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Sebastian hat mit seinen Freunden einen einmaligen Urlaub verbracht - und eine umwerfende Frau getroffen: Matty! Eigentlich steht ihrer Liebe nichts im Wege. Außer vielleicht dem Baby, das plötzlich vor seiner Tür liegt …
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Seitenzahl: 204
IMPRESSUM
Küss mich – bitte küss mich erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2000 by Vicki Lewis Thompson Originaltitel: „The Colorado Kid“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 1122 - 2001 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Christiane Bowien-Böll
Umschlagsmotive: Ron Chapple Stock, chrishumphreys1 / Thinkstock
Veröffentlicht im ePub Format in 10/2015 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733742980
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, HISTORICAL, JULIA, ROMANA, TIFFANY
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„Na, komm schon, mein Schatz.“ Charlotte fasste nach dem Reißverschluss seiner Hose. „Zeig mir, was in dieser Jeans steckt.“
Sebastian packte ihre Hand und hielt sie fest. „Warum lassen wir uns nicht ein bisschen Zeit?“, murmelte er.
„Wie süß.“ Sie knabberte an seiner Unterlippe und öffnete den obersten Knopf seines Hemdes. „Du bist nervös. Das hätte ich nicht gedacht. Schließlich warst du doch mit Barbara verheiratet.“ Schon hatte sie den nächsten Knopf geöffnet.
Sebastian spannte die Kinnmuskeln an. „Ich bin nicht nervös. Ich möchte nur …“
„Ich auch, mein Schatz. Ich auch.“ Sie riss die restlichen Knöpfe seines Hemdes auf und schob ihre Zunge ganz tief in seinen Mund.
Verflixt, er war drauf und dran mit Charlotte ins Bett zu gehen, dabei war er gerade zu dem Schluss gekommen, dass er sie doch nicht besonders mochte.
Seufzend drückte sie ihre vollen Brüste an seinen Oberkörper. „Zieh mich aus“, flüsterte sie und küsste ihn erneut wild und fordernd. Was sie da mit ihrer Zunge veranstaltete, war zwar eher drängend als sinnlich, aber ihre Brüste waren schon sehr verlockend. Und irgendwie musste er schließlich anfangen, wieder zu einem normalen Leben zurückzukehren.
Trotzdem, ihm ging das alles zu schnell. Er öffnete den obersten Knopf ihrer Bluse. Immerhin, das beherrschte er noch einwandfrei.
Ebenso leicht gelang es ihm, alle anderen Knöpfe und dann den Vorderschluss ihres BHs zu öffnen. Nun, er musste zugeben, ihre Brüste füllten die Hände eines Mannes sehr reichlich aus. Zu dumm, dass ihr Parfüm ihn fast erstickte.
Aber das würde er schon in den Griff bekommen. Was blieb ihm anderes übrig? Seine Jeans waren bereits alarmierend eng geworden, und Charlotte schien ja so überaus bereit zu sein, ihm bei der Beseitigung dieses Problems zu helfen. Im Übrigen hatte er sie ja auch zu dem Zweck zu sich nach Hause zum Abendessen eingeladen und deswegen sogar Zora ausgesperrt.
Er hatte das Abendessen bei Kerzenlicht serviert und danach in der Dunkelheit mit ihr vor dem Kamin gesessen und Wein getrunken. Sie hätte allen Grund, wütend auf ihn zu sein, wenn er jetzt plötzlich einen Rückzieher machte.
Jessica war kreuz und quer durch Colorado gefahren, um etwaige Verfolger abzuschütteln. Oder vielleicht auch nur, um das Unausweichliche hinauszuschieben.
Jetzt stand der schreckliche Augenblick kurz bevor.
Sebastian hatte sie schon oft eingeladen, ihn auf seiner Ranch zu besuchen, aber sie hatte nie Zeit gehabt. Dann war sie schwanger geworden, und ihr Zustand hätte Fragen aufgeworfen, die zu beantworten sie noch nicht bereit war. Jetzt aber war Sebastian mit seiner Ranch ihre einzige Hoffnung, eine Zuflucht für Elizabeth zu finden.
Jessica musste an ihr Elternhaus denken, eine Hochburg des Wohlstandes am Hudson River, umgeben von hohen Mauern und praktisch uneinnehmbar. Dort wäre Elizabeth sicher, so wie sie selbst es gewesen war, die ersten vierundzwanzig Jahre ihres Lebens, wenn man dieses übermäßig behütete Dasein überhaupt als Leben bezeichnen konnte. Jedenfalls würde sie so eine Art zu leben niemandem wünschen, schon gar nicht ihrer Tochter.
Als sie drei Jahre zuvor ihr Elternhaus verlassen hatte, war sie überzeugt gewesen, in Ruhe ein ganz normales Leben führen zu können, solange sie die Kontakte zu ihren Eltern auf ein Minimum beschränkte und sich so unauffällig wie möglich verhielt. Aber offenbar hatte jemand herausgefunden, wer sie war: die einzige Erbin der Franklins. Schon als Kind war sie auf etwaige Entführungen vorbereitet worden, sodass sie sofort gewusst hatte, dass da jemand versuchte, sie zu kidnappen. Es war direkt nach der Arbeit passiert, als Elizabeth mit dem Babysitter zu Hause war. Also wussten sie offenbar nichts von der Existenz ihres Kindes. Und das sollte so bleiben.
In den darauf folgenden Tagen hatte Jessica ihre Gefühle, so weit es ging, unter Verschluss gehalten und versucht, diesen Albtraum als interessante Erfahrung zu betrachten. Sie hatte sich mehrere Perücken gekauft, um ihr rotes Haar zu verstecken, und ihren kobaltblauen Wagen gegen einen unauffälligen grauen eingetauscht. Dann hatte sie gepackt, war mitten in der Nacht losgefahren und hatte im Lauf von drei Tagen Elizabeth an Flaschennahrung gewöhnt.
Zum Glück war Sebastian heute Abend zu Hause. Sie hatte vorhin angerufen, um sicherzugehen, und gleich wieder aufgelegt, als er sich gemeldet hatte. Die Tränen waren ihr dabei gekommen. Er war so ein guter Freund, und sie sehnte sich danach, sich an seiner Schulter auszuweinen, ihm die ganze Geschichte zu erzählen und ihn um Rat zu fragen. Aber sie durfte das Risiko nicht eingehen.
Langsam fuhr sie über die holprige, vereiste Straße. Hinter ihr seufzte Elizabeth leise im Schlaf. Es brachte sie fast um den Verstand, was sie in ihrem Entschluss noch bestärkte. Sie unterdrückte ihre Sorgen und Ängste und bog in die Zufahrt zur Ranch ein.
Sebastian hätte das Programm lieber im Schlafzimmer fortgeführt. Erstens war das Bett bequemer und er würde wenigstens die Beine ausstrecken können, zweitens hatte er seine Kondome im Nachttisch. Er hatte nicht damit gerechnet, auf dem Sofa im Wohnzimmer verführt zu werden.
„Charlotte, ich brauche …“
„Ich weiß, was du brauchst, Schatz.“ Sie griff nach seiner Gürtelschnalle und zog ihn zu sich hinunter.
„Ja, aber zuerst muss ich …“
„Dich ausziehen.“ Im Nu hatte sie seinen Gürtel geöffnet. Sie schien Übung darin zu haben.
„Mich um die Verhütung kümmern“, brachte er zwischen zwei wilden Küssen heraus.
„Keine Sorge. Das habe ich schon.“ Sie schob die Hand in seine Jeans.
Er schloss die Augen und versuchte sich einzureden, ihr in dieser Angelegenheit vertrauen zu können. Vergebens. Mit einem Seufzer stand er auf. „Ich bin gleich wieder da.“
„Wirklich, Schatz, ich habe keine ansteckende Krankheit.“ Sie versuchte, ihn festzuhalten.
„Aber vielleicht ich.“
„Ha!“ Sie zerrte noch stärker an seinem Arm. „Du lebst wie ein Mönch, seit Barbara dich verlassen hat.“
„Wer sagt das?“ Er befreite sich aus ihrer Umarmung.
„So ziemlich jeder im ganzen Bezirk.“ Begehrlich sah sie ihn an. „Komm schon.“
„Ich gehe grundsätzlich keine unnötigen Risiken ein“, erwiderte er. Und das hatte er bis jetzt auch wirklich nicht. Nicht, was das betraf. Er war schon oft genug leichtsinnig gewesen, doch nicht, was das Zeugen von Kindern betraf.
„Dann beeil dich, Schatz“, drängte Charlotte. „Mein Motor ist schon heiß gelaufen.“ Mit einem vielsagenden Blick auf seinen Slip fuhr sie fort: „Und es sieht so aus, als funktioniere deine Gangschaltung hervorragend.“
Er musste lächeln. Vielleicht würde es ja doch noch ganz schön werden. Das Tempo war allerdings nicht ganz nach seinem Geschmack. „Ja, sieht so aus.“ Er zog den Reißverschluss wieder zu, damit die Jeans auf dem Weg zum Schlafzimmer nicht herunterrutschten.
Da klingelte es an der Haustür.
Hatte er richtig gehört? Freitagabends um halb zehn bekam er normalerweise keinen unerwarteten Besuch. Sofort dachte er an seine Nachbarin, Matty Lang. War auf ihrer Ranch womöglich etwas passiert? Matty lebte allein, was ihm gar nicht gefiel. Aber das würde er ihr niemals sagen. Eine Frau, die eigensinniger auf ihrer Unabhängigkeit beharrte als sie, war ihm nie begegnet.
Charlotte wirkte äußerst ungehalten über die Unterbrechung. Er nickte ihr entschuldigend zu. „Hör zu, du kannst ja schnell ins Schlafzimmer verschwinden, während ich nachsehe, wer da ist. Es könnte ja ein Notfall sein.“
„Zum Teufel, ja, das hoffe ich für den, der da klingelt!“ Aufgebracht nahm sie ihre Bluse.
Sebastian zog sich rasch sein Hemd wieder an und stopfte es in seine Jeans. Er hoffte nur, es war nicht Matty, die vor der Tür stand, gerade jetzt, wo Charlotte nackt in seinem Bett lag. Matty würde wahrscheinlich gar nichts dabei finden, wenn sie sie so sähe. Aber ihm wäre es verdammt peinlich.
Als er die Haustür öffnete, wurde er vom Scheinwerferlicht eines Autos geblendet. Der Wagen stand mit laufendem Motor vor dem Haus. Er hob einen Arm, um seine Augen abzuschirmen. „Hallo? Wer ist da?“
Jetzt drückte dieser Idiot auch noch auf die Hupe.
„He!“ Er machte einen Satz auf den Wagen zu. Falls das ein Scherz sein sollte, fand er ihn nicht lustig. „Wer, zum Teufel, sind Sie …“ Abrupt blieb er stehen, als er hinter sich ein leises Weinen hörte. Das Weinen eines Babys.
Er fuhr herum. Verdammt, verdammt, wenn das kein Kinderautositz war! Und verdammt, verdammt, wenn das kein echtes Baby war, das darin lag und echte Töne von sich gab!
Sebastian stand vor Verblüffung wie erstarrt. Da glitten die Lichtkegel der Scheinwerfer über die Hausfassade, weil der Fahrer des Wagens wendete.
„Halt! Warten Sie! Sie können doch nicht einfach ein Baby vor meiner Tür absetzen wie einen streunenden Hund! Woher soll ich wissen, was ich mit einem Baby machen soll, zum Teufel?“ Sebastian rannte ein paar Meter hinter dem Wagen her und prägte sich das Nummernschild ein, gab es schließlich auf und ging zurück zum Haus. Das Baby schrie immer noch.
Er ließ eine Reihe wilder Flüche los. Das war doch wirklich unfassbar!
Wenigstens hatte er die Autonummer. Nicht dass der, der so etwas tat, es verdiente, sein Kind zurückzubekommen. Aber wie auch immer, jetzt musste er erst einmal dafür sorgen, dass das Baby ins Warme kam.
Als er den Kindersitz samt Baby hochhob, entdeckte er einen Brief.
„Sebastian?“ Charlotte erschien in der Haustür. Sie war barfuß und trug nur seinen Morgenmantel. „Hab ich richtig gehört? Weint da ein Baby?“
Sebastian trug das Baby im Kindersitz ins Haus. „Jemand hat es hier ausgesetzt“, sagte er und konnte es selbst kaum glauben. „Ist einfach hierher gefahren und hat es vor meiner Tür ausgesetzt.“
Charlotte trat zurück. Ihr Blick war voller Skepsis. „Wer sollte denn so etwas tun?“
„Wie soll ich das wissen?“ Er schob die Tür hinter sich zu und schaltete das Deckenlicht ein. „Da ist ein Brief.“
„Ich hasse Babygeschrei“, erklärte Charlotte.
„Du würdest auch schreien, wenn dich jemand einfach so vor einer fremden Tür abgesetzt hätte.“ Sebastian beugte sich vor, um den Brief zu entziffern, und hielt unwillkürlich den Atem an. Das war nicht irgendein ausgesetztes Baby. Der Brief war namentlich an ihn gerichtet. Er blickte auf die Unterschrift: Jessica. Seit Monaten hatte er sie nicht mehr gesehen. Seit seinem Geburtstag. Das war vor elf Monaten. Sein Herz fing an zu rasen, und kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn. Er spähte nach dem krebsroten Gesichtchen, hatte aber gar keine Ahnung, wie man das Alter eines Babys schätzte.
„Was steht in dem Brief?“, wollte Charlotte wissen.
Er wagte kaum, ihn zu lesen. Du lieber Himmel, er war betrunken gewesen in jener Nacht. Sie waren alle drei sturzbetrunken gewesen, er, Travis und Boone. Aber nicht Jessica. Gutmütig, wie sie war, hatte sie sie zu ihrem Blockhaus in der Nähe des Hotels gefahren und jedem von ihnen ins Bett geholfen. Sie hatten dabei wie verrückt mit ihr geflirtet. Vage erinnerte er sich, dass er versucht hatte, sie zu küssen, als sie ihn auf sein Bett schob.
„Sebastian! Mach mich nicht wahnsinnig. Was steht in dem Brief?“
Das Baby schrie die ganze Zeit weiter. Er zwang sich zu lesen.
Lieber Sebastian,
ich zähle auf Dich. Bitte sei dem Kind ein guter Pate, bis ich es wieder abholen kann. Deine Großzügigkeit und Freundlichkeit sind genau das, was Elizabeth jetzt braucht. Glaub mir, ich würde das nicht tun, wenn ich nicht in einer verzweifelten Lage wäre. Bitte nimm keinen Kontakt zu den Behörden auf. Es ist das Beste für Elizabeth, wenn niemand etwas von ihrer Existenz weiß.
In tiefer Dankbarkeit,
Jessica
Ein Pate sollte er sein. Jessica schrieb nichts davon, dass er der Vater ihres Babys sei. Vielleicht war das Kind ja auch älter, als es aussah. Aber auf jeden Fall war Jessica in Schwierigkeiten, und sie hatte ihr Baby vor seiner Tür abgelegt. Sprach das nun für oder gegen ihn?
„Und?“ Charlotte wurde immer ungeduldiger.
„Kennst du dich mit Babys aus?“
Sie hielt abwehrend die Hand hoch und trat noch ein paar Schritte zurück. „Keine Ahnung, außer, wie man welche macht.“ Sie legte den Kopf schief. „Hast du das hier gemacht?“
„Ich weiß nicht. Ich erinnere mich nicht.“
„Oh, ja. Das sagen sie immer. Merkwürdig, wie häufig in solchen Fällen Gedächtnisschwund auftritt.“
Das reichte ihm. Er hatte nicht mehr den geringsten Zweifel, dass er Charlotte nicht leiden konnte. „Ob sie nun mein Kind ist oder nicht, ich muss erst mal dafür sorgen, dass sie aufhört zu schreien.“ Er trug das Baby zum Sofa.
„Sie?“
„Ihr Name ist Elizabeth.“ Er nestelte an den kleinen Gurten herum und schaffte es tatsächlich, die Kleine freizubekommen. Aber was sollte er jetzt tun? Er konnte sie doch nicht einfach auf den Arm nehmen. Sie war so klein und zart, dass er fürchtete, ihr wehzutun. Er beugte sich zu ihr hinunter. „Wein doch nicht, Schätzchen. Ich bin doch bei dir, okay?“
Elizabeth schien ihn nicht zu verstehen. Ihr Mündchen öffnete sich noch weiter, und sie schrie noch lauter. Offenbar hatte sie wenigstens starke Lungen.
„Ich zieh mich an und verschwinde.“ Charlotte eilte ins Schlafzimmer. „Das halt ich nicht aus.“
„Warte!“ Panik stieg in ihm auf. „Du kannst mich doch nicht mit ihr allein lassen.“
Charlotte kam zurück. „Hör zu, ich kann mit Babys nicht umgehen, und habe mich nie dafür interessiert. Warum rufst du nicht jemanden an, der sich auskennt? Oder bring sie doch zu Doc Harrison in Huerfano.“
„Ich kann doch nicht …“ Er wollte sagen, er könne niemandem etwas von dem Baby erzählen, solange er nicht wisse, ob er der Vater sei. Er musste jemanden finden, der ihm half, für das Baby zu sorgen, und zwar schnell. „Hör zu, du bist eine Frau. Du musst mit Babys doch besser Bescheid wissen als ich. Zeig mir wenigstens, wie man sie aus diesem Ding herausholt. Ich habe noch nie so ein kleines Baby gehalten.“
„Du wirst lachen, ich auch nicht, mein Lieber. Ruf besser jemanden an. Ich ziehe mich an.“
Vorsichtig tätschelte er die Kleine, aber das nützte auch nichts. Inzwischen war sie sehr, sehr rot im Gesicht. Ihre Augen waren kaum zu erkennen, weil sie vor Anstrengung die Lider zusammenpresste. Ihre Händchen – die kleinsten Hände, die er je gesehen hatte – waren zu Fäusten geballt und ruderten wild durch die Luft.
Charlotte kam aus dem Schlafzimmer zurück, schlüpfte in ihren Mantel und betrachtete Sebastian kopfschüttelnd. Sie nahm das Telefon und drückte es ihm in die Hand. „Hier. Ruf endlich Hilfe.“ Damit nahm sie ihre Handtasche und verließ das Haus.
Sebastian starrte hilflos auf das Telefon. Schließlich wählte er die einzige Nummer, die er auswendig wusste.
Vor fünf Jahren hatte Matty Lang sich als junge Witwe betrachtet. Siebenundzwanzig war schließlich nicht alt. Und alle hatten ihr versichert, dass sie bestimmt nicht lange allein bleiben würde.
Jetzt saß sie gerade an ihrem Webstuhl und arbeitete an einem Wandteppich. Normalerweise liebte sie es zu sehen, wie sich das Muster langsam entwickelte. Aber nicht, wenn es Freitagabend war und sie genau wusste, dass Charlotte Crabtree bei Sebastian Daniels war, während sie selbst, inzwischen zweiunddreißig und sich nicht mehr ganz so jung fühlend, allein zu Hause saß und ihr Weberschiffchen durch die Kettfäden zog.
Nie würde Sebastian auf die Idee kommen, sie zum Abendessen einzuladen. Oh, nein. Nicht die gute alte Matty, die genauso gut reiten und mit dem Lasso umgehen konnte wie er. Manchmal fragte sie sich, ob er sich überhaupt bewusst war, dass sie eine Frau war. Sie jedenfalls hatte es nie geschafft, zu vergessen, dass er ein Mann war. Dabei hatte sie das von Anfang an versucht, seit sie ihm das erste Mal begegnet war. Damals, als sie und Butch diese Ranch übernommen hatten.
Sie hatte sich immer gezwungen, seinen unglaublichen Sex-Appeal zu ignorieren, so gut sie konnte. Dann war Butch gestorben, und als dann auch noch Barbara fortging, hatte sie begonnen, es sich zu erlauben, ein bisschen von Sebastian zu träumen. Nur ein bisschen.
Aber das hatte natürlich nichts geändert. Zwei Jahre nach seiner Scheidung behandelte Sebastian sie immer noch wie einen Kumpel. Charlotte Crabtree könnte so etwas nie passieren. Jetzt servierte er ihr bestimmt gerade seine Spezialität: Coq au vin. Früher hatte er das immer getan, wenn sie sich zu viert getroffen hatten. Wahrscheinlich hatte er auch Feuer im Kamin gemacht und Kerzen angezündet. Ach, inzwischen waren sie sicher schon fertig mit Essen und nun dabei … Der Gedanke war nicht zu ertragen. Also würde sie einfach nicht daran denken.
Aber sie dachte doch daran.
Das Klingeln des Telefons schreckte sie dann auf. Fast hätte sie ihren Webstuhl umgeworfen, sodass Sadie, ihre dänische Dogge, erschrocken den Kopf hob.
Wer konnte das sein? Hoffentlich war niemandem aus der Familie etwas passiert. Aufgeregt meldete sie sich.
„Matty?“ Es war Sebastian. Und er hörte sich regelrecht panisch an.
Sie runzelte die Stirn. War das Babygeschrei im Hintergrund? „Was ist los?“
„Es … es ist sehr kompliziert. Kannst du zu mir rüberkommen?“
Nicht, solange Charlotte Crabtree bei ihm war. „Warum?“
„Ich brauche deine Hilfe.“
„Wobei?“
„Das erklär ich dir, wenn du hier bist. Bitte, Matty. Komm schnell.“
„Ist Charlotte noch da?“
„Woher weißt du …?“
„Sebastian, jeder, der ein Konto bei der Colorado Savingsbank hat, weiß, dass Charlotte heute bei dir zum Abendessen eingeladen ist. Ist sie noch da?“
„Nein. Kannst du kommen?“
Charlotte war also weg. Statt dessen war ein kleines Baby im Haus … „Bin gleich da.“
Kein fremdes Fahrzeug war vor Sebastians Haus geparkt, als Matty aus dem Wagen stieg, aber vor der Haustür standen zwei vollgepackte Kartons.
Sie klopfte laut, um das Schreien des Babys, das man von drinnen hören konnte, zu übertönen.
Die Tür öffnete sich sofort. Sebastian sah völlig entnervt aus – eine neue Erfahrung für Matty. Sie konnte sich nicht erinnern, ihn jemals in einem solchen Zustand gesehen zu haben.
Normalerweise schien er immer alles unter Kontrolle zu haben. Nichts schien ihn erschüttern zu können, seine breiten Schultern schienen fähig zu sein, jede Last zu tragen. Sie hatte dieses unglaubliche Selbstvertrauen immer sehr sexy gefunden, aber es gab einer Frau nicht gerade das Gefühl, gebraucht zu werden.
Doch jetzt brauchte er jemanden, und sie war seine Nachbarin.
„Dem Himmel sei Dank, dass du endlich da bist.“ Er machte einen Schritt zur Seite, um sie hereinzulassen.
„Wo ist das Baby?“
„Dort drüben.“ Er deutete auf das Sofa vor dem Kamin. Ein Kinderautositz stand darauf, mit einem sehr lauten Baby darin.
Ihr lagen tausend Fragen auf der Zunge, aber es wäre sinnlos, auch nur eine davon zu stellen, solange sie den Geräuschpegel nicht wenigstens ein bisschen heruntergeschraubt hätten. „Was hast du bist jetzt für das Baby getan?“
„Nichts. Es ist übrigens eine Sie. Elizabeth.“
„Nichts?“ Sie ging zum Sofa. Das Baby wirkte sehr erhitzt.
„Ich hatte Angst, etwas falsch zu machen“, erklärte Sebastian. „Ich kenne mich mit Babys überhaupt nicht aus. Also habe ich erst einmal Holz nachgelegt.“
„Das merkt man.“ Es war ziemlich heiß im Raum. Sie versuchte, die beiden Weingläser, die auf dem Couchtisch standen, ebenso zu ignorieren wie Charlottes durchdringendes Parfüm, das immer noch in der Luft hing. „Wo ist Charlotte?“
„Weg. Sie hat keine Ahnung, wie man mit Babys umgeht.“
Nun, das war immerhin etwas. Das Baby hatte Charlotte in die Flucht geschlagen. „Ich kenne mich eigentlich auch nicht mit Babys aus“, erwiderte Matty. „Aber ich denke, wir sollten Elizabeth aus ihrer Verpackung herausholen oder vom Feuer wegbringen.“
„Aber du nimmst sie auf den Arm, okay?“
Sie unterdrückte ein Lächeln. Endlich, endlich gab es etwas, das Sebastian Daniels verunsicherte. „Okay.“ Kaum jemals hatte sie mit so einem kleinen Baby zu tun gehabt, aber sie wusste, man musste ihnen eine Hand unters Köpfchen legen, wenn man sie hochhob.
Etwas unbehaglich, weil sie sich unsicher fühlte, nahm sie die Kleine auf den Arm und wiegte sie dann sachte. Offenbar wirkte es, denn das Geschrei schien ein bisschen leiser zu werden. Sie trug das kleine Bündel zur anderen Ecke des Raums und setzte sich dort in den Schaukelstuhl.
„Ganz ruhig, Elizabeth“, flüsterte sie beschwörend. „Alles ist gut.“ Vorsichtig begann sie, das Baby aus seinen warmen Kleidern zu schälen.
„Was soll ich tun?“, fragte Sebastian.
„Vielleicht hat sie Hunger.“
„Wieso sagst du das mir, Matty?“
Sie blickte auf. „Es ist sonst niemand da. Wessen Baby ist es denn nun?“
„Darüber können wir später reden, wenn wir sie erst einmal beruhigt haben.“
Interessante Antwort. Außerdem fiel ihr auf, dass sein Haar ganz zerzaust war. Entweder war er sich schon mehrmals mit der Hand durchgefahren, oder jemand anders hatte das getan.
„Ich weiß nicht, wie wir sie sonst beruhigen sollen als durch Füttern“, sagte sie schnell. „Hat ihre Mutter denn nichts da gelassen? Ich meine kein Milchpulver oder so etwas?“
Verblüfft sah er sie an. „Du lieber Himmel, das sollte man eigentlich annehmen. Und nicht nur das, auch Windeln und Strampelanzüge und alles Mögliche.“
„Sebastian, bitte sag es mir endlich, bevor ich vor Neugierde sterbe. Wie, um alles in der Welt, kommt dieses Baby hierher?“
„Es wurde vor dem Haus ausgesetzt.“
Matty erstarrte. „Du machst Witze.“
„Nein.“
„Ich dachte, so etwas passiert nur in Büchern oder Filmen.“ Merkwürdig, dass Sebastian ihrem Blick nun auswich. Normalerweise sah er einem immer in die Augen. Er war ein Mann, der sich Problemen und Personen offen stellte. Plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen, und ihr Magen zog sich zusammen. „Ist es dein Kind?“
Er raufte sich die Haare. „Es könnte sein.“
Oh, nein. Das schmerzte. Die ganze Zeit hatte sie geglaubt, über ihn Bescheid zu wissen. Seine Verabredung mit Charlotte hatte ihr wehgetan, aber zumindest hatte sie geglaubt, es sei die erste Verabredung seit Jahren gewesen. Nun musste sie erfahren, dass er offenbar schon vor Monaten eine Affäre gehabt und dabei vielleicht sogar ein Kind gezeugt hatte.
Tapfer schluckte Matty die bittere Pille. „Und was ist mit der Mutter? Wer ist sie, und warum ist sie nicht hier?“
„Sie ist die Frau, die vor zwei Jahren das Lawinenunglück in Aspen mit uns erlebt hat. Warum sie nicht hier ist, weiß ich nicht. Offenbar hat sie Probleme und muss Elizabeth für eine Weile loswerden.“
Matty erinnerte sich. Sebastian hatte an seinem Geburtstag, kurz nach der Scheidung, einen Skiausflug unternommen. Travis, Boone und Nat hatten ihn zu einem Junggesellen-Wochenende in Aspen überredet. Im Fernsehen hatten sie dann die Nachricht von dem Lawinenunglück in Aspen gebracht. Glücklicherweise war niemand von ihnen verletzt worden. Letztes Jahr waren die Männer wieder nach Aspen gefahren. Ihr Lawinen-Überlebenskünstler-Treffen hatten sie es genannt. Aber vielleicht hatte Sebastian einfach nur seinen Geburtstag mit dieser Frau feiern wollen.
„Wusstest du etwas von dem Kind?“, fragte sie.
Er sah sie schockiert an. „Glaubst du, ich würde eine Frau, die ein Kind von mir bekommt, das alles alleine durchmachen lassen? Natürlich habe ich nichts davon gewusst!“
„Natürlich.“
„Matty, kannst du irgendetwas tun, damit sie nicht mehr so schreit?“
Sie wusste, es war sinnlos, wütend zu werden, aber sie war es trotzdem. Diese Frau gab ihr Baby einfach bei Sebastian ab und verschwand. Dagegen würde sie sonst etwas geben, um ein Baby von Sebastian zu haben. Das Schicksal war ja so ungerecht. Doch einer von ihnen musste jetzt einen klaren Kopf behalten, und Sebastian schien dazu im Moment nicht fähig zu sein.
„Ich schlage vor, du bringst erst einmal die beiden Kartons von draußen herein“, sagte sie. „Ich nehme an, da ist alles drin, was das Kind braucht.“
„Kartons? Wo? Draußen?“
„Ja, zwei.“ Offenbar war er wirklich total durcheinander, dass er die Kartons nicht einmal bemerkt hatte.
Während Sebastian die Kartons hereintrug, fuhr sie damit fort, die Kleine von ihren zu warmen Sachen zu befreien. Es war vielleicht nicht sehr klug, aber sie konnte einfach nicht lockerlassen und fragte: „Hat sie ausdrücklich gesagt, dass du der Vater bist?“