Wildwest-Roman – Unsterbliche Helden 18 - Jonny Kent - E-Book

Wildwest-Roman – Unsterbliche Helden 18 E-Book

Jonny Kent

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Auf seinem Ritt in den Westen macht Jack Farland in St. Louis Station, wo er James Trimbaut, einen alten Freund seines Vaters, besuchen will. Zunächst ist der Ohioman durchaus fasziniert von der aufblühenden Stadt, dann aber erfährt er, dass Trimbaut vor einiger Zeit unter seltsamen Umständen zu Tode gekommen ist, und kurz darauf auch dessen Frau verstarb. Auf der Suche nach Antworten stößt Farland nun nicht nur bei Trimbauts Kompagnon, dem zwielichtigen Lacosta, auf Ablehnung, sondern landet vorübergehend wegen Störung der Ordnung sogar im Jail. Doch das ist noch das kleinste Problem des Ohiomans, denn schon bald gerät er selbst in Lebensgefahr. Gleich von mehreren Seiten droht dem blonden Hünen jetzt der Tod ...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 177

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Brennende Erde

Vorschau

Impressum

BrennendeErde

Von Jonny Kent

Am späten Nachmittag hielt der Reiter auf einer kleinen Anhöhe und blickte auf den Fluss hinunter, an dessen Ufern sich die Stadt ausbreitete; drüben im Westen zog sich St. Louis weit ins Land hinein.

Es war eine große Stadt, die größte, die Jack Farland auf seinem Weg nach Westen gesehen hatte.

Das Gelände senkte sich dem Flusstal zu und war stark mit Büschen besetzt. Farland, der den ganzen Tag über ziemlich schnell geritten war, glaubte, sich jetzt auf dem letzten Stück Zeit lassen zu können. Eben hatte er eine Buschgruppe hinter sich gebracht, als er plötzlich in seinem Rücken ein merkwürdiges Geräusch vernahm ...

Er wandte sich um, und das Bild, das sich ihm da bot, ließ ihn die Augen ganz weit aufreißen.

Auf einem Feldstein, der gleich hinter den Büschen lag, saß ein Mann. Er hatte in der linken Armbeuge ein zweiläufiges Sharps-Gewehr, dessen Läufe zur Hälfte abgesägt waren. Der Mann trug einen grauen Schlapphut, dessen Krempe stark ausgefranst und dessen Oberteil mit großen Schweißflecken überzogen war. Sein Anzug musste irgendwann einmal schwarz gewesen sein. Der Rock war zu lang und die Hose zu kurz; sie steckte in halbhohen, riesigen Stiefeln. Und um die Hüften hatte er sich einen Strick gebunden, an dem ein Lederbeutel, ein Messer und ein Colt hing, dessen Holster am Oberschenkel befestigt war.

Der Mann hatte ein hageres Gesicht, über das sich die gelbe Haut wie ein Trommelfell spannte. Seine Augen waren dunkel und standen zu nahe bei der Nasenwurzel. Brauen schien er gar keine zu haben, wie auch die Augen wimpernlos zu sein schienen. Sein Mund wiederum war groß und blass; er wurde von scharfen Falten zerschnitten, deren Enden nach unten zeigten. Hätten die Augen nicht so nahe an der Nase gestanden, wäre der mongolische Ausdruck dieses Gesichtes noch stärker zum Ausdruck gekommen. Grauschwarzes Haar blickte in struppigen Strähnen unter der Hutkrempe hervor. Das graue Kattunhemd wurde am Hals von einer seidenen, mit Flecken übersäten Schleife zusammengehalten.

Der Mann hatte den Kopf der rechten Schulter zugeneigt und blickte unter der hochgeschlagenen Hutkrempe zu Farland auf, wobei er zu lächeln versuchte, was ihm jedoch kläglich misslang.

»He, Bruder, du hast etwas vergessen.«

Farland, der sich mit der Musterung dieses seltsamen Kauzes nicht länger befassen wollte, schüttelte den Kopf und wandte sich ab, um sein Pferd wieder in Gang zu setzen.

Da machte es erneut klick, und diesmal hatte der seltsame Fremde den zweiten Hahn seiner abgesägten Büchse gespannt.

»Ich an deiner Stelle würde nicht weiterreiten«, krächzte er. »Es sei denn, du willst sterben, Bruder.«

Der Ohioman hatte auf seinem weiten Weg nach Westen schon mancherlei Gestalten kennengelernt und auch schon allerlei erlebt, sodass er vorsichtig geworden war. Er wandte sich wieder um, stützte sich mit der Rechten auf die Hinterhand des Pferdes und fragte: »Was wollen Sie?«

Der andere schob den kleinen Finger der linken Hand zwischen seine Zähne und nagte an dem Nagel herum, während er kauend erklärte: »Du solltest wissen, Bruder, dass jeder, der diese schöne Stadt betreten will, seinen Zins zu zahlen hat.«

»Zins? Was soll der Unsinn?«

Da riss der kleine Mann seine stechenden Augen auf und heftete ihren Blick böse auf Farlands Gesicht.

»Das ist kein Unsinn, Bruder. Jeder, der die Stadt betritt, hat die Vorteile, die er da genießt, zu bezahlen.«

»Vorteile, was gibt's denn da für Vorteile?«

»Da gibt es zum Beispiel eine Menge Häuser, in denen man schlafen kann; dann Straßen, durch die man gehen und reiten kann, und natürlich gibt es auch Frauen, die man besuchen kann: St. Louis hat eine Menge zu bieten – es ist eine große Stadt, eine Weltstadt, eine schöne Stadt ...« Das Gesicht des sonderbaren Menschen hatte einen fast abwesenden Ausdruck angenommen. Er blickte an Farland vorbei ins Tal hinunter, nahm den Finger von den Zähnen und deutete zur Stadt herüber. »Ich kannte da mal einen Burschen, der genauso dachte wie Sie. Ich denke, ich sollte Ihnen seine Geschichte erzählen. Er hieß Billie Jackson. Er kam unten aus Tennessee herauf und meinte auch, es wäre Unsinn, dass er hier Stadtzins zahlen sollte. Das war ein großer Fehler, er kam leider nicht mehr dazu, ihn zu bedauern.« Bei diesen Worten huschte ein hässliches Lächeln über das fahle Gesicht des Mannes.

»Ich habe keine Zeit, mir Ihren Unfug anzuhören, Mister«, erklärte Farland und wollte sich abwenden.

»Augenblick!«, kam es da schrill über die Lippen des seltsamen Zinskassierers, und das Sharps-Gewehr wurde mit der Mündung seiner beiden Läufe nach vorne hochgerissen. »Da ist nämlich noch ein Mann namens Penker gewesen, Tony Penker. Er kam aus Virginia. Ein ganz netter Bursche, und sicher war er auch nicht dumm. Aber er machte den gleichen Fehler wie Billie. Sie wissen schon, Billie Jackson.« Wieder kroch das hässliche Lächeln über das verschlagene Gesicht des Banditen.

Im Grunde hätte Farland über diesen seltsamen Kauz selbst nur lachen können. Aber angesichts zweier, mit Schrot gefüllter Läufe, die auf ihn gerichtet waren, gab es nichts zu lachen. »Wie hoch ist der Zins?«, fragte er daher.

»Fünf Dollar.«

»Sie müssen wahnsinnig sein. Fünf Dollar, Mensch! Wo soll ich die denn hernehmen? Wenn jeder, der in die Stadt will, fünf Dollar zahlt ...«

»Die zahlt jeder.«

»Ich nicht.« Jack hatte sich blitzschnell vom Pferd fallen lassen.

Das Sharps-Gewehr brüllte auf, die Geschosse zischten aber glücklicherweise über das Tier hinweg. Farland hätte aber die volle Ladung abbekommen, wäre er im Sattel sitzen geblieben. Er hatte jetzt seinen Revolver in der Hand und erhob sich langsam.

Auch der hagere Mann war aufgestanden. Er hatte entsetzlich krumme Beine, und seine langen Füße standen nach innen. Lächelnd blickte er Farland entgegen.

»Was gibt's denn, Mister? Ich habe da drüben auf einen Krähenfuß geschossen, ein scheußliches Getier. Ich hasse die Viecher.«

Jack ging auf ihn zu.

Da hob der Mann seine Linke bis in Brusthöhe und spreizte die Finger. »Bleiben Sie stehen, Mister. Ich bin nicht gesund«, sagte er, und seine Stimme klang fast weinerlich, und unwillkürlich hielt der Ohioman an.

Dann sagte der Kleine im selben Tonfall: »Mein Name ist Beerbater, Thomas Jerobuam Beerbater. Meine Freunde nennen mich Tom.«

Farland zweifelte daran, dass es Leute gab, die mit einem solchen Menschen befreundet sein konnten.

»Ich habe nun einmal die schwere Aufgabe übernommen, hier Geld zu kassieren. Die Stadt verlangt es, und niemand will die Arbeit leisten. Es ist ganz einfach. Sie werfen die fünf Bucks da auf den Boden, steigen in den Sattel und reiten weiter.«

Ein Lächeln lag auf den Lippen des blonden Hünen vom Eriesee. Er schob den Remington-Revolver zurück in den Lederschuh, stemmte seine kantigen Hände in die Hüften und schüttelte den Kopf.

»Es ist noch einfacher, Mister Beerbater. Ich werde Ihnen keinen Cent geben und dennoch weiterreiten.«

»Ich würde es Ihnen nicht raten«, hechelte der Wegelagerer, wobei er den Kopf wieder der rechten Schulter zuneigte. »Denken Sie an Billie Jackson und Tony Penker.«

Da wandte Farland ihm den Rücken zu und wollte auf sein Pferd zugehen. Aber das war ganz unzweifelhaft ein Fehler, den er sofort zu bereuen hatte, denn die rechte Hand des »Zinseinnehmers« zuckte zum schweren Knauf seines Armee-Revolvers und zerrte die Waffe aus dem Holster.

Zum dritten Mal klickte es. Jack Farland blieb stehen. Ganz langsam wandte er sich um.

Beerbaters Gesicht war zu einem demütigen, fast unterwürfigen Lächeln erstarrt. Er schob die knochige Linke nach vorne und ersparte sich jedes weitere Wort.

Jack blickte ihn aus harten Augen an.

»Sie müssen verrückt sein, Mensch.«

»Absolut nicht, Bruder. Und du solltest vernünftig sein, wenn du Wert auf dein Leben legst.«

»Na gut«, meinte Farland und wollte mit der rechten Hand in den Gurt greifen.

Da hob Beerbater seinen linken Zeigefinger und bewegte ihn wie ein Schulmeister hin und her.

»Nein, nein. So machen wir das nicht. Du greifst mit der rechten Hand zur Gürtelschnalle, ziehst sie auf und lässt deinen Gurt fallen.«

»Und dann?«

»Dann verschwindest du.«

»All right, wie Sie wollen.«

Farland griff mit der Rechten nach der Gürtelschnalle, zog sie mit einem harten Ruck weit nach links hinüber und tat so, als wollte er den kleinen hakenden Eisenstift aus dem Loch herauslösen, hielt aber urplötzlich mit derselben Hand den Revolver gepackt, warf sich zur Seite und feuerte.

Der Schuss hämmerte Beerbater seinen Revolver aus der Rechten, und eine rote Blutspur zog sich zwischen Daumen und Zeigefinger über die Hand des Banditen.

Jack stand auf, ging auf ihn zu, nahm ihm den Revolver weg und schleuderte ihn in hohem Bogen davon.

»So, Mister Zinseinnehmer, ich denke, dass Sie sich einen längeren Urlaub gönnen sollten.« Nach diesen Worten packte er das Schrotgewehr, nahm es mit und stieg in den Sattel.

»He, was machen Sie mit meinem Arbeitszeug!«, rief Beerbater dem Fremden hinterher.

»Ich werde es vorsichtshalber ein Stück mit mir nehmen, old fellow«, entgegnete Farland. »Du wirst es irgendwo am Straßenrand finden, wenn du zur Stadt willst.«

Im Trab ritt er davon. Nach einer Dreiviertelmeile schleuderte er das Gewehr in Richtung eines Gebüsches. An der alten, verbeulten, abgesägten Schrotflinte würde sich kaum noch jemand vergreifen.

Das war ja ein merkwürdiger Empfang, den St. Louis ihm da bereitet hatte.

Aber Jack war nicht der Mann, der sich mit solchen Dingen lange aufhielt. Er beschloss, den sonderbaren Tramp so rasch wie möglich zu vergessen.

Bald hatte er den Stadtrand erreicht. In den Außenbezirken erinnerte sie ihn an das große Cleveland drüben in Ohio, an seine Heimatstadt. Aber dann, als er über die breite Holzbrücke ins Zentrum von St. Louis kam, staunte er nur noch. Es war wirklich sehr schön, dieses St. Louis. Seine einmalige Lage am Rand des Landes, das man überall den Wilden Westen nannte, hatte der Stadt zu einer Schlüsselstellung verholfen, die ihr Wachstum gefördert und ihren Wohlstand ganz sicher beeinflusst hatte.

Jack Farland folgte dem Weg nach Westen hinüber. In Indiana hatte er seinen Bruder aufsuchen wollen, der dort eine Ranch gehabt hatte. Statt des Bruders hatte er allerdings nur noch dessen Grab gefunden.

Auch in St. Louis gab es einen Mann, dem Jack Farland einen Besuch abstatten konnte. Es war der Kleiderhändler James Trimbaut. Der Vater daheim hatte Jack oft von seinem alten Freund Trimbaut erzählt, der ebenfalls aus dem fernen Irland stammte, mit ihm herübergekommen, dann aber von Ohio aus weiter gen Westen gezogen war.

Ob man hier so einfach jemanden nach Trimbaut fragen konnte? Die Stadt war so groß, da würde es vielleicht gar nicht leicht sein, einen einzelnen Mann zu finden. Aber der Sheriff, der würde schon wissen, wie man hier jemanden finden konnte.

An einer Straßenkreuzung sah Farland einen Mann stehen, der links auf der Brust einen großen fünfzackigen Stern trug. Der Mann blickte den Reiter forschend an.

»Können Sie mir vielleicht sagen, wo ich Mister James Trimbaut finden kann?«, fragte Farland.

»Trimbaut & Co.? Das ist nicht weit von hier, Mister«, entgegnete Deputy Halligan und deutete die Straße hinunter. »Gleich da drüben biegen Sie in die Main Street ein und reiten die ein Stück hinunter. Es ist ein großes Haus auf der linken Seite. Gar nicht zu übersehen.«

Heute, während ich diese Zeilen niederschreibe, hat die Stadt St. Louis über 750.000 Einwohner; damals aber hätte man noch eine Null von dieser Zahl streichen müssen. Dennoch war St. Louis auch damals schon eine große Stadt, und es war Jack Farland nicht eben unangenehm, dass Mister Trimbaut ein so bekannter Mann war. Er ritt die Main Street hinunter, bis er vor dem dreigeschossigen, steingefügten Haus stand, über dessen Fassade in großen Lettern »TRIMBAUT & CO., Tuchhandlung und Schneiderei« zu lesen war.

Da er niemals jemandem zur Last fallen wollte, erkundigte er sich bei einer Frau, die damit beschäftigt war, die Fenster zu putzen, nach einer Unterkunft, die nicht allzu teuer war.

»Wenn Sie sich mit der Herberge zufriedengeben wollen, Mister, dann kommen Sie mit fünfundzwanzig Cents aus.«

Das war genau das, was der Ohioman brauchte. Er ließ sich den Weg beschreiben und hielt wenige Minuten später in einer Seitenstraße vor einem alten, zweigeschossigen Holzbau, von dessen Fassade schon die Farbe abblätterte. Ein mürrisch dreinblickender Mann saß am Eingang und hielt die Hand auf. Erst nachdem Jack gezahlt hatte, erklärte ihm der Mann: »Gehen Sie rechts den Korridor hinunter. Es ist die letzte Tür auf der linken Seite.«

Mit der Bezahlung war das Interesse des Herbergsvaters an seinem neuen Gast erloschen und er starrte weiter dösend auf die Straße hinaus.

Farland hielt sich an die Richtung, die ihm der Mann angegeben hatte, öffnete die beschriebene Tür – und wäre fast aufgrund der furchtbaren Luft zurückgeprallt, die hier herrschte. Es war ein enger Raum, in dem drei zweistöckige Betten standen. Auf einem hockte ein Mann, der unbekümmert damit beschäftigt war, zwischen seinen Zehen zu pulen. Es war ein Mensch von vielleicht fünfunddreißig oder vierzig Jahren, mit struppigen Haaren und stoppelbärtigem Gesicht. Er trug ein sandbraunes, kragenloses Hemd und eine abgetragene Weste. Die Hose war ausgebeult, und neben dem unteren Bett standen seine abgelatschten Stiefel, neben denen zwei Stofffetzen lagen, die man nur noch mit sehr viel Fantasie als Fußlappen erkennen konnte.

Der Mann beugte sich nach vorne, stützte sich auf beide Ellbogen und legte den Kopf in die schmutzigen Hände.

»Ah, ich bekomme Gesellschaft, das ist prächtig. Hallo, mein Name ist Cameron, William Cameron. Ich komme aus Kentucky. Kennen Sie Kentucky? Es ist ein schönes Land, und jeder Mensch sollte einmal dagewesen sein. Wir haben die größten Wälder mit der besten Luft im ganzen Osten, und man kann wohl mit Recht sagen, dass Bowling Green eine der schönsten Städte ist, die es überhaupt gibt. Wenn der Weg Sie einmal hinüber nach Kentucky führt, dann sollten Sie Bowling Green aufsuchen.« Nach diesem Sermon schnappte der Mann kurz Luft und erkundigte sich: »Wo kommen Sie her?«

»Aus Ohio«, entgegnete Farland einsilbig.

»Ohio? Ach ja, ich weiß, das liegt da drüben irgendwo? Ist wohl nichts Besonderes mit los. Nein, Sie sollten Kentucky kennenlernen; das ist ein schönes Land. Ich habe einen weiten Weg hinter mir. Bin von Bowling Green immer nach Westen gezogen und habe in Cairo geheiratet. Tja, man muss einmal heiraten, um zu wissen, wie die andere Seite des Lebens aussieht. Aber ich war nicht lange so dumm. Mary war eine Frau, die sich sehen lassen konnte. Einen Hintern hatte die, kann ich Ihnen sagen ...« Der Kerl redete wie ein Wasserfall, erzählte von der Nachbarsfrau, die eine Fleischerei gehabt und einen Flirt mit ihm unterhalten hätte. Auch von anderen Frauen berichtete er, und schließlich davon, dass er eines Tages weggelaufen wäre. St. Louis wäre eine viel schönere und interessantere Stadt, und Weiber gäbe es hier weiß Gott mehr als genug.

Farland steuerte auf die beiden Betten zu, die dem Fenster am nächsten standen, warf seinen Hut auf das untere Lager und öffnete mit einem Ruck das Fenster.

»He, Sie wollen wohl, dass ich erfriere«, krächzte Cameron, während er mit einem Satz von seinem Strohsack heruntersprang und hinter dem Ohioman stehen blieb. Farland wandte sich um und sah, dass der Tramp krumme Beine hatte und wenigstens einen Kopf kleiner war als er selbst.

»Erfrieren? Bei dieser Sommerschwüle. Ich glaube, Sie sind nicht recht gescheit. Bei dieser stickigen Luft kann ich kein Auge zu tun.«

»Sie wollen doch jetzt wohl noch nicht schlafen?«

»Allerdings nicht. Aber solange ich mich hier aufhalte, möchte ich frische Luft haben.«

»Hören Sie, Mister, ich zahle genauso gut wie Sie.«

»Das hoffe ich. Und da Sie mir von Ihrem schönen Heimatland Kentucky erzählt haben, in dem es die beste Luft gibt, könnte ich mir vorstellen, dass Sie auch hier Wert darauf legen, in gesunder Luft zu leben.«

»Durchaus, deshalb will ich ja eben ...«

»Tut mir leid, das Fenster bleibt offen«, sagte Farland und brach damit das Gespräch ab.

Cameron stemmte beide Fäuste in die Hüften und knurrte: »Hören Sie, Mister, mir scheint, Sie sind ein unfriedlicher Bursche.«

»Nein, das bin ich ganz sicher nicht. Aber ich möchte ganz gerne etwas frische Luft hier hereinlassen.«

»Wenn Sie unbedingt erfrieren wollen heute Nacht, meinetwegen. Sie kennen sich hier nicht aus, das sehe ich sofort. Sie kommen bestimmt drüben aus dem Westen.«

»Nein, ich komme aus Ohio, das sagte ich Ihnen schon.«

»Ach ja, richtig. Ohio, das liegt ja im Süden oder im Norden irgendwo – eine gottverlassene Gegend.«

Farland nahm seinen Hut vom Bett und ging wieder hinaus. Als er in den Hof kam, hörte er, wie das Fenster unten mit einem Ruck zugeschoben wurde. Hinter dem schmutzigen Glas gewahrte er den struppigen Schädel des Kentucky-Mannes. Farland brachte sein Pferd in eine der Stallboxen und versorgte es. Dann ging er zum Brunnen, wusch sich und verließ den Hof.

Er hätte gern ein neues Hemd gekauft, aber seine Barschaft war auf dem langen Ritt so zusammengeschmolzen, dass er sich das nicht mehr leisten wollte. Die zwei Hemden, die er besaß und abwechselnd wusch, waren jetzt beide schmutzig. Als er wieder vor Trimbauts Geschäft stand, nahm er den Hut ab, fuhr sich mit der Hand durch sein volles, strähniges Blondhaar, blickte an sich hinunter und war mit seinem Äußeren gar nicht sehr zufrieden. Aber was sollte er machen. Er wollte Mister Trimbaut schließlich nur einen Gruß vom Vater bestellen. Nichts weiter.

Er betrat den großen Vorbau, öffnete die Tür und stand in einem großen Geschäftsraum. Ein Mann, der ein Maßband um die Schultern trug und eine Hose über dem rechten Arm hielt, kam ihm entgegen und erkundigte sich nach seinen Wünschen.

»Ich hätte gern Mister Trimbaut einen Moment gesprochen.«

»Mister Trimbaut?«, erwiderte der andere, ein älterer Mann von vielleicht fünfundsechzig Jahren, wich einen Schritt zurück und zog die Brauen zusammen, sodass zwei scharfe Falten in seiner Stirn nach oben stiegen.

Farland hatte das Gefühl, dass der Mann erschrocken war.

»Mister Trimbaut ist nicht mehr hier.«

»Was soll das heißen? Draußen über dem Eingang steht doch sein Name.«

»Tut mir leid. Aber er ist nicht mehr hier. Vielleicht wollen Sie mit Mister Lacosta sprechen.«

»Wer ist das?«

»Das ist der Kompagnon.«

In diesem Augenblick tauchte im Hintergrund des Raumes ein großer Mensch mit schwerem Leib auf und kam heran. Er war sehr elegant in einen dunkelblauen Anzug gekleidet, trug helle Gamaschen, eine hellgraue Weste, einen hohen Stehkragen und eine weinrote Seidenschleife mit einer Perle. Er hatte ein Gesicht, dessen untere Hälfte die obere Hälfte regelrecht zu verdrängen schien, war sauber rasiert und trug einen scharf ausgeschnittenen Backenbart. Sein Haar war über der Stirn schon ziemlich dünn geworden, und seine dunklen Brauen waren mit grauen Fäden durchsetzt.

»Ja, Sie wünschen?«

»Mein Name ist Farland. Ich hätte gern mit Mister Trimbaut gesprochen.«

»Er ist nicht da.«

»Wie soll ich das verstehen?«

Lacosta blickte sich nach allen Seiten um, beugte sich dann etwas vor und blickte zu dem riesigen Mann aus Ohio auf, der ihn noch um eine halbe Haupteslänge überragte. »Sind Sie ein Bekannter von ihm?«, forschte er mit schnarrender Stimme nach.

»Ja, das heißt, mein Vater ist mit ihm befreundet.«

Da wandte sich Lacosta um und bedeutete ihm, zu folgen. Er führte ihn in sein Kontor, ging um seinen Schreibtisch herum und ließ sich in seinen Sessel nieder, ohne Farland einen Platz anzubieten.

Es war ein sehr elegant eingerichtetes Kontor mit dunkelgrünen Seidentapeten und golden abgesetztem Stuck. Lacosta lehnte sich zurück und spielte mit einem Brieföffner.

»So, Ihr Vater ist also mit ihm befreundet gewesen? Es tut mir leid, Ihnen da keine gute Nachricht geben zu können. Mister Trimbaut ist im vergangenen Herbst auf eine längere Geschäftsreise gegangen, von der er nicht mehr zurückgekehrt ist.«

Farland schwieg und blickte Lacosta forschend an.

Der erklärte: »Er ist zunächst hinüber nach Jefferson City gefahren ... tja, und mehr weiß ich eigentlich selbst nicht.«

»Aber ist er nicht Ihr Partner?«

»Das schon, das heißt, er war mein Partner.«

»Ich verstehe nicht. Wollen Sie damit etwa sagen, dass Sie ihn nicht mehr zurückerwarten?«

»Ja, das will ich damit sagen.«

Jack begriff kein Wort.

Da beugte Lacosta sich vor und sagte in geheimnisvollem Ton: »Ich habe eine Nachricht aus Jefferson City bekommen, kurz vor Weihnachten. Mister Trimbaut ist in Jefferson City gestorben.«

Farland entgegnete nichts. Da glaubte Lacosta noch hinzufügen zu müssen: »Er war nicht mehr der Jüngste – ein Mann in den Sechzigern –, wenn er auch noch ganz gut aussah. Vielleicht hätte er daran denken sollen, als er sich mit dem Girl einließ.«

Jack Farland hatte plötzlich das Gefühl, dass es ihn nichts anging, was Mister Trimbaut in Jefferson City getan hatte – und auch nicht, wie er zu Tode gekommen war.

Aber Lacosta hielt es für angebracht, dem Besucher nähere Einzelheiten zu schildern. Danach hatte sich der grauhaarige James Trimbaut in Jefferson City mit einer schlecht beleumdeten jungen Frau eingelassen und mehrere Tage und Nächte mit ihr an einer wilden Feier teilgenommen, die ihn schließlich umgeworfen hatte. Er hatte noch ein paar Tage in der Wohnung der Frau gelegen und war dann an einem Herzschlag gestorben.

Schicksal!

So jedenfalls bezeichnete es Mister Lacosta.

»Hatte er keine Familie?«, fragte der Ohioman.

»Natürlich, eine Frau, vor der er sich hätte schämen müssen – und eine Tochter.«

Die Tatsache, dass James Trimbaut eine Tochter hatte, schien Lacosta besonders bemerkenswert zu sein, denn er hatte sie mit besonderer Betonung erwähnt.

Alles an diesem dicken Tuchhändler schien Jack arrogant und abweisend. Mit einem Ruck erhob sich Lacosta dann und meinte: »So, Mister, ich denke, dass Sie nun gehen wollen. Ich habe viel Arbeit und kann mich nicht mit jedem, der meinen ehemaligen Kompagnon gekannt hat, befassen.«