2,49 €
"Er sieht mich einfach nicht!" Seit Jahren arbeitet Tessa als persönliche Assistentin von Prinz Sebastian de la Tour, organisiert, telefoniert … und ist seit dem ersten Tag in ihren charmanten Chef verliebt. Aber so kann es nicht weitergehen! Tessa kündigt - und kann kaum glauben, dass Sebastian sie zu einer Reise in sein Heimatland überredet. Der sexy Prinz beginnt sogar, mit ihr zu flirten! Sehnsüchtig seufzt Tessa, als Sebastian sie bei Sonnenuntergang zu einem romantischen Rendezvous entführt, sie sinnlich küsst und berührt … Doch die Affäre bleibt nicht unbemerkt!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 199
Jennifer Lewis
Wie verführt man seinen Chef?
IMPRESSUM
BACCARA erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG, 20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1
© 2008 by Harlequin Books S.A. Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 1573 2009 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Brigitte Bumke
Fotos: Harlequin Books S.A.
Veröffentlicht im ePub Format im 01/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-86295-536-7
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
„Sie können nicht gehen.“
Sebastian de la Tour, der Kronprinz von Caspia, sagte das so gebieterisch und bestimmt, dass Tessa Banks ihm für einen Moment tatsächlich glaubte.
Die kantigen, attraktiven Gesichtszüge ihres Chefs schienen stärkere Emotionen widerzuspiegeln als gewöhnlich. Er strich sich durch das schwarze Haar und stand hinter dem großen antiken Schreibtisch in seinem Büro auf.
Vor Nervosität wurde Tessa flau im Magen – und weil sie das irritierende heiße Verlangen verspürte, das er so oft in ihr weckte.
Bleib hart. Es ist dein Leben.
Sie atmete tief ein. „Ich bin seit fast fünf Jahren Ihre persönliche Assistentin. Ich weiß die Freiheiten, die Sie mir lassen, und die Verantwortung, die Sie mir übertragen, zu schätzen. Aber für mich ist es an der Zeit weiterzuziehen.“
„Weiterziehen?“ Er seufzte frustriert auf. „Das hier ist doch kein Zigeunerwagen, sondern ein Unternehmen. Ich zähle darauf, dass Sie mir helfen, das Chaos zu beseitigen, das sich vor mir aufgetan hat.“
Tessa widerstand der Versuchung, ihn darauf hinzuweisen, dass Caspia Designs womöglich tatsächlich mehr mit einem Zigeunerwagen gemein hatte als mit einer Firma. Das Sammelsurium von Luxusmarken war nicht nur schillernd bunt und extravagant, es hatte auch eine lange Tradition. Eine Kristallkugel zeigte jedoch im Vergleich vielleicht Brauchbares – und mehr als die Buchführungsunterlagen, die man nur „kreativ“ nennen konnte.
Es war allerdings offensichtlich, dass ihr Boss zu keinen Scherzen aufgelegt war.
Sebastian durchquerte das Büro und nahm den Stapel Unterlagen aus dem Eingangskorb. „Bitte vereinbaren Sie für morgen Vormittag einen Termin mit Reed Wellington. Ich möchte mich mit ihm wegen meiner Pläne für Caspia Designs beraten.“ Stirnrunzelnd blätterte er seine Post durch. „Und Sie müssen mir eine neue Hausdame besorgen.“
Wie bitte? Hatte er vor, ihre Kündigung einfach zu ignorieren?
Tessa war wütend und gleichzeitig der Verzweiflung nah. Sprachlos stand sie da.
Kopfschüttelnd sah ihr Boss einen Teil der Unterlagen durch. Vermutlich die Außenstände. Keine angenehme Lektüre, das wusste Tessa.
Sie wünschte, sie würde nicht ausgerechnet zu einem Zeitpunkt gehen, in dem Sebastian ihre Hilfe brauchte, um die Firma wieder auf Kurs zu bringen. Ihm waren die Zügel in der einst prestigeträchtigen Firma von seinem Vater, dem König, übergeben worden. Und gleich danach hatte Sebastian herausgefunden, dass das reinste Chaos herrschte.
Die Situation schien sehr ernst zu sein. Zum einen trug er einen Anzug. Normalerweise prangten auf seiner breiten Brust die Insignien einer Luxusmarke – nachdem er ein Unternehmen gerade dazu überredet hatte, in seinem geliebten Caspia eine Boutique zu eröffnen. Fendi, Prada, Gucci – falls es ein T-Shirt mit dem entsprechenden Logo gab, dann trug Sebastian es selbstverständlich und zur Feier der Neueröffnung.
Heute hatte er seine athletische Gestalt in feines graues Kammgarn gehüllt. Ich sollte erleichtert sein, überlegte Tessa, dass ich zumindest nicht Gefahr laufe, auf seine beeindruckenden Oberarmen zu starren. Im Moment war sie jedoch viel zu aufgebracht, um lange über seine Statur nachzudenken.
Wenn er derart wenig Verständnis für ihre Belange zeigte, dann würde sie es ihm mit Freuden gleichtun.
Selbstbewusst legte sie ihren Terminkalender auf den Schreibtisch. „Ich ziehe in zwei Wochen nach Kalifornien. Wenn es Ihnen lieber ist, kann ich sofort gehen.“
Sebastian fluchte leise, sah aber immer noch nicht hoch. Er blätterte in dem Bericht, den sie zusammengestellt hatte, und strich dabei mit dem Zeigefinger eine Zahlenreihe entlang.
Tessa blinzelte. Sie bemühte sich, ruhig zu bleiben. Nach all der Zeit kam sie sich lediglich wie ein Bestandteil des Büros vor – wie der Ledersessel, der Platinfüller oder der Ablagekorb. Ein einfaches, praktisches Ding ohne eigenen Willen.
„Adieu.“ Ihr zitterte die Stimme, als sie zur Tür ging. Dabei musste Tessa über einen der Kartons voller staubiger Unterlagen steigen, die sie fast den ganzen letzten Monat in Anspruch genommen hatten, einschließlich dreier Wochenenden. Ich habe wirklich genug Lebenszeit auf den Dienst an der Krone von Caspia verwendet, dachte sie.
„Wohin gehen Sie?“ Sebastians harte Worte ließen scheinbar sogar die antiken deckenhohen Fenster des Sandsteingebäudes aus dem neunzehnten Jahrhundert erbeben.
„Wenn Sie sich die Mühe gemacht hätten zuzuhören, dann wüssten Sie, dass ich nach Kalifornien gehe!“ So hatte sie bisher nie mit ihm gesprochen.
Sebastian legte den Bericht auf den mit Leder bezogenen Schreibtisch. „Tessa, das kann nicht Ihr Ernst sein.“ „Warum nicht?“ Sie wünschte, sie hätte nicht derart unsicher geklungen.
„Weil ich Sie brauche.“
Seine Worte klangen in ihr nach, und sie musste sich mit einer Hand am Türrahmen abstützen. Wenn er mich bloß wirklich brauchen würde, ging es Tessa durch den Sinn, und nicht bloß eine gesichtslose Assistentin, die sich so gut um alles kümmert, dass sie dadurch praktisch unsichtbar wird.
Aber er brauchte sie nicht. Er hatte Supermodels und Starlets von Hollywood bis Bollywood, die sich ihm ständig an den Hals warfen. Wer wusste das besser als sie? Schließlich stellte sie ihm die Anrufe durch.
„Tessa.“ Er ging zu ihr und umrundete dabei geschickt einen aufgeklappten Karton. „Sie wissen doch, dass ich ohne Sie verloren wäre.“
Sein intensiver Blick schlug sie in seinen Bann. Wenn sie ihm in die großen dunklen Augen sah, war sie bereit, fast alles für ihn zu tun.
Er sagt das nur, damit du ihn nicht im Stich lässt.
Trotzdem … Tessa hob das Kinn. „Ich werde in einem Monat dreißig.“ Sie zögerte. Ihr Privatleben ging ihn im Grunde nichts an.
„Was hat das denn damit zu tun?“
Typisch. Warum sollte es ihn auch im Entferntesten interessieren, dass sie sich einen Ehemann wünschte, Kinder, ein ganz normales Leben?
Das brauchte sie aber nicht zu erwähnen. Es war besser, mit einem letzten Rest Würde zu gehen. „Es ist Zeit für einen Wechsel.“
„Tessa.“ Die Arme vor der Brust verschränkt, sah er sie an. „Falls Sie mit Ihrer Position in irgendeiner Weise unzufrieden sind, hätten Sie sofort zu mir kommen sollen. Liegt es an Ihrem Titel? Ihrem Gehalt? Das können wir jetzt gleich ändern.“
„Nein, es ist nichts dergleichen.“
Sie zögerte erneut, weil sie eines auf keinen Fall preisgeben wollte: Er war einer der Gründe, aus denen sie gehen musste. Denn Sebastian de la Tour, den die New Yorker Klatsch-presse „Prinz von Manhattan“ getauft hatte, erinnerte sie andauernd an alles, was ihr im Leben fehlte.
Besonders, weil er kaum wusste, dass sie existierte.
„Ich habe das Gefühl, in einer Sackgasse zu stecken. Mein Leben rinnt mir durch die Finger …“ Fiel ihr noch etwas ein, was weniger wie ein abgedroschenes Klischee klang?
„Und Kalifornien ist das Land der unbegrenzten Möglichkeiten?“
„Ich weiß, dass es das nicht ist, aber ich muss mich unbedingt neu orientieren.“ Sein eindringlicher Blick ließ sie zurückweichen, und sie ging auf die andere Seite des Büros hinüber. Ihr Herz klopfte heftig.
„Was ist das für ein Job, den Sie angeboten bekommen haben?“
„Ich habe noch keinen Job in Aussicht. Aber ich bin sicher, dass ich einen finde, wenn ich erst einmal vor Ort bin.“
„Warum dann Kalifornien? Sie laufen doch wohl nicht einem Mann hinterher, oder?“
Tessa stand wie erstarrt da. Ihr krampfte sich der Magen zusammen. „Es gibt da jemanden, ja.“
Sebastian zögerte. Er wurde von einem seltsamen Gefühl erfasst. „Ich wusste nicht, dass Sie einen Freund haben.“
„Na ja.“ Tessa blinzelte. „Sie sind mein Chef.“
„Aber wir sind auch befreundet, oder nicht? Sie hätten mir sagen können, dass Sie sich verliebt haben und drauf und dran sind, wegzuziehen und mich zu verlassen.“
„Sie waren die letzten drei Monate in Caspia. Ich habe Sie überhaupt nicht zu Gesicht bekommen.“
Das stimmte.
„Und es ist ja nicht so, dass er mich gebeten hätte, ihn zu heiraten. Also gab es nicht viel zu sagen.“ Sie strich sich mit einer Hand durchs Haar. Langes goldblondes Haar … das ganz zerzaust wirkte, als wäre sie schon den ganzen Tag mit der Hand hindurchgefahren.
Unerwartet mischte sich heftiges Verlangen in seine Verärgerung. „Er hat Sie also gebeten, seinetwegen einmal quer über den Kontinent zu ziehen. Aber er hat Ihnen nicht einmal einen Antrag gemacht?“
Tessa errötete. „Nein. Ganz so ist es nicht.“
„Wer ist dieser Mann?“
„Er heißt Patrick Ramsay. Er ist Anwalt.“ Sie nahm einen Briefbeschwerer vom Schreibtisch und hielt ihn in den schmalen Händen, um ihn zu betrachten. „Wir sind seit ein paar Monaten befreundet. Er tritt in eine Kanzlei in L.A. ein; und vorgestern hat er mich gefragt, ob ich mit ihm nach Kalifornien ziehen möchte.“
„Und Sie haben Ja gesagt?“ Sebastian war fassungslos und entrüstet zugleich.
„Ich habe ihm gesagt, dass ich darüber nachdenken muss. Tja, und inzwischen habe ich das.“ Sie blieb stehen, ohne ihn anzusehen. „Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es genau der Wechsel ist, den ich brauche.“
„Sie täuschen sich.“ Da war er sich absolut sicher.
Sie drehte sich zu ihm um, ihre grünen Augen wirkten größer als sonst. „Ich habe ein schlechtes Gewissen zu gehen, besonders jetzt, wo Sie Caspia Designs übernommen haben. Ich weiß, es gibt jede Menge Arbeit. Aber was, wenn es die Chance meines Lebens ist?“
Ihr beinah verzweifelter Unterton berührte etwas in ihm. Wie konnte eine so hübsche und talentierte Frau bereit sein, alles zu riskieren und einfach über Bord zu werfen, was sie sich hier aufgebaut hatte?
„Der Name Patrick Ramsay sagt mir etwas“, murmelte Sebastian. Nicht unbedingt etwas Gutes. „Er ist ziemlich bekannt. Er hat Elaina Ivanovic in der Scheidung von ihrem Mann Igor vertreten.“
Sebastian war fassungslos. „Der Scheidungsanwalt?“ Er hatte den unterwürfigen Typen im Fernsehen gesehen. Patrick Ramsay wusste jedenfalls nicht, was ein Rückgrat war.
Tessa nickte, ehe sie wieder auf die andere Seite des Büros hinüberging. „Er ist sehr nett, wirklich. Viel beschäftigt, wie man sich denken kann, aber freundlich und aufmerksam und … huch!“
Sie stolperte über einen der offenen Kartons und fiel hin. Sebastian reagierte instinktiv und war augenblicklich bei ihr. „Haben Sie sich verletzt?“
„Nein! Alles in Ordnung. Wie dumm von mir.“ Sie errötete charmant, als er ihr auf die Beine half. Für den Bruchteil einer Sekunde wurde ihm bewusst, wie warm sich ihre Hand in seiner anfühlte.
Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht. „Es ist meine eigene Schuld, weil ich diese Kartons überall habe herumstehen lassen. Ich werde sie gegen die Wand stapeln, bevor ich gehe.“
„Sie werden nichts dergleichen tun.“ Er hielt immer noch ihre Hand fest. Tessa war die beste Assistentin, die er je gehabt hatte. Da er inzwischen die meiste Zeit in Europa verbrachte, brauchte er jemanden, der auch dann zuverlässig im Büro arbeitete, wenn sonst niemand da war. Tessa hatte sich als intelligente Frau erwiesen, die sich organisieren konnte. Und bis jetzt war sie bei der Arbeit so standhaft wie die Felsen im historischen Hafen von Caspia gewesen.
Er vertraute ihr in jeder Hinsicht, bei seinen Privatangelegenheiten bis hin zu dem beschämenden Zustand der Finanzen von Caspia Designs.
Sie versuchte, ihre Hand wegzuziehen. Doch Sebastian wollte sie nicht gehen lassen. „Tessa, Sie sind unentbehrlich für mich. Was kann ich noch sagen, damit Sie bleiben?“
Sie ließ den Blick über sein Gesicht gleiten, und er spürte, wie aufgewühlt sie war. Sie schien etwas sagen zu wollen, konnte es aber offenbar nicht in Worte fassen. Warum hatte er eigentlich nie bemerkt, was für einen ausdrucksstarken, schönen Mund sie hatte? Oder dass ihre Haut schimmerte, als würde ein Hauch Goldstaub auf ihr liegen?
Während er noch in Gedanken versunken dastand, entriss sie ihm ihre Hand. Dann wandte sie sich ab und trat zur Seite, den Rücken kerzengerade. „Ich möchte nichts.“
„Ich schon.“ Die Worte waren ihm entschlüpft, ehe er hätte darüber nachdenken können, was genau er damit sagen wollte. Und es tat ihm weh, mit anzusehen, wie sie wie ein nervöses Fohlen hin und her ging, bereit, in ihr Unglück zu rennen.
Sie gehörte hierher, zu ihm.
Dass er so davon überzeugt war, überraschte ihn. Löste die Vorstellung, dass Tessa mit einem anderen Mann zusammen war, etwa den Urinstinkt männlicher Eifersucht bei ihm aus? Möglich.
Sie beugte sich über einen Karton mit Hängeordnern. Mit einem Blick erkannte er, wie sie sich verspannte, als sie versuchte, den schweren Karton anzuheben.
„Stellen Sie den wieder hin.“ Sebastian eilte zu ihr, hob den Karton hoch und stellte ihn an die Wand. Dann wuchtete er einen weiteren direkt daneben. „Ich möchte nicht, dass Sie sich verletzen.“
Die Augenbrauen hochgezogen, fixierte sie ihn gereizt. „Ich sehe vielleicht mager aus, aber ich bin stark.“ Mit diesen Worten beförderte sie einen Karton an die Wand und stemmte anschließend triumphierend die Hände in die Hüften.
Sebastian konnte nicht anders, als ihre schlanke Taille zu bewundern, die das schlichte graue Kleid sonst verbarg. Fiebriges Verlangen durchrauschte ihn. „Wissen Sie, Sie machen es mir nur noch unmöglicher, Sie gehen zu lassen.“ Er lächelte.
Sie erwiderte sein Lächeln kurz und warf ihm einen trotzigen Blick zu. „Ich kann nicht bleiben.“
Ihm entging nicht, wie schnell ihr Herz klopfte, als er ihren Hals betrachtete. Und nur mit Mühe widerstand Sebastian dem plötzlichen Impuls, seine Lippen auf die verräterische Stelle zu pressen. „Ich fürchte, ich kann Sie nicht gehen lassen.“
Sie lachte empört auf. „Sie gestatten es nicht? Es kostet mich den Kopf? Diese Zeiten sind vorbei, auch wenn Sie ein Prinz sind.“
Er brach in schallendes Gelächter aus. „Eine Enthauptung würde uns kaum weiterbringen. Aber ich bestehe darauf, dass Sie der altehrwürdigen Nation von Caspia zumindest die übliche zweiwöchige Kündigungsfrist gewähren.“ Plötzlich kam ihm eine Idee. „Sie müssen mit mir nach Caspia kommen. Jetzt gleich.“
„Oh.“
Ihre Augen glänzten auf. Gut so, dachte Sebastian. „Ich möchte, dass Sie kurzfristig ein Meeting für Caspia Designs organisieren. Die Geschäftsführer aller Tochterunternehmen müssen daran teilnehmen, egal, wie schwierig es ist, sie dazu zu bewegen.“
Gespannt wartete er auf ihre Reaktion. Die Aussicht, vergnügungssüchtige Reiche in Europa dazu überreden zu müssen, sich persönlich um Geschäftliches zu kümmern – das hätte so manche Sekretärin das Handtuch werfen lassen. Tessa nicht. Mit großer Anerkennung registrierte er, dass sie nickte.
„Um ehrlich zu sein … Als ich den Job angenommen habe, habe ich gehofft, dass auch Reisen dazugehören. Ich komme gern mit nach Caspia, bevor ich die Firma endgültig verlasse.“
Hatte er sie wirklich noch nie nach Caspia mitgenommen? Bestimmt würde er sich an den Anblick ihres blonden Haares erinnern, wenn es vom Seewind zerzaust wurde. Für Sebastian war Reisen längst eine lästige Notwendigkeit geworden. Forsch klatschte er in die Hände. „Wir fliegen morgen mit meinem Privatflugzeug hin. Bereiten Sie alles für einen Abflug um 14 Uhr vor.“
Die Idee war ihm ganz spontan gekommen, und allmählich gefiel sie ihm immer besser. Denn die Reise würde Tessa von dem Scheidungsanwalt ablenken.
Nicht dass sein Interesse an ihr persönlicher Natur gewesen wäre. Sebastain nahm sowohl Geschäftliches als auch Privatvergnügen sehr ernst. Und das bedeutete: Er trennte beides strikt.
Aber der Charme von Caspia, zusammen mit seinem gekonnt eingesetzten Charme als Mann und Prinz … Tessa würde bald erkennen, wie verrückt es wäre, auch nur daran zu denken wegzugehen.
Erleichtert schüttelte Sebastian seinem alten Freund die Hand. Reed Wellington war der Typ Mann, den man in einer Krise gern an seiner Seite hatte. In seinen klaren blauen Augen spiegelte sich nie auch nur ein Anflug von Besorgnis.
„Sebastian, leider konnte ich nicht zum Snowboarden zum Kilimandscharo reisen, aber Elizabeth fand das völlig verrückt.“
Sebastian lachte. „Das ist wohl das Problem, wenn man verheiratet ist. Man findet sich mit jemandem wieder, der sich wirklich um einen Sorgen macht.“
„Ja. Und man muss aufhören, sich vom Gipfel eines Berges zu stürzen.“ Er lächelte. „Und wann stürzt du dich in das Abenteuer Ehe, hm?“
„Nie. Oder wenn ich die richtige Frau treffe. Je nachdem, was zuerst kommt.“ Diese Frage wurde ihm oft gestellt, aber bei Reed störte es Sebastian weniger.
„Man kann dir nicht vorhalten, dass du nicht dein Bestes tust, um jede infrage kommende Frau auf der Welt zu prüfen.“
„Ich erfülle nur meine königliche Pflicht.“ Lächelnd zwinkerte er Reed zu.
„Im Ernst, lastet nicht ein großer Druck auf dir, weil du den nächsten Thronerben von Caspia hervorbringen musst?“ Ernst sah Reed ihn an.
„Ich versuche, nicht daran zu denken. Außerdem werden wir Caspianer oft über hundert, und mein Vater ist gerade erst sechzig.“
„Liegt an diesem Joghurt aus Ziegenmilch, wie?“
„Die Speise der Götter.“
Sie lachten beide, aber Sebastian hatte den Eindruck, dass Reeds Gelächter ein wenig gezwungen klang. Und warum mussten Verheiratete dauernd versuchen, einem die Ehe schmackhaft zu machen?
„So. Und du bist hier, weil du über Caspia Designs reden willst?“ Reed bedeutete ihm, im Ledersessel gegenüber dem großen Schreibtisch aus Nussbaumholz Platz zu nehmen.
Sebastian setzte sich. „Genau. Ich brauche unbedingt deinen Rat als Geschäftsmann. Denn ich fürchte, die Firma steht finanziell schlechter da, als ich vermutet hatte.“
„Wie das?“
„Bis ich vor einem Jahr die Zügel übernahm, hat sich Deon Maridis um Caspia Designs gekümmert. Er ist ein alter Freund meines Vaters und ein guter Mann, aber die Firma warf unter seiner Führung immer weniger Gewinn ab.“ Sebastian widerstand dem Drang, sich den Hemdskragen aufzuknöpfen. „Im letzten Jahr verlor die Firma sogar Geld.“
„Was?“ Reed setzte sich auf. „Ich gebe zu, mit Luxusartikeln habe ich keine Erfahrung. Ich kann mir zwar vorstellen, dass die Firma am Markt ihren festen Platz hat und kaum noch wächst. Aber Caspia Designs besitzt einige der berühmtesten Luxusmarken der Welt. Aria-Autos, Bugaretti-Juwelen, LeVerge-Champagner, Carriage-Lederwaren … Also, ich habe meiner Frau letztes Jahr zu Weihnachten eine dieser Handtaschen gekauft und wäre beinah bankrott gegangen.“ Er lachte, dann runzelte er die Stirn. „Wie könnt ihr da Geld verlieren?“
„Unsere Marken sind seit 1920, als die Firma gegründet wurde, als die Besten der Besten bekannt. Allerdings haben sich viele von ihnen seitdem kaum verändert. Die Produktionsmethoden sind veraltet und unrentabel, und es wird wenig Mühe darauf verwandt, neue Kunden zu gewinnen. Und inzwischen gibt es eine Menge Luxusjuweliere, Weinhändler und dergleichen. Die meisten haben einen besseren Vertrieb und eine bessere Vermarktung als die Firmen von Caspia Designs. Ich muss unsere Manager auf Zack bringen. Zudem habe ich vor, unsere Waren auch für eine jüngere Kundschaft attraktiv zu machen.“
„Klingt, als müsstest du einige Marken überarbeiten. Wie Burberry und Mini-Cooper.“
„Genau.“
Reed lächelte. „So ähnlich, wie du es mit Caspia gemacht hast?“
„Stimmt. Vor zehn Jahren gab es in Caspia praktisch keine ausländischen Investoren, keinen Tourismus und wenige Betriebe außer den alteingesessenen.“
„Jetzt habt ihr Hotels, Luxusboutiquen und Restaurants, die Touristen anziehen. Und das hast du im Laufe der letzten zehn Jahre fast allein geschafft.“
„Meine Assistentin Tessa hat auch dazu beigetragen.“ Im Geiste sah Sebastian, wie ihre grünen Augen aufblitzten. „Sie ist ein Organisationsgenie.“
„Du kannst von Glück sagen, dass du sie hast.“
„Als ob ich das nicht wüsste.“ Sebastian ballte eine Hand zur Faust. Wie konnte sie ihn ausgerechnet jetzt im Stich lassen wollen? „Und wir werden hart daran arbeiten, dass Caspia Designs für alle Aktionäre zu einer guten Investition wird.“
„Ich bezweifle nicht, dass euch das gelingt.“
„Hoffentlich, aber ich bin eher gewohnt, etwas neu aufzubauen, statt zu sanieren. Deshalb brauche ich deinen Rat. Also, wie bringt man die einzelnen Firmen wieder auf Kurs und das schnell?“
Reed dachte kurz nach. Dann riet er Sebastian, als Erstes die Führungskräfte jedes Tochterunternehmens von Caspia Designs zu einem Meeting einzuladen und ihnen die Leviten zu lesen.
„Ich habe Tessa schon beauftragt, sie organisiert ein solches Meeting.“
„Ausgezeichnet. Lass die Manager Vorschläge machen, wie man den Marktanteil und die Rentabilität ihrer jeweiligen Firma sofort erhöhen kann.“ Reed nannte Sebastian Beispiele von Unternehmen, die in einer ähnlichen Situation erfahrene Manager eingestellt oder ihre Produkte für moderne Märkte völlig überarbeitet hatten. „Du kannst auch Berater engagieren, die den Markt analysieren und zusätzliche Ideen einbringen.“
„Ich will unsere Probleme lieber intern lösen. Es sind alles Unternehmen, die hohe Qualität verkaufen. Aber sie haben sich auf ihren Lorbeeren ausgeruht, und es ist Zeit, sie wachzurütteln.“
„Ich sehe schon, wie sie zittern. Du kannst alles machen, was du dir vorgenommen hast, Sebastian. Sogar mit dem Snowboard den Kilimandscharo runterfahren.“ Wehmütig lächelnd lehnte Reed sich zurück.
„Tut mit leid, dass du diese Erfahrung verpasst hast. Wie geht es denn Elizabeth? Ich habe sie lange nicht gesehen. Ist sie immer noch deine Geheimwaffe beim Doppel auf dem Tennisplatz und die Liebe deines Lebens?“
„Klar. Wir müssen uns einmal verabreden, um mit dir und deiner aktuellen Freundin ein gemischtes Doppel zu spielen.“
Sebastian zuckte die Schultern. „Im Moment spiele ich als Single. Muss mich um Geschäftliches kümmern.“
„Okay, aber auch wenn wir dich nicht auf dem Tennisplatz sehen, musst du zu unserer Party zum Hochzeitstag kommen.“
„Dem wievielten, dem dritten?“
„Dem fünften.“ Reeds Miene wurde ernst.
Nicht gerade der untrüglichste Hinweis auf eine glückliche Ehe, dachte Sebastian.
„Das ist großartig.“ Er beugte sich über den Schreibtisch, um Reed auf den Arm zu klopfen, und bemühte sich, begeistert zu klingen. „Sag Bescheid, wo und wann die Party steigt. Und du weißt ja, ihr beide seid immer eingeladen, nach Caspia zu kommen, wann ihr wollt.“
„Danke, ich werde dich bald beim Wort nehmen. Im Moment bin ich allerdings dabei, eine neue Firma aufzubauen. Und das nimmt mehr von meiner Freizeit in Anspruch als die vielen Partys, auf die wir früher gegangen sind.“
„Wer sagt denn, dass ich damit aufgehört habe?“
„Du hattest immer ein beeindruckendes Durchhaltevermögen. Aber eines Tages wirst du eine Frau treffen, mit der du viel lieber zu Hause bleibst, glaub mir, Sebastian.“
„Das wird mir häufiger gesagt. Trotzdem habe ich nicht vor, in absehbarer Zeit die weiße Flagge zu schwenken und zu kapitulieren.“
Nachdem der Portier ihm die Tür geöffnet hatte, betrat Sebastian das Foyer seines Wohnhauses. Die beiden kleinen weißen Hunde von Vivian Vannick-Smythe hörten sofort auf, auf dem kostbaren Orientteppich herumzukratzen, und knurrten Sebastian an.
Wenn diese Frau mich den ganzen Tag an einer Leine herumführen würde, hätte ich auch keine gute Laune.
„Prinz Sebastian!“ Vivian wandte sich ihm mit strahlendem Lächeln zu. Oder hatten zu viele Schönheitsoperationen ihre Miene dauerhaft so fixiert?
„Hallo, Vivian.“
„Wie schön, Sie zu sehen. Mir ist aufgefallen, dass Sie in letzter Zeit nicht häufig hier waren.“
„Ich war in Caspia.“
„Ach so.“ Ihre Hunde schnappten nach seinem Hosenbein und zerrten dabei heftig jaulend an ihren bestickten Leinen. „Ich habe von diesen schrecklichen Stürmen am Mittelmeer gelesen und hoffe sehr, Caspia hat keinen allzu großen Schaden genommen.“
„Es gab einige Verluste in den Olivenhainen, aber zum Glück ist niemand verletzt worden.“
„Freut mich zu hören. Rückständige Länder scheinen ja am meisten unter solchen Naturkatastrophen zu leiden.“
Diese Bemerkung ärgerte Sebastian. „Caspia ist auf keinen Fall rückständig. Wenn Sie einmal zu Besuch kämen …“ Gott bewahre! „… würden Sie ein aufstrebendes, modernes Land vorfinden, das drauf und dran ist, eines der begehrtesten Reiseziele der Welt zu werden.“
„Wie charmant, dass Sie so leidenschaftlich für Ihr Heimatland Partei ergreifen.“
Sebastian hob den Blick, um zu sehen, ob der Fahrstuhl kam. Ja, Gott sei Dank.