Wild Dream - Liora Blake - E-Book

Wild Dream E-Book

Liora Blake

0,0
4,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Garrett Strickland ist ein Junge vom Land, in jeder Hinsicht. Er ist loyal und lebt im Hier und Jetzt, nicht in der Vergangenheit. Denn dort liegen nur ein abgebrochenes Landwirtschaftsstudium, das ihm eigentlich eine blühende Zukunft bescheren sollte, und der Tod seines Vaters, der ihm die überschuldete Familienfarm hinterließ. Nach dem Verkauf hat Garrett ein für alle Mal gelernt, dass wilde Träume einen nicht weiterbringen und man durch sie nur Gefahr läuft, alles zu verlieren. Bis sein Weg den eines Stadtmädchens kreuzt, das gerade seinen Traum von der Zukunft verwirklicht, und er sich fragt, ob das Hier und Jetzt wirklich reicht. Cara Cavanaugh ist bereit für das große Leben. Selbst wenn es bedeutet, ihr bisheriges komplett über den Haufen zu werfen und ihren Verlobten und einen gut bezahlten Job in Chicago zu verlassen. Sie hofft, dass ein Schreibauftrag in den Weiten Colorados der erste Schritt in Richtung einer glorreichen Karriere als freischaffende Journalistin ist. Leider hat sie vom Leben auf dem Land so viel Ahnung wie vom Kühe melken. Aber als der liebenswerte Typ von nebenan, der aussieht wie dem nächsten Country Music Video entsprungen, ihr seine Hilfe anbietet, merkt Cara, dass die beste Story vielleicht eine Love Story ist. Nämlich ihre ...    Man liebt, lacht und zittert einfach in jeder Sekunde mit. Es ist intensiv, berauschend und lässt einen einfach nicht mehr los. - Bloggerin Aly von Magische Momente

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 530

Veröffentlichungsjahr: 2017

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Die Autorin Liora Blake ist Romance-Autorin und lebt in Colorado. Sie schreibt, weil es das ist, was sie immer tun wollte. Sie schreibt Romane, weil sie es mag, die ganze Geschichte zu erzählen. Und sie schreibt Liebesromane, weil Happy Endings einfach am schönsten zu erzählen sind. Wenn Sie nicht gerade tippt, backt sie wahrscheinlich Kekse, die sie nicht essen sollte, denkt sich raffinierte Entschuldigungen aus, damit sie nicht joggen muss, oder bittet einen netten Barista ihr einen weiteren vierfachen Espresso zu machen.

Das Buch

Garrett Strickland ist ein Junge vom Land, in jeder Hinsicht. Er ist loyal und lebt im Hier und Jetzt, nicht in der Vergangenheit. Denn dort liegen nur ein abgebrochenes Landwirtschaftsstudium, das ihm eigentlich eine blühende Zukunft bescheren sollte, und der Tod seines Vaters, der ihm die überschuldete Familienfarm hinterließ. Nach dem Verkauf hat Garrett ein für alle Mal gelernt, dass wilde Träume einen nicht weiterbringen und man durch sie nur Gefahr läuft, alles zu verlieren. Bis sein Weg den eines Stadtmädchens kreuzt, das gerade seinen Traum von der Zukunft verwirklicht, und er sich fragt, ob das Hier und Jetzt wirklich reicht.

Cara Cavanaugh ist bereit für das große Leben. Selbst wenn es bedeutet, ihr bisheriges komplett über den Haufen zu werfen und ihren Verlobten und einen gut bezahlten Job in Chicago zu verlassen. Sie hofft, dass ein Schreibauftrag in den Weiten Colorados der erste Schritt in Richtung einer glorreichen Karriere als freischaffende Journalistin ist. Leider hat sie vom Leben auf dem Land so viel Ahnung wie vom Kühe melken. Aber als der liebenswerte Typ von nebenan, der aussieht wie dem nächsten Country Music Video entsprungen, ihr seine Hilfe anbietet, merkt Cara, dass die beste Story vielleicht eine Love Story ist. Nämlich ihre ... 

Liora Blake

Wild Dream

Roman

Aus dem Amerikanischen von Peter Groth

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.   Deutsche Erstausgabe bei Forever. Forever ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin September 2017 (2) German Translation copyright © 2017 by Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Titel der amerikanischen Originalausgabe: Second Chance Season Original language edition © Copyright 2017 by Liora Blake All right reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form. This edition published by arrangement with the original publisher, Pocket Books, a division of Simon & Schuster, Inc., New York. Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München Titelabbildung: © FinePic® Übersetzung: Peter Groth ISBN 978-3-95818-181-6   Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten.

Kapitel 1

Garrett Strickland

Wenn man etwas über jemanden herausfinden will, gibt es dafür hundert verschiedene Möglichkeiten. Trinkspiele und Persönlichkeitstests, oder den langen Weg mit ganz viel Zeit. Doch wo ich herkomme, da gibt es etwas, das wesentlich effektiver und weniger kompliziert ist – und womit man niemals falsch liegt.

Dein Wagen.

Von der Marke und dem Modell bis zu der Anzahl an Dellen und Beulen, diese Dinge verraten eine Menge darüber, mit wem man es zu tun hat. Stell dir jemanden vor, der mit nagelneuer Karre herumfährt, die so glänzt, als käme sie gerade vom Fließband, mit Rädern, die so sauber sind, als hätten sie noch keine Schotterpiste gesehen, und werden es wohl auch niemals. Ich würde wetten, dass der Besitzer mindestens genauso glatt und poliert ist. So einer, der sein Bier crafted trinkt und sich den Bart frisieren lässt.

Aber ein verbeulter Pick-up mit einer dichten Staubschicht auf dem Armaturenbrett, einer Ladefläche voll Heuballen und einem Border Collie auf dem Beifahrersitz? Den Typen kenne ich wahrscheinlich. Das könnte jemand sein, mit dem ich aufgewachsen bin oder jemand, mit dem mein Dad aufgewachsen ist. Wenn dein Wagen nur dann Wasser sieht, wenn es regnet, und sich anhört, als bräuchte er dringend einen neuen Auspuff, dann ist hier in Hotchkiss die Wahrscheinlichkeit groß, dass ich dich schon mein ganzes Leben kenne.

Was mich betrifft: Ich fahre einen Ford F350 von 1996 mit Doppelkabine, Dieselmotor und ausreichend Blechschäden, um deutlich zu machen, dass es kein Showtruck ist. Er ist höhergelegt, um seine Aufgaben zu erfüllen, wenn ich auf dem Feld bin, aber nicht so sehr, dass es aussieht, als müsste ich damit etwas kompensieren, was in meiner Hose oder zwischen meinen Ohren fehlt. Der Tachostand ist weit über die Dreihunderttausend hinaus, doch ich würde trotzdem jede Wette eingehen, dass er noch zuverlässiger ist als irgendeiner dieser Wegwerf-Importe, die man so auf der Straße sieht. Er kann auch wie ein Ochse ziehen. Keine Unterbrechung, keine Verzögerung, nichts als Kraft, wenn man sie braucht. Und nein, mein Truck hat keinen Namen. Solchen Quatsch machen nur völlige Schwachköpfe.

Was das Wichtigste ist: Er gehört mir. Klar und deutlich, die Papiere bekommst du nur über meine Leiche, er ist ein Blechhaufen, doch er gehört mir. Und nichts fühlt sich so gut an. Denn zu verlieren, was dir wichtig ist … das ist übel.

Also, was verrät mein Wagen über mich?

Heute verrät er vor allem eins: dass ich cleverer bin als Braden.

Denn wenn ich Braden wäre, dann würde ich jetzt feststecken und müsste zusehen, wie die Räder meines Dodge tiefe Furchen in den Schlamm des Feldes graben, auf dem wir heute Morgen Gänse gejagt haben. Ich wäre angenervt und würde unentwegt »Scheiße« murmeln. Genauso, wie es mein bester Kumpel gerade macht.

Zum Glück fahre ich keinen Dodge. Ich fahre einen richtigen Truck.

Ich werfe noch einen Blick in den Rückspiegel und genieße für ein paar weitere Sekunden den Anblick von Bradens finsterem Gesicht, bevor ich den Rückwärtsgang einlege. Ich lenke mit einer Hand und bleibe neben ihm stehen, so dass unsere Fenster nebeneinander sind. Ich stelle die Schaltung auf Parken, lasse den Motor aber laufen, denn wir wissen beide, wie es ablaufen wird. Er wird mir sagen, dass ich mich verpissen soll, dann wird er wieder versuchen, allein herauszukommen, schließlich wird er aufgeben und mich anbetteln, seinen Arsch hier herauszuziehen.

Vielleicht ist betteln ein wenig übertrieben. Eher ein Knurren und Fluchen wie ein wütender Elch, der sich dem Unvermeidlichen ergibt.

Ich kurble die Fensterscheibe runter, sage aber nichts, sondern lege nur den Unterarm auf die Türverkleidung und trommele beiläufig mit den Fingern. Braden geht vom Gas und das Röhren seines übersteuerten Motors wird zu einem leisen Jammern, was es leichter macht, seine freundliche Dankbarkeit über meine Ankunft zu vernehmen.

»Verpiss dich, Strickland.«

Ich zwinge mich, mein Grinsen zurückzuhalten. Und es geht los.

Er ist bereits in einer ziemlich gereizten Stimmung, doch das macht den Spaß noch größer, es ihm richtig zu geben. Zuerst hatte er verschlafen, was Braden niemals tut. Deshalb hatten wir unseren Morgen später als geplant begonnen und waren erst bei Sonnenaufgang bereit gewesen – ungefähr eine Stunde zu spät. Man hat bei der Gänsejagd Erfolg, wenn man eine Weile vor dem ersten Tageslicht auf dem Feld ist, damit es noch immer dunkel ist, wenn man seine Köder auslegt. Macht man es später, dann können die Vögel sehen, was man tut, womit deine Chancen für eine anständige Jagd im Eimer sind.

Dann hat sein Jagdhund – ein umwerfendes karamellfarbenes Chesapeake Bay Retriever-Mädchen namens Charly – …, nun ja, überhaupt nicht gehört. Sie war die ganze Zeit unruhig und wild und hat die perfekte Darbietung eines tauben Hundes abgegeben, indem sie jeden Befehl ignoriert hat, den Braden ihr gab. Ich habe den Morgen damit verbracht, ihr als Belohnung für ihr schlechtes Benehmen heimlich Wild-Dörrfleisch zuzustecken.

Als Höhepunkt des Ganzen hat Braden dann ungefähr alles verfehlt, auf das er geschossen hatte. Ich übertreibe nicht, denn er hat wirklich alles verfehlt. Selbst die Querseite einer Scheune wäre vor ihm sicher gewesen. Was ich ihm übrigens auch jedes Mal gesagt habe, wenn er es danebenschoss.

Jep, schöne Zeiten. Richtig schöne Zeiten. Zumindest für mich.

Ich nehme die Hostess-Fruchtschnitte – Apfelgeschmack, was sonst – von meinem Armaturenbrett und reiße die Verpackung auf.

»Na, na. Kein Grund, so vulgär zu sein. Ich wollte nur kurz nach dir sehen. Es scheint ja fast so, als hättest du ein wenig Pech hier draußen. Ich sorge mich nur um dich, Braden, das ist alles.«

Braden tritt wieder aufs Gaspedal und die Reifen des Trucks geben wirklich alles und werfen den Dreck so heftig durch die Luft, dass meine Windschutzscheibe schnell aussieht, als würde ein außergewöhnlicher Schlammsturm über das Feld ziehen. Ich beiße in die köstliche Apfelschnitte und wische mir mit dem Jackenärmel etwas Zuckerglasur vom Kinn. Charley riecht meinen Snack vom Beifahrersitz aus und krabbelt über Braden hinweg, stellt sich auf seinen Schoß, um den Kopf aus dem Fenster zu strecken und zu sehen, ob es eine Möglichkeit gibt, mein Gesicht aus dieser Entfernung abzulecken. Braden geht sofort vom Gas und lehnt sich weit in seinen Sitz, den Blick zum Himmel gerichtet.

Ich nehme noch einen Bissen und warte einfach ab. Nach ein paar weiteren, geknurrten Schimpfworten, schiebt Braden Charley sanft, aber entschieden zurück auf den Beifahrersitz und kurbelt sein Fenster hoch.

»Zieh ihn raus«, knurrt er.

Ah, da ist der mürrische, besiegte Elch, von dem ich wusste, dass er irgendwann auftauchen würde. Sein Fenster ist schon halb oben, als ich den Kopf zu ihm drehe und die Hand ans Ohr lege. »Wie war das? Sag es noch mal?«

Er hört mit dem Kurbeln auf und wirft mir einen bösen Blick zu.

»Ich habe einen blöden Platz zum Parken ausgewählt. Das ist alles. Zieh ihn einfach raus, Garrett. Ich muss zur Arbeit.«

»Siehst du« – ich hebe einen Zeigefinger und drehe ihn in seine Richtung – »genau damit hast du verkackt. Du hättest von vornherein mit deinem Dienstwagen kommen sollen.«

Braden ist Jagdaufseher für den Staat Colorado und sein Dienstwagen ist ein Ford, meine Steuerdollar sind also sinnvoll angelegt worden. Ich werde niemals verstehen, warum er privat eine hübsche Stange Geld für einen Dodge ausgegeben hat. Wir sind Freunde, denn wir jagen beide gern. Ich bin gut für seine mürrische Grundhaltung und mag seine direkte Art. Außerdem hat er einen ganzen Anhänger voll hochwertiger Gänseköder.

Ich esse die restliche Fruchtschnitte und werfe die leere Packung auf die Ablage, dann ziehe ich mit übertriebener Geste meine Jacke an und setze meine Baseballcap richtig auf, bevor ich den Rückwärtsgang einlege. Und auch wenn ich das niemals laut sagen würde, so weiß ich doch genau, wen ich anrufe, wenn ich eines Tages mal derjenige bin, der feststeckt. Ohne Zögern wird Braden mit seinem Cummins-Dieselmotor und ein paar Flüchen auf der Zunge kommen – wann und wohin auch immer.

Ich trete ein paar Mal aufs Gaspedal und lasse den Motor aufheulen, nur so als Statement.

»Zwei Worte, Braden.« Er wirft den Kopf nach vorn und greift sein Lenkrad fester. Ich muss grinsen. »Ford Powerstroke.«

***

Zwanzig Minuten später sind wir beide unterwegs. Braden fährt auf dem Highway 92 in Richtung Osten zu den Büros von Parks & Wildlife und ich fahre westlich nach Hause, um schnell zu duschen und mich umzuziehen. Braden kann bei seinem Job in Tarnkleidung auftauchen, wenn er es will, doch ich arbeite im Genossenschaftsladen von Hotchkiss, wo Jeans und eine Arbeitsjacke passender sind.

Ich stelle das Radio ein wenig lauter, um besser zu hören, dann stecke ich mir ein paar Mal den kleinen Finger ins Ohr, damit das dumpfe Dröhnen in meinem Kopf verschwindet. Bradens Retourkutsche auf mein Angeben mit dem Motor hatte darin bestanden, seine Hupe losschmettern zu lassen, als ich mich gerade bückte, um ein Abschleppseil an seiner vorderen Stoßstange zu befestigen. Total kindisch – aber genau das hätte ich auch an seiner Stelle getan.

Ich drehe den Heizungsregler ein wenig höher und richte das Gebläse auf meine langsam auftauenden Fingerspitzen. Die Vormittage sind im späten Januar immer kalt, doch bei einem wolkenlosen Himmel wie heute ist die Luft bei Sonnenaufgang kristallklar und eisig. Trotz des Wetters und der Tatsache, dass die Gänsesaison zum Ende kommt, liebe ich diese Jahreszeit. Als ich ein Kind war, ging es beim Jagen nur um Fangbegrenzungen und die Aufregung bei einem guten Schuss. Jetzt ist es mir völlig egal, ob wir mit leeren Händen nach Hause kommen oder nicht. Es ist die Sache selbst, die mich um vier Uhr morgens aufstehen lässt, um die Köder im Dunkeln aufzustellen und mitten auf einem arschkalten Maisfeld in einen Unterstand zu kriechen. Denn die Stille des ersten Tageslichtes ist so ohrenbetäubend, wie es nur die Jäger von Wasservögeln kennen. Genau wie die Stille, wenn man darauf wartet, dass etwas geschieht. Auch wenn das niemals eintritt.

Auf der Landstraße zu meinem Haus fahre ich langsamer, dann biege ich nach rechts in eine lange, unbefestigte Auffahrt. Das Haus, was ich gemietet habe, ist nichts Besonderes, nur ein altes Modularhaus auf einem schäbigen Stück Land. Doch es ist ruhig, sauber und liegt weit genug von der Straße weg, um sich abgeschieden zu fühlen, auch wenn es nur fünf Minuten zum Zentrum von Hotchkiss sind. Ich habe genug Platz, um draußen mit dem Bogen zu schießen und an meinem Wagen herumzuschrauben, aber keinen Garten, den ich im Sommer mähen oder einen Bürgersteig, den ich im Winter vom Schnee freiräumen muss. Im Grunde ein wahr gewordener Traum für einen fünfundzwanzigjährigen Junggesellen vom Land.

Im Haus ziehe ich mir die Sachen aus und springe kurz unter die Dusche, wobei ich mich unter dem Duschkopf krümme, der zu niedrig hängt und offensichtlich nicht mit meinen eins dreiundneunzig im Hinterkopf angebracht wurde. Ich steige aus der Dusche und trockne mich in Rekordzeit ab, ziehe mir eine verwaschene Jeans an und nehme ein Shirt von einem der Stapel in meinem winzigen Kleiderschrank. Nachdem ich mir noch Kaffee aus der Kanne in der Küche genommen habe, bin ich wieder im Wagen und rase aus der Auffahrt, weil ich bemerkt habe, wie knapp ich heute Morgen dran bin.

Ich trete aufs Gaspedal und meine Bestie dröhnt los. Direkt vor mir sehe ich ein Auto am Straßenrand stehen, die Warnblinklichter an, die bernsteinfarben gegen die burgunderrote Metallicfarbe leuchten. Ich fahre langsamer und lenke in Richtung Mittellinie, denn auch wenn der Wagen eigentlich am Seitenstreifen steht, ist er nicht weit genug am Rand, um sicher zu sein. Was mich beim Näherkommen nicht sonderlich überrascht, als ich bemerke, dass es ein Lexus ist. Einer dieser SUV-Bastards, die oft sehr reichen – und potentiell unfreundlichen – alten Damen gehören. Ich recke beim Vorbeifahren den Hals, sehe aber nur verdunkelte Scheiben und ein Nummernschild aus einem anderen Staat.

Touristen, nehme ich an. Urlauber, die sich verfahren haben und durcheinander sind und deren ursprüngliches Ziel womöglich die stinkvornehme Skistadt Aspen ist. Und wenn ich damit richtig liege, dann sind sie ungefähr hundertfünfzig Kilometer von ihrer Route abgekommen und im falschen verdammten Landkreis gelandet.

Oder sie sind womöglich über die Stadtgrenze von Paonia oder Palisade hinausgeschossen, wo die Weingüter und Plantagen und ein paar Kunstgewerbeläden das große Ding in diesem vormals ruhigen Teil des südwestlichen Colorados sind. Lange Zeit war das Grand Valley nichts weiter ein Flecken Wildnis im Staat und ist jetzt zu einer »Destination« geworden, weil sich irgendjemand das Konzept des landwirtschaftlichen Tourismus ausgedacht hat.

Doch unabhängig davon, warum er hier ist, hat der Fahrer des Lexus sein Warnblinklicht an, was bedeutet, dass womöglich etwas nicht in Ordnung ist. Und wenn meine Großmutter oder meine Mom sich verfahren hätten und durcheinander wären, während sie versuchten, jenes idyllische Weingut mit dem fabelhaften Rotwein zu finden, von dem sie schon so viel gehört hatten, dann würde ich mir wünschen, dass ein Typ wie ich anhält.

Scheiße! Ich werde sowieso zu spät kommen, um den Laden pünktlich zu öffnen, also trete ich auf die Bremse und mache eine Kehrtwende. Als ich nahe genug bin, fahre ich langsam auf den Seitenstreifen und bleibe vor dem Auto stehen.

Nummernschilder aus Illinois. Durch die Windschutzscheibe ist die Oberseite des nach unten gerichteten Kopfes einer Frau zu sehen, doch sie hebt ihn nicht, obwohl mein Wagen so laut ist, dass man ihn schon zwei Kilometer weit hört, bevor man ihn wirklich sehen kann.

Ich schließe die Tür etwas kräftiger als nötig, um so ihre Aufmerksamkeit zu wecken. Ohne Erfolg. Von meinen Stiefelspitzen fliegt Erde hoch, da ich absichtlich mit den Füßen über den Boden scharre, während ich zur Fahrertür gehe, denn wenn sie so steinalt ist, dass sie von einer zu großen Überraschung einen Herzinfarkt bekommt, dann will ich sie bestimmt nicht auf dem Gewissen haben.

Als ich an ihrer Tür stehe, erklärt das Dröhnen der plärrenden Musik aus dem Innern, warum sie mich nicht hören kann. Und was auch immer es ist, das da dröhnt, es ähnelt sehr den Gänseruf-DVDs, die ich gekauft habe, um meine Anlockfähigkeiten aus dem Unterstand zu verbessern – nicht unbedingt das, was ich aus so einem Auto zu hören erwartet hatte.

Ich klopfe einmal an die Scheibe. Ein kurzes Kreischen und ihr Kopf schießt hoch. Durch das abgedunkelte Glas sehe ich ihren Schatten, der eine Hand an die Brust legt, bevor er das Radio leiser stellt. Das Fenster summt und fährt nach unten.

Oh, verdammt.

Auf jeden Fall keine alte Dame. Nope. Nicht einmal annähernd.

Diese Lexuslady ist vielmehr eine Frau in meinem Alter, vielleicht ein paar Jahre älter. Und – herzlich willkommen in Hotchkiss, bleiben Sie doch ein wenig – sie ist umwerfend hübsch.

Glänzendes und weich aussehendes, kastanienbraunes Haar, das ihr bis knapp über die Schultern geht, überwiegend glatt, doch mit ein paar gewellten Strähnen, die den hellen Teint ihres Gesichts einrahmen. Sie trägt eine Brille mit schwarzem Gestell, das wie bei einer Ray Ban geformt ist und einen Clark-Kent-Touch hat. Eine Brille, die ich als entschieden nerdig bezeichnen würde, wenn nicht diese umwerfenden braunen Augen dahinter wären. Aus ihrem Mund hängt eine halb gegessene Twizzler-Lakritzstrange. Diese braunen Augen fixieren mich und sie greift zum Mund, um sich den Twizzler aus dem Mund zu nehmen.

»Verdammt, du hast mich vielleicht erschreckt.«

Sie hat ihr linkes Bein abgeknickt und mit dem nackten Fuß lässig auf den Sitz gelegt, wie es Frauen manchmal tun, wenn sie ein Auto mit Automatikgetriebe fahren. Sie trägt eine helle Jeans in einem leichten Pinkton und hat über ihren Schoß einen Haufen Flurkarten ausgebreitet, ein paar davon halb auseinandergefaltet. Das ist ungewöhnlich, denn Flurkarten zeigen die Grenzen von Farmgrundstücken, die Namen der Landbesitzer und die im Besitz befindlichen Hektare – doch sie eignen sich nicht gerade als Straßenkarte für jemanden aus einem anderen Bundesstaat.

Selbst mit den auf ihr liegenden Karten kann man leicht erkennen, wie sie gebaut ist. Es ist eine todsichere Wette, dass diese Frau fast meine Größe hat, wenn sie aus dem Auto steigen würde – und fast nur aus Beinen besteht. Ich stelle es mir vor und für eine Sekunde wird mein Gehirn ganz weich, denn für mich kann man sich alle diese Kurven und Hände voll von irgendwas sparen, von dem manche Typen nicht genug bekommen können – auf mich wirken lange, schlanke Beine wie Kryptonit.

Oh Mann, dieses Szenario ist nicht das, womit ich gerechnet habe. Doch mein innerer Pfadfinder hat mir den Weg gewiesen, und jetzt bin ich verdammt glücklich darüber. Denn wenn man in der Kleinstadt lebt, in der man aufgewachsen ist, dann ist es fast unmöglich, neue Frauen kennenzulernen. Und noch dazu eine, die hübsch ist, in deinem Alter, und nur ein Stück von deinem Haus entfernt am Straßenrand sitzt? So etwas geschieht niemals. Deshalb sollte ich mich schleunigst darum kümmern, mir mein Fleißkärtchen im Bereich Nachbarschaftshilfe zu verdienen.

Ich lege eine Hand auf das Dach ihres Autos und senke das Kinn, um sie anzusehen.

»Wollte dich nicht erschrecken. Dein Warnblinklicht war an, deshalb wollte ich nachsehen, ob du nicht feststeckst oder irgendwas in der Art. Ich bin einmal an dir vorbeigefahren, habe dann gedreht und bin zurückgekommen. Eigentlich ist mein Wagen laut genug, um Tote aufzuwecken. Meistens hört er sich an wie ein Industriehäcksler.«

Sie wirft einen Blick durch die Frontscheibe und bemerkt meinen Truck, der dort dreckbeschmiert steht und ihren kleinen SUV winzig erscheinen lässt. Sie reißt auf eine Art die Augen auf, als wäre sie halb entsetzt und halb fasziniert. Ich beuge mich etwas vor, wobei ich den Mund zu einem lässigen Grinsen verziehe.

»Deine Musik hat ganz schön gedröhnt. Entweder das oder du hast hier irgendwo einen großen Sack mit wütenden Wildkatzen, die gerade in einer Art verrücktem Katzenchor singen. Keine Ahnung, was davon es war.«

Sie hebt fragend eine Braue, dann lehnt sie sich auf ihrem Sitz zurück, nimmt ihre Clark-Kent-Brille ab und wirft sie auf den Beifahrersitz.

Und das ist nicht unbedingt eine gute Sache, denn jetzt kann ich ihr umwerfendes Gesicht vollständig sehen und wie es einen konzentrierten Ausdruck bekommt. Ihr Blick wandert an meiner Brust herab, verharrt an meiner Taille und bleibt dort länger, als ich es erwartet hätte. Es stört mich nicht besonders, dass ihr Blick an der Stelle klebt, die nur wenige Zentimeter von meinem Schwanz entfernt ist, doch es lohnt sich, darüber nachzudenken, was sie so faszinierend findet. Ich bin zwar vom Land, doch ich bin kein Cowboy, deshalb trage ich auch keine mülleimerdeckelgroße Gürtelschnalle. Es ist ein ganz normaler Gürtel, den ich seit Jahren trage. Ich hake einen Daumen in den Bund meiner Jeans und ihr Blick schießt wieder nach oben.

»Das ist aus Lakmé«, sagt sie, als würde dieses offensichtlich ausländische Wort alles erklären.

Ich nicke langsam. »Schon klar. Lakmé. Die Katzen sind also mit Reisepass unterwegs?«

Sie streckt die Hand zum Radio aus und dreht die Lautstärke wieder hoch. Sofort schmettert eine Frauenstimme laut einen langen, hohen Ton.

Ich stelle fest, dass der Lärm weniger nach Katzen oder Gänsen klingt, sondern eher nach einem röhrenden Elch. In der Brunst.

»Keine Katzen, keine Reisepässe.« Sie fummelt erneut am Radio herum und das Geheule verschwindet im Hintergrund. »Oper. Es hilft mir dabei, mich zu konzentrieren.«

Ich muss grinsen. »Gut zu wissen, dass jemand diesen Lärm beruhigend findet.« Sie hebt erneut ihre Augenbraue, diesmal verärgert. Nicht die beste Reaktion, wenn ich mir das Fleißkärtchen verdienen will. »Also, brauchst du Hilfe? Eine Richtung oder so? Paonia liegt weit zurück. Wenn du nach Palisade willst, dann musst du weiterfahren.«

Schnell lässt sie die verärgerte Augenbraue herunter. Resigniert sinkt ihr Kopf an die Kopfstütze und für einen Moment richtet sie den Blick durch die Windschutzscheibe, dann sieht sie wieder in meine Richtung, wobei ihr Blick erneut zu meinem Gürtel abschweift.

Sie muss damit aufhören. Wenn sie das nicht tut, dann werde ich einer Fantasie nachgehen müssen, in der das umwerfende Mädchen in dem sehr teuren SUV mich und manche Teile meines Körpers viel zu interessant findet.

»Bist du von hier? Aus Hotchkiss?«

Sie steckt eine Hand in die offene Tüte mit den Twizzlers auf der Mittelkonsole und schiebt sich eine Stange zwischen die Lippen und beißt ein kleines Stück ab. Abgesehen von der Sache mit dem Beißen mag mein Schwanz diese Szene ein wenig zu sehr, weshalb ich die Hand vom Dach nehme und mich aufrichte.

»Geboren und aufgewachsen.« Ich strecke die Hand aus. »Ich bin Garrett. Garrett Strickland.«

Als ihre Hand auf meine trifft, schaffe ich es gerade so, sie nach einer angemessenen Zeit wieder loszulassen. Ihre Finger sind lang, die Nägel manikürt und mit weißen Spitzen versehen. Die Art von Nägeln, die ich liebe – und zusammen mit der Zartheit ihrer Hände gehen mir ein paar nicht jugendfreie Gedanken durch den Kopf, bevor ich es unterbinden kann.

»Cara Cavanaugh.« Sie zieht die Hand zurück und sieht zu mir hoch. »Und ja, ich brauche Hilfe.«

Großartig. Meine Lieblingsnägel, kilometerlange Beine, und jetzt blickt sie mich ganz rehäugig durch ihre Wimpern hindurch an, um mir zu sagen, dass sie Hilfe benötigt. Ich hoffe und bete, dass ihre nächsten Worte dem beschissenen Drehbuch eines billigen Pornofilms folgen. Fast jede Geschichte würde passen. Geiles Collegemädchen dreht durch. Gestrandete Autofahrerin ist verrückt nach einem Landjungen in verbeultem Ford.

Ich versuche, meine Stimme ruhig zu halten, um in keiner Weise zu verraten, seit wie vielen Monaten ich schon nicht mehr so nahe an einer Frau passenden Alters oder in einer passenden Situation war – ganz zu schweigen davon, wie lange es her ist, dass ich flachgelegt wurde.

»Ich bin ein hilfsbereiter Mensch. Stehe gern zu deiner Verfügung.«

Neugierde blitzt in ihren Augen und verschwindet sofort wieder. Cara beugt sich vor und wühlt in einer Tasche im Fußraum des Beifahrersitzes herum. Dadurch kommt ihr halber Arsch ins Blickfeld, dazu ein paar Zentimeter sehr zart aussehender Haut an ihrem unteren Rücken, wo ihr T-Shirt nach oben rutscht. Mir entfährt fast ein Stöhnen, als sie sich wieder auf ihrem Platz aufrichtet und mir einen Papierfetzen hinhält.

»Ich habe Schwierigkeiten, diese Adresse zu finden. Ich habe den ganzen Weg von Chicago bis hierher geschafft, ohne mich einmal zu verfahren, doch in dem Augenblick, als ich durch Paonia gefahren bin, wollte mich mein Navi wieder umdrehen lassen. Womöglich hat er nicht die richtigen Daten für diese Region. Weißt du, wo das ist?«

Ich schaue auf das Papier.

Dann noch einmal, um sicherzugehen, dass ich mir nichts einbilde. Nein.

Scheiße.

Ob ich weiß, wo das ist? Ja. Ich weiß genau, wo das ist. Wahrscheinlich könnte ich es mitten in der Nacht stockbetrunken bei mondlosem Himmel finden. Mein Muskelgedächtnis und der Autopilot haben mich bereits erfolgreich dorthin gebracht, haben mich zur Einfahrt gelenkt, als würde ich noch immer dahingehören, auch wenn schon Jahre vergangen sind und ich verdammt hart daran gearbeitet habe, den Schmerz zu begraben, der von dem Wissen rührt, dass ich so viel verloren habe.

Meine Hand zerknüllt leicht das Papier. Ich sehe sie an. »Da wohnt niemand mehr. Bist du sicher, dass das der richtige Ort ist?«

Sie nimmt sich noch einen Twizzler und zeigt damit in meine Richtung, um ihn mir anzubieten. Ich schüttle den Kopf.

»Ich weiß, dass es leer steht«, murmelt sie mit dem Mund voll Lakritz. »Es gehört einem Freund der Familie und er meint, ich könnte ein paar Wochen bleiben, um an einem Projekt zu arbeiten.«

Soviel zum Thema Glückstag, denn jetzt wird es ein wenig komisch. Ein schönes Mädchen und ihre gleichermaßen schönen Beine kommen in die Stadt und ich beschließe, mich als Pfadfinder in ihre Umlaufbahn zu begeben, nur um herauszufinden, dass sie in das Haus ziehen wird, in dem ich aufgewachsen bin. Die Familienfarm, die ich verkaufen musste, obwohl ich lieber etwas anderes getan hätte. Das Land, auf dem sich mein Vater Jahr für Jahr den Arsch aufgerissen hat, doch am Ende waren da zu viele Schulden für mich, um es über Wasser zu halten, als er starb. Das Leben, an das ich mich nur selten zurückdenken lasse – weil mein Dad nie daran geglaubt hat, zurückzublicken, und mich dazu erzogen hat, es genauso zu tun.

Deshalb ignoriere ich die schmerzende Leere, die sich in meinem Brustkorb sammelt, als ich das Papier an Cara zurückgebe. Ihre Finger streifen wieder meine, was es einfacher macht, sich darauf zu konzentrieren, was vor mir liegt: eine hübsche Frau von außerhalb, die vielleicht – man weiß nie – ein wenig Spaß sucht, während sie hier ist.

»Also, Stadtmädchen, ich glaube, das ist Schicksal. Ich weiß nämlich so ziemlich alles über diesen Ort.«

Ihre Augen leuchten auf. »Wirklich? Oh, das ist ja perfekt.« Sie atmet sichtbar erleichtert aus. »Woher kennst du es?«

Ich beuge mich vor, lege beide Hände ans Autodach und komme mit dem ganzen Körper näher heran. Ihre verdammten Blicke scheinen meinen mich in sich aufzusaugen, und sie atmet wieder tief aus, diesmal jedoch etwas zittriger. Sie befeuchtet sich die Lippen.

»Das war mal mein Haus.«

Kapitel 2

Cara Cavanaugh

Vielleicht war es doch ein Fehler.

Und zwar nicht nur die Entscheidung, die mich zu dieser winzigen Stadt in Colorado geführt hat, sondern alles – alle Entscheidungen, die ich während der vergangenen Monate getroffen habe und die zu diesem Augenblick geführt haben.

Wie vor sechs Monaten, als ich mich von meinem So-gut-wie-sicher-aber-doch-nicht-ganz-Verlobten getrennt hatte, dem Mann, mit dem ich jahrelang zusammen war. Oder die andere Entscheidung, bei der ich von dem weggegangen bin, was ich immer als meinen Traumjob bei einer großen Zeitung angesehen hatte, um dann einen Schreibauftrag als Freelancerin anzunehmen, der drei Staaten entfernt von meinem Zuhause in Chicago angesiedelt ist.

Das war der Hammer.

Dabei habe ich meinen Journalistenjob in der Firma nicht spontan gekündigt. Überhaupt nicht. Ich tat vielmehr das, was ich immer tue. Ich habe mich hingesetzt und das praktische Pro-und-Kontra-Arbeitsblatt geöffnet, das auf meinem Desktop gespeichert war – mit seinen perfekt dimensionierten Spalten und Reihen, strategisch gestaltet, um meine Welt mittels Microsoft Excel in Ordnung zu bringen. Ich ging alles genau durch, bis ich sicher war, dass ich zwar meinen Job hasste, aber weiterhin genau so sehr schreiben wollte, wie ich es immer tat. Ich wollte nur nicht einhundert Geschichten im Monat vorlegen, von denen die meisten nicht mehr waren als ein paar Worte aus einem journalistischen Fleischwolf und häufiger Facebook als Quelle nannten, als ich zugeben wollte. Ich wollte auch nicht die täglichen Berichte des Managements lesen, die detailliert auf die Google Analytics meiner Online-Stories eingingen. Denn Autoren überleben häufig wegen der Überzeugung, dass irgendwer irgendwo ihre Worte liest und etwas dabei empfindet – und wenn dich das allwissende Google darüber informiert, dass dein Publikum im Durchschnitt dreiundneunzig Sekunden darauf verwendet, deine Artikel zu ›lesen‹, wird es etwas schwierig, den wahnhaften Wunsch, einen Leser zu berühren, weiter aufrechtzuerhalten.

Ich wollte umfangreiche Texte über Menschen und Orte und Dinge schreiben, die eine Rolle spielten. Die Art von Berichten, die mehr wert waren als dreiundneunzig Sekunden Aufmerksamkeit.

Ich wollte die etwas selbstgerechte, unglaublich spezialisierte und zugleich wunderbar tiefschürfende Welt eines aus Asheville in North Carolina stammenden vierteljährlichen Magazins namens Purpose & Provisions betreten. Monatelang hatte ich die Jobangebote eines Freelancer-Portals verfolgt und gehofft, einen Eintrag zu finden, der es rechtfertigen würde, die Nachrichtenwelt als Angestellte im Austausch für etwas zu verlassen, in das ich mein ganzes Herzblut fließen lassen konnte.

Und eines Tages war es da:

Autor gesucht. Bitte Capote, nicht Bradshaw. Muss zum Umzug bereit sein.

Wir suchen einen geistreichen und aufrichtigen Autor, der über das sich verändernde Gesicht der Landwirtschaft in der Grand Valley-Region des südwestlichen Colorados berichtet. Diese vielschichtige Region ist die Heimat von traditionellen Bauernfamilien und ökologischen sowie konventionellen Bauern, ebenso wie einer Vielzahl von Obstplantagen und Weingütern. Doch die Überalterung der amerikanischen Farmer ist hier genauso eine Bedrohung wie auf den Maisfeldern Iowas oder den Weizenfeldern von Kansas. Der geeignete Kandidat für diese Position wird sich für bis zu acht Wochen Teil der Bevölkerung des Grand Valleys werden und mit einer ausführlichen Reportage zurückkehren, der sich für die anspruchsvolle Leserschaft unserer Publikation eignet.

Purpose & Provisions widmet sich der aufrichtigen Wertschätzung aller handgemachten und produzierten Dinge – und den Erzählungen, die wir diesen Handwerkern schulden. Wir fühlen uns nicht dem Zählen von Wörtern verpflichtet und vertreten die Überzeugung, dass weiße Flächen immer besser sind als Werbeflächen.

Senden Sie ihr Anschreiben mit Arbeitsproben an [email protected].

Nach ein paar Recherchen stellte ich fest, dass sich die Leute von Purpose & Provisions vielleicht ein wenig zu ernst nehmen, trotzdem aber genau das sind, wonach ich gesucht habe. Die Artikel waren ansprechend und interessant, das Layout modern aber warm, und als ich endlich eine gedruckte Ausgabe in Händen hielt, wollte ich fast damit unter meinem Kopfkissen schlafen und darauf hoffen, dass die Schreibfee ihre Magie spielen lässt.

Ich schickte ihnen meine Bewerbung mit zwei Probetexten, die ich über Lebensmittelproduzenten im nördlichen Illinois geschrieben hatte. Wenige Stunden später antwortete der Herausgeber und wir skypten am nächsten Morgen. Am Tag darauf bot er mir die Stelle an. Ich informierte die Zeitung, quälte mich durch die zwei Wochen Kündigungsfrist und begann, meinen vorübergehenden Umzug nach Colorado zu planen.

Ein Monat später und jetzt bin ich hier. Versuche mich an einem neuen Leben, das so anders ist von dem, was ich mir seit meinem zwölften Lebensjahr ausgemalt habe, dass es nicht verwunderlich ist, wenn ich Schwierigkeiten mit den einfachsten Aufgaben habe.

Wie dem Öffnen eines blöden Vorhängeschlosses.

Mein Dad hatte darauf bestanden, meine Sachen in einem Transportcontainer schicken zu lassen, der gestern in Hotchkiss ankam. Ich wollte eigentlich lieber einen dieser süßen Anhänger mieten – eine Idee, bei der ich laut meiner Mutter wie eine Vagabundin aussehen würde, und sie legte ihr Veto ein, bevor ich noch etwas erklären konnte. Ich habe den einzigen Schlüssel zu dem Vorhängeschloss, mit dem ich die Metallbox gesichert habe, nachdem ich sie mit einer Mikrowelle, Kartons voll Kleidung und Schuhen, diversen Küchenartikeln und meinem Pilates-Reformer-Trainingsgerät bestückt hatte. Doch irgendwo zwischen Illinois und hier muss das Schloss genügend Dreck abbekommen haben, dass es sich jetzt nicht mehr öffnen lässt.

Womöglich liegt ein Teil des Problems aber auch an den lästigen Hormonen, die durch meinen Körper rauschen. Alle Kraft, die ich bei einer regulären Blutzirkulation aufbringen könnte, hat sich zu den erogenen Bereichen meines Körpers verlagert – verursacht durch die Begegnung mit einem Typen am Straßenrand, den ich in Verdacht habe, über einen Satz Bauchmuskeln zu verfügen, mit dem er locker in einer Zydeco-Band spielen könnte.

Ich sage nur: Waschbrett.

Da war dieser Moment, in dem ich darüber nachdachte, mich vorzubeugen und Garretts Hemd anzuheben, nur um zu überprüfen, ob ich recht hatte. Auch ohne mein Laptop und mein praktisches Arbeitsblatt war ich in der Lage, mir die Vor- und Nachteile dieses Szenarios durch den Kopf gehen zu lassen.

PRO: Technisch gesehen wäre es Recherche. Eine Möglichkeit, die Einheimischen kennenzulernen … sich unter die Bevölkerung mischen.

KONTRA: Es ist auch ein Weg, um mich an meinem ersten Tag in der Stadt nachdrücklich als verrückt zu erweisen. Oder verhaftet zu werden.

PRO: Ich habe eigentlich noch nie zuvor Bauchmuskeln gesehen. Also viele Muskeln, die sich deutlich voneinander abheben und die man ohne Anspannen oder Glätten sehen kann. Nicht im echten Leben.

KONTRA: Ich wüsste sowieso nicht, was ich mit einem Sixpack machen sollte. Es mit der flachen Hand tätscheln? Mit dem Zeigefinger antippen, um die Festigkeit zu prüfen? Ein Foto machen?

Abgesehen von den Bauchmuskeln scheint Garrett genau der Typ zu sein, der in einer einzigen Nacht alle Erinnerungen an den lausigen Sex, den ich bisher erlebt habe, für immer auslöschen könnte. Sein Wagen war sowohl höhergelegt als auch abgenutzt und sein Körper wirkte, als wäre er kräftig und gut trainiert, seine braunen Augen waren sanft wie bei einem kleinen Hund und hatten einen Schlafzimmerblick. Deshalb habe ich den Großteil unseres Gesprächs am Straßenrand damit verbracht, meine Augen dorthin wandern zu lassen, wo auch meine Gedanken waren, selbst als er behauptete, dass das Blumenduett aus Lakmé wie Wildkatzen klang, die es miteinander treiben oder so.

Katzen.

Und ich musste trotzdem weiter darüber nachdenken, wie er wohl unter dem ramponierten T-Shirt aussah, das er trug. Er dagegen schien genau zu merken, dass ich mich verfahren hatte, mit der Situation überfordert war, und ihn attraktiv fand – und er genoss jede Minute davon, bis hin zu dem Augenblick, als er wieder in seinen Wagen stieg, mich kurz anlächelte und beiläufig in meine Richtung winkte, bevor er wegfuhr – und mich mit einer Wegbeschreibung zurückließ und mit einem leicht verwirrenden Fall von Lustitis.

Ich zerre erneut an dem Vorhängeschloss und hoffe, dass mir ein wenig Anstrengung die Lustitis-Erkrankung austreibt, während ich meinen ganzen Körper gegen den Container stemme, um zu sehen, ob das die benötigte Hebelwirkung bringt. Nichts. Ich schüttle es hin und her. Schlag es ein paar Mal gegen das Metall. Noch immer nichts.

Gerade, als ich frustriert gegen die Box treten will und mir dabei unvermeidlich einen Zeh brechen würde, klingelt mein Telefon. Ich lasse den Kopf gegen das kühle Metall fallen, ziehe das Handy aus der Mitteltasche meines Pullovers und halte es an mein Ohr.

»Hallo?«

»Cara Jane! Kannst du mich überhaupt hören, wo du jetzt so weit im Westen bist? Geht es dir gut?«

Meine Schwester. Ich bin davon überzeugt, dass sie ein genau eingestelltes Ausrasterradar hat, denn egal, wo ich bin oder worüber ich mich gerade ärgere, sie ruft genau in dem Moment an oder taucht auf, wenn ich sie brauche. Sie behauptet fest, dass es kein Radar ist, sondern nur daran liegt, dass sie meine jüngere Schwester ist. Sie hat so viele Jahre damit verbracht, mich zu beobachten und jede persönliche Marotte einzuordnen, dass sie wie einer dieser Hunde ist, die die Anfälle ihres Besitzers erschnüffeln, noch bevor sie stattfinden. Entweder ist es das oder sie ist eine Wahrsagerin. Eine von Narciso Rodriguez eingekleidete und Fendi-Taschen tragende Wahrsagerin.

»Amie Jane, ich glaube, du bist eine Hexe«, sage ich. »Wie Fairuza Balk in Der Hexenclub, nur hübscher und nicht so bescheuert. Aber genauso nervenaufreibend. Woher weißt du immer, wann ich dich brauche?«

Meine Schwester und ich haben den gleichen zweiten Vornamen, den wir so oft wie möglich aussprechen. Jane, wegen unserer Urgroßmutter väterlicherseits. Er hatte darauf bestanden, wahrscheinlich auch wegen der Tatsache, dass sie beachtliche Treuhandfonds für Amie und mich eingerichtet hatte, noch bevor wir geboren waren. Unabhängig davon hasst es unsere Mutter. Sie ist davon überzeugt, dass die Leute annehmen, sie sei entweder zu faul oder zu beschränkt gewesen, um sich verschiedene zweite Vornamen auszudenken – oder schlimmer, dass sie ironisch sein wollte, denn meine Mutter verwendet keine Ironie.

Amie lacht auf ihre ausgesprochen weibliche Art, unbeschwert, doch mit ganzem Körper, irgendwie süß, wobei es niemals albern klingt. »Ich habe dir das bereits erklärt, liebe Cara Jane. Meine Ohrläppchen jucken, wenn du in Schwierigkeiten steckst.«

»Ach, ja. Die Sache mit den Ohrläppchen. Und daran ist ja gar nichts verhext oder seltsam.«

»Ich ziehe es vor, mich eher als eine Art von Feen-Patin zu sehen. Cinderella-Style.«

»Nun, wenn du jetzt bitte dieses Vorhängeschloss Hokuspokus-Fidibus von meinem Transportcontainer wegzaubern könntest, dann würde ich das sehr zu schätzen wissen. Ich bin ungefähr zehn Sekunden davon entfernt, zurück in die Stadt zu fahren und einen Bolzenschneider zu kaufen. Doch meine erste Fahrt durch die Stadt war ereignisreich genug.«

Sie schnaubt ins Telefon. Genau wie ihr Lachen ist auch ihr Schnauben niedlich. Noch ein weiterer Unterschied zwischen uns, denn mein Lachen und mein Schnauben sind, sagen wir mal, herzhafter.

Was das Schwestersein betrifft, da bin ich mir sicher, dass unsere DNS zusammenpasst, doch auf den ersten Blick würde jeder mit eigenen Augen sehen, dass wir aus zwei sehr verschiedenen Vorlagen gefertigt sind. Amie folgt meiner Mutter: goldener, sonnenverwöhnter Teint und honigblondes Haar, Knopfnase und grüne Augen, mit zierlichen Maßen, die alle die Ideale traditioneller Weiblichkeit erfüllen. Ich – wobei ich mich an die väterliche Seite der Familie halte – übertrumpfe all ihre lieblichen Porzellanpuppenzüge mit dunklen Augen und noch dunklerem Haar und einer Figur wie Olivia bei Popeye, was die Zeit auf der Junior High School zu einem Riesenspaß gemacht hat.

»Ereignisreich? Haben die Kühe die Straße blockiert oder etwas anderes Ländliches? Ein Traktor, der am Straßenrand entlangtrödelt und ein heißer Cowboy sitzt am Steuer?«

»Keine Traktoren, keine Kühe.«

»Wie steht’s mit dem heißen Cowboy?«

Von ganz allein taucht Garrett mit seinen Bauchmuskeln in meinem Kopf auf. Kein Stetson, keine glänzende Gürtelschnalle, und ich kann ihn mir auch nicht auf einem Pferd vorstellen. Die Jeans hatten einen Schnitt, wie man es erwartet, doch die Stiefel waren geschnürte Arbeitsstiefel. Also ist Cowboy nicht unbedingt das richtige Wort, das ich benutzen würde, um ihn zu beschreiben.

»Er war kein Cowboy. Eher … ein Redneck?«

Amie stöhnt entmutigt. »Igitt. Wie in Duck Dynasty?«

»Nein?«

Es entsteht eine Pause, bevor Amie ein klingelndes Lachen von sich gibt.

»Oh, wow. Meine Ohrläppchen jucken schon wieder. Muss daran liegen, wie du ›nein‹ gesagt und es wie eine Frage klingen lassen hast. Hört sich an, als hättest du bereits Probleme, Cara Jane.«

Ihr Tonfall ist zwar neckend, doch mir werden davon die Wangen heiß.

Der Grund dafür ist einfach: Mein Exfreund, Will Cahill, hat einen Zwillingsbruder namens Tayer. Und Tayer ist mit Amie zusammen – deshalb fühlt sich das Gespräch über Garretts problemschaffende Qualitäten ein bisschen wie Betrug an den Cahill-Jungs an. Unseren Cahill-Jungs.

Von der Country Day School bis hin zu den Gesellschaftsbällen waren unsere Familiengeschichten so eng miteinander verbunden, dass es fast keine andere Wahl für uns zu geben schien, als Paare zu werden. Zunächst waren es Amie und Tayer, gefolgt von Will und mir im Jahr darauf. Ich war fast fertig mit meinem Journalistik-Studium an der Northwestern University, während Will sich darin sonnte, an der Yale-Rechtsfakultät angenommen zu sein, und im Nebel von zu viel Feier-Prosecco sahen wir einander an und die Dinge schienen … unvermeidlich.

Und über fünf Jahre hatte sich daran nicht viel geändert.

Außer einer Sache: Ich merkte schließlich, wie sehr ich nicht wie meine Mutter werden wollte. Leider war das genau die Art von Frau, die Will irgendwann in seinem Leben brauchen würde. Wenn er – wie es sein Vater, Großvater und Urgroßvater getan hatten – die Rechtsfakultät gegen das Politikbusiness eintauschte, würde er eine makellose Gesellschaftsgattin benötigen, eine Frau mit Haltung und Anmut.

Doch anders als bei meiner Mutter und meiner kleinen Schwester kommen bei mir Selbstvertrauen und Anmut nicht von allein. Ich muss mich auf jedes Detail konzentrieren, wie ich gehe und rede und atme, wenn ich die Cara Cavanaugh sein soll, die meine Familie von mir erwartet. Denn unser Wohlstand hängt an so vielen wichtigen Beziehungen, dass es fast so ist, als wäre man gefangen in einem Spinnennetz aus Erwartungen. Diese Fonds, die Oma Jane für Amie und mich eingerichtet hatte? Alles Teil davon, was vor sechs Generationen als Geld eines Stahlbarons begann, verdient mit schwerer Arbeit, Ehrgeiz und Einfallsreichtum – dieselben Charaktereigenschaften, die heute von uns als Erben erwartet werden.

Doch während sich unsere Familie an einen Verhaltenskodex des Fleißes hält, machen die Frauen im Cahill-Clan keine Karriere. Sie können nach dem College für ein paar Jahre dilettieren, doch das war es dann auch schon. Und ob Will es zugeben würde oder nicht, bei diesem Thema bleibt er bei der Cahill-Norm.

Deshalb habe ich mich von Will getrennt, denn genau wie ich wusste, dass ich meinen Job hasste, doch das Schreiben liebte, so wusste ich, dass ich die Frau hassen würde, zu der ich werden müsste, um die zu sein, die Will lieben wollte. Und wie auch alles andere, was während unserer gemeinsamen Zeit geschah, so trennten Will und ich uns leidenschaftslos – keine bösen Gefühle, keine Unbehaglichkeiten zwischen unseren Familien, so dass es für uns einfach war, wieder zu Freunden zu werden.

Amie ist mein Schweigen schließlich leid und sie bricht mit einem Lachen in meine verlorenen Gedanken.

»Stille, was? Dieser Typ scheint dir ja richtig ernste Probleme zu bereiten.«

Ich zwinge mich zu einem Lachen und hoffe, dass es mühelos und unaffektiert klingt, dann rutsche ich nach unten und setze mich mit überkreuzten Beinen auf die nichtasphaltierte Auffahrt vor dem Farmhaus.

»Ich habe keine Ahnung, ob er Probleme bereitet oder nicht. Wir hatten ein fünfminütiges Gespräch. Er hat Lakmé beleidigt und mir den Weg gezeigt. Aber in einer überraschenden Wendung, wie es sie nur in Kleinstädten gibt, stellt sich heraus, dass diese Farm einmal seine gewesen ist. Er ist ungefähr in unserem Alter, deshalb nehme ich an, dass er hier wohl aufgewachsen ist.«

»Un-glaub-lich.« Amie murmelt in Gedanken. »Tayer hat gesagt, dass sein Onkel Davis es aus einem Nachlass erstanden hat und dass es sich die Familie nicht mehr leisten konnte. Davis hat es übernommen, ohne es auch nur gesehen zu haben, denn es scheint eine gute Gegend für ihre geplanten Ausflüge zur Elchjagd zu sein. Doch ich glaube, dass sie nur nach Entschuldigungen jagen, um sich durch ihre kostbaren Flaschen Pappy-Van-Winkle-Whiskey zu arbeiten, ohne dass irgendwelche nörgelnden Frauen in der Nähe sind.«

Weil die Geschichte zwischen der Cahill- und der Cavanaugh-Familie mit all ihren Querverbindungen einem hinterwäldlerischen Bergtal in Kentucky ähnelt, ist der Mann, dem das Farmhaus gehört, in dem ich wohnen werde – Garretts ehemaliges Zuhause – der Onkel von Tayer und Will.

Davis Cahill hat mehr Geld, als er je ausgeben kann, und auch nach der Trennung von Will und mir bestand Davis darauf, dass ich genauso zur Familie gehöre wie immer. Als die Nachricht von meinem Freelance-Job an seine Ohren gedrungen war, bot er mir sofort sein Haus zum Wohnen an. Zu dem Zeitpunkt schien die Tatsache, dass er ein Haus in der Region hatte, wie ein göttlicher Fingerzeig zu kommen, der bestätigte, dass ich mich auf dem richtigen Weg befand.

Während Amie weiter die vielen Gründe nennt, weshalb sie davon überzeugt ist, dass die Cahills Bourbon mehr mögen als Großwild, ruht mein Blick auf dem Bauernhaus.

Alles außer der Vorderveranda, die von dunklen Säulen aus gestapelten Feldsteinen gesäumt wird, ist mit verblichener weißer Farbe gestrichen. Dieselben Feldsteine bilden das Fundament und die Spuren jahrzehntealter Kalkablagerungen zeigen, wie viele Jahre seit dem Bau dieses Hauses vergangen sind. Eine Fensterjalousie in der ersten Etage scheint an einem einzigen Nagel in einer Ecke zu hängen, der Rest des Holzes klappert lose gegen die Seite. Hinter dem Haus bemerke ich den Rand von einem offenbar schon lange vernachlässigten Getreidefeld, ein paar Disteln ragen hoch über die Stiele von überwuchertem vergilbtem Gras. Das ganze Grundstück zeigt sein Alter, vernachlässigt auf eine Art, die einsam und vergessen wirkt.

Schließlich beendet Amie ihre Tirade. »Wie auch immer, ich erwarte einen umfassenden Bericht, falls dir der heiße Redneck Probleme bereitet, über die es zu reden lohnt, okay?«

Ich gebe ein lautes Schnauben von mir. »Fraglich. Aber ich werde dich bestimmt auf dem Laufenden halten.«

»Ich muss los, Tayer ist da. Heute Abend ist eine Benefizveranstaltung vom Kunstverband, und wir werden wohl zu spät kommen, was nicht so gut rüberkommt, da ich im Vorstand bin.«

Im Hintergrund hört man das leise Klackern von Eiswürfeln im Glas. Ich kann mir Tayer in der Küche ihrer Wohnung vorstellen, wie er sich einen Drink einschenkt, bevor er sich auf seinen Platz auf dem Sofa setzt, glücklich im Bewusstsein, dass Amie sein ist, und zufrieden genug, um auf sie zu warten, egal, wie sehr sie sich wegen ihr verspäten.

»Und, Cara?«

Heimweh macht sich tief in meinem Magen bemerkbar. »Ja?«

»Versuch es noch mal mit dem Schloss. Ich habe ein wenig gutes Karma in deine Richtung geschickt.«

Als wir auflegen, starre ich auf das Schloss und atme tief ein.

Und Hokuspokus Fidibus. Das Schloss geht auf, so mühelos, dass eine Feenpatin dahinterstecken muss.

Kapitel 3

Cara

Weniger als eine Stunde später habe ich fast alles aus dem Container ausgeladen, mich mit der Raumverteilung des Hauses vertraut gemacht und entschieden, in welchem der drei Schlafzimmer im oberen Stock ich schlafen werde. Das Innere des Hauses ist so spärlich möbliert, wie David es warnend angekündigt hatte, da das Haus noch immer auf den prüfenden Blick seiner Frau und die aufwendige Renovierung wartet, die diesem unvermeidlich folgen wird.

Durch die Vordertür erreicht man das Wohnzimmer mit einem verblichenen Ziegelkamin, in dem eine Couch und ein Couchtisch stehen. Ein großer Flatscreen-Fernseher ist das Einzige, was an den Wänden hängt. Ein kabelloses Modem, ein Satellitenreceiver und ein Kabelsalat aus Stromkabeln sind in eine Zimmerecke geschoben worden, alles ist mit einer Staubschicht bedeckt.

Hinter dem Wohnzimmer befindet sich ein Esszimmer ohne jeden Tisch oder Stühle, gefolgt von einer winzigen Küche, in der ich eine Kühlbox aus dem Auto entpacke, die vollgestopft ist mit gekühlten Lebensmitteln, die ich auf dem Weg hierher in einem Biomarkt in Basalt gekauft hatte. Ich stelle die Zutaten für einen spätnachmittäglichen Proteinshake bereit. Es wäre zwar einfach, sich in die Reste des Reise-Proviants zu versenken, die ich noch im Auto habe, doch ich habe während der letzten drei Tage zu viel Lakritzstangen, saure Weingummis und Käsecracker gegessen, und wenn es eine Sache gibt, an die mich meine Mutter immer erinnert, dann ist es dieser Quatsch mit „eine Minute auf der Zunge und ein ganzes Leben auf der Hüfte“. Auch wenn ich eigentlich glücklich darüber wäre, irgendwas auf meine Hüften zu bekommen, um meiner Bohnenstangenfigur ein paar Kurven zu verpassen, so wurde ich doch siebenundzwanzig Jahre einer Gehirnwäsche mit entsprechenden Erwartungen unterzogen.

Ich ziehe meinen zuverlässigen Vitamix-Blender aus einem Karton und sehe mich in der Küche um. Steckdosen sind heiß begehrt, und die eine an der Arbeitsfläche ist bereits mit der Mikrowelle und meiner elektrischen Espressokanne belegt. Ich werde die Espressokanne nicht brauchen, bevor es Zeit für meinen Morgenkaffee ist, deshalb ziehe ich den Stecker und schiebe sie zur Seite, um Platz zu machen für den Blender. Ich gebe einen Löffel Vanilleshake-Pulver in den Behälter, die entsprechende Menge Mandelbutter, dann etwas Sojamilch und eine Banane. Ich stelle den Regler an, doch das vertraute Brummen dauert nur ein paar Sekunden.

Plötzlich macht es einen lauten Knall, die einzige Deckenlampe geht aus, die Digitalanzeige der Mikrowelle wird dunkel und mein Blender bleibt stehen.

»Scheiße.« Ich stehe starr auf der Stelle, abgesehen von meinen Augen, die den Raum schnell absuchen, um herauszufinden, was gerade passiert ist.

Da ich für elektrische Pannen nicht geschult bin, komme ich natürlich zu keinem Resultat. Obwohl ich in dem Teil meines Gehirns, in dem ungeordnet Informationen gespeichert sind, überlege, dass dies eine Situation sein könnte, in der ein Sicherungskasten eine Rolle spielt. Leider habe ich keine Ahnung, wie so ein Sicherungskasten aussieht. Ich weiß auch nicht, wo man einen Sicherungskasten finden könnte. Und ich wüsste auch gar nicht, was ich mit besagtem Sicherungskasten tun sollte, wenn ich denn einen finden würde.

Auch wenn ich in einem alten Haus aufgewachsen bin, war es doch nicht so eine Art von altem Haus. Unser Haus war ein Herrenhaus im englischen Stil auf zwei Hektar Grundstück mit sechs Schlafzimmern und neun Badezimmern und befand sich in Kenilworth, einem Vorort Chicagos. Es gab eine Eingangshalle und einen Springbrunnen, einen Skulpturengarten und einen Weinkeller – und wahrscheinlich mehr als einen Sicherungskasten. Ich bin mir sicher, Mac, der Mann, der sich in unserem Haus um alle Instandhaltungsfragen gekümmert hatte, wüsste genau, wie man das hier repariert.

Was würde ich nicht in diesem Moment für Mac geben.

Im Geiste des Erfindungsreichtums beschließe ich, im Haus ein wenig nach etwas zu forschen, das laut »Sicherungskasten« brüllt, doch nach zehnminütiger Suche – eingeschlossen die Zeit in dem spinnwebenverseuchten Keller – finde ich nichts.

Mein letzter Ausweg besteht darin, telefonisch um Verstärkung zu bitten. Davis hat mir die Kontaktdaten einer lokalen Grundstücksmaklerin gegeben, die quasi als Hausverwalterin fungiert und hat gemeint, dass ich sie anrufen soll, wenn es irgendein Problem mit dem Haus gibt. Und egal, wie bescheiden das Haus ist, in dem ich dankbar bleiben darf, so bin ich doch keine Amish.

Ich und mein Vitamix brauchen Strom.

***

Janet, die Maklerin, ist sowohl nett als auch freundlich, doch sie ist keine Quelle für elektrische Details. Sie und ich merken schnell, dass unsere zwei Köpfe nicht ausreichen, um dieses Problem anzugehen. Sie schlägt vor, einen Einheimischen anzurufen, der schon Gelegenheitsarbeiten an dem Haus durchgeführt hat, um herauszufinden, ob er helfen kann. Sie warnt mich jedoch, dass es ein wenig dauern kann, bis er vorbeikommt, da er einen normalen Job in der Stadt hat.

Ein paar Stunden später hört man draußen lautes Dröhnen, gefolgt von dem Knirschen des Schotters auf der Zufahrt.

Gott sei Dank, die Elektrikerkavallerie ist da.

Ich schaue an mir herunter, um mein Äußeres zu prüfen, und stelle mir den entsetzten Blick meiner Mutter vor, wenn sie mich jetzt sehen könnte. Sie hat uns dazu erzogen, nur im äußersten Notfall an die Tür zu gehen – das heißt: wenn die Haushälterin frei hat – und dann auch nur, wenn wir angemessen angezogen waren. Mein gegenwärtiges Outfit würde sich dafür nicht qualifizieren. Denn ich werde mit nackten Füßen die Tür öffnen und in sehr kurzen Yoga-Shorts und einem ziemlich lockeren T-Shirt mit V-Ausschnitt, das tief genug hängt, um einen kleinen Ausblick auf den buttergelben Träger des Bralettes zu erlauben, das ich darunter trage. Das hätte auf jeden Fall die Überprüfung in meinem Elternhaus nicht bestanden.

Ich ziehe den Ausschnitt des Shirts hoch und erinnere mich daran, dass ich nicht mehr zu Hause lebe seit ich achtzehn bin und dass mich meine Mutter heute – schludrig oder nicht – nicht sehen kann.

Ich tappe hinüber zur Tür und komme dabei an einem großen Panoramafenster vorbei, das zur Auffahrt zeigt, wo die Quelle des lauten Dröhnens geparkt ist und etwas bedrohlich aussieht, ziemlich groß, und irgendwie viel zu vertraut.

Nein.

Nein, nein, nein.

Wer hätte das gedacht? Ich hätte wohl doch auf meine Mutter hören sollen. Denn wenn es nicht gerade noch einen Truck im Ort gibt, der genauso aussieht wie der von Garrett, ist er der Einheimische, der geschickt wurde, um mich zu retten. Und ich bin für alles angezogen, außer für eine weitere Runde mit Garrett und seinen Bauchmuskeln. Ich war auch nicht gerade in Abendgarderobe gekleidet, als wir uns vorher getroffen hatten, doch ich trug auch nicht ein Outfit, was sich auf einmal ein bisschen zu freizügig für dieses Publikum anfühlt. Gib mir einen schwerhörigen, halb blinden, altersschwachen Elektriker in verschmiertem Overall, und ich würde mich wahrscheinlich gut darin fühlen. Aber bei Garrett? Keine gute Idee.

Ein Klopfen ist an der Tür zu hören, und aus irgendeinem völlig irrationalen Reflex haste ich vorwärts und verstecke mich unter der Rückseite der Treppe im Eingangsbereich, die zur ersten Etage hinaufführt. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, heimlich für einen schnellen Kostümwechsel die Treppe hinaufzuschießen. Wenn ich mich tief ducke und auf dem Bauch über den Boden krieche, mich dann wie ein Zombie aufrichte, dann … Oh mein Gott, das ist verrückt.

Werde erwachsen, Cara. Denk an die Espressokanne. Denk an morgen früh. Denk daran, ohne Kaffee zu sein. Du musst einfach die verdammte Tür öffnen, ihn den Strom reparieren lassen, und ihn dann wieder auf den Weg schicken.

Resigniert schiebe ich die Schultern zurück, dann schüttele ich meine Arme aus, bevor ich hinter der Treppe hervortrete und zur Vordertür gehen will. Als ich aufblicke, starrt mich Garretts Gesicht dank des großen Glaseinsatzes in der oberen Hälfte durch die traditionelle Bauernhaustür an. Ich bin mir sicher, dass es nicht seiner Aufmerksamkeit entgangen ist, wie ich hinter der Treppe aufgetaucht bin, und es ist auch möglich, dass er schon gesehen hat, wie ich zuvor dahinter verschwunden bin. Verdammtes Glas mit seinen freizügigen Eigenschaften.

Mit starrem Blick verfolgt er mein Näherkommen, bis ich die Tür öffne.

Garrett lächelt ein wenig und lässt seinen Blick über meinen Körper gleiten, langsam genug, dass es auf meiner Haut prickelt. Ich hole kurz Luft und kleide mich innerlich in eine Nonnentracht, einen Kartoffelsack und einen großen, schwarzen Müllsack.

»Habe gehört, dass du Probleme mit der Stromversorgung hast«, sagt er gedehnt.

Er trägt genau das Gleiche wie am Morgen, und mit Ausnahme einer dünnen Staubschicht auf der Brust seines T-Shirts sieht er genauso fesselnd aus wie vor ein paar Stunden. Seine Arbeitsjacke ist offen, eine Seite seines Shirts steckt in der Jeans, und die Stelle, an der die beiden Stoffe auf seinen Gürtel treffen, zieht erneut meine Aufmerksamkeit an. Diese Stelle, die flach und fest und nach einem Haufen Probleme aussieht.

Amies verdammte Ohrläppchen müssen wie Feuer brennen.

Garrett räuspert sich. Meine Augen schießen hoch. Er hebt eine Augenbraue und wie er den Mund verzieht, zeigt deutlich, dass ihn zwar nicht stört, wie ich ihn anstarre, er mich aber wissen lassen will, dass ich erwischt worden bin. Nonnentracht, Kartoffelsack, Müllsack. Trotz der mentalen Bekleidung geht eine meiner nervösen Angewohnheiten los, bei der ich mir das Haar hinter das Ohr streiche und viel mehr rede, als ich sollte.

»Ich wollte mir gerade einen Proteinshake machen, bin aber nicht sehr weit damit gekommen. Ich habe mich drei Tage von Junkfood ernährt und musste etwas essen, das kein Mindesthaltbarkeitsdatum im nächsten Jahrhundert hat, verstehst du? Aber der Blender war nur für ungefähr zehn Sekunden an, als es diesen lauten Knall gab und dann nichts mehr. Jetzt funktioniert gar nichts mehr in der Küche.«

Er blickt mich für einen Moment an, verwirrt und fasziniert, als wäre ich eine Kreatur, die er nicht genau einordnen kann.

»Kommt mir bekannt vor.« Garrett zeigt ins Innere des Hauses. »Darf ich reinkommen?«

Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie seltsam diese Situation für Garrett sein muss, auch wenn er kein bisschen befremdet wirkt. Hier ist er, bittet mich um Erlaubnis, hineinzukommen, wo es doch einmal sein Zuhause war und ich erst seit insgesamt drei Stunden hier bin. Ich trete schnell von der Tür zurück und winke ihn herein.

»Natürlich. Gott, ja, entschuldige. Komm rein.«

Er tritt über die Schwelle und zeigt zur Küche. »Hast du bereits die Sicherung überprüft?«

Ich zucke die Schultern, winke ziellos mit den Händen durch die Luft, denn ich bin mir nicht sicher, wie ich erklären kann, dass ich vielleicht mit Auszeichnung jede Schule absolviert habe, in der ich war, doch dass ich keinen Plan habe, wenn es um Sicherungskästen geht.

»Nein. Ich konnte sie nicht finden. Ich habe mich umgesehen, doch mir ist nichts ins Auge gefallen. Ich bin mir auch nicht sicher, wie es aussieht oder wo …«

Garrett grinst und hebt die Hände, Handflächen voraus. »Entspann dich, Stadtmädchen. Nimm‘s mir nicht übel, aber ich bin nicht darüber schockiert, zu erfahren, dass du nicht die Sorte Frau bist, die alles über Instandhaltung im Haus weißt.« Er geht in Richtung Küche. »Folge mir. Ich gebe dir ein paar Details über die Marotten dieses Hauses.«

In der Küche bleibt er mitten im Raum stehen, dreht sich im Kreis, um alles zu betrachten, was auf der begrenzten Arbeitsfläche zusammengedrängt steht. Er zeigt auf meinen Vitamix.

»War das an, als der Strom ausging?«

Ich nicke. »Blender.«

Er hebt ihn hoch und neigt den Kopf, um die Unterseite zu inspizieren. »Ok, das ist ein Großteil des Problems. Er zieht wahrscheinlich einen Riesenhaufen an Strom, wenn er läuft. Also kannst du das nicht zusammen mit allem anderen eingestöpselt laufenlassen. Vor allem mit der Mikrowelle.« Garrett stellt es wieder ab und zeigt auf die Espressokanne. »Oder was auch immer das da ist.«

»Das ist eine Espressokanne.«

Garrett schnaubt kurz. »Eine was?«

»Um Espresso zu machen.«

Er wirft mir einen ausdruckslosen Blick zu und verzieht dann den Mund, während er mit einem langsamen Nicken antwortet.

In Gedanken überlege ich mir ein paar mögliche Erwiderungen auf sein herablassendes Feixen, doch alle scheinen nur das Offensichtliche zu betonen. Selbst wenn ich keine Prominente wie Paris Hilton bin, die nicht weiß, was Wal-Mart ist, braucht es nicht viel, um zu erkennen, aus welcher Art von Leben ich komme. Mein Auto, meine Unfähigkeit, einen Sicherungskasten zu finden, und jetzt meine bevorzugte Methode für den Morgenkaffee – all das sendet eine deutliche Botschaft. Und wenn Garrett es sieht, dann wird es auch jeder andere tun, was bedeutet, dass es ganz schön schwierig wird, all die Farmer und Rancher, die ich hier befragen will, dazu zu bringen, mit mir über irgendwas Bedeutenderes als das Wetter zu reden.

Bevor ich noch in der Lage bin, mich für die richtige Retourkutsche zu entscheiden, schiebt Garrett eine Hand unter den Kragen seiner Jacke, zieht sie dann aus und wirft sie auf einen freien Platz auf der Arbeitsplatte.

»Verdammt heiß hier drin. Hast du das Thermostat angestellt?« Ich nicke. »Es ist nicht sehr genau. Nimm einfach die Temperatur, auf die du es einstellen willst, und zieh dann ein paar Grad ab, das funktioniert meistens. Außer du hast die Absicht, dass jeder, der den Fuß hier reinsetzt, sofort alle Kleider von sich reißt.«

Er wirft einen Blick in meine Richtung und mein Ausdruck muss meinen ersten Gedanken enthüllt haben: Dass es mich kein bisschen stören würde, wenn Garrett seine Kleider von sich reißen würde. Denn als sich unsere Blicke treffen, zwinkert er mit dem Auge.

Sofort möchte ich ihn darauf hinweisen, dass sein Feixen schlimm genug war, aber das Zwinkern? Es sollte kein Zwinkern geben. Das ist ein Klischee und armselig und an der Grenze zu schmierig. Wer macht denn so was? Das ist hier doch kein Cartoon, was das richtige Format für das wäre, was ich mit Zwinkern verbinde. Wie bei Tweety dem Vogel. Oder Pepe dem Stinktier, kurz bevor es die pelzige Katze der alten Dame abknutscht.

Garretts Gnadenaufschub rührt allein daher, dass mein Innerstes gerade komische Dinge tut. Flatterige, sprudelnde, unverschämte Dinge.