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Verliebt bis über beide Ohren, oder ist alles nur gespielt? Cornelias Heiratsaussichten sind gleich null, da ihr Name mit einem alten Skandal in Verbindung gebracht wird. Burnell ist genau die Art von gefährlichem Mann, der sie abgeschworen hat – und sich als seine Verlobte auszugeben, kann nur Ärger bedeuten. Oder es macht sie so berüchtigt, dass sie unwiderstehlich wird. Können sie alle davon überzeugen, bis über beide Ohren ineinander verliebt zu sein? Es bleibt spannend! WAS SIE ERWARTET: Ein gefeierter Abenteurer, eine vorgetäuschte Verlobung und ein Weihnachtsfest, das alles verändert … Der Reihe „Handbuch einer Lady“ der Autorin Emmanuelle de Maupassant : Wie bringt man einem Highlander die Liebe bei Wie bezaubert man einen Highlander zu Weihnachten Wie täuscht man einen Lord Wie gaukelt man eine Verlobung vor Wie man in der Südsee die Liebe findet Wie verführt man einen transsilvanischen Grafen Wie angelt man sich einen Duke Jedes Buch ist in sich abgeschlossen und kann in beliebiger Reihenfolge gelesen werden.
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Bei diesem Roman handelt es sich um eine fiktive Geschichte. Die Namen, Charaktere, Orte und Ereignisse sind entweder der Fantasie des Autors entsprungen oder werden auf fiktive Art und Weise integriert. Mit Ausnahme bekannter historischer Figuren und Orte ist jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder verstorbenen Personen sowie Geschäftsbetrieben, Ereignissen oder Orten vollkommen zufällig.
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Dieser Roman erschien ursprünglich in englischer Sprache unter dem Titel „The Lady’s Guide to Scandal“. Copyright © 2020 Emmanuelle de Maupassant
Wie gaukelt man eine Verlobung vor - Copyright © 2022 Emmanuelle de Maupassant
Übersetzt von Bettina Hengesbach
Redaktionelle Unterstützung: Carola Karth-Neu
Bucheinbanddesign von Chris Cocozza
Der Zweck des Urheberrechts besteht darin, Autoren und Künstler darin zu bestärken, kreative Werke zu entwerfen, die unsere Kultur bereichern.
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Dark Castle Press : Keith Hall, Inverurie, Scotland, UK
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Über die Autorin
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Wie gaukelt man eine Verlobung vor
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Bücher von Emmanuelle de Maupassant
Eine Einladung
Emmanuelle lebt in den schottischen Highlands mit ihrem Mann (Hersteller von Tee und Obstkuchen) und ihrer Schnüffelnase, Archie, auch bekannt als ihr liebstes Fellknäuel und Liebhaber von quietschenden Spielzeugen und Schinken.
Bekannt ist Emmanuelle auch für die leidenschaftliche historische Liebesromanreihe »Verrucht«, die sie unter dem Pseudonym Anna Quinn schreibt.
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In dieser humorvollen und spannenden Buchreihe erwarten dich Abenteuer, Intrigen, Geheimnisse und Romantik.
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Heldinnen, die sich durchsetzen können, und Helden, die den Wert einer Frau zu schätzen wissen.
Wie bringt man einem Highlander die Liebe bei
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Wie gaukelt man eine Verlobung vor
Wie man in der Südsee die Liebe findet
Wie verführt man einen transsilvanischen Grafen
Wie angelt man sich einen Duke
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Handbuch einer Lady, Buch 4
Ins Deutsche übertragen von Bettina Hengesbach
Redaktionelle Unterstützung: Carola Karth-Neu
Halbinsel Yucatán, Mexiko
April 1897
Ein Sturm zog auf, der Horizont war von Violett und bedrohlichen Wolken durchzogen. Hoch oben auf dem Gipfel, wo sie standen, war der Ausblick unendlich. Keine Straßen oder Stellen, wo Rinder grasen könnten. Keine Anzeichen von Siedlungen. Endlose Meilen mit Brotnuss- und Breiapfelbäumen, die hoch über dem Waldboden aufragten. Erst als der nächste Windstoß kam und durch das weite Grün fegte, war der kleine Hügel durch das Blätterdach zu sehen, das sie umgab.
Sein Puls beschleunigte sich. Der Gipfel war deutlich zu erkennen. Und darunter?
Ethan hatte die Ruinen von Mérida, Copán und Uxmal gesehen. Er hatte bereits viele Stätten entdeckt, aber es gab noch hundert weitere prachtvolle Tempel, vergraben von den Jahrhunderten, verborgen vom schäumenden Leben, von üppigen Ranken und knorrigen Ästen. Tief versteckt.
Er war den Errungenschaften anderer Männer gefolgt – ihren Entdeckungen, ihren Triumphen.
Dies gehörte ihm. Die Frucht aus Jahrzehnten Arbeit.
Die Reise war trostlos gewesen – tagelang erstickende Hitze, Sümpfe und fast undurchdringbare Dschungel, die durchquert werden mussten. Lange Nächte, schweißdurchtränkt, wachgehalten von Zikaden und den albtraumhaften Schreien der Brüllaffen. Geplagt von Mücken, Skorpionen, Spinnen und giftigen Schlangen, hätte er es niemals ohne Begleitung geschafft – Francisco und José Luis, die ihn führten und ihre Zelte und ihren Proviant sowie ihre Werkzeuge trugen. All das würde gebraucht werden, wenn sie ihr Ziel erreichten.
Als sie das Vorgebirge hinunterstiegen, wies Ethan die Gepäckträger an, ein Lager in den Kalksteinhöhlen unten aufzuschlagen. Planen eigneten sich gut, selbst gegen sintflutartigen Regen, aber eine Höhle wäre besser.
Obwohl das Licht schwächer wurde, würden er und die Führer ihren Weg fortsetzen. Sie waren so nahe dran – vielleicht noch eine Stunde, wenn sie alle drei ihre Macheten durch das Unterholz schwingen würden. Sie würden nur langsam vorankommen, aber er musste endlich sehen, was er glaubte, bald gefunden zu haben. Wenn der Regen einsetzte, würden die Baumwipfel teilweise Schutz bieten.
Sie wateten durch einen flachen Strom, und irgendwo jenseits des Blätterdaches erleuchtete ein Blitz das Himmelszelt. Die Baumwipfel weit über ihnen bebten, und die Vögel wurden still. Keine schreienden Tukane oder hämmernden Spechte mehr. Selbst die Frösche schienen mit dem Quaken aufgehört zu haben. Die Kakofonie hatte geendet.
„Ahí, señor.“ José zeigte nach vorn.
Vor ihnen war die Erde mit zerbrochenen Steinen übersät.
Ethan packte den Mann an der Schulter.
Die Freude, die er empfand, leuchtete in den Augen der anderen ebenfalls auf. All die Wochen des Wanderns, und dies war der Moment.
Der Umriss der Stadt!
Die ersten Wassertropfen begannen hoch oben zu prasseln, aber sie gingen mit neu gewonnener Kraft weiter, bis der dichte Dschungel undurchdringbar wurde.
Eine Wand aus Ranken und Baumorchideen zog sich nach oben und verschwand durch die dichten Äste.
Ethan streckte die Machete hindurch und klopfte.
Seine Klinge traf auf Stein.
Anweisungen waren nicht notwendig. Der Regen wurde stärker, aber sie arbeiteten daran, die Blätterschicht vor ihnen zu entfernen und die glatte Fassade freizulegen. Es war nicht nur eine Wand, sondern ein Torbogen, flankiert auf beiden Seiten.
Er erkannte die Figuren sofort. Ein doppeltes Abbild des Jaguar-Gottes, der die Unterwelt regierte und dessen Macht allumfassend war. Seine Fähigkeiten wurden genährt von dunkler Magie.
Ethan legte seine Handfläche auf den Stein. Durch die Stille hörte er den fallenden Regen besonders gut, aber auch etwas anderes: den Ruf derer, die den Stein gemeißelt hatten, deren Füße genau hier gestanden hatten. Klänge aus einer lang vergangenen Welt. Und eine andere Stimme; ein anderes Gesicht. Kleinere Hände neben seinen eigenen, die den Sand glätteten, um ihre gemeinsame Kreation zu formen. Kein Schloss, wie andere Kinder es bauten, sondern ein Tempel, so wie dieser, um Stufen zum Altar ganz oben zu formen.
Britisches Museum, London
Früher Abend, 4. Dezember 1903
Cornelia reckte ihren Hals und neigte den Kopf nach hinten. Es war kein Wunder, dass ihre Schultern so verspannt waren. Sie hatte viel zu lange vornübergebeugt über einer Kollektion aus wenig bemerkenswerten Stücken gesessen und versucht, etwas an ihnen zu finden, das die Mühe rechtfertigte.
Sie blieb normalerweise nicht bis nach vier Uhr am Nachmittag, aber an ihren ehrenamtlichen Tagen war sie nach und nach immer später gegangen. Ihre Tanten erwarteten sie natürlich, und ihre Bemühungen, das Haus auf dem Portman Square festlich wirken zu lassen, waren lobenswert, aber sie fühlte sich seit dem Tod ihres Vaters dort nicht mehr zu Hause. Das Museum war eine willkommene Ablenkung.
Gähnend legte sie das Urnenfragment zurück zu den anderen in die Holztruhe und verschloss den Deckel. Mesopotamisch, 1000 vor Christus. Nichts Besonderes. Nichts, für das sich jemand die Mühe machen wollte, es zu katalogisieren. Bis auf Cornelia, die dankbar dafür sein musste, überhaupt hier zu sein, wo sie eher toleriert wurde, als dass sie willkommen war – und das nur ihrem Vater zuliebe, nicht ihretwegen.
Sie hatte sich schon vor langer Zeit damit abgefunden, dass wahrscheinlich nichts von wahrem historischem Interesse seinen Weg in den winzigen Raum im Keller finden würde, wo sie arbeiten durfte. Nichtsdestotrotz hatte sie die Hoffnung, dass eines Tages zwischen den profanen Artefakten etwas von Bedeutung zum Vorschein käme.
An ihrem Arbeitsplatz gab es kein Tageslicht, und er war kaum größer als ein Schrank, aber mit ihren geschulten Augen würde sie das besondere Objekt erkennen. Sie würde Mr Pettigrew ausfindig machen, den leitenden Kurator für östliche Artefakte, und würde ihm stolz ihren Fund präsentieren.
Zunächst würde er ungläubig sein und versuchen, sie wegzuschicken, aber sie malte sich aus, dass seine fischartigen Lippen vor Überraschung bebten, als bliebe ihm keine andere Wahl, als den Wert des Objektes in ihrer Hand anzuerkennen.
Seufzend erhob sie sich und trug die Truhe zurück zum Regal. Sie musste natürlich dankbar sein, denn es war eine Ehre, hier zu sein, ganz gleich, in welch bescheidener Rolle. Das britische Museum war wie kein anderes, es war gefüllt mit unbezahlbaren Stücken aus allen Teilen der Welt: vom mysteriösen afrikanischen Kontinent bis hin zu Nord-, Süd- und Mittelamerika und dem Fernen Osten.
Tausende Besucher kamen täglich durch die Türen, allein um die ägyptische Ausstellung zu sehen – die größte Kollektion von Mumien und Sarkophagen außerhalb von Kairo, ganz zu schweigen von den vielen unbezahlbaren Papyrusrollen.
Cornelias verstorbener Vater, Mitglied des Kuratoriums und Schirmherr der Expeditionen, die vom königlichen Geografie-Verbund organisiert wurden, hatte sie schon in jungen Jahren mit ins Museum genommen und ihr die Geschichte der aztekischen Mosaike und der Marmorskulpturen erklärt, die aus dem Parthenon in Athen gemeißelt worden waren. Sie hatte staunend zwischen dem kolossalen Granitkopf von Ramses II gestanden und den Stein von Rosette studiert, der Napoleon vor fast hundert Jahren entwendet worden war.
Man mochte die Beschaffungsmethoden des Museums infrage stellen, ebenso wie sein moralisches Recht, gewisse Artefakte in Besitz zu nehmen, aber niemand konnte die guten Absichten der Institution anzweifeln, denn das Museum war wegweisend gewesen, indem es seine Türen für alle geöffnet hatte, ungeachtet des Wohlstandes oder gesellschaftlichen Status. Es waren keine Kosten gescheut worden, um Räumlichkeiten zu schaffen, die diesem Zweck gerecht wurden. Mehr als zwanzig Jahre waren vergangen, seitdem elektrisches Licht installiert worden war – das erste in Londons öffentlichen Gebäuden –, wodurch es möglich wurde, den Lesesaal den gesamten Winter über länger als nur bis sieben Uhr am Abend geöffnet zu halten.
Natürlich fügte das Museum seinen Hallen auch weiterhin neue Schätze hinzu; Ferdinand de Rothschilds Legat zum Beispiel und, neu eingetroffen in dieser Woche, einzigartige Artefakte aus der verlorenen Stadt von Palekmul.
Cornelia wusste bereits viel über die Stätte und die Wunder, die dort ausgegraben worden waren, aber sie wollte sich die Stücke aus nächster Nähe ansehen. Zweimal war sie den Flur entlang in Richtung der Palekmul-Galerie gegangen, aber ihre Versuche, den Kopf hineinzustecken, waren abrupt unterbrochen worden. Niemand außer dem Kuratoren-Ausschuss durfte die Wunder darin sehen; zumindest bis zur großen Eröffnung.
Es war überaus ärgerlich, obwohl sie verstand, warum es notwendig war, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.
Die Ausgrabungen in Palekmul hatten die Fantasie der Nation viel stärker als normalerweise angeregt, es war überaus spektakulär gewesen; all diese großen Ruinen, die jahrhundertelang im Dschungel verborgen gewesen waren.
Was Cornelia weniger angenehm fand, war die Besessenheit der Öffentlichkeit in Bezug auf den Expeditionsleiter Ethan Burnell, Bürger des amerikanischen Staates Texas. Die Manie hatte beinahe hysterische Ausmaße angenommen, sehr zu Cornelias Abscheu. Die Zeitungen nannten seine Ankunft an britischen Ufern „ein Ereignis, das die Damen gewiss ins Schwärmen bringt“. Nicht zuletzt wegen seines guten Aussehens, weshalb er oft mit Lord Byron verglichen wurde, aber auch wegen des Vermögens seiner Familie, das er geerbt hatte.
Wenn sie Mr Burnell treffen würde, hätte sie gewiss hundert Fragen, die sie ihm gern stellen würde, aber der Gedanke, dass er glauben könnte, sie würde mit ihm flirten, so wie es andere Damen offenbar taten, war zu geschmacklos, um ihn zu ertragen. Ihr Interesse galt seiner Arbeit, nicht dem Mann selbst.
Auch wenn es natürlich nicht wahrscheinlich war, dass sie irgendwann einmal allein mit dem gefeierten Entdecker sein würde.
Sie wollte lediglich Zutritt zu dem Raum erhalten, in dem die Ausstellungsstücke vorbereitet wurden. Vielleicht würde sie warten und sie sich zu gegebener Zeit zusammen mit allen anderen ansehen, aber der Gedanke daran, die Artefakte zu begutachten, wenn sie gerade frisch vom Ausgrabungsort eingetroffen waren, hatte etwas Aufregendes.
Bisher waren ihre Bemühungen vergeblich gewesen, aber nichts konnte sie davon abhalten, es immer wieder zu probieren. Sie schaute noch einmal auf ihre Taschenuhr. Mittlerweile mussten die meisten Männer aus dem Kuratoren-Ausschuss gegangen sein.
Die Türen des Ausstellungssaals wären wahrscheinlich abgeschlossen, aber es gab nur einen Weg, es herauszufinden.
Cornelia zog an den Bändern ihrer Arbeitsschürze und hielt dann inne. Es war möglicherweise besser, sie anzubehalten. So würde sie offizieller aussehen, falls man sie auf frischer Tat ertappte. Sie griff nach ihrer Lampe und ging forschen Schrittes durch den Dienstflur in Richtung des Nordflügels. Über die Treppe weiter vorn würde sie fast exakt an dem gegenüberliegenden Punkt hinauskommen, wo sie hinwollte.
Normalerweise missfiel es ihr, allein durch die düsteren Gänge des Kellers zu gehen, heute Abend allerdings war sie froh darüber, dass niemand da war. Die Kuratoren mussten bereits seit Stunden weg sein. Zu dieser Zeit im Jahr fanden stets Soireen und Konzerte statt. Einige gingen im Hyde Park Schlittschuh laufen, andere besuchten Geschäfte oder diverse weihnachtliche Feierlichkeiten. Im Gegensatz zu Cornelia wollten die meisten Mitarbeiter woanders sein, selbst wenn es nur ihre eigenen vier Wände waren.
Als sie oben an der Treppe durch die Tür trat, suchte sie die Eingangshalle mit der hohen Decke ab, die an die Amerika-Räume angrenzte. Wie erhofft war alles still. Die Galerien waren vor einer Stunde für die Öffentlichkeit geschlossen worden, und nur ein paar elektrische Lichter brannten noch.
Auf herkömmliche Lampen verließ man sich noch immer weiter hinten im Gebäude, aber in den Hauptgalerien waren sie aus Angst vor Feuer ausdrücklich verboten. Sie drehte die Flamme ihrer Lampe niedriger und ließ sie am oberen Treppenabsatz stehen.
Obwohl die Ecken der Vorhalle im Schatten lagen, genügte die Belichtung, um den Glaskasten in der Mitte auszumachen, der die Skulpturen von der Isla de Sacrificios und Tikal enthielt.
Mit leisen Schritten bahnte sie sich ihren Weg zu der Doppeltür am anderen Ende. Da die Kuratoren für heute fertig waren, hatten die Wächter wahrscheinlich den Ausstellungssaal abgeschlossen, aber es war stets möglich, dass jemand seine Pflicht vergessen hatte. Als sie die Klinke hinunterdrückte, hörte sie, wie sich der Mechanismus löste, und huschte hinein, bevor sie die Tür sanft hinter sich schloss.
Keine der Wandleuchter brannte, aber Mondlicht fiel durch das große Ostfenster. Staubpartikel flogen in dem silbernen Lichtstrahl.
Cornelia sog die Luft ein. Es gab mehrere große Kisten, aber die meisten Artefakte schienen ausgepackt worden zu sein und waren in regelmäßigen Abständen im Kreis angeordnet worden.
Als sie weiter in den Raum trat, rümpfte sie die Nase. In der Luft lag ein merkwürdiger Geruch; nicht die übliche Muffigkeit, sondern etwas Beißenderes. Irgendein Konservierungsmittel?
Sie würde aufpassen müssen, wohin sie trat. Es wäre nicht gut, wenn sie eine Flasche Limettenwasser umstoßen würde, oder was immer es war, das sie verwendeten.
Ehrfürchtig näherte sich Cornelia dem Sarkophag und streckte die Hand nach der geschwungenen Schlange aus, die darin eingraviert war – das Symbol für Wiedergeburt und Erneuerung, da sie ihre Schuppen abwarf. Woran hatten die Maya geglaubt? Die Schlange stellte eine Brücke dar, oder nicht? Zwischen der physischen Welt und der Geisterwelt.
Die Oberfläche war kühl, aber sie stellte es sich an dem Ort vor, woher es gekommen war. Dort hatte die Sonne die Hand gewärmt, die den Meißel gehalten hatte, und den Stein erhitzt. Sie war das einzige Lebewesen in diesem Raum, und dennoch hatte sie den Eindruck, dass sich jedes Stück um sie herum daran erinnerte, was es einst gewesen war und wo es hingehörte.
Am anderen Ende des Raumes entdeckte sie zwei hohe Säulen, über die sich ein breiter Sturz zog. Als sie näher herantrat, erkannte sie voller Aufregung, was darin eingemeißelt war – eine Szene, die sie vor einigen Wochen studiert hatte, mit Tinte gezeichnet an einem ganz anderen Ort und vervielfältigt für die Abonnenten des Geographic Journal. Nun hatte sie das Original vor sich.
Die männliche Figur war der Herrscher, Shield Jaguar, und die Frau neben ihm seine Gemahlin. Die Abbildung war schier grausam, bizarr und sadistisch, aber den Schmerz hatte sich die Frau selbst zugefügt, denn die Waffe mit den scharfen Zacken, die über ihre Zunge gezogen worden war, lag in ihrer eigenen Hand.
Dann stockte ihr der Atem, denn es erklang ein schabendes Geräusch, und irgendetwas bewegte sich im Schatten unten an dem Monolith.
Nein, nicht etwas, sondern jemand. Eine kauernde Gestalt – hier, wo niemand sein sollte – rieb an dem Stein und schien so vertieft in die Aufgabe zu sein, dass die Person ihre Schritte nicht gehört hatte.
Ein Dieb? Sie musste Alarm schlagen, eine Wache finden, damit der Eindringling verhaftet werden konnte.
Im nächsten Moment erhob sich die Gestalt und drehte sich, bewegte sich in den Mondschein. Der Mann trug keine Jacke und hatte seine Ärmel hochgekrempelt, sodass tief gebräunte Unterarme zum Vorschein kamen. Sein Haar war zerzaust, und sein Gesicht war von einem ungepflegten Dreitagebart bedeckt. Ein Herumtreiber, ohne Zweifel.
Als er Cornelia sah, stieß er ein unzufriedenes Knurren aus und trat einen Schritt auf sie zu. Wie groß er war und wie kräftig gebaut. Eindeutig stark genug, um sie zu bezwingen.
Cornelia wimmerte. Sollte sie rennen? Sie vermutete, dass er sie einholen würde, bevor sie überhaupt die Tür erreicht hätte.
Aus einem Impuls heraus griff sie in ihre Schürzentasche, holte eine Messlatte hervor und umklammerte sie. Sie blieb halb im Schatten. Cornelia schluckte ihre Angst hinunter und zwang sich dazu, ihn anzuschreien. „Keine Bewegung. Ich bin bewaffnet und … und ich schieße, wenn ich muss.“
Der Mann hielt in seiner Bewegung inne. „Ich weiß nicht, wer zur Hölle Sie sind“, sagte er, und seine Stimme klang bedrohlich. „Aber Sie haben sich die falsche Person für Spielchen ausgesucht. Wenn Sie vorhaben, irgendetwas in diesem Raum zu stehlen, dann machen Sie sich tatsächlich am besten bereit zum Schießen. Bedenken Sie aber, dass Sie nur einen Versuch haben.“
Stehlen? Cornelias Hände zitterten. Was um alles in der Welt meinte er? Sie war schließlich nicht diejenige, die sich hineingeschlichen hatte, um sich das zu nehmen, was ihr nicht gehörte.
Nun, vielleicht doch – ein bisschen –, aber ihre Intentionen waren harmlos. Sie befriedigte lediglich ihre Neugier. Dieser Schurke dagegen hatte vielleicht schon Schaden angerichtet, den man nicht mehr rückgängig machen konnte. Menschen mit krimineller Neigung sahen nur Böses in anderen, hatte sie einst gehört. Der Kerl hatte sich schamlos Einlass verschafft, um etwas Unrechtes zu tun, und musste glauben, dass sie das Gleiche vorhatte.
Eine Welle des Zorns verstärkte ihren Mut, sodass ihre Stimme kaum bebte. „Legen Sie sich hin und versuchen Sie nicht, irgendetwas Dummes zu tun. Ich kann … gut schießen.“
Obwohl er finster dreinblickte, tat der Mann zu Cornelias Erleichterung das, was sie sagte, und sank langsam auf die Knie, wobei er seine Hände so hielt, dass sie sie sehen konnte.
Gab es nicht irgendeine Sherlock-Holmes-Geschichte, in der der Detektiv den Bösewicht überwältigte und ihm dann mit einem Seil Handgelenke und Füße fesselte, damit er nicht fliehen konnte? In der Tasche ihrer Schürze hatte sie auch eine Kordel. Wäre sie robust genug? Cornelia bezweifelte es, aber ihr blieb keine andere Wahl, denn sie konnte ihn schlecht einfach so sitzen lassen, wie er war. Ihre einzige Hoffnung war, den Schurken festzuhalten, und das, bevor er erkannte, dass ihre Waffe nichts als ein Stück Holz war.
Sobald er seine Position am Boden eingenommen hatte, bewegte sich Cornelia näher an ihn heran. „Hände hinter den Rücken, und denken Sie daran, ich werde nicht zögern zu schießen.“
Der Eindringling schenkte ihr einen letzten finsteren Blick und tat, wie ihm geheißen, aber während sich Cornelia mit dem Seil nach vorn beugte, bemerkte sie eine schnelle Bewegung.
Der Arm des Mannes schoss nach vorn, und sie spürte, dass er an ihrem Knöchel riss.
Mit einem Schrei fiel sie nach hinten und landete mit einem dumpfen Aufprall auf dem Rücken. Ihre „Waffe“ schlitterte über den polierten Boden.
Im nächsten Moment waren seine Arme links und rechts von ihr, und er drückte seinen Körper der Länge nach auf ihren. Seine Augen, pechschwarz, blitzten vor Zorn.
Cornelia wimmerte, war sich ihrer Hilflosigkeit nur allzu bewusst. „Wenn Sie mich ermorden, werden Sie damit nicht durchkommen. Im ganzen Gebäude sind Wachen.“
„Sie ermorden? Verdammt, junge Frau! Sie drohen damit, auf mich zu schießen, und jetzt bin ich derjenige mit Mordlust? Ich habe Sie für eine Gaunerin gehalten, die etwas stehlen wollte, aber ich nehme an, dann wären Sie besser vorbereitet gewesen, als nur mit einem Zollstock zu kommen.“ Er lehnte sich nach hinten und studierte ihr Gesicht. „Sie sind doch nicht eine von diesen Verrückten, die aus dem Irrenhaus ausgebrochen sind, oder?“
Cornelia verzog das Gesicht. „Gewiss nicht. Ich bin weder schwachsinnig noch kriminell.“ Obwohl sie am Boden lag und es schwer war, sich von dort aus zu behaupten, zwang sie sich, mit gebieterischer Stimme zu sprechen. „Ich arbeite zufällig hier, und ich habe mich so verhalten, wie es jeder tun würde, um die kostbaren Artefakte in diesem Raum zu beschützen. Sie, Sir, mit Absichten, über die ich nur spekulieren kann, sollten sich schämen.“ Während sie die kühnen Worte sprach, bemühte sich Cornelia, ihre Lippen vom Zittern abzuhalten. Der Schurke hatte seine Beine links und rechts von ihr platziert und hielt sie weiterhin mit den Händen auf den Boden gedrückt.
Es war vollkommen unanständig. Ungehörig. Unschicklich. Unziemlich.
Kein feiner Herr würde eine Dame jemals so behandeln, aber er war eindeutig kein feiner Herr, und sie war der Gnade eines Schurken ausgeliefert.
Dass ihr Herz donnernd schlug, hatte nichts mit dem unerbittlichen Gewicht seines Körpers zu tun, der Hitze ausstrahlte, und auch nicht mit seinen Oberarmen, die sich unter dem Stoff seines zerknitterten Hemdes abzeichneten. Sie blickte hinunter. Die oberen Hemdknöpfe waren geöffnet, sodass eine Brust mit vereinzelten dunklen Haaren zum Vorschein kam, so tief gebräunt wie seine Arme. Der Mann hatte kaum Kleidung getragen, während er sich an den Artefakten zu schaffen gemacht hatte. Seine Unkultiviertheit zeigte sich darüber hinaus an seinem Haar, das sich bis zu seinem geöffneten Kragen lockte, und obwohl er sich vor kurzer Zeit rasiert hatte, musste dies nach den Stoppeln zu urteilen bereits ein paar Tage zurückliegen. Alles an ihm zeugte von kompromissloser Männlichkeit.
Hatte ein privater Sammler den Schuft geschickt, damit er ein paar von den kleineren Stücken stahl, oder hatte er bösere Absichten? Nur Gott wusste, was er getan hätte, wenn sie ihn nicht erwischt hätte.
Er sah sie nun wieder bohrend an, betrachtete ihr Gesicht mit beunruhigender Konzentration, als würde er in ihren Zügen nach etwas suchen.
Cornelia blinzelte mehrere Male. Was auch immer geschehen würde, sie würde es sich nicht gestatten zu weinen, und sie würde sich nicht einschüchtern lassen. Sie würde bis zum Ende standhaft bleiben. Als der Mann seinen Griff löste, stieß sie jedoch ein leises Quietschen aus und schloss die Augen. Würde dies ihr Ende sein? Würde er sie erwürgen? Sie würde zumindest schreien müssen oder sich wehren, aber sie wusste, dass es hoffnungslos war. Niemand war in der Nähe, der sie retten konnte.
Es schien jedoch, als wäre der Zeitpunkt ihres Todes nicht gekommen, denn das Gewicht auf ihr hob sich, und zwei große, warme Hände griffen nach ihr und zogen sie hoch.
Einen Moment lang geriet sie ins Schwanken, dann öffnete sie wieder die Augen, nur um festzustellen, dass ihre Nase fast den Oberkörper des Angreifers berührte.
Er roch ganz leicht nach Schweiß, nach Holz und Leder, aber auch nach Seife.
Sie atmete tiefer ein.
Ein Hauch von Zitrone – definitiv – und noch etwas anderes, Stärkeres. Kleber?
Als er wieder sprach, tat er es in einem viel sanfteren Ton; nicht wie ein feiner Herr – zumindest nicht wie ein englischer, aber etwas Feines hatte er dennoch an sich.
„Ich weiß nicht genau, was ich von Ihnen halten soll, aber ich gehe davon aus, dass Sie die Wahrheit sagen und ich mich wahrscheinlich bei Ihnen entschuldigen muss, da ich Sie zu Boden gerungen habe. Für wen auch immer Sie mich halten, Ma’am, ich werde Ihnen nichts tun. Wenn es stimmt, was Sie behaupten, und Sie das, was sich in diesem Raum befindet, schützen wollten, dann muss ich Ihnen danken, statt Sie zu Boden zu bringen.“ Eine große Hand wanderte wieder an ihre Schulter, jedoch diesmal sanft. „Ich hoffe, dass Ihre Rückseite nicht mit allzu vielen Blutergüssen übersät ist.“
Cornelia spürte, wie sie errötete. Wenn er ein Dieb war, dann gewiss ein schlauer. Was auch immer seine Taktik war, er hatte sie damit überrumpelt – und sie davon abgelenkt, dass sich der Bursche erklärt hatte. Sie wusste, dass einige Frauen unglaublich gut kokettieren konnten, aber es gab auch Männer von dieser Sorte. Die Sorte, die sagte, was immer nötig war, um das zu bekommen, was sie wollten.
Sie räusperte sich. „Wie dem auch sei, ich muss noch einmal fragen, wer Sie sind und was Sie hier tun?“ Cornelia reckte ihr Kinn und ließ den Blick nach oben wandern – vorbei an dem geöffneten Kragen des Fremden, an dem gebräunten Hals, am Kiefer, bis sie seinen geschwungenen Mund erreicht hatte. Dort verharrte sie. Etwas an seinen Lippen, die so wohlgeformt waren und sich an den Winkeln nach oben bogen, hielt ihren Blick gefangen.
Als wüssten sie, dass sie unter Beobachtung standen, zuckten die Lippen. „Es mag ein wenig arrogant von mir sein, aber ich hatte angenommen, dass die meisten Menschen mein Gesicht kennen.“ Mit diesen Worten trat er einen kleinen Schritt zurück und nahm eine stolze Pose ein – als würde er in die Ferne blicken, ein Fuß nach vorn, eine Hand an seiner Hüfte.
Cornelia runzelte die Stirn.
Obwohl sein Hemd mit etwas Grauem befleckt war und sein Haar unordentlich, war er groß und schlank und gut aussehend. Etwas an seinem Kiefer zeugte von einer wilden Entschlossenheit.
Als er ihr sein Gesicht wieder zuwandte, hob er eine Augenbraue, und sie erkannte einen Anflug von Belustigung, und das nicht nur in seinen gehobenen Mundwinkeln, sondern auch in seinen Augen, die verschmitzt funkelten.
Waren sie einander bereits einmal begegnet? Das war gewiss unmöglich. Und dennoch kam er ihr so bekannt vor. Cornelia schlug sich eine Hand vor den Mund. Es konnte nicht sein!
Die Fotografie, die meist in Verbindung mit Geschichten über seine Entdeckungsreisen erschien, auf dem er neben Führern und Gepäckträgern posierte – vor dem Tempel der Jaguar in Palekmul –, zeigte ihn zwar einen Kopf größer als die anderen, hatte allerdings nicht erkennen lassen, wie beeindruckend er gebaut war. Und die Zeichnungen aus der Times hatten die Intensität seiner Augen nicht einfangen können.
Cornelia löste die Hand von ihrem Mund. „Ich … ich habe einen schrecklichen Fehler begangen. Sie … Sie sind kein Dieb. Sie sind …“
„Ethan Burnell.“ Er tippte sich an einen imaginären Hut.
Ethan Burnell! Cornelia wurde auf einmal schlecht. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich hätte beinahe … Ich hatte vor …“
„Mit einem Holzstock auf mich zu schießen und mich dann mit diesem lächerlichen Bindfaden zu fesseln?“ Seine Lippen bogen sich nach oben. „Es gibt Leute, die behaupten würden, ich sei die fürchterlichste Art von Dieb.“ Er deutete mit dem Kopf zu der Stelle, wo er gekauert hatte. „Sie glauben vielleicht, es sei Stein, dank der Farbschichten, die wir über den Gips gestrichen haben, aber das Original ist dort, wo es hingehört. Ich halte nichts davon, mehr mitzunehmen, als notwendig ist.“
„Gips?“
Cornelia betrachtete die Säulen mit verengten Augen. „Aber es sieht so echt aus. Ist es wirklich wahr?“
„Vergewissern Sie sich ruhig selbst. Die letzte Schicht ist fast trocken. Wir stellen Abdrücke her und anschließend Gipsformen, nach Charnays Technik. Die gleiche, die Maudslay bei den Stürzen von Yaxchilan verwendet hat. Ich bin mächtig stolz auf das Ergebnis, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf.“
Auf sein Nicken hin trat sie näher heran, um die Oberfläche mit den Fingerspitzen zu berühren. Der Geruch, der den Raum erfüllte, war kein Kleber oder Konservierungsmittel, sondern Farbe. „Das machen Sie also. Ich dachte …“
„Sie haben geglaubt, ich führe Böses im Schilde, und Sie haben das getan, was Sie geglaubt haben, tun zu müssen. Ich kann Ihnen wohl kaum böse sein, da Sie so mutig waren. Schließlich wäre ich wohl bewaffnet gewesen, wäre ich ein Gauner, der sich hereingeschlichen hat, um etwas zu beschädigen oder zu stehlen.“
„Das hatte ich nicht in Betracht gezogen.“ Cornelia rieb sich die Schläfe. „Offenbar bin ich törichter als mutig, und ich bin diejenige, die sich entschuldigen muss.“ Sie sah wieder zu ihm hinüber.
Er hatte den Kopf schief gelegt und blickte sie erneut auf diese beunruhigende Art an – als würde sie etwas verbergen, und er könnte der Sache auf die Schliche kommen, wenn er nur genau hinschaute.
Nicht, dass sie für gewöhnlich Unwahrheiten erzählte, aber sie war nicht ganz ehrlich gewesen. Schließlich stimmte es nicht ganz, dass sie im Museum arbeitete, da es eine ehrenamtliche Position war, und sie hatte gewiss keine Befugnis, sich in dieser Galerie aufzuhalten.
Alles in allem wäre es schlau, nun den Rückzug anzutreten und zu hoffen, dass Mr Burnell ihre Übertretung nicht melden würde. Ihre Position war bestenfalls fragil, und Mr Pettigrew würde den Regelverstoß nur allzu gern gegen sie verwenden.
Sie konnte ihn bereits hören, wie er dem Kuratorium erzählte, dass sie nicht geeignet sei, den Posten weiter auszuüben, den ihr Vater ihr übertragen hatte, nachdem Oswald gestorben war; dass sie sie lange genug gewähren ließen und dass es an der Zeit sei, dass sie sich feminineren Aktivitäten widmen solle.
Trotz seiner Ungepflegtheit und seiner wenig vornehmen Aussprache war Mr Burnell unbestreitbar gut aussehend, und erst diese tiefe, volle Stimme, die einen einhüllte wie eine Liebkosung. Es war wirklich schade, dass sie gehen musste, aber sie wusste, dass man immer dann gehen sollte, wenn es am schönsten war.
„Nun, da wir zu dem Schluss gekommen sind, dass Sie hier sein dürfen und ich Sie weder fesseln noch verstümmeln muss, werde ich nun wieder gehen, Mr Burnell.“ Sie marschierte an ihm vorbei und setzte dabei ihr fröhlichstes Lächeln auf. „Schön, Sie kennenzulernen, und nichts für ungut.“ Als sie am Ende des Raumes angekommen war, drehte sie sich um und warf einen letzten Blick zurück.
Er runzelte für einen Moment die Stirn, und sie befürchtete, dass er ihr folgen würde.
Schnell hob sie abwehrend eine Hand. „Es besteht kein Grund, mich nach draußen zu begleiten. Bitte machen Sie nur weiter. Alle freuen sich so sehr darauf, die Schätze zu sehen, wenn Ihre Galerie fertig ist, Mr Burnell. Lassen Sie sich von mir bloß nicht aufhalten.“ Ohne weitere Umschweife eilte sie auf die Kellertreppe zu.
Erst als sie draußen auf der Great Russell Street in eine Hansom-Droschke gestiegen war, gestattete sie sich, wieder frei zu atmen. Während des gesamten Fiaskos hatte sie es vermieden, Mr Burnell ihre Identität zu verraten, und Gott sei Dank war es ihr gelungen.
Aber etwas anderes nagte an ihr.
Ethan …
Sie kannte niemanden, der diesen Namen trug, und dennoch erinnerte sich ihre Zunge an ihn. Seine Form war bereits in ihrem Mund.
Die Sonne stand hoch, der Himmel war blau, und das Meer war weit weg, sodass ein breiter Strand zu sehen war. Der Junge, der vorrannte, machte einen Radschlag und stieß einen Freudenschrei aus, und sie lief auf ihren kurzen Beinen schneller, um mitzuhalten. Sie rief seinen Namen und lachte.
War es echt? Oder etwas, das sie geträumt hatte?
Sie schüttelte sich. Alles, was zählte, war, dass sie unerkannt bleiben musste. Während Mr Burnell im Museum war, musste sie ihm aus dem Weg gehen. Unter keinen Umständen durfte sie ihm noch einmal begegnen.
Portman Square, London
Später am gleichen Abend
Cornelia setzte sich auf ihren üblichen Platz im Salon und lehnte sich zurück, wobei sie darauf achtete, ihren Kaffee nicht zu verschütten. Sicherlich würde sich ein Bluterguss an der oberen Hälfte ihres Gesäßes bilden. Sie würde sich mit Arnikasalbe einreiben müssen, bevor sie zu Bett ging.
Sobald sie es sich bequem gemacht hatte, sprang der struppige kleine Jack-Russell-Terrier vom Boden auf das Sofa und legte seinen Kopf auf Cornelias Schoß. Die Hündin schaute flehend zu ihr auf.
„Na schön, Minnie. Solange du nicht zappelst.“ Cornelia kraulte dem Terrier die Ohren.
Minnie drehte sich sogleich auf den Rücken und streckte ihr den Bauch entgegen, um weitere luxuriöse Streicheleinheiten zu erhalten.
Eustacia, die dem Kamin am nächsten war, ließ ihre Nouvelles de la Société von Madame Potins sinken und räusperte sich. „Meine Lieben! So ein herrlicher Skandal. Cousine Cynthia hat sich selbst übertroffen.“
Cornelia, die Minnies weiches elfenbeinfarbenes Fell streichelte, hielt inne. „Wirklich, Tante, ich würde mir wünschen, dass du nicht dieses fürchterliche Skandalblatt liest. Das meiste davon ist frei erfunden, und der Rest geht uns nichts an. Ich weiß, dass Cynthia gern im Mittelpunkt steht, aber ich bin mir sicher, dass sie nichts getan hat, wodurch sie den Tadel der Gesellschaft verdient.“
Die Augen der alten Dame funkelten spitzbübisch. „Ich frage mich wirklich, ob Cynthia nicht um einiges gerissener ist, als wir glauben. Offenbar hat sie sich auf den Schreibtisch ihres Mannes in der Bibliothek gelegt, vollkommen nackt bis auf die Familienjuwelen. Nicht nur die Rubine, sondern alles auf einmal, sogar das Smaragddiadem. Und drei Diener waren anwesend, die ihr Champagner serviert haben, als Lord Sturgeon hereinspaziert ist.“
Tante Blanche spuckte vor Schreck ihren Whisky aus. „Wie unkultiviert! Man sollte doch meinen, Cynthia weiß, dass man keine Edelsteine mischen sollte, selbst wenn es kein offizieller Anlass ist. Dennoch bin ich nicht überrascht. Cynthias Geschmack war schon immer fragwürdig.“
„Man kann wohl aber kaum etwas an ihrem Geschmack in Bezug auf Diener aussetzen.“ Eustacia zwinkerte schelmisch. „Sie hat sie letzten Monat beim Whist-Abend äußerst schamlos vorgeführt.“
„Aber ja! Und wie eng ihre Kniebundhosen waren. Die armen Burschen müssen es furchtbar unbequem gefunden haben, besonders, weil sie immer wieder Gründe dafür gefunden hat, dass sie sich bücken mussten.“ Blanche leckte sich wehmütig die Lippen.
„Ihr seid beide fürchterlich und solltet euch schämen!“ Cornelia warf beiden Tanten einen missbilligenden Blick zu. „Außerdem macht ihr die Männer zu Objekten, wenn ihr so über ihre Anatomie redet. Ihr behandelt die Sache vollkommen respektlos. Cynthia muss außer sich sein vor Sorge. Und sie war überaus gütig zu mir; zu uns allen. Ich weiß nicht, warum sie sich derart aufführen sollte, aber wir müssen uns auf ihre Seite stellen.“
„Beruhige dich, Cornelia.“ Eustacia faltete die Zeitung auf ihrem Schoß. „Ich vergesse immer wieder, dass du in Bezug auf diese Dinge, trotz deiner Ehe mit diesem fürchterlichen Mann, keinerlei Erfahrung hast. Lord Sturgeon hat seine Frau viel zu wenig beachtet. Cynthia wollte nur seine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Eifersucht ist ein Gefühl, das sich schnell heraufbeschwören lässt. Zugegeben, als unsere liebe Cousine eine Andeutung über ihr Vorhaben gemacht hat, wusste ich nicht, dass sie so einfallsreich sein würde, aber wie es scheint, hat sich ihr Wagemut bezahlt gemacht. Lord Sturgeon hat am Anfang ein schreckliches Theater gemacht, aber mittlerweile sind die beiden zusammen nach Paris gereist, um wieder zueinanderzufinden.“
Cornelia spürte, wie ihre Wangen rot wurden. Dass seitdem so viel Zeit vergangen war, hatte nicht dazu beigetragen, die schmerzhafte Erinnerung daran auszulöschen, dass sie einst in Madame Potins’ Zeitung erwähnt worden war. Warum irgendjemand mit Absicht ein Spektakel heraufbeschwor und sich zum Mittelpunkt reißerischen Klatsches machen wollte, war ihr ein Rätsel. Je obszöner die Neuigkeit, desto schneller verbreitete sich das Gerücht, und Bedienstete waren selten diskret.
„Nun, solange Lady Sturgeon nicht aufgebracht ist, steht es mir wohl kaum zu, ein Urteil zu fällen.“ Cornelia schürzte ihre Lippen. „Es ist löblich, dass Lord und Lady Sturgeon das Beste daraus machen. Ich wünsche ihnen alles Gute.“
„Ich sage brava. Obwohl es recht gedankenlos von ihr war, unsere Vierergruppe für Whist-Spiele damit so kurzfristig aufzulösen.“ Blanche lächelte verschlagen. „Vielleicht sollten wir uns nach den Dienern erkundigen. Wenn man bedenkt, was passiert ist, suchen sie vielleicht eine neue Anstellung. Ich bin mir sicher, uns würde eine Aufgabe für sie einfallen.“
„Für alle drei?“ Eustacia setzte sich ein wenig aufrechter hin, und Blanche stieß ein heiseres Lachen aus.
„Ich liebe euch beide, aber ihr seid unverbesserlich.“ Cornelia seufzte.
„Du kannst uns gern tadeln, aber ich fürchte, das wird Eustacia nicht davon abhalten, Madame Potins’ Klatsch zu lesen. Wenn man ein gewisses Alter erreicht, muss man sich damit begnügen, was sich im Leben anderer ereignet.“
„Das trifft vielleicht auf dich zu, Blanche.“ Eustacia widmete sich erneut dem Klatschblatt. „Auf Seite elf gibt es eine Werbung mit einem recht spannenden Vorschlag – eine Art geheime Soiree. Gäste mit einer ‚Vorliebe für Abenteuer‘ sind eingeladen. Es klingt äußerst aufregend. Ich werde morgen früh einen Brief aufsetzen und versuchen, mehr herauszufinden.“
„Wie aufregend!“ Blanche trank ihr Glas aus und schlich sich an die Seite des Zimmers, um sich etwas nachzufüllen. „Wahrscheinlich hast du recht. Man ist nie zu alt, um etwas Neues auszuprobieren.“
Cornelia stellte ihre Tasse auf den Tisch und faltete die Hände in ihrem Schoß. „Ich weiß, dass du so etwas nur sagst, um mich aufzuziehen, daher werde ich einfach so tun, als hätte ich nichts gehört.“
Blanche erhob sich, um Cornelia einen Kuss auf die Stirn zu geben, und ging dann zur Zigarrenkiste. „Nun gut, aber es trägt dazu bei, den Sinn für Humor aufrechtzuerhalten, meine Liebste.“ Sie entzündete ein Streichholz, inhalierte tief und blies einen Ring aus Rauch in den Raum. „Viel zu viele Aspekte des Lebens sind vorhersehbar oder deprimierend banal. Ein bisschen unschuldiger Spaß ist oft die beste Medizin.“
„Ich glaube nicht, dass du die Bedeutung des Wortes ‚unschuldig‘ verstanden hast, und ich würde mir wünschen, dass du endlich diese fürchterliche Angewohnheit aufgibst.“ Cornelia rümpfte die Nase.
„Ausnahmsweise muss ich zustimmen.“ Eustacia versteckte sich tiefer hinter Madame Potins’ Seiten. „Das ist ein Laster zu viel, Liebling.“
Cornelia nickte. „Wenn du rauchen musst, dann öffne zumindest das Fenster und puste diesen schrecklichen Gestank nach draußen.“
„Nun gut.“ Blanche neigte den Kopf und schnalzte mit der Zunge. „Komm schon, Minnie. Du kannst helfen.“
Der Terrier stellte sofort die Ohren auf und machte einen Satz, um sich auf die Rückenlehne des Sofas zu stellen. Mit einem großen Sprung landete er auf der gepolsterten Bank unter dem Erkerfenster. Dort stellte er sich auf die Hinterbeine und streckte seine Pfote nach dem Griff aus.
„Schlaue Hündin!“ Blanche tätschelte das Tier kurz, als das Fenster aufschwang, und blies die nächste Wolke aus Zigarrenrauch in die Abendluft. Der Terrier steckte derweil seinen Kopf hinaus, um eine vorbeifahrende Kutsche auf dem Platz zu betrachten.
Cornelia sprang erschrocken auf. „Minnie, sofort runter!“
Mit einem letzten reumütigen Blick nach draußen sprang der Terrier auf den Boden und verkroch sich hinter Eustacias Sessel.
„Sag mir nicht, Minnie hat sich das selbst beigebracht. Du hast sie wieder Tricks gelehrt, nicht wahr?“ Cornelia sah Blanche finster an. „Das muss wirklich aufhören. Zuerst zeigst du ihr, wie man die Schürstange aufhebt und im Feuer herumstochert, und jetzt ermutigst du sie, Fenster zu öffnen. Sie könnte in den Tod stürzen oder das Haus in Brand stecken oder sonst was Schlimmes anstellen.“ Eine Welle aus Frustration, Wut und Verzweiflung stieg in ihr auf und brach über Cornelias Kopf. Einen Moment lang dachte sie, sie müsste schreien, aber als sie Blanches erschrockenes Gesicht sah, vergrub sie ihr eigenes in den Händen. Ein lautes Schluchzen baute sich in ihr auf.
Blanche drückte ihre Zigarre aus, eilte herüber und legte die Arme um ihre Nichte. „Aber, aber, Liebling! Du bist überreizt, und zwar schon, seitdem du durch die Tür gekommen bist. Ich weiß nicht, was in diesem muffigen, alten Gebäude passiert, aber ich glaube nicht, dass dich das Museum glücklich macht, und es gibt so viele andere unterhaltsame Dinge, die du tun könntest. Und was Minnies Tricks betrifft, das ist doch nur ein harmloser Spaß. Das Wetter war heute schlecht; die Zeit vergeht so langsam, und Minnie hat sich auch gelangweilt, während sie darauf gewartet hat, dass du nach Hause kommst. Du vernachlässigst sie, genau wie es Lord Sturgeon mit Cousine Cynthia tut.“
Cornelia betupfte sich die Augen mit einem Taschentuch. Sie war in Versuchung geraten, während des Abendessens alles zu erzählen, aber der Vorfall mit Mr Burnell war einfach zu beschämend. Außerdem kannte sie ihre Tanten zu gut. Sie würden sich nur auf die in ihren Augen spannenden Teile der Geschichte konzentrieren und ihr hundert Fragen über den Amerikaner stellen, statt zu verstehen, wie besorgt sie war.
Cornelia tätschelte Blanches Arm und versuchte zu lächeln. „Es geht mir gut, und es gefällt mir, im Museum zu sein. Ich denke nur an Lord und Lady Sturgeon … Es ist wirklich wundervoll zu sehen, dass sie sich eine solche Mühe geben, um den anderen für sich zu gewinnen. Und es liegt vielleicht auch an der Jahreszeit. Zu viele Erinnerungen machen mich äußerst emotional.“
Blanche fuhr sich mit einer Hand an den Mund. „Oh, Cornelia! Einfach gedankenlos von mir. Morgen ist der Jahrestag, nicht wahr?“ Ihre Miene wurde reumütig. „Setz dich nur, ich bringe dir einen Brandy.“
Während Blanche ihr das Stärkungsmittel einschenkte, lief Eustacia eilig herum, um ihre importierte Kiste mit türkischem Honig zu holen, bevor sie Cornelia dazu drängte, sich ein Stück zu nehmen.
Als ihre Tanten links und rechts neben ihr saßen, rief sich Cornelia in Erinnerung, welch großes Glück sie hatte. Hin und wieder fielen sie ihr auf die Nerven, aber sie wusste nicht, wie sie ohne die beiden zurechtkommen sollte. Ohne jegliches Zögern waren sie aus ihrem geliebten Cottage in Dorset angereist. Cornelia wusste, dass Eustacia es vermisste, sich um ihre Rosen zu kümmern, und obwohl sich Blanche weiterhin ihren Aquarellen widmete, sah man vom Portman Square aus kein Meer, das einem Inspiration schenkte.
Der Jahrestag, von dem sie gesprochen hatten, hatte nichts mit dem Tod ihres Vaters zu tun. Sie meinten damit das Ableben des Mannes, der kurz ihr Gemahl gewesen war. Der Mann, der Cornelia gelehrt hatte, wie töricht es war, einem Fremden sein Herz zu schenken, und der auf äußerst beschämende Umstände vor fünf Jahren das Zeitliche gesegnet hatte.
Oswald Mortmain hatte sie nicht geliebt und nicht einmal so getan als ob. Er hatte sich um ihr Glück keinen Deut geschert und ihr nur den Respekt eingebracht, der mit seinem Namen einherging. Als Neffe eines verarmten Viscounts hatte er nicht viel anderes zu bieten gehabt.
Es hatte kaum einen Monat gedauert, bis Cornelia erkannt hatte, dass ihre Ehe lediglich auf dem Papier bestand. Wie erfreut sie gewesen war, als sie die Einladung zu dem Fest auf dem Familiensitz der Mortmains in Hampshire erhalten hatte. Diesen schicksalhaften Abend würde sie wahrscheinlich nie vergessen – als sie in einem leeren Bett aufgewacht war und sich die Gäste und Bediensteten in Aufruhr im Flur vor ihrem Zimmer herumgedrückt hatten.
Er war nicht der erste Ehemann, der seine Gelüste in der Schlafkammer einer anderen Frau ausgelebt hatte, und er war auch nicht der Erste, der einen Herzinfarkt erlitten hatte – schnell und plötzlich, mitten während des Geschlechtsaktes –, aber nur wenigen Herren gelang ein solch spektakulärer Abgang auf der Dame des Hauses.
Der Vorfall hatte sich nicht vertuschen lassen, und zu Cornelias Schande hatte die Familie geredet, als wäre es ihre Schuld gewesen, dass sich ihr Mann auf nächtliche Wanderungen begeben hatte – und noch dazu mit der Frau seines Onkels.
Es war nicht gerade zuträglich gewesen, dass der Vorfall so dicht auf den anderen großen Skandal gefolgt war, die Tatsache, weswegen ihr Vater die Eheschließung mit Mortmain überhaupt so hastig hatte arrangieren müssen.
Oswald hatte sie nicht aus Liebe geheiratet und auch nicht, damit sie sich um seinen Haushalt kümmern würde. Nicht einmal, damit sie ihm Kinder gebären würde, soweit Cornelia es verstanden hatte. Sein einziges Interesse hatte ihrer Aussteuer gegolten, der Großzügigkeit, die im Gegensatz zu dem unerhört skandalösen Verhalten gestanden hatte.
„Es ist alles ziemlich unglücklich, Liebling.“ Eustacia rieb Cornelia den Rücken. „Dass dein Ruf ruiniert wurde, ohne dass du selbst etwas annähernd Skandalöses getan hättest!“
„Fürchterlich ungerecht“, pflichtete Blanche ihr bei. „Als könntest du etwas dafür, was mit deiner Mutter passiert ist, oder mit deinem schrecklichen Ehemann.“
Cornelia konnte nur zustimmend nicken. Sie hatte wirklich ausgesprochenes Pech gehabt. Und dennoch fühlte sie sich in gewisser Weise dafür verantwortlich. Wenn nicht für Oswalds Verhalten, dann doch zumindest für ihr Versagen, da sie ihrem Vater nicht den Wunsch erfüllt hatte, eine glückliche Ehe zu führen.
Der Tod ihres Vaters zwei Jahre nach Mortmain hatte ihre Misere nur noch verschlimmert. Es war alles ein ungeheures Chaos.
Und nun hatte sie durch ihre eigene Unbesonnenheit das Streben nach ihrer einzigen wahren Leidenschaft aufs Spiel gesetzt. Wenn es nicht ihr gestattet sein würde, im Museum zu helfen, wie profan würden ihre Tage dann sein?
Cornelia schüttelte ihr Taschentuch aus und schnäuzte sich ausgiebig die Nase. Natürlich brachte es nichts, sich über Dinge Sorgen zu machen, bevor sie überhaupt geschehen waren. Sie musste sich wirklich zusammenreißen. Sie setzte eine so fröhliche Miene auf, wie sie nur konnte, tätschelte das Sofa neben sich und rief Minnie, die umgehend auf den Platz neben ihrem Frauchen schoss und sich in ihre Röcke kuschelte. Mit dem Kopf in Cornelias Armbeuge schaute der Terrier mit unheilvollem Blick zu ihr auf.
„So, mein hübsches Ding.“ Cornelia legte ihre Hand an eine pelzige Wange. „Du weißt, dass ich dich liebe. Zusammen machen wir weiter.“
„Das ist die richtige Einstellung.“ Blanche strahlte. „Wir müssen schlimme Ereignisse und Kummer hinter uns lassen. Das alles gehört zu einem erfüllten Leben dazu.“
„Nun, Liebes, ich möchte dir noch etwas anderes Interessantes von Madame Potins zeigen.“ Eustacia erhob sich, um die Zeitung zu holen, faltete sie und hielt die relevante Seite so, dass ihre Nichte sie sehen konnte.
Cornelia schluckte schwer.
Mr Ethan Burnell schaute sie von einer Schwarz-Weiß-Fotografie aus an. Entstanden war diese auf den Stufen vor dem Britischen Museum. Es bestand kein Zweifel daran, dass er derselbe Mann war, dem sie begegnet war. Er hatte die gleiche willensstarke Ausstrahlung – ungebärdig und wild und unvorhersehbar. Unter dem Bild stand: Ein gefährlicher Mann zum Anbeißen, den jede Gastgeberin gern an ihrem Tisch hätte.
Cornelia überflog die ersten paar Absätze. Madame Potins war wirklich schamlos. Obwohl ihre Erfahrungen als verheiratete Frau begrenzt waren, verstand sogar Cornelia die Anspielungen. Mr Burnells körperliche Vorzüge wurden auf äußerst unschickliche Art beschrieben. Seine Errungenschaften in der Welt der Archäologie wurden lediglich angerissen, denn Madame Potins konzentrierte sich darauf, wie lange er schon keine elegante weibliche Begleitung mehr gehabt hatte.
„Das ist wohl kaum etwas Neues, Tante.“ Alle Zeitungen feierten Mr Burnell. Einige waren sogar so weit gegangen, Fakten einzubringen, im Gegensatz zu diesem Gewäsch.
„Unsinn! Madame Potins sagt nur das, was halb London denkt. Der Mann sieht göttlich aus, und seine Expeditionen in wenig erforschte Gebiete machen ihn nur noch faszinierender. Aber das Wichtigste ist dir entgangen, Cornelia.“ Eustacia tippte ungeduldig auf die Fotografie. „Du erkennst ihn doch gewiss?“
Cornelia biss sich auf die Lippe. Irgendetwas an ihm kam ihr bekannt vor, aber manche Leute hatten einfach ein Gesicht, das vertraut wirkte.
„Dorset, Liebes“, unterbrach Blanche ihre Gedanken. „Eustacia und ich haben das Rätsel gelöst. Über die Jahre haben wir den Briefkontakt mit Rosamund aufrechterhalten, und sie hat erwähnt, dass ihr Bruder sich auf irgendeine Reise nach Mexiko begibt, aber wir haben erst heute Morgen eins und eins zusammengezählt.“
„Rosamund?“ Cornelia glaubte nicht, jemanden mit diesem Namen zu kennen. Es gab ein paar Mädchen, mit denen sie sich während ihrer kurzen Saison angefreundet hatte, aber keine von ihnen hatte nach dem Debakel mit ihrer Mutter den Kontakt halten wollen.
„Der erste Sommer, den du bei uns im Cottage verbracht hast. Das Wetter war wundervoll. Wir waren jeden Tag am Strand. Rosamunds Mutter hat es nicht gefallen, weil wir dich barfuß haben herumlaufen lassen, aber dann hat ihr eigener Sohn darauf bestanden, das Gleiche zu tun. Sie wohnten zur Miete in der Villa oben auf der Klippe. Du und der Junge wart einige Zeit unzertrennlich. Daran musst du dich doch erinnern, Liebes.“
„Du warst erst sechs. Ich habe Eustacia schon gesagt, dass du vielleicht nichts mehr davon weißt.“ Blanche tätschelte Cornelias Knie. „Eine zauberhafte Familie, obwohl die Mutter etwas übervorsichtig war.“
Die Erkenntnis raubte Cornelia den Atem. Als sie aufgewachsen war, hatte sie fast jeden Sommer bei ihren Tanten verbracht. In ihrem Garten hatte es ein Tor gegeben, das direkt zum Strand führte, und sie hatten ihr stets mehr Freiheiten gegeben, als sich ihre Eltern vorstellen konnten. Meist hatte sie allein gespielt, aber manchmal auch mit anderen Kindern, und ganz schwach erinnerte sie sich nun an den dunkelhaarigen Jungen, der ein bisschen älter gewesen war als sie. War sein Name Ethan gewesen? Vielleicht …
„Ich bin überrascht, dass du nicht selbst etwas gesagt hast, Cornelia, Liebes, da doch Mr Burnells Ausstellung im Museum geplant ist. Du warst in letzter Zeit öfter dort als zu Hause. Wir haben uns gefragt, ob ihr euch schon mal begegnet seid.“ Eustacia senkte ihr Kinn und blickte ihre Nichte über die Brille hinweg an.
Blanche stieß ein ungeduldiges Seufzen aus. „Wir hatten gehofft … Ich meine, du triffst als erwachsene Frau natürlich deine eigenen Entscheidungen, und es besteht kein Grund, dass du dich jemals wieder an einen Mann binden musst, aber er ist bemerkenswert attraktiv.“
„Und unerschrocken“, fügte Eustacia hinzu.
„Und er ist Amerikaner.“ Blanche legte die Hände ineinander, und ihre Augen glänzten vor freudiger Erregung. „Dort ist man nicht halb so spießig wie hier, besonders im Mittleren Westen, wie ich gehört habe. Er wird nichts davon wissen, dass … Du weißt schon.“
„Selbst wenn er es erfährt, wird es ihn wahrscheinlich nicht kümmern.“ Eustacia strahlte regelrecht. „Amerikaner sind Meister darin, sich neu zu erfinden, und du bist immer noch jung genug, um neu zu beginnen, Cornelia – um neu mit einem Mann zu beginnen, der dich vergöttert, mit dem du eine Familie gründen kannst, mit dem du Hand in Hand alle Wunder des Lebens genießen kannst.“
Einen Moment lang sagte Cornelia nichts. Dann erwachte eine Flamme des Zorns in ihr zum Leben. Sie hob Minnie von ihrem Schoß und setzte sie auf dem Boden ab, um sich zu erheben. Erst als sie am Kamin angekommen war, fühlte sie sich ruhig genug, um ihre Miene zu entspannen und sich zu ihren Tanten umzudrehen. Sie verdrängte die Erinnerung an Mr Burnell, wie er auf dem Boden der Palekmul-Galerie auf ihr gesessen hatte, und wählte ihre Worte bedacht. „Dann glaubt ihr also, ich hätte mich heimlich mit … diesem Mann getroffen. Und da er so gut wie nichts über mich weiß, soll ich mich ihm an den Hals geworfen und gehofft haben, dass er tiefe Gefühle für mich aufbaut, bevor er erkennt, welch schlimmen Fehler er damit begangen hat?“
Eustacia schaute hoffnungsvoll. „Man könnte doch sagen, ihr seid schon als Kinder ineinander verliebt gewesen?“
„Getrennt durch einen Ozean, aber nun wieder vereint durch die Hand des Schicksals?“, schlug Blanche vor.
Cornelia kämpfte gegen den Drang an, mit dem Fuß aufzustampfen. Sie war eine erwachsene Frau und konnte für sich selbst denken und handeln. Seit dem Tod ihres Vaters war sie finanziell unabhängig, und sie hatte sich ein bedeutungsvolles Leben aufgebaut, wenn auch innerhalb eines begrenzten Rahmens.
Aufgrund ihrer Vorgeschichte würde es nur wenigen Herren von hohem Stand in den Sinn kommen, ihren Namen mit dem von Cornelia in Verbindung zu bringen. Es gab auch keinen Grund dafür, auf so etwas hinzuarbeiten. Tatsächlich war es sogar besser, derartige Gedanken vollkommen zu verdrängen. Sie hatte nicht die Absicht, ihren Fehler zu wiederholen, indem sie ohne offensichtliche Zuneigung, gegenseitigen Respekt und eine Verbindung auf mentaler Ebene heiratete.
Mr Burnell, wer auch immer er war oder gewesen sein mochte, war ein Fremder für sie. Ihre Leben waren vollkommen unterschiedlich verlaufen. Abgesehen von einer kurzen Phase, in der sie im Meer geplanscht und Sandburgen gebaut hatten, und der Tatsache, dass sie sich beide für Altertümliches interessierten, hatten sie nichts gemeinsam.
Und nach all den Zeitungsartikeln zu schließen, hatte er freie Wahl bei den ledigen Frauen von London – wahrscheinlich auch bei vielen der verheirateten. Ganz gleich, wie interessant der Mann auch sein musste, sie würde sich nicht dazu herablassen, sich in die Riege aus Frauen einzureihen, die ihn anschmachteten.
Sie hatte genügend Demütigung im Leben erfahren. Es noch einmal darauf anzulegen, wäre mehr als töricht; es wäre absurd.
„Es gibt keinen Grund, so empfindlich zu reagieren, Liebes. Wir denken doch nur an dein Glück.“ Eustacia sah verletzt aus.
„Und du musst dir keine Sorgen machen, dass du zu eifrig wirken könntest. Wir haben alles in der Hand.“ Blanche glättete ihre Röcke und schenkte Cornelia ein beschwichtigendes Lächeln. „Wir schicken heute Nachmittag einen Boten mit unserem Brief an Mr Burnell ins Museum. Und geben uns als alte Freundinnen zu erkennen. Außerdem haben wir um drei Eintrittskarten für den Eröffnungsvortrag gebeten, und dich haben wir kaum erwähnt.“
Eustacia machte sich an einem imaginären Staubpartikel auf dem Sofa zu schaffen. „Nur eine winzige Sache noch – falls er sich ein bisschen besser an Dorset erinnert als du, Cornelia.“
„Wir haben nichts darüber erwähnt, dass du ledig bist und er dich umwerben könnte“, fügte Blanche hinzu. „Und auch nicht, wie überaus klug du bist.“
„Und wir haben definitiv nicht erwähnt, dass du ein wenig temperamentvoll bist.“ Eustacia hob den Deckel der Teekanne und spähte hinein, um zu sehen, ob es noch für eine Tasse reichen würde.
„Obwohl so etwas nicht zwingend abschreckend ist. Ein Mann wie Mr Burnell könnte es als Zeichen für versteckte Leidenschaftlichkeit betrachten.“
Himmel hilf! Cornelia verdrehte die Augen, ging zur Karaffe und schenkte sich einen zweiten Brandy ein.
Britisches Museum, London
Nachmittag, 13. Dezember
„Niemand kann anzweifeln, dass diejenigen, die vor Tausenden Jahren in Palekmul gelebt haben, sowohl intellektuell als auch technisch fortschrittlicher waren, als wir angenommen hatten.“ Der Mann, der das Podium umklammerte, ließ seinen Blick über das gespannte Publikum wandern, und seine Augen wirkten eindringlich, als er zum Abschluss seines leidenschaftlichen Vortrags kam. „Die bemerkenswerte Gestaltung von Palekmul schließt jegliche Theorie aus, dass es ohne genaue Planung erweitert wurde. Die Strukturen sind nicht nur in einem Muster zueinander angeordnet, sondern die Haupttempel der Stadt scheinen mit Absicht so platziert worden zu sein, in direkter Verbindung zum Sonnenstand. Es gibt noch vieles, das ausgegraben werden muss, das noch tief im Dschungel verborgen liegt. Bei meiner Rückkehr dorthin möchte ich eine Karte über einen Radius von einer ganzen Meile um den Haupttempel herum anfertigen, und ich glaube, dass die Funde beispiellos sein und alles verändern werden, was wir zu wissen glauben.“
Als die Menge sah, dass Mr Burnell seine Notizen zur Seite legte, brach in dem überfüllten Saal Applaus aus, und er verbeugte sich zum Dank.
Eustacia flüsterte Blanche zu: „Der liebe, kleine Ethan ist zu so einem strammen Burschen herangewachsen. Wer hätte das gedacht? Und er spricht mit solch einer Autorität.“
Cornelia musste ihre Begeisterung über den Vortrag verbergen. Sie hatte in der Vergangenheit bereits einigen beigewohnt, und die Männer, die sie gehalten hatten, waren allesamt großspurig und ausschweifend gewesen. Mr Burnell hatte seine Ansprache voller Überzeugung, aber ohne Eitelkeit gehalten.
Sie hatte damit gerechnet, dass er dem Brief ihrer Tanten keine Beachtung schenken würde – es war gewiss einer unter Hunderten, in dem um eine Einladung vom großen Abenteurer gebeten worden war – aber die Karten zu seinem letzten Vortrag über Palekmul waren gestern Morgen eingetroffen. Obwohl Cornelia penibel darauf geachtet hatte, sich nach ihrem schrecklichen Fehltritt stets im Keller aufzuhalten, war es unmöglich gewesen, ihren Tanten den Wunsch abzuschlagen, dass sie sie begleitete.
In der Hoffnung, dass er sie nicht bemerken würde, hatte sie sich für einen schlichten Rock und eine Jacke aus langweiligem marineblauem Wollgewebe entschieden und hatte sich die Krempe ihres Hutes tief ins Gesicht gezogen. Er hatte sie unter ganz anderen Umständen gesehen und würde sie vielleicht nicht mit der Frau in Verbindung bringen, die vor ein paar Tagen damit gedroht hatte, auf ihn zu schießen. Sie musste sich lediglich hinter den anderen Zuschauern verstecken. Ihre Tanten hatten kein ernsthaftes Interesse an den Inhalten der Galerie und würden sich mühelos dazu überreden lassen, nach einem kurzen Rundgang durch den Raum zu gehen. Alles würde gut gehen, wenn sie nur ihren Kopf nicht verlor.
Eine teuer gekleidete Matrone zu Cornelias Rechten seufzte laut und rief ihrer Begleiterin zu: „Einfach meisterhaft! Wir müssen ihn zu einer unserer Soireen einladen, Mathilda, und zwar bald. Ein Mann in seinen besten Jahren, und noch dazu so gut aussehend; welch eine Schande, dass er auf den Ozean zurückkehren will, ohne sein gesamtes Wissen zu teilen. Man spürt, dass er in jeglicher Hinsicht alle Erwartungen erfüllen würde.“
Während die andere Frau kicherte, presste Cornelia die Zähne zusammen. Mr Burnell war auf betörende Weise attraktiv, auf eine wilde Art, und der Schnitt seiner Kleidung betonte, wie gut er gebaut war, aber es gab keine Entschuldigung für solch ungehobelte Bemerkungen. Schämten sie sich nicht?
Da die Formalitäten vorbei waren, bewegte sich das Publikum weiter, um die Ausstellungsstücke zu bewundern, die im äußeren Bereich des großen Raumes im Kreis angeordnet waren. Alle waren begeistert, denn Mr Burnells bemalte Gipskonstruktionen wirkten vollkommen authentisch. Diverse Original-Artefakte waren tatsächlich dort. Da die Nachmittagssonne schnell schwand und die elektrischen Glühbirnen einen blassen Schimmer hinzufügten, konnte man beinahe den Eindruck gewinnen, man hätte die heiligen Hallen des Tempels von Palekmul betreten.
„Oh, hier sind ja Flecken drin.“ Blanche spähte in einen Kelch mit weiter Öffnung. „Könnte es Blut sein? Sie sollen sehr blutrünstig gewesen sein, habe ich gehört. All diese Menschenopfer – fürchterlich grausam.“
Cornelia rückte ihre Brille zurecht. „Ein Festgefäß zum Trinken von Schokolade, würde ich sagen. Es heißt, dass Montezuma täglich mehr als fünfzig Tassen davon getrunken hat. Für die Gesundheit und als Zeichen von Prestige. Die Tempel sind gefüllt mit eingravierten Bildern und Malereien, die auf einen zeremoniellen Gebrauch hindeuten. Bei Hochzeiten zum Beispiel, als Opfergabe für die Götter. Mit dem Getränk gefüllte Kelche waren Grabbeigaben, damit sie auf ihrer Reise ins Leben nach dem Tod gut genährt waren.“
„Bist du dir sicher, dass das alles ist, Liebes?“ Blanche sah überaus enttäuscht aus. „Vielleicht haben sie es auch Jungfrauen zu trinken gegeben, bevor man sie geopfert hat?“
Ein gedämpftes Husten ertönte von hinten, und eine tiefe, rauchige Stimme sprach über Cornelias Schulter. „Die Dame hat recht. Die Bohnen waren oft sogar Teil der Aussteuer von Frauen. Die Braut musste die Schokolade mit genau der richtigen Menge an Schaum zubereiten, um zu beweisen, dass sie der Ehe würdig ist. Dieses Gefäß ist eines der Ersten, die ich in den inneren Kammern eines Tempels gefunden habe. Die Verfärbungen im Inneren sind Kakaorückstände.“
Blanche wirbelte herum und klatschte in die Hände. „Oh, Mr Burnell. Welch eine Freude, Sie nach so langer Zeit wiederzusehen. Das alles ist ja so faszinierend. Wir haben Ihnen bei jedem Wort an den Lippen gehangen, nicht wahr, Eustacia?“
„Oh, ja.“ Eustacia legte Mr Burnell eine Hand auf den Arm. „Eine wunderbare Überraschung. Cornelia berichtet uns oft über ihre Arbeit hier, aber ich finde es immer tödlich langweilig.“
Cornelia verspürte den Drang zu schreien. So sehr sie ihre Tanten auch liebte, sie waren unverbesserlich. Wenn sie sie nicht weglockte, würden sie beginnen, äußerst unangenehme Fragen zu stellen – über Palekmuls Rituale, was den Vollzug der Ehe in der Hochzeitsnacht betraf oder irgendeinen ähnlichen überaus unangebrachten Unsinn.
Doch Blanche streckte bereits ihre Hand aus. „Ich hoffe, Sie fanden es nicht zu direkt, Mr Burnell, dass wir Ihnen geschrieben haben. Das Ganze ist ja schon ungefähr zwanzig Jahre her, und wir waren uns ganz und gar nicht sicher, ob Sie sich an uns erinnern würden, obwohl wir mit Ihrer lieben Schwester in Kontakt geblieben sind.“
„Es ist mir ein Vergnügen, Miss Everly.“ Er berührte den Handschuh ihrer Tante mit den Lippen. „Ich erinnere mich in der Tat an Sie beide. Rosamund und meine Mutter wussten Ihre Güte und Freundschaft in jenem Sommer sehr zu schätzen.“
„Liebe Güte!“ Blanche kicherte normalerweise nicht, aber nun schien sie nicht an sich halten zu können. „Es war uns natürlich ein Vergnügen, uns mit ihr anzufreunden. Ihre Mutter war eine ängstliche Person, aber sie schien unsere Gesellschaft zu genießen.“
Mr Burnell erwiderte nichts darauf, sondern richtete seinen Blick auf Cornelia.
Eustacia strahlte. „Und das ist unsere Nichte, Ihre Spielkameradin aus vergangenen Zeiten, unsere liebe Cornelia.“
Cornelia schüttelte ihm die Hand. „Ich fürchte, wir sind unverschämt, Mr Burnell. Vielleicht möchten Sie mich lieber Mrs Mortmain nennen. Es ist mir ein Vergnügen, Sie nach all dieser Zeit wiederzusehen.“