Wie ein einziger Tag - Nicholas Sparks - E-Book
SONDERANGEBOT

Wie ein einziger Tag E-Book

Nicholas Sparks

4,4
9,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 9,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Allie und Noah sind siebzehn und verlieben sich auf den ersten Blick ineinander. Doch nach einem wunderschönen gemeinsamen Sommer muss Allie mit ihrer Familie den verträumten Urlaubsort verlassen. Vierzehn Jahre lang hört Noah nichts mehr von ihr. Dann steht Allie plötzlich wieder vor ihm: Sie ist mittlerweile verlobt, doch vor der Hochzeit will sie noch einmal den Mann sehen, den sie nie vergessen konnte ...

Jubiläumsausgabe mit persönlichem Vorwort des Autors, wunderschönem Lesezeichen und Zusatzcontent

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 242

Bewertungen
4,4 (96 Bewertungen)
59
21
16
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Das Buch

Ein Mann nimmt ein schon abgegriffenes Tagebuch in die Hände und liest einer zerbrechlichen alten Dame daraus vor. Seine Worte beschwören die ergreifende Liebesgeschichte zweier junger Menschen herauf, die füreinander bestimmt schienen – Noah und Allie. So beginnt Wie ein einziger Tag, eine Geschichte über gefundenes und verlorenes Liebesglück und über den unbändigen Wunsch des Mannes, zum Herzen dieser Frau vorzudringen und ihre Erinnerungen an die schönste Zeit des Lebens noch einmal wachzurufen.

»Einen schöneren Abend im Schaukelstuhl als mit Sparks’ sinnlichem Roman über die lange Liebe eines langen Lebens kann man sich kaum machen.«

Die Welt

Der Autor

Nicholas Sparks, 1965 in Nebraska geboren, lebt mit seiner Frau und den fünf gemeinsamen Kindern in North Carolina. Mit seinen gefühlvollen Romanen, die ausnahmslos die Bestsellerlisten eroberten und weltweit in 47 Ländern erscheinen, gilt Nicholas Sparks als einer der meistgelesenen Autoren der Welt. Viele seiner Bestseller wurden erfolgreich verfilmt, 2004 auch Wie ein einziger Tag.

Alle Bücher von Nicholas Sparks sind bei Heyne erschienen. Ein ausführliches Werkverzeichnis finden Sie am Ende dieses Buches.

Große Autorenwebsite unter www.nicholas-sparks.de.

Inhaltsverzeichnis

Über den AutorWidmungWunderGespenster Wiedersehen Anrufe Kajaks und vergessene Träume Bewegte Wasser Schwäne und Stürme Im Gericht Ein unerwarteter Besuch Scheideweg Ein Brief von gestern Winter für zwei Danksagung Bonusmaterial
Der Autor
1. Biografie 2. Leser fragen – Nicholas Sparks antwortet
Das Werk
1. Pressestimmen 2. Bücher
Wie ein einziger Tag Weit wie das Meer Zeit im Wind Das Schweigen des Glücks Die Suche nach dem verborgenen Glück (zusammen mit Billy Mills) Weg der Träume Das Lächeln der Sterne Du bist nie allein Ein Tag wie ein Leben Nah und fern (zusammen mit Micah Sparks) Die Nähe des Himmels Das Wunder eines Augenblicks Das Leuchten der Stille Bis zum letzten Tag Für immer der Deine Mit dir an meiner Seite Wie ein Licht in der Nacht
Copyright

Dieses Buch ist mit Liebe Cathy, meiner Frau und Freundin, gewidmet.

Wunder

Wer bin ich? Und wie, so frage ich mich, wird diese Geschichte enden?

Die Sonne geht auf, und ich sitze an einem Fenster, das beschlagen ist vom Atem eines vergangenen Lebens. Einen schönen Anblick biete ich heute Morgen! Zwei Hemden, eine warme Hose, ein Schal, zweimal um den Hals gewickelt und hineingesteckt in einen dicken Wollpullover, den meine Tochter mir vor dreißig Jahren zum Geburtstag gestrickt hat. Der Thermostat in meinem Zimmer ist so hoch gestellt wie möglich, und gleich hinter mir befindet sich noch ein kleiner Heizofen. Er knackt und ächzt und speit heiße Luft wie ein Märchendrache, und doch zittert mein Körper noch immer vor Kälte, einer Kälte, die nicht von mir weichen will, einer Kälte, die sich achtzig Jahre lang in mir ausgebreitet hat. Achtzig Jahre, denke ich so manches Mal, und obwohl ich mich längst mit meinem Alter abgefunden habe, wundert es mich immer noch, dass ich seit dem Tag, da George Bush Präsident wurde, nicht mehr am Steuer eines Autos saß. Ich frage mich, ob es jedem in meinem Alter so ergeht.

Mein Leben? Es ist nicht leicht zu erklären. Sicher war es nicht so aufsehenerregend, wie ich es mir erträumt hatte, doch hat es sich auch nicht im unteren Drittel abgespielt. Es lässt sich wohl am besten mit einer sicheren Aktie vergleichen, stabil, mehr Höhen als Tiefen, und langfristig gesehen mit Aufwärtstrend. Ein guter Kauf, ein glücklicher Kauf, was wohl nicht jeder von seinem Leben behaupten kann. Doch lassen Sie sich nicht irreführen. Ich bin nichts Besonderes, gewiss nicht. Ich bin ein gewöhnlicher Mann mit gewöhnlichen Gedanken, und ich habe ein ganz gewöhnliches Leben geführt. Mir wurden keine Denkmäler gesetzt, und mein Name wird bald vergessen sein, doch ich habe jemanden geliebt, mit Herz und Seele, und das war mir immer genug.

Die Romantiker würden es eine Liebesgeschichte nennen, die Zyniker eine Tragödie. Für mich ist es ein bisschen von beidem, und ganz gleich, wie man es letztendlich bezeichnet, es ändert doch nichts an der Tatsache, dass es um einen großen Teil meines Lebens geht und den Weg, den ich gewählt habe. Ich kann mich nicht beklagen über diesen Weg und die Stationen, an die er mich geführt hat; über andere Dinge vielleicht, doch der Weg, den ich gewählt habe, war immer der richtige, und ich würde mich immer wieder für ihn entscheiden.

Die Zeit macht es einem leider nicht leicht, beharrlich seinen Weg zu gehen. Doch auch wenn der Weg immer noch gerade verläuft, so ist er jetzt mit Geröll übersät, das sich im Verlauf eines Lebens nun einmal anhäuft. Bis vor drei Jahren wäre es leicht gewesen, darüber hinwegzusehen, jetzt aber ist es unmöglich. Eine Krankheit hat meinen Körper erfasst; ich bin nicht mehr stark und gesund, und ich verbringe meine Tage wie ein alter Luftballon, schlaff, porös, immer weicher mit der Zeit.

Ich huste und schaue blinzelnd auf meine Uhr. Ich sehe, es ist Zeit. Ich erhebe mich aus meinem Sessel am Fenster, schlurfe durchs Zimmer, halte am Schreibtisch inne, um mein Tagebuch an mich zu nehmen, das ich wohl schon hundertmal gelesen habe. Ich blättere nicht darin. Ich klemme es mir unter den Arm und bin schon unterwegs zu dem Ort, zu dem ich gehen muss.

Ich laufe durch geflieste Flure, weiß mit grauen Sprenkeln. Wie mein Haar und das Haar der meisten Menschen hier, obwohl ich heute Morgen der einzige auf dem Korridor bin. Sie sind in ihren Zimmern, allein mit ihrem Fernseher, aber sie sind, wie ich, daran gewöhnt. Ein Mensch kann sich an alles gewöhnen, man muss ihm nur genug Zeit lassen.

In der Ferne höre ich gedämpftes Weinen, und ich weiß genau, von wem diese Geräusche kommen. Dann sehen mich die Krankenschwestern, und wir lächeln uns zu, tauschen Grüße. Sie sind meine Freunde, und wir unterhalten uns oft. Ich bin sicher, sie wundern sich über mich und über das, was ich Tag für Tag durchmache. Im Vorübergehen höre ich sie miteinander flüstern. »Da ist er wieder«, höre ich. »Ich hoffe, es nimmt ein gutes Ende.« Doch sie sprechen mich nie direkt darauf an. Sicher glauben sie, es würde mir wehtun, so früh am Morgen darüber zu sprechen, und da sie mich kennen, haben sie gewiss Recht.

Kurz darauf bin ich bei dem Zimmer angelangt. Die Tür steht offen für mich, wie immer. Es sind noch zwei Krankenschwestern darin, und auch sie lächeln, als ich eintrete. »Guten Morgen«, sagen sie mit fröhlicher Stimme, und ich nehme mir einen Augenblick Zeit, frage nach den Kindern, nach der Schule, den bevorstehenden Ferien. Wir sprechen vielleicht eine Minute, ohne auf das Weinen einzugehen. Sie scheinen es nicht wahrzunehmen; sie sind dagegen taub geworden, wie ich letztlich auch.

Danach sitze ich in dem Sessel, der sich meinem Körper angepasst hat. Sie sind jetzt fertig, und sie ist angezogen, aber sie weint noch immer. Ich weiß, sie wird sich beruhigen, wenn sie gegangen sind. Die morgendliche Hektik verstört sie jedesmal, und heute ist keine Ausnahme. Schließlich wird das Rollo hochgezogen, und die Schwestern gehen. Beide lächeln und berühren mich im Vorbeigehen. Ich frage mich, was das zu bedeuten hat.

Ich sitze da und sehe sie an, doch sie erwidert meinen Blick nicht. Das ist verständlich, denn sie weiß nicht, wer ich bin. Ich bin ein Fremder für sie. Ich wende mich, den Kopf gesenkt, ab und bitte Gott um die Kraft, die ich brauchen werde. Ich habe immer an Gott geglaubt, an Gott und an die Macht des Gebetes, obwohl mein Glaube, wenn ich ehrlich bin, eine Reihe von Fragen hat aufkommen lassen, die ich gern beantwortet hätte, wenn ich einmal gegangen bin.

Fertig jetzt. Die Brille aufgesetzt. Die Lupe aus der Tasche gezogen. Ich lege sie einen Augenblick auf den Tisch, während ich das Tagebuch aufschlage. Zweimal über die Kuppe des knotigen Fingers geleckt, um den abgenutzten Deckel zu wenden und die erste Seite aufzuschlagen. Dann die Lupe darübergehalten.

Kurz bevor ich anfange zu lesen, kommt jedesmal ein Augenblick, in dem mir der Atem stockt und ich mich frage, wird es diesmal geschehen? Ich weiß es nicht, ich weiß es nie vorher, und im Grunde ist es auch nicht wichtig. Es ist die Möglichkeit, nicht die Gewissheit, die mich fortfahren lässt, eine Wette mit mir selbst, könnte man sagen. Und auch wenn Sie mich für einen Träumer oder Narren oder sonstwas halten, glaube ich, dass alles möglich ist.

Alles spricht dagegen, das ist mir klar, vor allem die Wissenschaft. Doch Wissenschaft ist nicht die ganze Antwort, das weiß ich, das hat mich das Leben gelehrt. Und deshalb glaube ich, dass Wunder, wie unerklärlich, wie unglaublich sie auch sind, wirklich geschehen können, ungeachtet der natürlichen Ordnung der Dinge.

Und so beginne ich wieder, wie jeden Tag, laut aus meinem Tagebuch vorzulesen, damit sie es hören kann, in der Hoffnung, dass das Wunder, das mein Leben beherrscht, noch einmal wahr wird.

Und vielleicht, ja, vielleicht wird es diesmal geschehen.

Gespenster

Es war Anfang Oktober 1946, und Noah Calhoun beobachtete auf seiner Veranda, wie die Sonne sich langsam neigte. Er saß gern abends hier, vor allem nach einem harten Arbeitstag; dann ließ er seine Gedanken schweifen, ließ ihnen freien Lauf. So entspannte er – eine Gewohnheit, die er von seinem Vater übernommen hatte.

Besonders gern betrachtete er die Bäume, die sich im Fluss spiegelten. Die Bäume in North Carolina sind atemberaubend in ihrer Herbstfärbung – Grün, Gelb, Rot und Orange in allen denkbaren Schattierungen. Ihre Farbenpracht leuchtet im späten Sonnenlicht, und wohl zum hundertsten Male fragte sich Noah Calhoun, ob die ersten Bewohner des Hauses ihre Abende mit ähnlichen Gedanken zugebracht hatten.

Das Hauptgebäude, 1772 errichtet, hatte zu einer Plantage gehört und zählte zu den ältesten und größten Landhäusern in New Bern. Noah hatte es gleich nach dem Krieg gekauft und die letzten elf Monate sowie ein kleines Vermögen gebraucht, um es zu renovieren. Ein Reporter von der Raleigher Tageszeitung hatte vor wenigen Wochen in einem Artikel darüber berichtet und geschrieben, es seien die gelungensten Renovierungsarbeiten, die er je gesehen habe. Das mochte zutreffen, wenigstens für das Haus. Der restliche Besitz war eine andere Geschichte, und damit hatte Noah die meisten Stunden des Tages zugebracht.

Zum Haus gehörte ein etwa zehn Hektar großes Grundstück, das an den Fluss, den Brices Creek, grenzte. An den anderen drei Seiten musste der Holzzaun ausgebessert, nach Trockenfäule oder Termiten abgesucht und an manchen Stellen völlig erneuert werden. Damit war er die letzten Tage vor allem beschäftigt gewesen, und es gab noch eine Menge zu tun, besonders an der Westseite. Als er vor einer halben Stunde sein Werkzeug zur Seite legte, hatte er sich vorgenommen, beim Lager anzurufen und eine weitere Holzlieferung zu bestellen. Er ging ins Haus, trank ein Glas gesüßten Tee und duschte. Er duschte jeden Abend, und mit dem Wasser wurden sowohl der Schmutz als auch die Müdigkeit fortgespült.

Danach kämmte er sein Haar zurück und schlüpfte in saubere verblichene Jeans und ein langärmeliges blaues Hemd. Er schenkte sich ein weiteres Glas Tee ein und ging auf die Veranda zurück, wo er sich, wie jeden Abend, niederließ.

Er streckte die Arme aus, über den Kopf, dann zu beiden Seiten und rollte kräftig mit den Schultern, auch das eine alte Gewohnheit. Er fühlte sich gut, sauber und frisch. Seine Muskeln waren müde und würden morgen etwas schmerzen, doch er war zufrieden mit dem, was er an diesem Tag geleistet hatte.

Er griff nach seiner Gitarre, dachte dabei an seinen Vater und wie sehr er ihm fehlte. Er schlug langsam einen Akkord an, stimmte zwei Saiten nach, schlug einen weiteren Akkord an. Dann begann er zu spielen. Sanfte Klänge, ruhige Klänge. Er summte eine Weile und fing erst, als die Dämmerung hereinbrach, laut zu singen an. Er spielte und sang, bis der Himmel vollständig dunkel war.

Es war kurz nach sieben, als er die Gitarre zur Seite legte. Er nahm wieder in seinem Schaukelstuhl Platz und wiegte sich langsam vor und zurück. Und wie immer blickte er hinauf, sah den Orion, den Großen Bären, die Zwillinge und den Polarstern am Herbsthimmel schimmern.

Er rechnete im Kopf seine Ausgaben zusammen, hielt dann inne. Er hatte fast seine gesamten Ersparnisse für das Haus aufgebraucht und würde bald eine neue Stellung suchen müssen. Doch er schob den Gedanken beiseite und beschloss, die restlichen Monate der Hausrenovierung zu genießen, statt sich Sorgen zu machen. Die Rechnung würde schon aufgehen, so wie immer. Außerdem langweilte es ihn, über Gelddinge nachzudenken. Er hatte schon früh gelernt, sich an den einfachen Dingen des Lebens zu erfreuen, an Dingen, die nicht käuflich sind, und es fiel ihm schwer, Menschen zu verstehen, die anders dachten und fühlten. Auch das war ein Charakterzug, den er von seinem Vater hatte.

Seine Jagdhündin Clem kam herüber und beschnupperte seine Hand, bevor sie sich zu seinen Füßen niederließ. »He, Mädchen, alles in Ordnung?« Er streichelte ihren Kopf, und sie winselte zur Antwort, die sanften runden Augen auf ihn gerichtet. Bei einem Autounfall war ihr ein Hinterbein überfahren worden, doch sie konnte trotzdem noch ganz gut laufen und leistete ihm an ruhigen Abenden wie diesem Gesellschaft.

Er war jetzt einunddreißig, nicht zu alt, doch alt genug, um einsam zu sein. Er war nicht mehr ausgegangen, seitdem er wieder hierher zurückgekommen war, hatte niemanden kennengelernt, der ihn interessierte. Es war seine Schuld, das wusste er. Es gab etwas, das einen Abstand zwischen ihm und jeder Frau entstehen ließ, die ihm näherkommen wollte, etwas, das er nicht glaubte ändern zu können, selbst wenn er es gewollt hätte. Und manchmal, kurz vor dem Einschlafen, fragte er sich, ob es sein Schicksal war, für immer allein zu sein.

Der Abend blieb angenehm warm. Noah lauschte den Grillen und dem Rauschen der Blätter und dachte, dass die Laute der Natur wirklicher waren und tiefere Gefühle auslösten als Dinge wie Autos und Flugzeuge. Natürliche Dinge gaben mehr, als sie nahmen, und ihre Geräusche erinnerten ihn stets daran, wie der Mensch eigentlich sein sollte. Es hatte Zeiten gegeben während des Krieges, vor allem nach einem Großangriff, in denen er sich oft diese simplen Geräusche vorgestellt hatte. »Es wird dir helfen, nicht den Verstand zu verlieren«, hatte ihm sein Vater am Tag seiner Einschiffung gesagt. »Es ist Gottes Musik, und sie wird dich heil zurückbringen.«

Er trank seinen Tee aus, trat ins Haus, holte sich ein Buch und machte, als er wieder nach draußen ging, das Verandalicht an. Er setzte sich und betrachtete das Buch auf seinem Schoß. Es war alt, der Deckel war halb zerfetzt, und die Seiten waren mit Wasser- und Schmutzflecken übersät. Grashalme von Walt Whitman, er hatte den Band während der ganzen Kriegsjahre bei sich gehabt. Einmal hatte das Buch sogar eine für ihn bestimmte Kugel abgefangen.

Er strich über den Einband, wischte den Staub ab. Dann schlug er das Buch aufs Geratewohl auf und begann zu lesen:

Dies ist deine Stunde, o Seele, dein freier Flug in das Wortlose,

Fort von Büchern, fort von der Kunst, der Tag ausgelöscht, die Aufgabe getan,

Du tauchst empor, lautlos, schauend, den Dingen nachsinnend, die du am meisten liebst,

Nacht, Schlaf, Tod und die Sterne

Er lächelte still vor sich hin. Irgendwie erinnerte Whitman ihn immer an New Bern, und er war froh, wieder hier zu sein. Vierzehn Jahre war er von hier fort gewesen, dennoch war dies seine Heimat, und er kannte eine Menge Leute hier, hauptsächlich aus seiner frühen Jugend. Das war nicht verwunderlich. Wie in so vielen Städten des Südens änderten sich ihre Bewohner kaum, sie wurden nur ein wenig älter.

Sein bester Freund war Gus, ein siebzigjähriger Schwarzer, der etwas weiter die Straße hinunter wohnte. Sie hatten sich zwei Wochen nach Noahs Hauskauf kennengelernt. Gus hatte eines Abends mit einer Flasche selbst gebranntem Schnaps vor der Tür gestanden, und die beiden hatten sich ihren ersten gemeinsamen Rausch angetrunken und sich bis spät in die Nacht Geschichten erzählt.

Von da an tauchte Gus etwa zweimal die Woche auf, gewöhnlich gegen acht Uhr abends. Mit vier Kindern und elf Enkelkindern im Haus brauchte er ab und zu unbedingt einen Tapetenwechsel. Meist brachte er seine Mundharmonika mit, und wenn sie eine Weile miteinander geredet hatten, spielten sie ein paar Lieder zusammen. Manchmal spielten sie viele Stunden.

Er betrachtete Gus bald als eine Art »Familienersatz«, denn er hatte sonst niemanden, seitdem sein Vater im letzten Jahr gestorben war. Er besaß keine Geschwister; seine Mutter war gestorben, als er zwei war, und er hatte, obwohl er es einmal wollte, auch nie geheiratet.

Einmal aber hatte er geliebt, daran gab es keinen Zweifel. Einmal, nur einmal und das vor langer Zeit. Und es hatte ihn für immer verändert. Wahre Liebe verändert den Menschen, und es war echte Liebe gewesen.

Kleine Wölkchen trieben von der Küste her über den Abendhimmel, wurden silbrig im Schein des Mondes. Als sie dichter wurden, legte er den Kopf auf die Rückenlehne des Schaukelstuhls. Seine Beine bewegten sich automatisch, hielten den Rhythmus bei, und wie fast jeden Tag, schweiften seine Gedanken zu einer ähnlich warmen Nacht, die vierzehn Jahre zurücklag.

Es war 1932, kurz nach seiner Reifeprüfung, am Eröffnungsabend des Neuse River Festival. Die ganze Stadt war auf den Beinen, amüsierte sich bei Tanz und Glücksspiel oder an den Getränkeständen und Bratspießen. Es war schwül an jenem Abend, daran konnte er sich noch genau erinnern. Er war allein gekommen, und als er, auf der Suche nach Freunden, durch die Menge schlenderte, sah er Fin und Sarah, mit denen er zur Schule gegangen war, mit einem Mädchen plaudern, das er noch nie gesehen hatte. Sie war sehr hübsch, das war sein erster Gedanke gewesen, und als er sich seinen Weg zu ihnen gebahnt hatte, schaute sie mit ihren betörenden Augen zu ihm auf. »Hallo«, sagte sie einfach und streckte ihm die Hand entgegen. »Finley hat mir viel von dir erzählt.«

Ein ganz gewöhnlicher Beginn, den er, wäre sie es nicht gewesen, längst vergessen hätte. Doch als er ihr die Hand schüttelte und sein Blick in ihre smaragdgrünen Augen tauchte, wusste er, bevor er den nächsten Atemzug tat, dass sie für ihn die Richtige, die Einzige war und es auch immer sein würde. So gut schien sie, so vollkommen, und der Sommerwind rauschte in den Bäumen.

Von da an ging alles rasend schnell. Fin erzählte ihm, dass sie den Sommer mit ihrer Familie in New Bern verbrachte, weil ihr Vater für R. J. Reynolds arbeitete, und obwohl er nur nickte, sagte ihr Blick, dass sie verstand. Fin lachte, denn er wusste, was da geschah, und die vier blieben den ganzen Abend zusammen, bis das Fest zu Ende war und die Menge sich zerstreute.

Sie trafen sich am nächsten und übernächsten Tag und waren bald unzertrennlich. Jeden Morgen – bis auf sonntags, wenn er zur Kirche ging – erledigte er seine häuslichen Pflichten so schnell wie möglich, und eilte zum »Fort Totten Park«, wo sie schon auf ihn wartete. Da sie nie in einer Kleinstadt gelebt hatte, verbrachten sie ihre Tage mit Dingen, die ihr völlig neu waren. Er machte sie mit Angel und Köder vertraut, um im seichten Wasser Barsche zu fangen, und durchstreifte mit ihr den geheimnisvollen Croaton Forest. Sie fuhren Kanu und beobachteten Sommergewitter, und es kam ihm so vor, als hätten sie sich schon immer gekannt.

Doch auch er lernte Neues. Beim Tanzfest in der Tabakscheune brachte sie ihm Walzer und Charleston bei, und obwohl er sich anfangs etwas unbeholfen anstellte, zahlte sich ihre Geduld aus, und sie tanzten zusammen, bis die Musik verstummte. Danach brachte er sie nach Hause, und beim Abschied auf der Veranda küsste er sie zum ersten Mal und wunderte sich danach, warum er so lange damit gewartet hatte. Später in jenem Sommer führte er sie zu diesem Haus, das damals zum Teil verfallen war, und sagte ihr, dass er es eines Tages kaufen und wieder aufbauen würde. Sie sprachen von ihren Träumen – sie wollte Künstlerin werden, er die Welt bereisen –, und in einer heißen Augustnacht verloren sie ihre Unschuld. Als sie drei Wochen später abreiste, nahm sie ein Stück von ihm und den Rest des Sommers mit sich fort. An einem frühen regnerischen Morgen, nach einer schlaflosen Nacht, sah er sie die Stadt verlassen. Er ging nach Hause, packte seine Reisetasche und verbrachte die folgende Woche allein auf Harkers Island.

Noah strich sich mit den Fingern durchs Haar und sah auf die Uhr. Zwölf nach acht. Er stand auf, ging zur Vorderseite des Hauses, schaute die Straße hinunter. Gus war nicht zu sehen, und Noah rechnete nicht mehr damit, dass er noch kommen würde. Er ging zurück zu seinem Schaukelstuhl und setzte sich wieder.

Er erinnerte sich daran, mit Gus über sie gesprochen zu haben. Als er sie das erste Mal erwähnte, schüttelte Gus lachend den Kopf. »Das also ist das Gespenst, vor dem du wegläufst.« Als Noah fragte, was er damit meine, sagte Gus: »Du weißt schon, das Gespenst, die Erinnerung. Ich sehe doch, wie du arbeitest, Tag und Nacht, wie du schuftest, dir kaum Zeit zum Atmen lässt. Dafür gibt es nur drei Gründe: Entweder man ist verrückt, oder man ist dumm, oder man will etwas vergessen. Und bei dir wusste ich gleich, du willst etwas vergessen. Ich wusste nur nicht, was.«

Er dachte über Gus’ Worte nach. Gus hatte natürlich Recht. Ein Gespenst ging um in New Bern. Der Geist ihrer Erinnerung. Er sah sie im »Fort Totten Park«, ihrem Treffpunkt, immer wenn er vorbeiging. Da hinten auf der Bank oder gleich neben der Eingangstür, immer ein Lächeln um die Lippen, das blonde Haar sanft über die Schultern fallend, die Augen grün wie Smaragde. Und wenn er abends mit der Gitarre auf der Veranda saß, sah er sie neben sich, wie sie still den Klängen aus seiner Kindheit lauschte.

Oder wenn er zu Gaston’s Drugstore ging oder ins Masonic Theater, oder auch, wenn er nur durch die Stadt schlenderte. Überall, wohin er schaute, sah er ihr Bild, sah er Dinge, die sie wieder zum Leben erweckten.

Es war seltsam. Er war in New Bern aufgewachsen. Hatte seine ersten siebzehn Jahre hier verlebt. Aber wenn er an New Bern dachte, schien er sich nur an den einen Sommer zu erinnern, den Sommer, den sie zusammen verbracht hatten. Andere Erinnerungen waren nur Fragmente, einzelne Bruchstücke aus der Zeit des Heranwachsens, und nur wenige, wenn überhaupt, erweckten Gefühle in ihm.

Er hatte Gus eines Abends davon erzählt, und Gus hatte ihn nicht nur verstanden, er hatte ihm auch eine Erklärung geliefert. »Mein Dad hat immer gesagt: ›Wenn du dich das erste Mal verliebst, dann verändert es dein Leben für immer, und wie sehr du dich auch bemühst, das Gefühl geht nie vorbei.‹ Das Mädchen, von dem du mir erzählst, war deine erste Liebe. Und was du auch tust, sie wird immer bei dir sein.«

Noah schüttelte den Kopf, und als ihr Bild zu verblassen begann, kehrte er zu seinem Whitman zurück. Er las noch eine Stunde, blickte manchmal auf, wenn er Waschbären und Beutelratten am Flussufer entlanghuschen hörte. Um halb zehn klappte er sein Buch zu, ging hinauf in sein Schlafzimmer, schrieb in sein Tagebuch – Persönliches und auch Praktisches, wie die Arbeiten an seinem Haus. Vierzig Minuten später schlief er. Clem kam die Treppe herauf, schnüffelte an seinem Bett, drehte sich ein paarmal um die eigene Achse, bevor sie sich am Fußende zusammenrollte.

Am selben Abend, nur hundert Meilen entfernt, saß sie allein auf der Verandaschaukel des elterlichen Hauses, ein Bein unter sich geschlagen. Die Sitzfläche war etwas feucht gewesen, als sie sich draußen hinsetzte; es hatte vorher heftig geregnet, doch die Wolken lockerten jetzt auf, und sie blickte zum Himmel, wo die ersten Sterne sichtbar wurden, und fragte sich, ob sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Sie hatte tagelang mit sich gerungen – auch diesen Abend wieder –, doch sie wusste, sie würde es sich nie verzeihen, wenn sie diese Gelegenheit einfach verstreichen ließe.

ENDE DER LESEPROBE

Die Originalausgabe

THE NOTEBOOK

erschien 1996 bei Warner Books Inc., New York

Vollständige deutsche Taschenbuchausgabe 09/2011 Copyright © 1996 by Nicholas Sparks Enterprises Inc. Copyright © 1996 der deutschen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Umschlagfotos: © Kevin Trageser/gettyimages; © plainpicture/Briljans Umschlaggestaltung: © Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich Satz: Leingärtner, Nabburg

eISBN: 978-3-641-06009-1

www.heyne.de

www.randomhouse.de