Wie sehr hast du geirrt, Jasmin - Patricia Vandenberg - E-Book

Wie sehr hast du geirrt, Jasmin E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. »Sie können jetzt zu Ihrem Vater gehen, Jasmin«, sagte Dr. Behnisch zu dem jungen Mädchen, das auf dem Gang vor dem Krankenzimmer wartete. Sein Gesicht war ernst, seine Stimme rauh.Er kannte Jasmin Dahlen, und er wußte, wie sehr sie an ihrem Vater hing. Und wenn Holger Dahlen diese Liebe auch nicht verdiente, so dachten jedenfalls diejenigen, die ihn richtig kannten, wie sollte man es Jasmin sagen? Das brachte niemand fertig.Freilich mußte man bedenken, daß Holger Dahlen so aussah, wie Mädchen sich ihren Vater wünschten. Zumindest solange er gesund war, konnte er sich als Mädchenschwarm fühlen, aber natürlich hatte er auch Erfolg bei Frauen.Das alles wußte Dr. Behnisch, wie andere es auch wußten, aber Jasmin tat alles Gerede mit einem Lächeln ab, wenn es ihr zu Ohren kam. Neid und Eifersucht, so meinte sie, waren die Ursache für jeden Klatsch, und ein solcher Mann blieb eben davon nicht verschont.Jetzt war Holger Dahlen schwerkrank. Wie krank, das wußte Jasmin noch nicht. Sie war aus Paris zurückgerufen worden, wo sie Sprachen und Literatur studierte. Sie hatte es sich so gewünscht, und Tessa Dahlen hatte es ihrer Tochter deshalb gestattet, weil Jasmin bei Tessas Freundin Madeleine Lebrain wohnen konnte, deren Tochter Aimée ein Jahr älter war als Jasmin.Was immer auch Jasmin zu Ohren kam, für sie zählte nur, was ihr Vater ihr erzählte, und als sie sich nun an sein Bett setzte, ihn so schwach und abgemagert sah, konnte sie nur mit Mühe die Tränen zurückhalten.»Ma petite, mein Liebling«, flüsterte er, »du bist gekommen!« Es kostete ihn viel Mühe, einigermaßen deutlich zu sprechen. Holger Dahlen hatte Kehlkopf- und Lungenkrebs, aber auch das sollte Jasmin jetzt noch nicht erfahren.»Warum wurde ich nicht früher benachrichtigt?

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Dr. Norden Bestseller – 278–

Wie sehr hast du geirrt, Jasmin

Patricia Vandenberg

»Sie können jetzt zu Ihrem Vater gehen, Jasmin«, sagte Dr. Behnisch zu dem jungen Mädchen, das auf dem Gang vor dem Krankenzimmer wartete. Sein Gesicht war ernst, seine Stimme rauh.

Er kannte Jasmin Dahlen, und er wußte, wie sehr sie an ihrem Vater hing. Und wenn Holger Dahlen diese Liebe auch nicht verdiente, so dachten jedenfalls diejenigen, die ihn richtig kannten, wie sollte man es Jasmin sagen? Das brachte niemand fertig.

Freilich mußte man bedenken, daß Holger Dahlen so aussah, wie Mädchen sich ihren Vater wünschten. Zumindest solange er gesund war, konnte er sich als Mädchenschwarm fühlen, aber natürlich hatte er auch Erfolg bei Frauen.

Das alles wußte Dr. Behnisch, wie andere es auch wußten, aber Jasmin tat alles Gerede mit einem Lächeln ab, wenn es ihr zu Ohren kam. Neid und Eifersucht, so meinte sie, waren die Ursache für jeden Klatsch, und ein solcher Mann blieb eben davon nicht verschont.

Jetzt war Holger Dahlen schwerkrank. Wie krank, das wußte Jasmin noch nicht. Sie war aus Paris zurückgerufen worden, wo sie Sprachen und Literatur studierte. Sie hatte es sich so gewünscht, und Tessa Dahlen hatte es ihrer Tochter deshalb gestattet, weil Jasmin bei Tessas Freundin Madeleine Lebrain wohnen konnte, deren Tochter Aimée ein Jahr älter war als Jasmin.

Was immer auch Jasmin zu Ohren kam, für sie zählte nur, was ihr Vater ihr erzählte, und als sie sich nun an sein Bett setzte, ihn so schwach und abgemagert sah, konnte sie nur mit Mühe die Tränen zurückhalten.

»Ma petite, mein Liebling«, flüsterte er, »du bist gekommen!« Es kostete ihn viel Mühe, einigermaßen deutlich zu sprechen. Holger Dahlen hatte Kehlkopf- und Lungenkrebs, aber auch das sollte Jasmin jetzt noch nicht erfahren.

»Warum wurde ich nicht früher benachrichtigt?« fragte sie mit einem unterdrückten Schluchzen. »Liebster Pa, ich wäre doch sofort gekommen.«

»Ich dachte, ich würde schneller gesund.« Jasmin mußte sich sehr anstrengen, um zu verstehen, was er sagte. Sie hatte sich ganz tief über ihn geneigt, aber es tat ihr weh, in diese trüben Augen zu blicken, die sie doch noch so strahlend in Erinnerung hatte.

Jetzt senkten sich die Lider. »Ich bin müde, Jasmin…«, das hörte sie, und sie streichelte seine Hände. Sie vernahm mühsame Atemzüge, manchmal rasselnd, und sie blieb still sitzen und gab ihren Gedanken freien Lauf.

Sie dachte drei Jahre zurück, drei Jahre, die ihr jetzt so bedeutungsvoll erschienen wie nie zuvor.

Ihr Großvater, den sie auch sehr geliebt hatte, war gestorben. Er hinterließ kein großes Vermögen, aber eine gutgehende Druckerei, die seine einzige Tochter Tessa um jeden Preis weiterführen und wieder richtig in Schwung bringen wollte. Holger Dahlen war dagegen. Er hatte ganz andere Pläne. Die Wahrheit darüber erfuhr Jasmin nicht. Sie hatte volles Verständnis, daß ihr Vater, der Journalist, sich nicht mit einer Druckerei befassen wollte. Er wollte reisen, ihn lockten die Ferne und Abenteuer. Jasmin flehte ihn an, sie mitzunehmen. Sie war ja schon siebzehn Jahre, aber er bestand darauf, daß sie erst ihr Abitur machen sollte. Das sei am wichtigsten, erklärte er, um ihr so seine wahren Absichten zu verheimlichen.

Jasmin ging also zur Schule und blieb bei ihrer Mutter, die all ihre Kraft einsetzte, um die Druckerei zu retten und damit auch die Existenz der langjährigen Angestellten. Und sie schaffte es, weil sie einen Geldgeber fand, der ihr Spielraum ließ und ihr in vielen Fragen mit Rat und Tat zur Seite stand.

Jasmin war eine gute Schülerin, sie wollte die Schulzeit auch ohne jede Komplikation zu Ende bringen. Sie zehrte von den Briefen ihres Vaters, die allerdings selten genug kamen, aber sie hatte immer eine Entschuldigung dafür und vollstes Verständnis für ihn. Insgeheim schalt sie ihre Mutter engstirnig und spießig, weil sie nur für den Betrieb dachte und sorgte. Wie sehr Tessa um ihre Tochter besorgt war, das wußte Jasmin nicht oder wollte es nicht wahrhaben.

Als Jasmin das Abitur bestanden hatte, kam Holger Dahlen das erste Mal nach Hause. Nach Hause? Jasmin bemerkte die Spannungen zwischen den Eltern, aber daran gab sie der Mutter Schuld, die ja ständig nur an die Druckerei dachte. Daß ihr damit ein sorgenfreies Leben gewährleistet wurde, daran dachte Jasmin nicht, und Tessa schwieg. Ja, sie schwieg zu allem, was Jasmin wissen wollte, oder sie wich aus, und auch das legte Jasmin falsch aus, stets zu des Vaters Gunsten.

Nun, jedenfalls war er es, der den Vorschlag mit dem Studium in Paris machte, weil er dort öfter wäre als in München, und es hatte wohl eine lange Unterredung zwischen ihm und Tessa gegeben, von der Jasmin allerdings nichts erfuhr, doch Tessa willigte ein, wenn Jasmin bei ihrer Freundin Madeleine wohnen würde, mit der sie seit der Internatszeit in Lausanne befreundet war. Und so geschah es, daß Jasmin nach Paris ging und sich auch im Hause Lebrain wohl fühlte, sogar mit Aimée Freundschaft schloß, obgleich dieses sensible Mädchen von Holger Dahlen keineswegs begeistert war.

Anfangs sah ihn Jasmin öfter, aber dann erklärte er ihr, daß er für die englische Zeitschrift wieder reisen müsse, und wie schon vorher bekam sie nur ab und zu einen Brief und mal dazwischen ein paar Ansichtskarten. Auch bekam sie ab und zu eine Reportage zu Gesicht.

So vergingen die Jahre, drei Jahre, und nun saß sie am Krankenbett ihres Vaters, ihres so heißgeliebten Pas, und sie sah nur, wie fremd und krank er aussah. Manchmal stöhnte er qualvoll im Schlaf, und dann begann er um sich zu schlagen. Erschrocken läutete Jasmin nach dem Arzt, und Frau Dr. Behnisch kam.

»Sie gehen jetzt besser, Jasmin«, sagte Jenny Behnisch. »Ihr Vater bekommt eine Infusion, und er wird wieder lange schlafen. Übrigens ist gerade Dr. Norden gekommen.«

Damit brachte sie es fertig, daß Jasmin tatsächlich das Zimmer verließ, bevor sie Zeugin des Erstickungsanfalles wurde, der zu dem Krankheitsbild gehörte.

Jasmin fiel Dr. Norden indessen fast in die Arme. »Dr. Norden«, schluchzte sie, »helfen Sie Pa, bitte, helfen Sie, Sie kennen ihn doch am besten.«

Und wie Dr. Norden diesen Holger Dahlen kannte! Aber auch er hätte es nicht über sich gebracht, diesem jungen Mädchen seine Meinung offen zu sagen.

»Es wird getan, was in unseren Kräften steht, Jasmin, aber ich kann es Ihnen nicht verheimlichen, daß Ihr Vater sehr krank ist und die Chancen für ihn immer geringer werden.«

Jasmin starrte ihn an, wich ein paar Schritte zurück und hob abwehrend die Hände.

»Das können, das dürfen Sie nicht sagen. Ich vertraue Ihnen doch so«, flüsterte sie, »aber vielleicht gibt es Ärzte, die da doch besser helfen können.«

Du armes, verblendetes Kind, dachte Dr. Norden. Vielleicht sollte man wirklich so einen Arzt hinzuziehen, dem es nichts ausmacht, dir solchen Schock zu versetzen, dir zu sagen, wieviel dein Vater selbst dazu beigetragen hat, sein Leben so zu zerstören.

Aber er kannte Jasmin schon mehr als zehn Jahre, und er wollte jetzt nicht zerstören, was ihr doch soviel bedeutete. Er konnte nicht abschätzen, wie sie dann reagieren würde, auch ihrer Mutter gegenüber.

»Dein Vater hat schon die besten Ärzte in aller Welt aufgesucht, Jasmin«, sagte er behutsam. »Bevor er nach München zurückkam, wußte er bereits, wie krank er ist. Aber er wußte wohl auch, daß er hier doch am besten versorgt werden würde.«

Sie senkte den Kopf. »Wie lange liegt er hier schon?« fragte sie.

»Drei Wochen. Zuerst schien es ja, daß sich sein Zustand unter unserer Therapie bessern würde, aber dann wurde er gegen diese Mittel auch immun.«

»Mama hat mich nicht benachrichtigt«, sagte Jasmin tonlos. »Wie konnte sie das unterlassen?«

»Sie hätten doch nicht helfen können.« Plötzlich sagte er Sie, aber das fiel ihr doch auf.

»Sie können mich ruhig duzen, Dr. Norden, so erwachsen bin ich noch gar nicht, jetzt erst recht nicht.«

Sie stand jetzt vor ihm mit einem trotzigen Gesicht. Sie war ihrem Vater sehr ähnlich, bildhübsch, schlank, mehr als mittelgroß, ein überaus attraktives Mädchen von zwanzig Jahren. Ihr Gesicht war jetzt sehr blaß, und die großen dunklen Augen wirkten dadurch noch größer.

»Ich werde jetzt nach Hause fahren und mit meiner Mutter sprechen«, sagte Jasmin. »Ich habe sie noch gar nicht gesehen. Sie ließ mich mit dem Chauffeur abholen, weil sie eine wichtige Konferenz hat.«

Das klang aggressiv und machte Dr. Norden bewußt, daß echte Spannungen zwischen Tessa Dahlen und ihrer Tochter Jasmin bestanden.

»Bedenke bitte auch, daß es für deine Mutter nicht einfach ist, allein für den Betrieb zu sorgen.«

»Das müßte sie doch nicht. Sie hätte ja verkaufen können.«

Und dann wäre alles futsch, ging es ihm durch den Sinn, dafür hätte Dahlen auch gesorgt, und das sehr schnell.

»Sie fühlte sich Ihrem Vater und auch den Angestellten gegenüber verpflichtet«, sagte er ruhig.

Leicht verwirrt blickte ihn Jasmin daraufhin an. »Aber das Familienleben hat darunter gelitten«, sagte sie trotzig.

Das hat unter was ganz anderem gelitten. Er wußte es, aber es war jetzt nicht der Zeitpunkt, mit Jasmin darüber zu sprechen. Er hätte sie damit vor den Kopf stoßen können.

*

Tessa war in der Druckerei, und Jasmin war auch gar nicht erst heimgefahren. Das Wohnhaus lag ja nur fünf Minuten entfernt.

Als Jasmin aus dem Taxi stieg, ging gerade ein hochgewachsener junger Mann auf einen Sportwagen zu. Er hatte die Tür schon geöffnet, als er sich umwandte und Jasmin sah. Ein staunender Ausdruck war in seinen Augen. Allerdings konnte Jasmin das nicht sehen. Sie kannte diesen jungen Mann nicht, aber irgendwie prägte sich ihr dieses Gesicht in der kurzen Zeit doch ein. Sie hatte es nicht eilig. Langsam ging sie auf das Bürogebäude zu und fühlte, daß dieser Mann ihr nachblickte. Sie fühlte es so stark, daß sie sich dann auch umdrehte, und er stand immer noch bei dem Auto. Aber nun ging sie rasch weiter, verwundert, fast beunruhigt.

Tessa Dahlen-Relink, sie hatte ihren Mädchennamen nach der Heirat dem Namen Dahlen zugefügt, war gerade mit der Konferenz fertig. Sie war eine schlanke, sehr aparte Frau mit aschblondem Haar, schlicht-sportlich gekleidet und doch ladylike. Ihr ernstes Gesicht hellte sich auf, als sie Jasmin eintreten sah. Sie sprang auf und streckte die Hände aus.

»Tut mir leid, Jasmin, daß ich dich nicht selbst abholen konnte, aber die Konferenz war schon lange eingeplant, und es waren ausländische Geschäftsfreunde da.« Ihre Stimme war leise und dunkel, aber Jasmin machte keine Anstalten, ihre Mutter zu umarmen.

Tessas Gesicht überschattete sich wieder, aber sie hatte sich lange genug in Selbstbeherrschung üben müssen und verlor diese auch jetzt nicht.

»Du warst schon in der Klinik?« fragte sie ruhig.

»Ja, aber Pa ist sehr schwach. Warum hast du mich nicht früher benachrichtigt?« fragte Jasmin erregt.

»Ich hatte gehofft, daß sich sein Zustand bessern würde. Du hättest doch nicht helfen können.«

»Aber ich wäre bei ihm gewesen und hätte ihm Mut gemacht. Du hast ja anscheinend keine Zeit.«

»Wir fahren jetzt heim und können dort in Ruhe reden«, lenkte Tessa ab.

»Ich fahre nachher wieder in die Klinik«, erklärte Jasmin trotzig.

»Das kannst du ja. Aber sicher wirst du dich frisch machen wollen und etwas essen. Lina hat alles schon hergerichtet.«

Jasmin sagte nichts mehr. Tessa sagte noch ihrer Sekretärin Bescheid, daß sie zu Hause zu erreichen sei, und dann ging sie.

»Du hast ja einen neuen Wagen«, sagte Jasmin erstaunt, als Tessa die Tür zu einem Cabrio öffnete.

»Ja, der alte hat es wirklich nicht mehr gemacht, und ich bin jetzt häufiger unterwegs.«

»Privat?« fragte Jasmin spitz.

»Nein, geschäftlich. Ich habe eine sehr gute Verbindung zu einem Verlag anknüpfen können, und dadurch sind wir völlig ausgelastet.«

»Und das ist dir wichtiger als dein kranker Mann«, ereiferte sich Jasmin.

Jetzt mußte sich Tessa doch maßlos beherrschen. Sie waren zwar schon zu Hause angekommen, aber sie blieben noch im Wagen sitzen.

»Jetzt will ich dir mal etwas in aller Ruhe sagen, Jasmin. Solange dein Vater gesund war, ist er in der Welt herumgereist, und es hat ihn nicht gekümmert, wie ich zurechtkomme. Aber als es ihm dann gesundheitlich schlechtging, war er plötzlich da. Vor genau vier Wochen bekam ich die Nachricht, daß er in Frankfurt in einem Krankenhaus liegt und die Rechnungen offenstehen.«

»In Frankfurt?« fragte Jasmin mit belegter Stimme.

»Ja, in Frankfurt. Er wollte aber nach München, also ließ ich ihn in die Behnisch-Klinik bringen. Aber ich kann deshalb nicht alles stehen- und liegenlassen, da ja beträchtliche Summen nun auch für ihn zu zahlen

sind.«

»Willst du ihm vorwerfen, daß er krank ist?« fragte Jasmin empört.

Tessa hätte ihm noch ganz anderes vorwerfen können, aber sie wollte Jasmin nicht noch mehr gegen sich aufbringen. Sie dachte, daß schon bald ein Tag kommen würde, an dem Jasmin manches erfahren mußte. Ja, mußte, weil das nicht immer verschwiegen werden konnte, was Tessas Leben zur Hölle gemacht hatte. Aber sie wollte Jasmin nicht verlieren, und deshalb hatte sie viel geschluckt.

»Ich werfe es ihm nicht vor, aber ich lasse mich nicht hinstellen, als hätte ich kein Herz. Drei Jahre Trennung ist eine lange Zeit.«

»Du hast ja nicht mal Zeit gehabt, dich um mich zu kümmern, was sollte er also hier?« fragte Jasmin.

Tessa sah sie forschend an. »Worüber kannst du dich eigentlich beklagen, Jasmin?« fragte sie. »Ich war jeden Abend zu Hause, auch wenn du mit Freundinnen und Freunden unterwegs warst. Du hast nichts zu entbehren brauchen. Was hat dir dein Vater eigentlich bezahlt, das möchte ich doch einmal fragen?«

»Das mußte ja kommen«, stieß Jasmin hervor. »Er mußte ja auch für sich allein sorgen. Er ist nun mal kein Kaufmann oder Beamter. Und er hat doch gesagt, daß du verkaufen sollst.«

»Ich frage mich nur, wo wir dann gelandet wären«, sagte Tessa bitter. »Geld ist schnell verbraucht, wenn nichts hinzukommt.«

Jasmins Augen wurden schmal. »Ich frage mich nur, warum du solchen Mann geheiratet hast.«

»Das frage ich mich auch, aber anscheinend war ich sehr verliebt.«

Sie hatte es nicht sagen wollen, aber nun war es gesagt, und Jasmin ballte die Hände. »Du hast ihn eben nicht richtig geliebt, sonst hättest du ihn besser verstanden«, sagte sie gereizt.

Jetzt schwieg Tessa. Sie stieg aus, Jasmin folgte ihr, und dann kam ihnen schon Lina entgegen, rundlich, freundlich, und doch war auch etwas in ihrem Gesicht, was Jasmin zu denken gegeben hätte, würde sie eine bessere Menschenkenntnis besitzen.

»Gute Lina«, sagte Jasmin leise.

Lina warf Tessa einen fragenden Blick zu, die aber schüttelte leicht den Kopf, und Lina wußte, was das bedeutete, nämlich, daß Jasmin nach wie vor ihren Vater anbetete.

Ein Lunch war vorbereitet. Lina verstand sich schon darauf, da Tessa ab und zu doch mal Geschäftsfreunde bewirtete. Sie tat es lieber zu Hause als in einem Restaurant.

Jetzt war sie doch ein bißchen erleichtert, daß Holgers Krankheit Jasmin den Appetit nicht hatte rauben können, aber sie war jung und gesund und schon lange unterwegs, und Linas Kochkünsten hatte sie nie widerstehen können.

Auch Lina war darauf eingestellt, nichts gegen Holger Dahlen zu sagen. Damals, vor drei Jahren, als er das Haus verließ, hatte Tessa lange mit ihr gesprochen, und sie kannte die wahren Gründe dieser Trennung. Aber da sie wußte, wie Jasmin auf ihren Vater fixiert war, wollten sie ihr in diesem ganz besonders diffizilen Entwicklungsstadium keine schweren Konflikte erzeugen.

»Pa war zwischenzeitlich gar nicht daheim?« fragte Jasmin.

»Das weißt du doch. Du bist erst seit einem Jahr in Paris, und wenn du hier warst, war er auch nicht da.« Tessa war bemüht, alles ganz ruhig zu sagen, ohne einen vorwurfsvollen Unterton.

»Dann hattet ihr also doch Differenzen und wolltet euch endgültig trennen«, stellte Jasmin nach kurzem Überlegen fest.

»Es wäre besser, du würdest so mit deinem Vater sprechen«, sagte Tessa.

Jasmins Augen funkelten zornig. »Er kann ja kaum reden, und was soll ich ihm das Herz noch schwerer machen.«

»Ich bin jedenfalls geblieben und habe für dich gesorgt, mein Kind.«

»Du hast ihn nie verstanden, du hattest immer etwas an ihm auszusetzen!« brauste Jasmin auf.

»Zum Beispiel?« fragte Tessa. »Was habe ich an ihm ausgesetzt?«

»Ich weiß ja nicht, was ihr hinter verschlossenen Türen geredet habt.«

»Nun, ich wollte die Druckerei nicht aufgeben, weil mein Vater sie mir hinterlassen hat, auch für dich, Jasmin. Und es war ein guter Entschluß, davon bin ich jetzt überzeugt, denn so kann ich wenigstens noch die Ärzte bezahlen, die dein Vater jetzt braucht. Und ich kann auch für deinen Unterhalt sorgen. Ich schlucke viel, mein Kind, aber nicht alles.«

»Pa hat doch viel verdient«, murmelte Jasmin.

»Dann frag ihn doch mal, was er mit dem Geld gemacht hat. Ich stelle schon lange keine Fragen mehr.«

»Ich hoffe nur, daß Pa gesund wird, dann werde ich mit ihm gehen«, sagte Jasmin mit hoher Stimme. »Und wir werden es dir zeigen.«

Tessa erhob sich. »Ich hoffe, daß du eines Tages vernünftiger denken wirst, Jasmin. Du hättest ja mit ihm gehen können. Wer hat es dir denn ausgeredet? Was kann eine Mutter für ihr Kind tun, das nichts von ihr wissen will und immer nur den Vater hochlobt. Du bist mündig. Du kannst jetzt ganz über dich und deine Zukunft entscheiden. Es ist nur leider so, daß dein Vater nicht mehr gesund werden wird.«

»Du willst es ja gar nicht. Du bist gemein!« schrie Jasmin, und dann lief sie hinaus.

Lina kam nach einer Weile zitternd herein. »Heilige Mutter Gottes, das hätt’ ich doch nicht gedacht, Frau Tessa. Aber jetzt weinen Sie bittschön nicht. Eines Tages wird sie niederknien und um Verzeihung bitten.«

»Das will ich ja gar nicht, Lina«, schluchzte Tessa trocken auf. »Es wäre doch besser gewesen, ich hätte ihr die Wahrheit gesagt, die ganze Wahrheit. Schlimmer hätte es dann auch nicht kommen können, aber dann hätte er sich wenigstens noch rechtfertigen müssen vor ihr. Jetzt ist es zu spät. Er wird sterben.«

*

Jasmin saß wieder bei ihrem Vater, und er war auch wieder halbwegs bei Bewußtsein, wenn man das so noch nennen konnte. Er sah Jasmin an.