Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Detailreich und fesselnd entreißt der Autor Leben und Wirken eines Mannes dem Vergessen, der als Lehrer seiner Zeit weit voraus war und im Widerstand gegen den Nationalsozialismus Zivilcourage bewies. Am Beispiel von Franz Mair wird der Wandel der Erinnerungskultur in Tirol bis in die späten 90er Jahre aufgezeigt. Aus dem Inhalt: Franz Mair - Eine biographische Skizze Widerstand in Tirol 1938-1944 Die Rolle von Franz Mair in der Tiroler Freiheitsbewegung 1944/45 "Dem Fremdenverkehr geopfert" - Der Streit um die Gedenktafel 1957/58 Die Kontroverse um die Prof.-Franz-Mair-Gasse 1980/81 Das Stadtblatt "recherchiert" - Boulevardjournalismus 1998
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 290
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Horst Schreiber Widerstand und Erinnerung in Tirol 1938-1998
Vorwort
I. Franz Mair — Eine biographische Skizze
1. Die Familie
2. Der Lehrer
2.1. Die Ausbildung
2.2. Der Unterricht
2.3. Die Politik
2.4. Die Wohnung
2.5. Der Klub
3. Der Widerstandskämpfer
3.1. Widerstand in Tirol 1938-1944
3.2. Vor dem Volksgerichtshof in Passau
3.3. Die Rolle von Franz Mair in der Tiroler Freiheitsbewegung 1944/45
3.3.1. Die Befreiung Tirols
3.3.2. Franz Mairs Tod
II. Erinnerungskultur in Tirol am Beispiel von Franz Mair
1. Das Grab
2. Die Kontroverse um die Prof.-Franz-Mair-Gasse 1980/81
3. Die Gedenktafel — ein Stein des Anstoßes?
3.1. Tirol im „ununterbrochenen Widerstandskampf” — Die Gedenkfei Qu 8. Mai 1946
3.2. „Dem Fremdenverkehr geopfert” — Der Streit um die Gedenktafel 1957/58
3.3. Das Stadtblatt „recherchiert” — Boulevardjournalismus 1998
Anmerkungen
Quellen- und Literaturverzeichnis
Verzeichnis der Abkürzungen
Bildnachweis
© 2000 by Studienverlag Ges.m.b.H., Erlerstraße 10, A-6020 Innsbruck
E-Mail: [email protected]
Internet: www.studienverlag.at
Satz und Umschlag: Studienverlag/Eliane Freina
Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
ISBN 978-3-7065-5745-0
Dieses Buch erhalten Sie auch in gedruckter Form mit hochwertiger Ausstattung in Ihrer Buchhandlung oder direkt unter www.studienverlag.at
Was bewegt einen Historiker dazu, über einen Menschen zu forschen, der seit 55 Jahren tot ist? Diese Frage erinnert an Kommentare, die eine Legitimierung der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus — schon wieder diese Zeit — einfordern, während die Sinnhaftigkeit des hundertsten Werkes über Maria Theresia, Sisi und Andreas Hofer nicht angezweifelt wird. Mit welchen historischen Zeiten man sich in Tirol gerne bzw. nur wider Willen beschäftigt, läßt sich anhand der wissenschaftlichen Publikationen unschwer erkennen. Bis vor 10 bis 15 Jahren wurde die NSZeit kaum thematisiert, mittlerweile gibt es darüber eine Reihe von Veröffentlichungen, die aber noch weit davon entfernt sind, die großen Forschungslücken zu schließen. Selbst der Tiroler Widerstand, über den Johann Holzner bereits 1971 eine Untersuchung vorgelegt hat, ist noch lange nicht in all seinen vielfältigen Facetten erforscht. Am Beispiel Franz Mairs, eines Exponenten der Tiroler Freiheitsbewegung, soll aber nun ein weiterer Schritt in diese Richtung unternommen werden. Dies erscheint auch deshalb dringlich, weil zwar die Gedenktafel am Alten Landhaus und eine Gasse in Innsbruck an ihn erinnern, ansonsten aber über sein Leben und Wirken kaum etwas bekannt ist. Zum anderen will die vorliegende Studie der Frage nachgehen, was Prof. Mair als Lehrer so auszeichnete, weshalb derartig viele seiner ehemaligen Schüler von ihm schwärmen. Die Konfrontation mit der Person Mairs interessiert nicht nur wegen des Widerstandes zwischen 1938 und 1945 bzw. wegen der Auseinandersetzung mit dem Verhalten der Lehrerinnen und ihrer Pädagogik zu dieser Zeit. Die Beschäftigung mit den Feiern und den zum Teil heftigen Diskussionen über die Person Mairs lassen die Leitlinien der Tiroler Erinnerungskultur zu Nationalsozialismus und Widerstand nach 1945 sichtbar werden.
Das I. Kapitel versucht die Wurzeln Mairs, seine Persönlichkeit, seinen beruflichen Werdegang und die Charakteristika seines Unterrichtens darzustellen, um schließlich seine Tätigkeit als Widerstandskämpfer zu schildern, eingebettet im gesamttiroler Widerstand. Besonderes Augenmerk wird dem Volksgerichtsprozeß Mairs sowie den Umständen seines Todes geschenkt. Das II. Kapitel geht der Frage nach der Bedeutung der Tiroler Freiheitsbewegung und ihrer Verdienste nach, wobei die Vereinnahmung Mairs für den offiziellen Opfermythos Tirols, das sich generell als antinationalsozialistischer Hort des Widerstandes stilisierte, herausgearbeitet wird. Ferner untersucht die Studie am Beispiel Mairs, in welcher Form und mit welchen Inhalten an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus erinnert wurde bzw. inwiefern diese Erinnerungskultur einem Wandel unterlag. Die Streitigkeiten wegen der geplanten Umbenennung der Angerzellgasse in Prof. Franz-Mair-Gasse und die Turbulenzen rund um die Gedenktafel am Alten Landhaus geben aber nicht nur darüber pointiert Auskunft, sie ermöglichen auch einen Einblick in die dementsprechende Geisteshaltung der offiziellen Landespolitik und die Einstellung der politischen Elite Innsbrucks zu dieser Frage. Abschließend wird dargelegt, wie heutzutage ein pseudoinvestigativer Boulevardjoumalismus ohne ernsthafte Recherche versucht, den Widerstand in Tirol undifferenziert in Frage zu stellen, sodaß dabei Menschen wie Franz Mair in die Nähe der Verunglimpfung geraten.
Franz Josef Maria Mair wurde am 29. Oktober 1910 in Niederndorf bei Kufstein, Dorf 55, geboren, wo er seine ersten Lebensjahre verbrachte. Er kam als drittes von vier Kindern des Johann Mair und der Berta Kollmann auf die Welt. Seine Eltern, beide Jahrgang 1873, hatten im November 1906 die Ehe geschlossen. Über das Verhältnis zu seinen Eltern und den drei Brüdern, Hans (1907-1944), Max (1908-1995) und Karl (1913-1983), ist wenig bekannt. Vater Johann, der aus Schlanders, Südtirol, stammte, war Gendarmeriebezirksinspektor und als solcher um einen besonders korrekten Umgang in der Öffentlichkeit besorgt. Die Spontaneität seines Sohnes und dessen unkonventionelle Lebensart dürften ihm nicht sonderlich behagt haben. 1915 wurde der Vater von Niederndorf nach Amras versetzt, wo die Familie in Amras 67 bis Oktober 1933 wohnte. Dann übersiedelte die Familie Mair in die Museumstraße 16/1, Stöcklgebäude. Ihre Abmeldung von Amras erfolgte Mitte Dezember 1933.1
Franz Mair besuchte die erste Klasse Volksschule in Amras, die restlichen drei in der Pradler Volksschule. Während die Beziehung des Sohnes mit dem Vater als korrekt bzw. distanziert bezeichnet werden kann, übte die Mutter einen bedeutenden Einfluß auf Franz aus. Sie war sehr bemüht, die Kinder in einer großbürgerlichen Atmosphäre aufwachsen zu lassen. Ein Mitschüler, der öfter bei Mairs zu Gast war, erinnert sich an Berta Mair als eine Frau, die sich „zu Höherem“ berufen fühlte.2 Sie war die Tochter des Georg Kollmann, der als Oberlandesgerichtskanzleirat in Nürnberg beschäftigt war.3
Franz wuchs jedenfalls in einer Familie auf, in der aufgrund der mütterlichen Erziehung großer Wert auf Bildung, Kunst und Kultur gelegt wurde. Seine Mutter war eine ausgebildete Opernsängerin, die auch gut Klavier spielen konnte und ein Hauptaugenmerk auf die Förderung der musikalischen Talente ihrer Kinder legte.4 Dies blieb für den weiteren Lebensweg von zumindest zwei der vier Söhne nicht ohne Auswirkungen. Der älteste Sohn, Hans Mair, arbeitete in der Musikbranche. Herbert Buzas bezeichnet ihn als freischaffenden Impressario, als eine Art Kulturmanager, der Künstler wie etwa den äußerst populären lyrischen Tenor Joseph Schmidt, für Auftritte in Innsbruck engagierte. Buzas traf Hans Mair noch einmal während des Krieges in Jugoslawien, wo er beim Radiosender Belgrad gearbeitet haben soll. Hans Mair fiel am 24. Oktober 1944.5
Franz selbst war völlig hingerissen von der Musik, die auch in seinem Unterricht und bei der Begegnung mit seinen Schülern außerhalb der Schule eine hervorragende Rolle einnahm. Er spielte ausgezeichnet Klavier, begeisterte sich für klassische Musik und liebte die Oper leidenschaftlich. Auch dem Jazz konnte er einiges abgewinnen. Darüber hinaus versuchte er sich als Komponist und bewies dabei ein ausgeprägtes Talent. Nach Mairs Tod kam sein romantischer Liederzyklus zur öffentlichen Aufführung im Inund Ausland. Mair war aber auch in der leichten Muse als Förderer der Jugend tätig. So betreute er noch als Englisch-Student einen Schüler im Realgymnasium am, Adolf Pichlerplatz. Eric Given, so der Name des am 30. Jänner 1918 geborenen jungen Mannes, war evangelisch, in Berkeley, Kalifornien, als Sohn eines amerikanischen Journalisten auf die Welt gekommen und mit seiner Mutter Johanna, die Wilhelm Zangerle heiratete, nach Innsbruck gezogen. Er besaß die amerikanische Staatsbürgerschaft und wurde von Mair als einer der Jüngsten in den Kreis seiner Mitstudenten eingeführt. Mair förderte seinen Schützling, mit dem er neben dem Interesse für die angloamerikanische Kultur und Sprache die Musikbegeisterung teilte, gerade in musikalischer Hinsicht. Völlig uneigennützig unterstützte Mair Given in seinen kompositorischen Bemühungen. So um das Jahr 1935 wurden im Radio zwei Schlager gesendet (Mein schönstes Liebeslied; Bin nur ein kleiner Fußsoldat!), die offiziell Eric Given als Komponisten auswiesen. Der Texter war Herbert Buzas. In Wirklichkeit stammten die Arrangements zum größten Teil aus Mairs Feder, der in diesem musikalischen Dreierteam völlig in den Hintergrund trat, jedoch das volle finanzielle Risiko trug. Mairs Herz und Ehrgeiz lagen jedoch in erster Linie im klassischen Bereich. Eric Given, der nach seinem Frankreichaufenthalt eine Bleibe in Innsbruck suchte, konnte von Mai bis Ende August 1939 bei Mair wohnen. Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges veranlaßte ihn schließlich, in die USA zu gehen. Nach dem Krieg arbeitete er in Wien als amerikanischer Besatzungssoldat auf dem kulturellen Sektor. Mehrmals reiste er nach Innsbruck, das letzte Mal Anfang der 90er Jahre, um sich bei Buzas nach Mair zu erkundigen. Er zeigte sich sehr bewegt über den Tod Mairs, den er sehr verehrte.6 Mit Bezug auf Mairs kulturellem Interesse war 1946 in einem Nachruf auf ihn in der „Tiroler Tageszeitung“ zu lesen:
„Er war ein leidenschaftlicher Sportler. Auch hatte er ein offenes Auge und einen aufgeschlossenen Sinn für die Schönheit der Natur und der Kunst. Bei seinen Wanderungen mag der musikbegabte Professor wohl jene wundersamen Melodien erlauscht haben, die er in seine klangvollen Lieder bannte. Darüber hinaus schuf er noch mehrere unvollendete Werke, die er nach dem Kriege niederschreiben wollte. Es war ihm jedoch nicht mehr vergönnt, den Klang der Friedensglocken zu hören. So mußte er seine Werke mit in die Ewigkeit nehmen. “7
Schon in jungen Jahren offenbarte sich Mairs soziales Engagement. Sein Lebenssinn und seine Persönlichkeit entwickelten sich in seinem Einsatz für andere. Auf diese Weise konnte er sich geben, um noch mehr zu empfangen. In seinem Wirken fehlte das karitativ Selbstlose, das den Helfenden über den Hilfesuchenden stellt und diesen unterschwellig erniedrigt. Geprägt von Solidarität und Empathie unterstützte er seine Umwelt, vor allem seine Schüler, um sich so auch selbst Gutes zu tun. Da er keiner Dankbarkeit bedurfte und sie auch nicht erwartete, erntete er höchste Wertschätzung. Einfluß auf die Herausbildung einer solchen Lebenseinstellung und Geisteshaltung hatte sicherlich auch die Situation in der Familie. Seine Mutter, die Franz sehr verehrte und die seine musisch-künstlerische Schwärmerei, das warmherzig Sensible und Mitfühlende zu entwickeln geholfen hatte, war jahrelang leidend. Er stand ihr zur Seite und begleitete sie bis zu ihrem Tod. Sie starb im Alter von 65 Jahren am 31. Juli 1938.8 Mair war zu diesem Zeitpunkt 27 Jahre alt und wohnte nach seiner zweijährigen Lehrtätigkeit in Kufstein wieder in der elterlichen Wohnung in der Museumstraße, wo er auch bis zu seiner Ermordung im Mai 1945 verblieb. Ausschlaggebend dafür war zunächst neben der Sorge um die Mutter auch seine Mittellosigkeit. Nach dem Tod der Mutter kümmerte sich Franz um den pensionierten, etwas griesgrämigen und grantelnden Vater, vor allem aber um seinen jüngsten Bruder Karl, der die Handelsakademie besucht hatte und im Alter von 22 Jahren schizophren und erwerbsunfähig geworden war. Mair bestritt den größten Teil des Lebensunterhaltes seines Bruders. 1940-1943 war Karl in der Nervenheilanstalt Hall untergebracht. Da Primar Ernst Klebelsberger diagnostizierte, daß eine Besserung des gesundheitlichen Zustandes nicht zu erwarten war, holte ihn Franz wieder nach Hause. Dies war schon deshalb dringend angeraten, da sonst die Aufnahme Karls ins Euthanasie-Tötungsprogramm der Nationalsozialisten gedroht hätte.9
Nach dem Tod von Franz Mair am 6. Mai 1945 erhob sich die Frage der Versorgung Karls. Der Antrag des Vaters auf Gewährung einer Geschwisternrente im Rahmen des Opferfürsorgegesetzes schien vorerst trotz Befürwortung durch das Landesinvalidenamt nicht möglich, da das Bundesgesetz eine Elternlosigkeit voraussetzte. Der sozialdemokratische Landeshauptmannstellvertreter Franz Hüttenberger setzte allerdings einen Regierungsbeschluß durch, der für eine monatliche Unterstützung aus öffentlichen Mitteln sorgte. Das Bundesministerium für soziale Verwaltung erteilte schließlich einen positiven Bescheid. Der Vater wäre zwar nicht physisch tot, aufgrund seines Alters und seines geringen Einkommens könne man jedoch „im Sinne der Alimentationsfähigkeit von einer Elternlosigkeit“ sprechen.10 Bis zum Tod seines Vaters am 27. Juli 1955 wohnte Karl, immer wieder von Aufenthalten im St. Josef Institut in Mils bzw. im Landesnervenkrankenhaus Hall unterbrochen, in dessen Wohnung, die aus drei Zimmern, einem Kabinett und der Küche bestand. Dort lebte auch sein Bruder Max nach seiner Rückkehr aus der russischen Kriegsgefangenschaft. Dieser war es auch, der schließlich die Vormundschaft über den Bruder übernahm und sich um ihn kümmerte. Am 14. September 1983 starb Karl nach einem Harnweginfekt im Landesnervenkrankenhaus Hall.11
Franz Mair besuchte nach der Volksschule den Realzweig am „Akademischen Gymnasium“ (damals Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium). In der Schule wie auch im Studium fiel Mair leistungsmäßig nicht sonderlich auf. Notenmäßig war er ein Durchschnittsschüler, der nie gefährdet war, aber auch nicht herausragte.12 Mitschüler erinnern sich aber an ihn als einen äußerst witzigen jungen Menschen mit einem trokkenen Humor, der die Klasse mit geistreichen und lustigen Sprüchen unterhielt. Charakteristisch für ihn war seine „ironisch-kritische“ Art.13 Mair war zwar in der Schulgemeinschaft durchaus integriert, in einem festen, engen Freundeskreis fand er sich als Individualist nicht wieder. Er erweckte den Eindruck eines träumerisch veranlagten Jugendlichen mit einem ausgeprägten Hang zur Musik, der sich von seinen Altersgenossen darin unterschied, daß er über eine sehr gewählte Sprache verfügte und keinen Dialekt verwendete. Er strahlte sozusagen den Flair eines Künstlers aus.14 Im Alter von 30 Jahren war Mair 174 cm groß und wog 73 kg. In seinem Wehrstammbuch wird er als „schlank, blond-meliert, Augen grau, Nase und Mund normal“ beschrieben.15 Eine junge Nachhilfeschülerin charakterisiert sein Aussehen folgendermaßen: „[...] die dicke große Nase, die halbkugelige Stirnglatze mit dem spärlichen Flaumhaar, die blitzenden Koboldäuglein, von geschwollenen Lidern fast verdeckt, die groben Wangenfalten. Das ist unverkennbar Franz, genannt ‘Englisch-Mair’ [...].“16
Franz Mairs weltanschauliche Sozialisation ist nicht zuletzt aufgrund der schwierigen Quellenlage schwer nachzuvollziehen. Besonders seine Einstellung zu Glaube und Kirche war widersprüchlich. Die Marianische Kongregation (MK) spielte im Schulleben des „Akademischen Gymnasiums“ eine wichtige Rolle. Während sein Mitschüler Herbert Buzas keine Erinnerung an ihn in der MK hat, hebt ein anderer Mitschüler, Fritz Lederbauer, hervor, daß er von Mair angeworben wurde. Er habe ihm sozusagen „die Türe geöffnet“. Lederbauer betont, daß eine der Hauptattraktivitäten der MK unter Pater Josef Miller in den für damalige Verhältnisse guten Freizeitmöglichkeiten lag. Mair nutzte dort die Gelegenheit, um Theater zu spielen und Schlager zu komponieren, die dann gemeinsam gesungen wurden. Als Lehrer zeigte Mair jedenfalls keine sonderlich religiöse Gesinnung, auch wenn ihn die Nationalsozialisten als klerikal mit kirchlichen Bindungen einstuften. Diese Einschätzung dürfte vor allem mit Mairs Mitgliedschaft in der Finkenschaft zusammenhängen, in der er sich aber auch nur für kurze Zeit als junger Student engagiert haben dürfte. Das Wissen über die Finkenschaft ist bescheiden. Es handelte sich um einen Zusammenschluß von Studenten, die nicht korporiert waren und nicht erfaßt werden wollten, also auch den üblichen Pflichten im CV nicht nachkommen wollten. Finke war ursprünglich der Spott- und Schimpfname für nicht Farben tragende Studenten, die die straffe, verbindungsmäßige Ordnung ablehnten, sich aber angesichts des äußeren Druckes selbst gezwungen sahen, sich zu organisieren. Der Ausdruck Finke wurde bewußt zur Abhebung von den korporierten Studenten verwendet und zu einem Ehrentitel umgestaltet. Nach dem Ersten Weltkrieg zerfiel die Finkenschaft in diverse Organisationen nationaler und katholischer Natur. In der politischen Ausrichtung lassen sich die österreichischen Finken am ehesten als katholisch-deutsch, proösterreichisch im Sinne des „Ständestaates“ charakterisieren. Daneben gab es auch deutsch-nationale und liberal-demokratische Tendenzen. In diesem politischen Spannungsfeld dürfte sich der junge Mair von seiner Weltanschauung her bewegt haben, darauf deutet auch sein gewähltes Dissertationsthema über Arthur von Wallpach hin. Leider ist seine Dissertation verschollen. Im Gutachten stellte Germanistikprofessor Moritz Enzinger fest:
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!