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Das erste Mal nach seiner Präsidentschaft meldet sich Barack Obama an der University of Illinois at Urbana-Champaign in aller Deutlichkeit zu Wort. Wo steht die Demokratie? Wie kann es weitergehen nach all dem Lärm und Schmutz? Und auf was kommt es in der Politik in Wahrheit an? Auf diese Fragen gibt Barack Obama Antworten. Eloquent, ehrlich und mit Kampfeswillen beschreibt er die aktuelle Situation. Eine Stimme der Vernunft in Zeiten des Egoismus, eine fulminante Bestandsaufnahme der Politik unserer Zeit, eine Beschwörung der Demokratie und ein kämpferischer Appell an die junge Generation.
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Seitenzahl: 40
Barack Obama
Wo wir stehen
Aus dem amerikanischen Englisch von Kirsten Riesselmann
Suhrkamp
Barack Obama hielt die abgedruckte Rede am 7. September 2018 vor Studierenden der University of Illinois at Urbana-Champaign anlässlich der Entgegennahme des Douglas Award for Ethics in Government.
Schön, mal wieder zuhause zu sein. Schön, mal wieder Mais zu sehen. Und Bohnen. Beim Landeanflug habe ich versucht, ein paar Leute aufzuklären: Das ist Mais. Und das sind Sojabohnen. Sie waren ganz beeindruckt von meinem landwirtschaftlichen Fachwissen.
Bitte noch einen Applaus für Amaury für seine hervorragenden einführenden Worte. Es sind heute einige gute Freunde von mir hier, darunter einer, mit dem ich zusammen beim Militär gewesen bin, einer der besten Senatoren des Landes, wir können von Glück sagen, dass wir ihn haben. Dort ist er: Senator Dick Durbin. Außerdem habe ich den ehemaligen Gouverneur Edgar entdeckt. Ich habe ihn lange nicht gesehen, und irgendwie ist er – im Gegensatz zu mir – überhaupt nicht älter geworden. Es freut mich sehr, Sie zu sehen, Herr Gouverneur. Dann möchte ich mich bei Universitätspräsident Killeen und allen im Universitätsverbund von Illinois bedanken, die es möglich gemacht haben, dass ich heute hier bin. Ich fühle mich zutiefst geehrt, dass mir der Paul Douglas Award verliehen wird. Douglas hat viel dafür getan, dass der öffentliche Dienst hier in Illinois so außergewöhnlich gut aufgestellt ist.
Ich möchte zunächst auf das zu sprechen kommen, was hinter vorgehaltener Hand für alle das wichtigste Thema zu sein scheint: Ich weiß, dass sich viele bis heute fragen, warum ich nicht bei der Abschlussfeier gesprochen habe. Und das, obwohl der Präsident der Studierendenschaft mir eine überaus bedachte Einladung hat zukommen lassen. Und die Studierenden ein so schickes Video gedreht haben. Offenbar hat es, als ich diese Einladung ausgeschlagen habe, Spekulationen darüber gegeben, ob ich den Campus so lange boykottiere, bis Antonio’s Pizza wieder aufmacht. Deswegen möchte ich hier in aller Deutlichkeit sagen: Ich habe mich in der Auseinandersetzung um den besten Late-Night-Snack nicht auf die eine oder andere Seite geschlagen. In Wahrheit musste ich, nach acht Jahren im Weißen Haus, ein bisschen Zeit mit Michelle allein verbringen, wenn ich denn länger ein verheirateter Mann bleiben wollte.
Sie lässt übrigens Grüße ausrichten. Außerdem wollte ich noch etwas von meinen Töchtern haben, die plötzlich junge Frauen sind und quasi auf dem Absprung, raus aus dem Elternhaus. Ach ja: Jetzt, da ich selbst eine Tochter auf dem College habe, sollte ich Ihnen allen, die Sie studieren, noch eine Sache sagen: Ihre Eltern leiden. Sie weinen, wenn sie allein sind. Es ist furchtbar. Also rufen Sie an. Oder schicken Sie eine Nachricht. Wir Eltern müssen unbedingt etwas hören, und sei es nur das kleinste Lebenszeichen.
Und, um ehrlich zu sein: Ich hatte außerdem ganz fest vor, mich an eine weise amerikanische Tradition zu halten: nämlich die, dass Ex-Präsidenten anstandslos von der politischen Bühne abtreten und Platz machen für neue Stimmen und Ideen. Wir müssen uns bei George Washington, unserem ersten Präsidenten, dafür bedanken, dass er in dieser Hinsicht mit gutem Beispiel vorangegangen ist. Nachdem er als General die Kolonien zum Sieg geführt hatte, hätte er im Grunde nach Gutdünken schalten und walten können, er war für diejenigen, die ihm in die Schlacht gefolgt waren, sowieso längst gottgleich.
Es gab damals weder eine Verfassung noch demokratische Regeln, die Washington vorgeschrieben hätten, was er zu tun und zu lassen hatte – oder was er hätte tun können. Er hätte sich zur Allmacht aufschwingen, sich potenziell zum Präsidenten auf Lebenszeit ernennen können. Stattdessen aber gab er den Oberbefehl ab und zog sich auf sein Anwesen auf dem Land zurück. Sechs Jahre später wurde er zum Präsidenten gewählt. Nach zwei Legislaturperioden allerdings trat er erneut von seinem Amt zurück und ritt in den Sonnenuntergang. Washington hat damit Folgendes sehr deutlich gemacht: Es ist der Wesenskern der amerikanischen Demokratie, dass eine Regierung – eine durch das Volk und aus dem Volk und für das Volk – nicht von einer permanent herrschenden Klasse gebildet wird. Dass es lediglich Bürgerinnen und Bürger gibt, die unseren Kurs und unseren Charakter durch ihre auf Zeit gewählten Repräsentanten bestimmen.
Ich bin heute hier, weil wir uns an einem dieser schicksalhaften Wendepunkte befinden, an dem jeder und jede von uns – als Bürger und Bürgerin der Vereinigten Staaten – zu bestimmen hat, wer dieses ›Wir‹ ist. Was genau es sein soll, wofür wir stehen. Und als Mitbürger, nicht als ehemaliger Präsident, sondern als Mitbürger stehe ich hier, um Ihnen eine einfache Botschaft zu überbringen. Und zwar diese: Sie müssen wählen gehen. Denn davon hängt unsere Demokratie ab.