah aus, als könne er jeden Moment vor Müdigkeit umfallen.
„Hier drüben, Harry!“ rief sie und winkte mit beiden Armen, während sie sich einen Weg zu ihm bahnte.
Er blickte nicht mal kurz zur Seite.
Hatte sie sich etwa getäuscht? Nein, das war ganz eindeutig der richtige Mann. Kate hatte schon genug Porträtfotos gemacht, um zu wissen, dass sie den Mann nicht verwechselte. Dies war Harry. Vielleicht war er nur zu müde, um auf seine Umgebung zu achten.
Ich hätte pünktlich sein sollen, dachte sie. Dann hätte ich ihn sofort hinter dem Sicherheitscheck in Empfang nehmen können. Irgendwie muss ich das wiedergutmachen. Den Rest des Tages würde der arme Kerl ihre ganz besondere Fürsorge bekommen.
Kate trat ihm in den Weg und legte ihm eine Hand auf den Arm. Der Jeansstoff fühlte sich überraschend weich an. Teuer, dachte sie. „Tut mir leid, ich habe mich verspätet.“
Verwundert blickte er ihr in die Augen.
Verlegen lächelte Kate ihn an. „Ich hätte schon früher hier sein sollen. Ich bin Kate Cooper, Kims Zwillingsschwester. Stuart und Kim haben mich gebeten, Sie hier abzuholen.“
„Oh!“ Er wirkte angenehm überrascht. „Toll. Ich hatte gar nicht damit gerechnet, dass jemand mich …“
„Ich weiß, und es ist mir schrecklich unangenehm, dass ich nicht pünktlich war.“ Ein Blick in seine blauen Augen reichte ihr, um zu erkennen, dass er die ganze Nacht nicht geschlafen hatte. Seine Stimme klang ein bisschen heiser, aber sehr angenehm und tief. Diese Stimmlage wirkte bestimmt sehr beruhigend auf seine Patienten.
Kate blickte auf seine Schultertasche. „Haben Sie sonst kein Gepäck?“
„Nein, das ist alles.“
„Gut, dann können wir ja gleich zu meinem Auto gehen.“
„Einverstanden.“ Er ging neben ihr her.
„Stuart wollte Sie eigentlich selbst abholen, aber dann ist irgendetwas Wichtiges dazwischengekommen.“
„Das kann ich mir vorstellen. Schließlich will der Kerl übermorgen heiraten.“
„Tja, genau das ist wohl der Grund, wieso er im Moment viel um die Ohren hat.“ Ihr fiel auf, dass er sich ihrem Tempo anpasste. So rücksichtsvoll waren nur wenige Männer.
„Gibt es Probleme zwischen Kim und Stuart?“
„Nein, nein, alles bestens.“ Der Klang seiner Stimme gefiel Kate immer besser. „Der ganze Wirbel ist ihnen nur ein bisschen zu viel. Meine Eltern sind aus Florida angereist, und gestern kam mein Bruder Nick. Stuarts Mutter ist mit ihrem neuen Ehemann hier, und Stuarts Dad ist mit seiner neuen Frau gekommen. Stuarts Schwestern kümmern sich um seine Verwandtschaft. Jedenfalls sind alle schwer damit beschäftigt, sich kennenzulernen, und da haben Kim und Stuart nicht genug Zeit zu zweit gehabt.“
„Verstehe.“
Kate führte ihn aus dem Flughafengebäude, und einen Moment blieben sie beide stehen, um sich Sonnenbrillen aufzusetzen. Mit der dunklen Brille sah er noch mehr wie ein Rockstar im Urlaub aus. Bestimmt nicht wie ein Arzt, und schon gar nicht wie ein Trauzeuge. Kate konnte es kaum erwarten, mit diesem Traumtypen auf dem Beifahrersitz ihres Cabrios durch Newport zu fahren.
„Mein Wagen steht dort drüben“, sagte sie. „Es ist nicht weit, aber Sie können auch gern hier warten, während ich ihn hole.“
„Wirke ich denn so gebrechlich?“
Kate bezweifelte, dass es in diesem Körper auch nur einen einzigen gebrechlichen Knochen gab. Einen so muskulösen Arzt hatte sie noch nie getroffen. „Nein, aber Sie scheinen ziemlich erledigt zu sein.“
Er lächelte und zeigte dabei Grübchen in der Wange. „Also, so erschöpft bin ich nun auch wieder nicht. Gehen Sie nur voraus, ich folge Ihnen.“
„Okay.“ Ein tolles Lächeln, dachte sie. „Gleich hier drüben. Der rote Miata.“
„Gute Straßenlage.“
„Mir gefällt er.“ Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie groß Harry war. „Allerdings hat man nicht sonderlich viel Beinfreiheit. Vielleicht hätte ich mir lieber das Auto meines Cousins ausleihen sollen.“
„Hören Sie schon auf. Sie tun ja so, als würde ich künstliche Beatmung brauchen.“
Da wäre ich sofort bereit, dachte Kate. „Das tun Sie keineswegs.“ Sie öffnete den Kofferraum und schob ihren Koffer darin zur Seite. Sie hatte ihr Gepäck noch nicht zu dem Hotel gebracht, wo sie zusammen mit der übrigen Hochzeitsgesellschaft übernachten würde.
Zu dieser Gesellschaft gehörte natürlich auch Harry, und dieser Gedanke gefiel ihr allmählich immer besser. „Sie haben in letzter Zeit bestimmt nicht viel Erholung gefunden.“
„Stimmt, ich brauche dringend eine Mütze Schlaf.“ Er nahm sich die Reisetasche von der Schulter und legte sie seufzend in den Kofferraum. „Ich war nicht mal sicher, ob ich es schaffen würde herzukommen.“
„Zum Glück haben Sie es ja geschafft und können erst mal ausschlafen, bevor morgen die Feierlichkeiten anfangen. Kim und Stuart verbringen die Nacht auf Block Island, um noch etwas zur Ruhe zu kommen.“ Kate klappte den Kofferraum zu und blickte sich zu Harry um. War er enttäuscht darüber, Stuart heute noch nicht zu Gesicht zu bekommen?
Er wirkte eher erschöpft als enttäuscht. „Klingt vernünftig. Freut mich für die beiden.“
Sobald er zur Beifahrerseite ging, steuerte Kate auf die Fahrertür zu. „Ich fahre Sie jetzt zum Hotel, dort können Sie sich den ganzen Abend lang ausruhen. Die Familie geht heute Abend zu einem Open-Air-Konzert.“
„Ein entspannender Abend in einem gemütlichen Hotel, das klingt perfekt.“
Kate verstaute ihre Handtasche hinter dem Fahrersitz und wollte gerade einsteigen, als sie eine große Dogge hinter dem Steuer eines geparkten Landrovers entdeckte. Der Hund sah aus, als könne er jeden Moment den Motor anlassen und losfahren. Das Seitenfenster war heruntergedreht, weil der Fahrer sicher wusste, dass niemand versuchen würde, den Wagen zu stehlen, solange der Hund ihn bewachte.
Das musste sie einfach fotografieren. „Eine Sekunde noch, ja?“ Flüchtig lächelte sie Harry zu und zog dann die Kamera aus der Tasche.
„Gern, aber …“
„Bin gleich wieder da.“
Sie lief zu dem Landrover und machte ein paar Fotos. Als die Hupe des Wagens ertönte, zuckte sie zusammen. „Mach das nicht noch mal!“, rief sie dem Hund zu und sah sich um, ob jemand sie beobachtet hatte.
Der Hund drückte wieder auf die Hupe. Hastig zog Kate sich zu ihrem Miata zurück. War der Hund etwa darauf trainiert, zu hupen, sobald jemand sich dem Auto näherte? „Ich gehe ja schon!“ rief sie dem Hund zu. „Hör auf damit!“
Sie verstaute ihren Fotoapparat und setzte sich ans Steuer.
Harry hielt sich den Bauch vor Lachen.
„Jetzt aber nichts wie weg von hier!“ Kate ließ den Motor an. „Wer trainiert seinen Hund denn darauf, auf die Hupe zu drücken! Was ist aus den guten alten Alarmanlagen geworden?“
„So ein Hund ist in jedem Fall wirkungsvoller.“ Harry lachte immer noch. „Sie sind also Fotografin, genau wie Kim?“
„Ja.“ Sie setzte aus der Parklücke und fuhr zur Ausfahrt.
„Freiberuflich?“
„Eigentlich mache ich Studioaufnahmen, genau wie Kim. Ich bin für die Porträts zuständig und sie für die Kinder- und Tieraufnahmen.“
„Und wieso ‚eigentlich‘?“
Sie zögerte. Als ihr Vater in den Ruhestand gegangen war, hatte er das Fotostudio seinen beiden begeisterten Töchtern vermacht. Auch jetzt noch fotografierte Kate gern im Studio, aber Schnappschüsse machten ihr viel mehr Spaß, selbst von hupenden Hunden. „Diese Studioaufnahmen mache ich in erster Linie, aber seit einiger Zeit habe ich angefangen zu fotografieren, was mir gerade vor die Linse kommt. Einfach so als Hobby.“
„Weil da nicht alles so vorhersehbar ist?“
„Genau. Das Studio bringt allerdings gutes Geld ein.“
„Das glaube ich gern.“
Kate hatte fast den Eindruck, als würde der Mann neben ihr genau verstehen, was in ihr vorging, obwohl sie sich erst vor wenigen Minuten getroffen hatten. Fasziniert sah sie zu ihm. Verdammt, er wirkte in ihrem Auto wie eine Sardine in der Dose.
„Ist der Sitz schon ganz nach hinten gestellt?“, fragte sie.
Er kontrollierte den entsprechenden Hebel. „Ja, das ist er.“
„Tut mir leid, dass mein Auto so klein ist.“ Sie hatte sich so sehr auf die Fahrt in ihrem schnittigen kleinen Cabrio gefreut, dass sie keinen Gedanken an ihren möglicherweise viel größeren Beifahrer verschwendet hatte. Kim hätte sicher daran gedacht. Kim war grundsolide, und deshalb machte ihr die Arbeit im Fotostudio auch immer noch Freude.
„Kate, nach allem, was ich hinter mir habe, ist beengtes Sitzen absolut unwichtig.“
„Ich bringe Sie so schnell wie möglich ins Hotel“, versprach sie. Während sie in der Schlange vor der Ausfahrtschranke darauf wartete, den Flughafenparkplatz verlassen zu können, stellte sie das Autoradio aus. Vielleicht wollte Harry auf dem Weg nach Newport schlafen, vorausgesetzt, das gelang ihm, wenn er so unbequem saß.
Als sie das Kassenhäuschen erreichten, zückte Harry sein Portemonnaie. „Lassen Sie mich das Ticket bezahlen.“
„Auf keinen Fall! Schlimm genug, dass ich mich verspätet habe.“ Als sie sich nach hinten umdrehte, um das Geld aus ihrer Handtasche zu holen, berührte sie Harrys Schulter. Seinem muskulösen Körper so nah zu sein machte sie nervös. Wieso hatte sie das Geld nicht schon beim Losfahren bereitgehalten? Kim hätte sicher daran gedacht.
Der Kassierer räusperte sich.
Während Kate noch nach hinten gewandt in ihrer Handtasche wühlte, reichte Harry dem jungen Mann einen Geldschein.
„Danke, Sir.“ Der Kassierer gab ihm das Wechselgeld.
Kate gab die Suche auf und sah zu ihrem Beifahrer. „Danke, aber jetzt habe ich wirklich ein schlechtes Gewissen. Irgendwann an diesem Wochenende müssen Sie sich von mir zu einem Drink einladen lassen.“
Er lächelte. „Liebend gern.“
Sie fuhr los und fädelte sich in den dichten Verkehr ein. Was hat dieser Mann für ein Lächeln! schoss es ihr durch den Kopf. Kim und Stuart hatten ihn als netten Kerl beschrieben, aber über seine Wirkung auf Frauen hatten sie kein einziges Wort verloren.
Das lag vielleicht daran, dass Stuart als Mann darüber ohnehin nicht sprach und dass Kim ihren Stuart so anhimmelte, dass ihr alle anderen Männer auf diesem Planeten gleichgültig waren. Trotzdem wäre Kate für eine Warnung dankbar gewesen. Das Foto in ihrer Handtasche verriet nichts von der magnetischen Anziehungskraft, die von Harry ausging.
Ein besserer Fotograf – wie sie zum Beispiel – hätte diese Wirkung sicher festhalten können. Liebend gern würde Kate das versuchen, doch sie bezweifelte, dass sich die Chance dazu ergeben würde.
Er lehnte sich zurück und legte den Kopf an die Rückenstütze. „Was für ein tolles Wetter! Das ist in jedem Fall angenehmer, als sechs Stunden lang durch eiskaltes Wasser zu schwimmen.“
Kate glaubte, sich verhört zu haben. „Wieso haben Sie das denn gemacht?“
„Ich musste sechs Leute aus einem sinkenden Segelboot retten. Das hat fast die ganze Nacht gedauert.“
Fassungslos machte sie den Mund auf. „Das ist … ja unglaublich.“ Dieser Mann hatte nicht nur die Nacht damit verbracht, Menschen von einem sinkenden Boot zu retten, er sprach auch noch darüber, als sei es das Nebensächlichste von der Welt. Ihr lief ein Schauer über den Rücken. Hatte sie jetzt doch ihren Helden gefunden?
„Aber es ist alles glattgelaufen. Nur der Hubschrauber ist immer zu tief geflogen. Dadurch hat er das Wasser aufgewirbelt und es mir noch schwerer gemacht. Na, jetzt ist ja alles vorüber. Und ich habe es doch noch zu Stuarts und Kims Hochzeit geschafft.“
„Die beiden werden sich sehr darüber freuen.“ Ein richtiger Held als Trauzeuge bei Kims Hochzeit! Erst vor wenigen Stunden hatte er sein Leben aufs Spiel gesetzt, um sechs Menschen zu retten, und jetzt fuhr er mit ihr im Auto und würde die nächsten vier Tage in Providence verbringen. Kate konnte kaum glauben, dass sie nicht träumte, nur eines wusste sie ganz genau: Sie würde das Beste aus dieser Situation machen.
„Ich bin auch froh, dass ich kommen konnte. Wenn es Sie nicht stört, würde ich jetzt gern ein bisschen die Augen schließen und mich ausruhen. Ich wollte ja im Flugzeug schlafen, aber mein Sitznachbar hat nicht zu reden aufgehört.“
„Ich werde mucksmäuschenstill sein“, versprach Kate. Sie nahm den Fuß vom Gas, um nicht schneller als erlaubt zu fahren. Sie würde jetzt ganz brav bis Newport auf der rechten Spur bleiben und alle anderen links vorbeiziehen lassen. Nichts sollte die Ruhe ihres Beifahrers stören. „Entspannen Sie sich.“ Flüchtig lächelte sie ihrem Helden zu. „Ich gebe Ihnen Bescheid, wenn wir angekommen sind.“
Hugh Armstrong schloss die Augen. Hier fuhr er in der warmen Sonne im Cabrio, und neben ihm saß die hübscheste Rothaarige, die er seit langer Zeit gesehen hatte. Da er jeden Tag von Stars und Schönheiten umgeben war, wollte das einiges heißen.
Vielleicht lag ein Teil von Kates Reiz darin, dass sie mit dem ganzen Filmgeschäft nichts zu tun hatte. Sie versuchte nicht, ihre Schönheit in Szene zu setzen, um irgendeine Rolle zu bekommen. Es wirkte fast so, als sei ihr gar nicht bewusst, wie umwerfend sie aussah. Andererseits war Hugh von ihr möglicherweise auch nur deshalb so fasziniert, weil sie so lebendig und natürlich wirkte.
Er öffnete die Augen wieder einen Spaltbreit und blickte zu ihr. Doch, ihr Gesicht war atemberaubend schön. Wahrscheinlich cremte sie sich immer sorgfältig ein, sonst würde ihr Gesicht nicht so makellos aussehen, zumal sie offenbar gern mit heruntergeklapptem Verdeck fuhr. Normalerweise fiel es ihm schwer zu beurteilen, ob eine Frau ihr Haar färbte oder nicht, aber bei Kate vermutete er, dass das Rot echt war. Sie trug es modisch kurz, und durch die Locken wirkten die roten Haare wie Flammen im Wind.
Ihr kurzes weißes Top lag eng an, und das gefiel Hugh ebenfalls außerordentlich. Die Jeans saß tief auf den Hüften, wodurch ein schmaler Hautstreifen unbedeckt blieb, bei dessen Anblick Hugh das Wasser im Mund zusammenlief. Kate trug Sandaletten, und so konnte er ihre Zehen im Moment nicht sehen, doch er ahnte, dass sie die Zehennägel im selben Rotton lackiert hatte wie die Fingernägel.
Am rechten Arm funkelten fünf Goldreifen, die aufblitzten, wenn Kate das Lenkrad bewegte. Sie trug auch ein paar Ringe, doch der Ringfinger der linken Hand war unberingt. Gut so. Hugh beschloss, möglichst bald herauszufinden, ob Kate noch Single war. Wenn ja, dann konnte das ein wunderbares Wochenende werden.
Wieder schloss er die Augen. Normalerweise fiel es ihm nicht schwer, überall einzuschlafen, doch der Duft von Kates Parfüm ließ ihn nicht zur Ruhe kommen. Hatte Harry sie vielleicht zum Flughafen geschickt? Kurz vor dem Abflug hatte Hugh seinem Bruder in Chicago eine kurze Nachricht auf der Mailbox seines Handys hinterlassen, weil er nicht wusste, wann Harrys Flug ging.
Vielleicht hatte Harry die Nachricht bereits abgehört und den Coopers Hughs Ankunftszeit mitgeteilt. Möglicherweise hatte er sogar selbst vorgeschlagen, Kate zum Abholen zu schicken. Schließlich kannte Harry Hughs Schwäche für Schönheiten mit rotem Haar und grünen Augen. Das wusste Stuart allerdings auch. Vielleicht hatten die beiden das hier zusammen als Überraschung ausgeheckt?
Hugh nahm an, dass Harry heute auch hier eintreffen würde, aber es konnte auch gut sein, dass er sich verspätete. Frauen bekamen ihre Babys nur ganz selten am ausgerechneten Termin.
Für kurzfristig geänderte Pläne hatte Hugh großes Verständnis. Der Regisseur des Banderas-Films hätte ebenso gut beschließen können, dass er noch eine Aufnahme der Rettungsszene brauchte. Dann würde er, Hugh, heute Abend wieder durch die kalten Wellen schwimmen.
Stattdessen verbrachte er die Tage jetzt mit Kate Cooper, der Zwillingsschwester der Braut. Im Moment sehnte er sich allerdings am meisten nach einer Massage. Durch das stundenlange Schwimmen hatte er seine Muskeln ein wenig überanstrengt, und anschließend hatte er keine Zeit zum Ausspannen gehabt, weil er sofort zum Flughafen hatte aufbrechen müssen. Nach den Stunden im Flugzeug fühlte er sich jetzt wie gerädert.
Hugh wollte auf jeden Fall in Topform sein, falls Kate sich an diesem Wochenende ein bisschen amüsieren wollte. Wenn Kim nur halb so aufregend war wie Kate, dann konnte man Stuart nur gratulieren. Hugh freute sich für ihn, obwohl eine Ehe für ihn persönlich nicht infrage kam. Eine solche Verantwortung wollte er niemals übernehmen.