Wüüstes Treiben - Edda Minck - E-Book

Wüüstes Treiben E-Book

Edda Minck

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Beschreibung

Alle sind reif für die Insel, alle kennen Sylt, aber keiner kennt Wüüst, die Perle der Nordsee, nur drei Meilen hinter dem Wind, dann links. Das muss sich ändern. Skurrile Ureinwohner, deren rauer Charme noch jeden begeistert hat, und ihre nicht minder gewöhnungsbedürftigen Sitten und Gebräuche erwarten Sie. Ebenso ein Papst, jede Menge Journalisten und ein Schwein na-mens Bothilde. Nur Mut, Bothilde und die Wüüster beißen nicht ... jedenfalls nicht oft, eigentlich fast nie ... Was den Papst angeht, gibt es keine gesicherten Erkenntnisse. Werfen Sie sich ins Ölzeug, nehmen Sie die Fähre Erik der Rote, setzen Sie über, und dann hinein ins Abenteuer.

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Inhaltsverzeichnis

Reiseführer Wüüst

Geschichtlicher Überblick

Die Insel Wüüst

Die Verwaltung

Religion

Verkehrsmittel und Wege

Land und Leute

Sprache

Praktische Hinweise: Zum Geleit

Abfallentsorgung

Inselklima

Reisezeit

Anreise

Autofahrer

Banken

Internet und Telefon

Bedienungs- und Trinkgelder

Einkäufe

Essenszeiten

Grußsitten

Impfbestimmungen

Informationen

Ladenschluss

Fährzeiten

Inselfeiertage

Ärztliche Versorgung

Unterkunft

Wüüst am Abend

Speisen, Getränke, Spezialitäten

Restaurants auf Wüüst

Museum

Sehenswürdigkeiten

Aktivitäten rund um Wüüst

Für die Kinder

Diverses

Haustiere

Zum guten Schluss

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Und …?

Inselhymne

Reiseführer Wüüst

Gut vorbereitet auf die Insel

Geschichtlicher Überblick

Die Besiedelung der Insel Wüüst geht bis in die graue Vorzeit zurück. Sicher ist, dass die Wüüsteborg in der Nähe des Nordstrands um das Jahr 800 A.D. erbaut worden sein muss. Bis heute ist ungeklärt, wie die Steine für das Bauwerk auf die Insel kamen. Es handelt sich hierbei um Sarsen, einen extrem harten Sandstein, der in den Preseli-Bergen in Südwales vorkommt. Dieser Stein wurde auch für Stonehenge ca. 4000 v. Chr. verwendet.

Die Insellegende erzählt von einer Besiedelung durch 12 Wikingerfamilien, die sich seinerzeit der Christianisierung in den skandinavischen Ländern vollständig entzogen und einen neuen Lebensraum für sich suchten. Sie landeten mit ihren Schiffen um ca. 850 A.D. auf der Insel und fanden die oben beschriebene Burg vor, aber keine Menschen. Die Insel war unbewohnt. Die neuen Siedler nahmen die Insel in Besitz und lebten fortan dort.

Die Namen dieser ersten Siedlerfamilien sind bis heute die Namen, die man auf Wüüst antrifft: Trygvarsson, Kellisson, Sveinsson, Grimsson, Eriksson, Snorrasson, Hardrada, Ragnarsson, Sturlusson, Fenrir. Zwei Familien sind ausgestorben oder abgewandert. Die sogenannten Geburtssteine nennen bis ins Jahr 1500 A.D. noch die Namen Geirsson und Haraldsson. Man vermutet, dass das ungewöhnliche Klima der Insel die vorherigen Siedler und auch die zwei Familien vertrieben hatte, denn im Herbst, gegen Ende Oktober, zieht dichter Nebel über die Insel und hält sich dort für Wochen. Meistens ca. 4 Wochen, schriftliche Aufzeichnungen aus den Jahren um ca. 1000 A.D. berichten von längeren Perioden, die vermutlich das Leben auf der Insel sehr beschwerlich machten, weshalb die Insel zunächst verste øya genannt wurde. Um 1583 taucht die Insel dann als Wüüst1 in den Annalen auf.

Aber die Wikinger hielten durch, bedienten sich an dem Wenigen, das die Insel zu bieten hatte, und holten sich das, was sie brauchten, auf ihren Raubzügen. Schafzucht u. a. Kleinvieh und eine Art Inseldinkel, das einzige Getreide, das dort wächst, haben das karge Überleben gesichert. Hervorzuheben ist die Verbreitung von Sanddorn, der überall auf der Insel bis heute wuchert und gemeinhin Inselgold genannt wird, da seine wertvollen Inhaltsstoffe, wie etwa Vitamin C, die Bewohner vor Mangelernährung und deren Folgen (z. B. Skorbut) bewahren.

Immer wieder kam es im Lauf der Zeit zu Überfällen durch die Stämme der Engländer, aber die Insel widerstand jedem Angriff. Darüber gibt die Bóthildr-Legende Auskunft. Sie erzählt von einem Feldzug der Engländer um das Jahr 1100 A.D. Die Männer der Insel waren mit ihren Schiffen unterwegs, um Handel und Raubzüge zu unternehmen. Frauen und kleine Kinder blieben allein zurück. Mithilfe ihrer Schweineherde, allen voran die Kampfsau Bóthildr, bekämpften sie die Eindringlinge erfolgreich. Seither gibt es immer eine Sau mit dem Namen Bothilde auf der Insel, die wie eine hochstehende Persönlichkeit behandelt und gehätschelt wird. Aus dieser Zeit stammt wohl auch der Wandel in den Beziehungen der Geschlechter. Die Frauen hatten die Insel erfolgreich verteidigt und waren zu echten Kriegerinnen geworden (skjöldmö: Schildmaid) und beanspruchten mehr Rechte, was so weit führte, dass bis heute die Frauen die einzig Erbberechtigten sind; ihnen gehören die Häuser der Insel und sie besetzen das Bürgermeisteramt. Unverheiratete Männer leben bei ihren Müttern – stirbt diese, hat der Mann ein Wohnrecht, aber keinen Besitzanspruch. Die Erbin darf den Mann jederzeit aus dem Hause verweisen, ebenso die Ehefrauen ihre Ehemänner. Heiratet ein Mann eine Nicht-Wüüsterin und begründet eine Familie, darf die zugereiste Frau ein eigenes Haus bauen, oder der Mann baut eines und schenkt es ihr zur Hochzeit.

Ungewöhnlich ist die Regelung, dass der Boden der Insel niemandem gehört. Soll ein Haus gebaut oder Boden beackert werden etc., stimmt die Inselgemeinschaft darüber ab. Bodenspekulation oder Verkäufe an Außenstehende sind somit unmöglich. Tiefer gehend könnte man sagen, dass die Wüüster ihre Insel wie ein lebendes Wesen betrachten, das nur sich selbst gehört.

Zu bemerken ist, dass sich die Inselbewohner jeglicher Obrigkeit entzogen haben. Über Jahrhunderte haben sie sich aus allen Kriegshandlungen der vorherrschenden Regierungen der Region herausgehalten. Die Wüüster kämpfen nur in eigenen Kriegen. Diese Strategie hielten sie sogar im Zweiten Weltkrieg durch. Als ein Trupp der SS Forschungseinrichtung Ahnenerbe die Insel untersuchen wollte, wurden sie von den Wüüstern erfolgreich ausgetrickst. Die Wüüster waren einfach nicht da. Die NS-Forscher trafen dort lediglich einen alten Mann an, der offenbar nicht sprechen konnte und sich von Sanddorn und Inseldinkel ernährte. Sie erklärten ihn für debil, stahlen ihm die Nahrungsmittel, schlachteten das einzige Schaf, das auf der Insel zu finden war, und seine beiden Hühner. Weiter wurde berichtet, dass der Mann urplötzlich verschwand. Die Forscher gerieten in den mehrwöchigen Nebel und kehrten nach einem Monat unverrichteter Dinge und in äußerst schlechtem Gesundheitszustand ans Festland zurück. Die Insellegende erzählt, dass die Wüüster sich auf ihre Wikingerschiffe, die sie bis heute bauen und benutzen, begeben hatten, und nach Norddänemark ausgewichen sind, bis die Luft wieder rein war. Sie kamen beim nächsten Nebel zurück und blieben unbehelligt.

Seltsamerweise erlaubten sie ausgerechnet den Briten, ihren alten Erzfeinden, eine kleine U-Boot-Ortungsstation auf der Insel zu errichten. Von dieser ist heute nichts mehr zu sehen. Sie muss sich in der Wüüsteborg befunden haben. Wie diese Zusammenarbeit entstand, ist weder in den Inselannalen noch in den Akten der britischen Regierung oder des britischen Geheimdienstes nachzulesen. Es wird gemunkelt, dass Churchill selbst die Wüüster um diesen Gefallen gebeten hat. Einige britische Soldaten, die im Frühling 1940 in Dünkirchen2 von den Deutschen eingekesselt worden waren, berichteten später, von zwei Wikingerschiffen gerettet und an einem einsamen Strand in Südengland abgesetzt worden zu sein. Niemand glaubte ihnen diese Geschichte.

Nach dem Krieg fanden die Wüüster neue Betätigungsfelder, denn die große Zeit der Walfänger und der Raubzüge war vorüber. Sie widmeten sich, wie sie sagen, dem „heimischen Raubzug“ und erlaubten Touristen von Mai bis Ende September, die Insel zu besuchen, um sie in dieser Zeit auszunehmen, was ihnen bis heute gut gelingt (siehe Tourismus).

Die Insel Wüüst

Mit einer Größe von 23 Quadratkilometern gehört sie zu den kleineren Nordseeinseln. Koordinaten: drei Meilen hinter dem Wind, dann links.

Die Insel hat zwei natürliche Wasserquellen mit hohem Reinheitsgrad. Es gibt eine Abwasserwiederaufbereitungsanlage auf der Insel, sodass nur geklärtes und sauberes Wasser zurück in die Nordsee fließt. Die Müllentsorgung mittels eigener Biogasanlage, die unterirdisch arbeitet, sichert das warme Wasser auf Wüüst. Die Inselverwaltung achtet streng darauf, keine Plastikabfälle auf der Insel zu produzieren, auch ist es Touristen untersagt, Plastik jedweder Art auf der Insel zurückzulassen (siehe Tourismus).

Der elektrische Strom kommt noch vom Festland. Die Bewohner experimentieren derzeit mit kleinen vertikalen Windrädern, um auch hier unabhängig zu werden.

Die Verwaltung

Die Insel liegt außerhalb der Dreimeilenzone und der Seezollgrenze, was den Wüüstern viele Vorteile bietet. Offiziell gehört die Insel zum Land Niedersachsen, aber, wie die Wüüster sagen: Das glauben auch nur die Niedersachsen.

Die Insel verfügt über ein Rathaus, das Bóthildr Hús, in dem die von der Inselgemeinschaft der gebürtigen Wüüster, auch wenn sie im Ausland leben, gewählte Bürgermeisterin residiert, die keiner politischen Partei angehört. Es gibt auf Wüüst keine Parteipolitik. Wüüst besitzt ein eigenes Steuersystem, das vom Land Niedersachsen geduldet wird. Die Wüüster zahlen 20% Steuern auf alle Einnahmen. Lediglich 5% davon gehen an das Land. Diese Duldung geht auf das Jahr 1685 zurück, einem „Kuhhandel“ mit der katholischen Kirche, die auf Wüüst zwecks Christianisierung ein Gotteshaus errichten wollte. Die Wüüster kassierten hierfür eine Menge Geld und u. a. ihre eigene Steuerhoheit. Die Christianisierung kam nicht voran, dafür erkannte die Kirche in der Abgeschiedenheit der Insel den passenden Ort, vom rechten Weg abgekommene Pfarrer dorthin zu verbannen. Den Wüüstern war es recht, je weiter weg vom Weg ab, desto besser. In Zeiten, in denen kein Pfarrer da ist, wird die Kirche als Lagerraum oder Viehstall genutzt, wenn das Winterwetter zu hart wird.

Zurzeit gelten alle Gesetze der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Niedersachsen, soweit sie den Gesetzen der Wüüster nicht zuwiderlaufen.

Religion

Die Wüüster, wenn sie denn überhaupt an etwas glauben, verehren ihre alten Götter, die Asen und Wanen, vermischt mit Schamanismus und einigen Anteilen div. Naturreligionen, die sie auf ihren Fahrten kennengelernt haben. Grundsätzlich sind die Wüüster tolerant gegenüber jedwedem Glauben oder jedweder Lebensart, solange keine Ansprüche gestellt oder Inselgesetze nicht verletzt werden.

Es gibt auf der Insel eine Kirche, kath. Gottesdienst am Sonntag um 11 Uhr. Die Kirche steht allen offen, die ein stilles Gebet halten oder einfach nur die Atmosphäre der Kirche, die seit einer Renovierung im 19. Jh. im Beuroner Stil gehalten ist, genießen wollen.

Das an die Kirche angrenzende Pfarrhaus beherbergt die Wiki Universität, die aus einem Raum besteht. Dort finden in den Sommermonaten die Wiki-Stunden statt, in denen die Kinder der Gäste lernen können, wie ein Wikinger lebt (siehe: für die Kinder).

Verkehrsmittel und Wege

Auf der Insel gibt es einen asphaltierten Rundweg, ein Versorgungsweg zur Müllverbrennungs- und Wasseraufbereitungsanlage. Er führt u. a. zur Wüüsteborg. Bis auf wenige Gebiete auf der Insel, die Schutzzonen für Vögel und Robben sind, ist die Insel frei begehbar. Es gibt keine Zäune. Mit Beachcruisern kommt man auf der Insel gut voran. Aber per pedes lässt sie sich am besten genießen.

Land und Leute

Wie bereits erwähnt, sind die Wüüster direkte Nachfahren der Nordmenschen, die allgemein als Wikinger bezeichnet werden. Die Ursprünge der Familien liegen in Dänemark, Norwegen, Schweden und Island. Da die Wüüster selten Nicht-Skandinavier ehelichen, ist in den Familien genetisch betrachtet das Erbe der Wikinger weitestgehend erhalten. Um Inzucht zu vermeiden, suchen sich die Wüüster seit jeher ihre Ehepartner in den skandinavischen Ländern. Die jährlichen Tage des Nebels dienen u. a. als Heiratsmarkt. Zu Beginn der Nebelzeit brechen in den skandinavischen Ländern bis zu 30 Wikingerschiffe auf, um Wüüst für einen Monat zu besuchen. Das sind freundschaftliche und verwandtschaftliche Besuche, denn die Wüüster leben überall im skandinavischen Raum. Da während der Nebelzeit die Insel vom Festland aus nicht besucht werden kann, sind die Festivitäten, die abgehalten werden, weitestgehend unbekannt. Was auf Wüüst passiert, bleibt auch auf Wüüst.

Die Bewohner leben in cottageähnlichen Häusern, die bunt bemalt sind. Jede Familie hat eine eigene Farbe. Die Häuser sind mit Reet gedeckt. Für gewöhnlich haben sie vier Zimmer. Anbauten wie Scheunen oder Ställe sind üblich, ebenso der Bollerwagen vor der Tür, das gängige Transportmittel für Kind, Kegel und Material auf der Insel.

Heute sind alle Häuser mit fließendem Wasser, Strom und Badezimmern ausgestattet, aber bis kurz nach dem zweiten Weltkrieg war das noch anders.

Sprache

Die Wüüster sprechen einen Dialekt aus Altnordisch mit verschiedenen Zufügungen aus dem Englischen, Maltesischen und sogar einigen asiatischen Sprachen und den Sprachen der amerikanischen Ureinwohner. Mit den Touristen wird Hochdeutsch gesprochen, aber untereinander Dialekt, der für Außenstehende unverständlich ist.

Praktische Hinweise

Zum Geleit

Als Tourist muss man sich den Gesetzen der Insel anpassen. Wie oben bereits erwähnt, ist Plastik auf der Insel verpönt, also Vorsicht. Die Wüüster lassen in diesem Punkt nicht mit sich spaßen. Die Strafen sind drakonisch – bis 1000 Euro und lebenslanges Inselverbot.

Ebenso achten Sie bitte darauf, das Inselschwein Bothilde nicht zu ärgern, zu jagen oder sonst wie zu schädigen. Sollte sich Ihnen die Sau nähern, bleiben Sie stehen und sprechen freundlich mit dem Tier. Sollte es Interesse an Ihrem Picknickkorb haben, lassen Sie Bothilde gewähren. Laut den Inselgesetzen steht ihr alles zu, was die anderen auch haben. Auch hier sind die Strafen hart, wenn Sie Bothilde verärgern, jagen oder quälen. 10.000 Euro, lebenslanges Inselverbot und ggf. eine Abreibung sind Ihnen gewiss, falls sie in flagranti von einem Wüüster erwischt werden.

Abfallentsorgung

Touristen werden gebeten, ihren Abfall in die dafür vorgesehenen Abfallbehälter zu entsorgen. Abfall wird getrennt.

Inselklima

Wüüst hat ein üblich raues Nordseeklima. Die Sommer können warm sein, aber eine mittlere bis steife Brise ist jederzeit zu erwarten. Nehmen Sie ausreichend Regenkleidung und ein paar warme Sachen mit.

Speziell sind die Tage des Nebels von ca. Ende Oktober bis manchmal Anfang Dezember. Aber die werden Sie als Tourist nicht erleben, denn die Insel ist dann geschlossen.

Reisezeit

Die Saison auf Wüüst dauert vom 25. Mai bis 29. September. Den Rest des Jahres ist die Insel für Touristen geschlossen.

Anreise

Wüüst erreicht man als Tourist mit der Fähre Erik der Rote, die zweimal am Tag zwischen Wüüst und Büsum pendelt. Reisende, die mit eigenem Segel- oder Motorboot ankommen, müssen mindestens 3 Übernachtungen vorab gebucht haben und die Erlaubnis der Hafenmeisterei einholen, da die Liegeplätze im Hafen begrenzt sind. Spontanbesuche werden auf Wüüst nicht gern gesehen, da die Besucherzahl durch die Infrastruktur eingeschränkt ist. Wüüst verkraftet während der Sommermonate 70 Touristen am Tag. Davon sind lediglich 20 Plätze für Tagestouristen frei, die sich zuvor im Tourismusbüro auf Wüüst angemeldet haben müssen. Ohne Anmeldung werden Sie von der Fähre nicht mitgenommen.

Autofahrer

Lassen Sie Ihren Wagen bei den Strandpiraten auf den dafür vorgesehenen Parkplätzen an den Fähranlegern stehen. Wüüst hat einen eigenen Parkplatz, den Sie am Schild mit dem Wikingerhelm erkennen. Bei Einfahrt erhalten Sie ein Parkticket, das später von Ihrer Herberge abgerechnet wird.

Motorisiert ist auf Wüüst nur die Ärztin, und es gibt einen Traktor mit Anhänger, der allen Einwohnern zur Verfügung steht.

Banken

Auf Wüüst gibt es keine Bank. Ein Geldautomat hängt im Eingangsbereich des Supermarktes.

Internet und Telefon

Auf der gesamten Insel gibt es freies W-Lan. Festnetztelefon gibt es im Bóthildr Rumhùs, im Tourismusbüro und in der Hafenmeisterei. Es gibt in den Herbergen ebenfalls Festnetz.

Bedienungs- und Trinkgelder

Alle Preise sind inklusive Bedienung. Trinkgelder lehnen die Wüüster ab. Die Preise auf der Insel sind höher als auf dem Festland.

Einkäufe

Dinge des täglichen Bedarfs bekommen Sie in Trygvarssons Supermarkt. Achtung: Dort werden Nudeln, Reis etc. in Papiertüten verkauft (Sie können auch eigene Behälter mitbringen). Es gibt keinen vorverpackten Käse oder eingeschweißtes Fleisch. Der Metzger befindet sich neben dem Supermarkt, ebenso die Bäckerei und Konditorei.

In Richtung Nordstrand finden Sie die Käserei Grimsdottir mit feinsten Bio-Produkten aus Schafsmilch in großer Vielfalt. Ein Besuch lohnt sich.

Im Valhalla, schräg gegenüber dem Supermarkt, finden Sie Souvenirs wie Wikingerschwerter, Kleidung, Eisenwaren, Wetterbekleidung etc. aller Art und Dinge des täglichen Bedarfs für ein Wikinger- und Inselleben. Bitte beachten Sie: Die dort verkauften Waffen sind keine Spielzeuge, sie werden vom Inselschmied nach alten Techniken hergestellt!

Der Fahrradverleih von Wüüst befindet sich auf dem Weg zur Wüüsteborg, dort gibt es neben Beachcruisern und Bollerwagen, Wikingerhelme, Strickwaren aus Biowolle der Wüüster Schafe und Gummistiefel, die auf Wüüst unerlässlich sind, u. v. m.

Der Friseursalon Hairy Fairy befindet sich rechts neben der Kirche, Öffnungszeiten 9 Uhr – 16 Uhr. Dort können Sie auch Wikingerschmuck kaufen, der von der Besitzerin aus Gold und Silber nach alten Vorlagen hergestellt wird.

Falls Sie einen speziellen Zauber, ein Ritual oder Beratung durch die Inselpriesterin (gen. Gode) wünschen, besuchen Sie das Gode Hús, einen Katzensprung von der Arztpraxis entfernt, Öffnungszeiten 18 Uhr bis 22 Uhr und nach Absprache.

Essenszeiten

Im Bóthildr Rumhús können Sie à la carte von 12 Uhr – 20 Uhr kalte und warme Speisen sowie Kaffee und Kuchen bekommen. Das Frühstück wird zwischen 7 Uhr und 9 Uhr serviert.

Grußsitten

Die Wüüster untereinander begrüßen sich mit einem speziellen Kopfnicken, das je nach Intensität als freundlich oder abweisend zu interpretieren ist. Von Touristen wird erwartet, dass sie das nicht nachmachen. Es genügt ein freundliches Hallo oder Guten Tag und wird von den Wüüstern ebenso freundlich erwidert.

Impfbestimmungen

Keine, es sei denn, die nationale Lage in besonderen Zeit sieht dies vor. Aber die üblichen Schutzimpfungen sollten vorhanden sein.

Informationen

Alle Informationen über die Insel erhalten Sie im Tourismusbüro neben dem Bóthildr Rumhús oder, wenn die Fähre anlegt, direkt am Hafen im kleinen Kassenhäuschen neben dem Anleger.

Das Tourismusbüro verfügt über ein Faxgerät, Festnetztelefon und ein Computerterminal, das stundenweise gebucht werden kann. [email protected]

Eine Besonderheit ist das Inselradio, das von verschiedenen Bewohnern betrieben wird. Die Musikauswahl und die Wortbeiträge sind dementsprechend „vielfältig“. Musikwünsche oder Grußbotschaften können im Bóthildr Rumhús an der Theke abgegeben werden.

Touristen werden gebeten, bei Ankunft die Insel-App zu laden – dort werden Ihnen per WhatsApp aktuelle Informationen über Veranstaltungen gegeben –, auch im Falle einer Notsituation wie Sturm o. ä. empfiehlt es sich, die Nachrichten zu verfolgen.

Ladenschluss

Die Geschäfte auf Wüüst öffnen in der Regel um 10 Uhr und schließen um 19 Uhr. In der Bäckerei bekommt man frische Brötchen und Brot ab 8 Uhr.

Fährzeiten

Die Abfahrtzeit der Fähre richtet sich nach der Tide. Auskünfte erteilt das Tourismusbüro in Büsum. Oder besuchen Sie die Website von Wüüst: insel-wueuest.jimdosite.com

Inselfeiertage

Es gibt keine Inselfeiertage während der Saison. Alle Feiertage, die speziell die Einwohner betreffen, fallen in den Herbst und Winter.

Ärztliche Versorgung

Die medizinische Versorgung ist gut. Es gibt das Haus der Inselärztin, das Sie leicht finden können. Sprechstunden zwischen 9 und 19 Uhr oder nach Absprache. In Notfällen kann ein Patient mit dem Hubschrauber ins nächstgelegene Klinikum nach Helgoland, Büsum oder Cuxhaven geflogen werden. Die Inselärztin hat einen Krankenwagen, mit dem der Patient zum Hubschrauber gebracht wird. Über die Insel-App erreichen Sie im Notfall die Ärztin mit einem Click auf den Button „Ärztlicher Notfall“.

Unterkunft

Hauptunterkunft auf Wüüst ist das Bóthildr Rumhús, in der Mitte von Groß Wüüst am Bóthildr Brunnen gelegen. Es verfügt über 10 Doppelzimmer und 1 Einzelzimmer mit jeweils eigenem Bad. Alle anderen Gäste verteilen sich auf die umliegenden Privatunterkünfte, die B & B anbieten. Ferienhäuser zur alleinigen Nutzung gibt es nicht.

Wüüst am Abend

Die Insel ist ideal für Menschen, die entschleunigen und zur Ruhe kommen wollen. Ein Nachtleben sucht man auf Wüüst vergebens. Einmal pro Woche gibt es für die Touristen so etwas wie einen Tanzabend im Bóthildr Rumhùs, der sich bei schönem Wetter rund um den Bóthildr Brunnen ausdehnt.

Ebenfalls einmal pro Woche kann man abends eine Lesung besuchen, zu der eigens Schriftsteller vom Festland eingeladen werden. Zumeist findet die Lesung in der Kirche statt. Bei schönem Wetter draußen vor dem Bóthildr Brunnen.

Alle zwei Wochen gibt es ein Wikingergelage mit Met und Grillfleisch am Nordstrand. Anmeldung in der Metzgerei unbedingt erforderlich. Bitte beachten Sie die Aushänge – an diesen Abenden bleibt das Restaurant im Bóthildr Rumhús geschlossen.

Speisen, Getränke, Spezialitäten

Während der Saison gibt es Speisen und Getränke aller Art. Wüüst ist für seine Fischgerichte bekannt. Die Küche ist bodenständig, reichhaltig und geschmacklich auf hohem Niveau. Typisch skandinavische Gerichte sind vorherrschend.

Inselgetränk ist Met, den zu probieren sich lohnt. Alkoholgehalt zwischen 6% und 14%. Es gibt den Bóthildr Met, die Inselmarke, die auch vor Ort gebraut wird, aber auch verschiedene andere aus diversen skandinavischen Brauereien.

Sollten Sie Ihren Magen überlastet haben, empfiehlt sich der Genuss von Odins Vann, einem auf der Insel destillierten Schnaps mit Sanddorn und „geheimen“ Zutaten. Sehr gewöhnungsbedürftig, aber wirkungsvoll.

Sanddorn findet sich auf der Insel überall – es gibt Sanddornmarmelade, Sanddornbonbons, Sanddornlimonade (der Kinder-Met) und alles, was mit Sanddorn veredelt werden kann – sogar ein Sanddornkäse.

Restaurants auf Wüüst

Das Bóthildr Rumhús ist das einzige Restaurant auf der Insel. Küche wie oben beschrieben.

Während der Saison gibt es am Leuchtturm eine Spezialität, den Wikinger Snack – dort kann man gegrillten Stockfisch (tørrfisk) bekommen, ebenso Krabben in allen Variationen. Hinter der Snackhütte befindet sich ein Erdofen. Es lohnt sich, gebackenen Fisch oder Huhn im Heumantel aus diesem Ofen zu probieren. Pommes frites oder Bratwurst mit Ketchup und Mayo werden nicht angeboten.

Museum

Etwa fünf Minuten Fußweg vom Bóthildr Rumhús entfernt befindet sich mitten in den Dünen ein kleines Heimatmuseum. Die Ausstellungsstücke reichen von Kleidung und Gebrauchsgegenständen aus dem Jahr 1000 A.D. bis hin zu Totenbooten und einem Wikingerschiff, ein sogen. Dreki, Drachenschiff, des Weiteren Artefakte aus der Zeit der Walfänger und Schmuck aus allen Jahrhunderten. Star der Ausstellung, neben dem Drachenschiff, ist der goldene Gode-Kessel, der sich seit der Besiedelung von Wüüst auf der Insel befindet. Zu besonderen Ritualen wird er auch heute noch benutzt.

Öffnungszeiten tgl. 12 Uhr – 19 Uhr. Führungen tgl. 12.30 Uhr.

Sehenswürdigkeiten

Der Bóthildr Brunnen im Zentrum von Groß Wüüst, in dessen Mitte eine Darstellung der Kampfsau Bóthildr aus Bronze steht, ist nicht zu übersehen. Gestiftet wurde die Statue der verehrten Sau von einem dankbaren Inselgast in den 1950er Jahren, der angeblich durch die damals lebende Bothilde und die Freundschaft mit ihr aus seiner kriegsbedingten Depression gefunden hatte.

Der Leuchtturm, Besuche nach Voranmeldung in der Hafenmeisterei.

Die Geburtssteine, in die jede Geburt (keine Todesdaten) auf Wüüst in Runenschrift seit den Tagen der Besiedelung eingemeißelt ist. Der Platz ist von Walrippen eingefasst. Die Inselbewohner bitten um angemessenes Verhalten beim Besuch der Geburtssteine.

Einen Friedhof gibt es auf Wüüst nicht, da kein Wüüster in Erde bestattet wird. Die Wüüster bestatten noch immer nach uraltem Ritual in eigens dafür hergestellten Totenbooten, die aufs offene Meer verbracht und dort verbrannt werden.

Die Wüüsteborg, heute ständig bewohnt, kann nach Absprache besichtigt werden. Besonders interessant sind die sogen. Eiskeller und das Verlies; die Eiskeller werden bis heute zur Lagerung von Lebensmitteln genutzt. Der Bewohner der Wüüsteborg ist gleichzeitig der Hubschrauberpilot. Für Nostalgiker lohnt sich ein Rundflug in seinem Bell 47, einem restaurierten Original der US-Army aus dem Koreakrieg. Anmeldungen im Tourismusbüro. Preis auf Anfrage.

Wenn Sie die Käsemacherei erlernen wollen, bietet die Käserei Grimsdottir einen Schnupperkurs an. Anmeldungen im Supermarkt.

Inselführungen können im Tourismusbüro gebucht werden.

Aktivitäten rund um Wüüst

Hier lohnt sich in jedem Fall eine Inselrundfahrt in einem Wikingerschiff. Derzeit handelt es sich um einen etwas kleineren Nachbau des legendären Oseberg-Schiffs (Snekkja). Der Bau war eine Gemeinschaftsleistung der Inselbewohner und der Auszubildenden von St. Bartholomäus. Die Insel verfügt über drei weitere seetaugliche Nachbauten eines Dreki (Drachenschiff), Byrding (Frachtschiff) und Knorre (Handelsschiff). Die Mannschaft besteht aus mind. zehn Ruderern und einem Kapitän. Die Gesänge der Ruderer sind von großer Intensität. Tonaufnahmen dürfen nicht gemacht werden. Mitrudern auf jeden Fall erwünscht. Denken Sie an seetaugliche Kleidung. Die Inselrundfahrt findet statt, wenn fünfzehn Tickets gebucht sind. Nachtfahrten bei gutem Wetter sind möglich und werden gerne von Liebespaaren gebucht. Tickets im Tourismusbüro.

Für die Kinder

Wikingerunterricht in der Wiki Universität. Sie befindet sich im Pfarrhaus. Dort können sich die Kinder mit dem Leben der Wikinger vertraut machen. Dazu gehören diverse Aktivitäten drinnen wie draußen, wie Bootsbau, Runen meißeln, ein Wikingerschiff rudern, Einführung in Schmiedearbeiten, aus Inseldinkel einen Klotz backen etc. Wer sich traut, kann auch eine Nacht im Wald am Weststrand verbringen. Lagerfeuer inklusive. Anmeldung im Tourismusbüro. Eltern strengstens verboten.

Diverses

Auf der Insel befindet sich das St. Bartholomäus Haus, ein Internat für Kinder mit Behinderungen ab einem Alter von 10 Jahren. Vom täglichen Schulunterricht abgesehen, können die Jugendlichen dort eine Ausbildung in Holz- und Metallverarbeitung absolvieren. Das Heim hat Platz für 12 Kinder. Die Leitung hat eine Ordensfrau, die von den Einheimischen in Pflege, Unterricht und Versorgung unterstützt wird. Die behinderten Kinder sind vollständig in das Inselleben integriert. (Das Heim wurde von Bischof Vidar Eriksson gestiftet, dem einzigen Wüüster, der sich je zum Christentum bekannt hat.

In St. Bartholomäus werden auch die Kinder der Einheimischen zwischen 6 und 10 Jahren in der Insel Skole unterrichtet. Weiterführende Schulen gibt es auf dem Festland, aber in der Regel besuchen sie Internate in den skandinavischen Ländern. Wollen die Kinder den Winter auf der Insel verbringen, steht ihnen in der Insel Skole alles fürs E-Learning zur Verfügung.

Jeden Monat gibt es in St. Bartholomäus einen Markt mit den Produkten aus den Werkstätten. Ankündigungen im Tourismusbüro und über die Insel-App.

Haustiere

Nur nach Absprache mit dem Tourismusbüro. Es gelten besondere Impf- und Verhaltensvorschriften.

Zum guten Schluss

Ein Besucher der Insel Wüüst wird feststellen, dass die Insel anders ist, aber nie langweilig. Fernab der Touristenrouten und ihren üblichen Angeboten bietet sie trotzdem für jeden etwas. Ruhe, gutes Essen und ein freundlicher Schnack mit den Einheimischen tragen zum Wohlbefinden bei. Viele Gäste werden als alte Freunde begrüßt, man kennt sich, denn wer einmal Wüüst besucht hat, kommt immer wieder.

insel-wueuest.jimdosite.com

1 Wüüst leitet sich vermutlich von verste ab, das auf Norwegisch etwa sehr schlimm oder am schlechtesten bedeutet; verste øya – schlimmste (schlechteste) Insel. Ungewöhnlich ist, dass der Name mit W geschrieben wird, obwohl die nordischen Völker es nicht benutzen. Eventuell handelt es sich um eine Änderung/Umbenennung aus der Zeit, in der die Herzöge von Schleswig-Holstein-Gottorf anno 1559 das Gebiet des heutigen Büsum übernahmen und ebenso die Insel zu ihrem Hoheitsgebiet erklärten, was auf der Insel aber niemanden scherte. Nur der Name hat sich bis heute erhalten.

2 Operation Dynamo: Von Dover aus befehligte Vize-Admiral Bertram Ramsay die Operation, bei der alle verfügbaren Wasserfahrzeuge, insgesamt 900, zur Evakuierung der Truppen aus Dünkirchen eingesetzt wurden. Fischkutter, Segelboote und RNLE-Lebensrettungsboote kamen zum Einsatz. Obwohl der größte Teil der Soldaten von Kriegsschiffen evakuiert wurde, sprach man in Großbritannien später vom Miracel of the Little Ships, dem Wunder der kleinen Schiffe.

Früh soll aufstehen, wer des anderen Gut oder Leben haben will; selten erringt ein liegender Wolf den Schinken und ein schlafender Mann den Sieg.

(alte Wikingerweisheit)

Kapitel 1

Groß Wüüst machte seinem Namen alle Ehre. Am Bòthildr Brunnen, unter dem Schutz der jahrhundertealten heiligen Esche, lag Sif Trygvarsson, die Besitzerin des Friseursalons Hairy Fairy, auf Pfarrer Magnus Habel, dessen Soutane das Gesicht der Bürgermeisterin, Tofà Sveinsson, verdeckte. In einigem Abstand, einer umgestürzten Laokoon Gruppe gleich, fanden sich auch Aki Sveinsson, der Bestatter, Hakon Trygvarsson, Hafenmeister und Briefträger, mit einer Axt in der Hand und Rune Sveinsson, Hotelier, der sein tropfendes Trinkhorn fest umklammert hielt. Die Tröpfchen versickerten auf Nimmerwiedersehen in der Fellweste des Fährkapitäns, Thorgay Eriksson.

Im Eingang des Supermarktes, nur wenige Meter von der Esche entfernt, hatte sich das dritte Menschenknäuel formiert. Es bestand aus Hedda und Agni Snorradottir, die eine Dorfärztin, die andere Gode3, als Schwestern durch ihre unterschiedliche Auffassung von Heilkunst grundsätzlich entzweit, aber nun im Rausch wieder vereint. Dazu hatte sich Freya Trygvarsson gelegt, als wolle sie ihren Supermarkt vor den beiden Heilkundigen beschützen. Gustav Trygvarsson, der Dorfälteste, saß in seinem elektrischen Rollstuhl, sein Kopf war ihm auf die Brust gesunken, sein Wikingerhelm lag auf dem Bürgersteig. Einzig die Tatsache, dass Eyrunn Eriksson, die Hüterin des Wüüster Heimatmuseums, des Inselradios und des Touristenbüros, direkt vor seinem Rollstuhl lag, hinderte diesen daran, mitsamt seiner gebrechlichen Fracht zum nahe gelegenen Hafen zu rollen und dort für immer in den Tiefen der Nordsee zu verschwinden.

Die übrigen Inselbewohner, die mit den oben genannten allesamt verschwägert, benachbart oder verwandt waren, verteilten sich je nach Laune und Schweregrad ihres Rausches in den Dünen, am Hafen oder im Wikingerschiff, das in der leichten Brise des zweiten Oktobertages auf dem Wasser schaukelte. Auf allen Wegen der Insel lagen zerbrochene Holzschaufeln und leere Metfässer, die Überreste des Wüüstens, einer Art Volkssport, bei dem man in voller Wikingermontur mit einer Holzschaufel Schlick aus dem Watt über seinen Kopf hinweg so weit wie möglich hinter sich werfen muss. Teilnahmeberechtigt waren alle geborenen Wüüster ab 21 Jahren. Die Anwesenheit des Pfarrers, der kein Wüüster war, erklärt sich daraus, dass er bei der Siegesfeier kräftig geistigen Beistand geleistet hatte. Denn war der Sieger ermittelt, konnte die Orgie beginnen. Den Weg vom Watt zurück ins Dorf versüßte man sich damit, irgendjemandem mit der Holzschaufel eins überzubraten. Dieses Schauspiel konnte nur mit ausreichend Met und einem schnapsähnlichen Gebräu namens Odins Vann4 ertragen werden, von dem gemunkelt wird, es könne in hoher Konzentration Gold auflösen. Am nächsten Tag würde sich niemand erinnern können, wer gewonnen hatte, daher blieb die Hall of Fame im Wüüster Inselmuseum leer.

Was man mit Sicherheit beim Anblick des Wüüster Schlachtfeldes sagen konnte, war, dass die Insel eine weitere Sommersaison hinter sich gebracht und diesen für die Wüüster erfreulichen Umstand ausgiebig gefeiert hatte. Was man nicht sagen konnte, war, ob alle wieder erwachen würden. Um den alten Gustav musste man sich keine Sorgen machen, seine Leber war die widerstandsfähigste von allen – und da waren sich sogar Agni und Hedda einig.

Die Zweifel am Überleben aller waren berechtigt, denn keiner zuckte auch nur mit einer Wimper, als sich von Ferne das Quietschen eines Holzkarrens ankündigte und die kräftigen Stimmen aus elf jungen Kehlen „Geh aus mein Herz und suche Freud“ schmetterten. Den Sopran dazu sang Schwester Fidelis, die von keinem Alkohol beeinträchtigt die Truppe anführte. Am Wegesrand wurden die Reste der geborstenen Holzschaufeln und die leeren Metfässer eingesammelt. Ein Privileg für das Behindertenheim St. Bartholomäus, ebenso wie die Herstellung von Holzschaufeln und anderer Dinge aus Holz und Metall, die die Insel brauchte, inklusive der Totenboote, des Wikingerschiffs, der benötigten Paddel, Helme, Schwerter, Äxte und Hämmer.

Selbst als diese seltsame Truppe mitten durchs Dorf karriolte, ließ keiner der Herumliegenden ein Lebenszeichen erkennen.

Schwester Fidelis hieß die Truppe am Dorfbrunnen anhalten. Alle Jugendlichen setzten sich um den Leiterwagen herum und es wurden Getränke verteilt. Jeder bekam einen Keks, außer Frode, der sich schon dadurch auszeichnete, dass er kein T-Shirt trug, auf dem Werkstätten St. Bartholomäus stand. Frode mit seiner Dyskalkulie und dem lahmen Fuß am abgeknickten Bein half zwar gern, aber nur so lange Schwester Fidelis ihn nicht zu sehr vereinnahmte, denn mit seinen 19 Jahren hatte er erfolgreich die Ausbildung in St. Bartholomäus hinter sich gebracht und war stolzer Besitzer des örtlichen Fahrradverleihs mit Reparaturwerkstatt und Helmschmiede. Schwester Fidelis beschirmte ihre Augen mit der rechten Hand und guckte in die Ferne. „Ah“, sagte sie. „Da kommt der Gordian mit Bothilde.“

Ein großer, beinahe hagerer Mann um die vierzig näherte sich mit strammem Schritt der Dorfmitte. Im Gegensatz zu allen Herumliegenden trug er eine normale Jeans und ein T-Shirt, auf dem gar nichts stand, und er hatte auch keinen Helm auf dem Kopf. Eine lederne Umhängetasche baumelte an seiner Schulter, und er hielt einen Wanderstab in der Rechten, während er mit der Linken winkte. Begleitet wurde er von einer mächtigen Sau, die losgaloppierte, als sie die Kinder am Dorfbrunnen sah, um sich auf ihre Kekse zu stürzen. Auf Schwester Fidelis machte Gordian den Eindruck, als habe er es eilig, was sonst nicht seine Art war. Endlich hatte er die Gruppe von St. Bartholomäus erreicht und war außer Atem, als er sagte: „Schwester Fidelis. Sie werden es nicht glauben.“

„Warum flüstern Sie?“

Gordian sah sich um. „Es ist etwas Unglaubliches passiert.“

„Sie haben unter Ihrer Wüüsteborg einen Wikinger-Goldschatz gefunden.“

„Nein, und wenn, würde ich das noch nicht mal flüstern.“

Die Kinder rückten näher an die beiden heran. Sogar Bothilde hörte auf zu kauen. Eine Neuigkeit nach Saisonende war außergewöhnlich für Wüüst. Kam mit den Touristen über den Sommer alles Mögliche und Unmögliche auf die Insel, wurde es nach Saisonende erst wieder spannend, wenn im November der Herbstnebel stieg und für einen Monat nicht mehr verschwand – eine klimatische Eigenheit, deren Ursache noch kein Wissenschaftler ergründet hatte. Die Wüüster ertrugen diese Zeit in dem Wissen, dass sie sie nicht alleine verbringen mussten, denn es war die Zeit, wenn, kurz bevor die Wüüster Suppe sich festsetzte, die Wikingerfreunde aus dem hohen Norden mit ihren Booten einfielen, um für eine oder auch mehrere Wochen ihr Lager rund um die Wüüsteborg aufzuschlagen. Dann war es mit Gordians seliger Ruhe vorbei, aber er hatte sich mittlerweile an die freundschaftlichen Überfälle aus dem Norden gewöhnt und legte seine Manuskripte über mittelalterliches Kirchenrecht und seine Jazzplatten beiseite, um beim fröhlichen Treiben dabei zu sein. Während die Wüüster im Sommer die Touristen nach alter Wikingermanier ausraubten, teilten sie während des Einfalls der befreundeten Stämme aus Island, Dänemark, Norwegen, Island und Schweden alles, was sie hatten und amüsierten sich wie einst Bolle zu Pfingsten.

Gordian beugte sich zu Schwester Fidelis hinüber und flüsterte ihr etwas zu. Im nächsten Augenblick stieß die Nonne einen Schrei aus, der wahrhaftig Tote hätte wecken können. Dann jubelte sie und tanzte auf einem Bein. Aber noch immer rührte sich niemand. Schwester Fidelis fackelte nicht lange und rannte zur Kirche, um den Knopf zu drücken, der die große Glocke zum Leben erweckte. Leider kommt man dieser Tage nicht mehr in den Genuss, eine Nonne oder einen Pfarrer am Glockenseil auf- und abschwingen zu sehen, da die Wüüster ein modernes Völkchen sind, meistens jedenfalls, und die Segnungen der Technik gerne in Anspruch nehmen.

Und siehe da, der erste Wüüster schlug ein Auge auf.

„Was…?!“, lallte er, und sein Auge fiel sofort wieder zu. Fidelis kam zurück, formte mit beiden Händen einen Trichter um ihren Mund und rief: „Wachet auf! Wachet auf! Habemus Papam! Habemus Papam!“

Nun kam Bewegung in Pfarrer Habels Soutane. Durch den stechenden Sonnenstrahl, der plötzlich ihre selige Ruhe störte, erwachte auch Tofà aus ihrem Schlummer, und die Metleichen regten sich. Die Konversation gestaltete sich zunächst zäh, denn auf der einen Seite war man zu mehr als einem „Was’n …?“ oder „Ruhe! Verdammt!“ nicht fähig, während Fidelis mit gerafftem Habit noch eine Runde tanzend um den Dorfbrunnen hinlegte. In solchen Momenten sieht man ihr ihre siebzig Jahre gar nicht an, dachte Gustav, der ebenfalls wach geworden war. Nur schade, dass sie sich über seine Wenigkeit noch nie so gefreut hatte.

Frode übersetzte für seine Freunde: „Sie redet vom Papst.“

Die Jugendlichen nickten. Einer fragte: „Was ist ein Papst?“

„Ein heiliger Vater. Er lebt in einem Palast in Rom.“

„Und wo ist das?“

„In Italien“, sagte Frode.

„Aha.“

„Hat der Papst eine Prinzessin?“, fragte Stine, ein Mädchen von St. Bartholomäus.

„Nein“, sagte Fidelis streng, „der Papst lebt im Zölibat.“

„Tut das weh?“

„Nicht, wenn man sich nicht dran hält“, murmelte Pfarrer Habel. Fidelis warf ihm einen vernichtenden Blick zu, und Gustav kicherte.

Dann war das Interesse der Jugendlichen von St. Bartholomäus am Papst versiegt. Die meisten kannten ihre Väter nicht, und einen heiligen noch dazu konnte sich keiner vorstellen.

Es dauerte noch eine Weile, bis die Wüüster sich so weit zusammengerauft hatten, dass eine aufrechte Sitzposition möglich war. Ein paar zombieähnliche Gestalten wankten über die Dorfstraße und gesellten sich zu den anderen. Inzwischen waren die Glockenschläge verklungen, obwohl sie in den verkaterten Schädeln noch lange nachhallen würden. Mit fahlen Gesichtern und rot geränderten Augen starrten sie Gordian an und warteten darauf, dass er etwas von sich gab, das den ganzen Tumult rechtfertigte.

Gordian holte ein bedrucktes Blatt Papier aus der Umhängetasche, auf dem das Konterfei eines blonden Mannes abgebildet war. Seine blauen Augen leuchteten, und mit seinem Unterkiefer hätte man Schädel knacken können. „Der neue Papst ist gewählt. Und es ist, ihr werdet es nicht glauben: Vidar Eriksson.“

„Welcher?“, fragte Rune, der sich den Schlaf aus den Augen wischte.

„Na, euer Vidar Eriksson.“ Gordian ließ das Blatt herumgehen. „Die Nachricht geht grad im Internet viral.“

„Was?“, fragte Gustav.

„Ach du liebe Scheiße“, sagten Thorgay und Eyrunn Eriksson wie aus einem Mund. Rune hielt den beiden das Blatt hin und Thorgay fuhr zurück. „Oh, Mann.“

„Bei Odins Schild …“, sagte Eyrunn. „das, das … hat uns gerade noch ...“

Thorgay und Eyrunn waren ihrem Bruder Vidar immer noch gram, weil er die Insel vor Jahren verlassen hatte, um zu studieren und dann im fernen Rom so etwas wie eine Karriere hinzulegen, und dann auch noch in Theologie. Für ihren Geschmack war schon der Bischofstitel zu weit gegangen, aber dass er nun auch noch Papst werden musste, machte das Familienfass der Erikssons voll. Auf Wüüst waren traditionell noch nicht mal die Pfarrer gläubig. Weswegen sie ja hierher strafversetzt wurden. Niemand mit klarem Verstand legte es darauf an, seine Winter inmitten dieser Wikingernachfahren und ihrer seltsamen Gebräuche, wobei das Schlickweitwerfen noch das harmloseste war, zu verbringen. Außer Gordian Petersenn, der die Insel bereits seit fünf Jahren freiwillig und mit Duldung der Wüüster mit seiner Anwesenheit beehrte – und Schwester Fidelis, die sich überall zu Hause fühlte, wo es was zu tun gab.

Dementsprechend zeigte auch Pfarrer Habel wenig Enthusiasmus über seinen neuen Chef, als er mit matter Stimme sagte: „Glückwunsch.“ Dann lehnte er sich wieder an die Esche, und seine Augen fielen zu.

Plötzlich sprang Eyrunn auf. Ihr Helm polterte zu Boden. Sie hielt ihre Streitaxt in der Hand und fuchtelte damit in der Luft herum. Fidelis sagte in aller Seelenruhe: „Eyrunn, willst du uns was sagen?“

„Ja, ja … ja … die … die …“, stotterte sie.

„Presse wird hier auflaufen“, beendete Gordian den Satz für sie. „Das denke ich auch. Ein Papst aus dem Norden Europas, dazu noch von einer kleinen Insel … Wir sollten uns auf was gefasst machen.“

„Wir wollen aber keine Presse“, sagte Tofá, die Bürgermeisterin. „Die Saison ist zu Ende und fertig. Wir haben uns den Winter redlich verdient.“

Alle nickten. „Ja“, ließen sie sich hören, oder „Wir machen den Hafen einfach nicht auf … Sollen sie doch kommen, sie werden schon sehen, was sie davon haben … Agni soll ein Nebelritual abhalten, vielleicht kommt er dann jetzt schon … Ja, dann werden die Wüüst nie finden …“

Agni lugte unter ihrer Filzkappe hervor, die ihr über die Augen gerutscht war, und murmelte: „Ich soll was …?!“

„So lange ich die Fähre nicht flott mache, kommt hier keiner hin“, lallte Thorgay. „Sollen sie doch schwimmen …“

„Ich befürchte, die Welt sieht das anders“, sagte Gordian.

„Ich stimme ihm zu“, sagte Schwester Fidelis. „Und betrachten wir es doch mal von der positiven Seite: Viel Presse, viel Geld … hm?! Muss die Treppe im Leuchtturm nicht schon seit zwei Jahren repariert werden?“ Sie schaute sich in der Runde um, denn wie erwartet war beim Thema „Geld“ ein Ruck durch die Gemeinde gegangen. „Und wir dürfen alle nicht vergessen, wer Sankt Bartholomäus, Pfarrer Habel, seine Haushälterin Valdis und mich sowie die Instandhaltung der Kirche bezahlt.“

„Wer denn?“, fragte Birger Sveinsson, und Valdis Kellisson, Frodes Schwester, die hinter Pfarrer Habels Rücken auftauchte, sagte: „Na, wer wohl?“

„Rom“, sagte Fidelis triumphierend. „Wir sollten den Ereignissen also freudig entgegensehen.“

„Das Nützliche mit dem Unvermeidlichen verbinden“, sagte Frode plötzlich und alle starrten ihn an.

„Wie lange wird der Spuk dauern?“, fragte Birger, der Metzger. „Ich mein ja nur, muss ich Koteletts auftauen?“

„Stimmt“, sagte Freya, „wir müssen den Supermarkt wieder hochfahren. Und Rune, du musst in deinem Hotel die Betten beziehen.“

„Geht die Presse auch zum Friseur?“, wollte Sif wissen, deren verklebte Haartracht ihrem Salon gerade keine Ehre machte.

„So, wie ich die Sache sehe“, gab Gordian zu bedenken, „solltet ihr alle zum Frisör. In den nächsten Tagen wird die Welt auf euch schauen.“

„Könnte ich prima drauf verzichten“, sagte Thorgay und fuhr sich durch die verfilzten Zöpfe, an denen er seit Wochen gearbeitet hatte, um sie rechtzeitig zum ersten Wüüsten im Wikingerstyle tragen zu können.

„Aber die Welt nicht.“ Schwester Fidelis guckte streng in die Runde. „Der Herr hat uns ins Licht gerückt, durch einen aus eurer Mitte, ein Kind dieser Insel, jetzt nehmt das Joch und tragt es mit Demut.“