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Im dritten Band muss sich Hexenlehrling Yvette gegen Luzifer und seine Geliebte Santana verteidigen. Santana ist mit allen Wassern gewaschen, um der elften Hexe ihre Kräfte zu stehlen. Obendrein will die machthungrige Teufelin Yvettes Seele Luzifer zum Geschenk machen. Werden Kunigunde, der Hexenmeister, Waldemar und Erzengel Michael ihre Seele retten können?
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Seitenzahl: 269
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Gewidmet ist „Yvette und die Teufelin Santana“ allen die unter Corona und deren Maßnahmen gelitten und noch weiter leiden, besonders die Kinder, Jugendlichen und die Senioren.
Vorwort
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Epilog
Ich konnte es einfach nicht lassen und habe schon vor langer Zeit beschlossen, dass es mit meiner weißen Hexe Yvette weitergehen muss. Natürlich gibt es meine Yvette-Geschichte seit 2009 als Theaterstück unter dem Titel „Hexe wider Willen“ und seit Mai 2012 auch als Buch. Leider hatte ich mit meinem Hexenbuch beim cenarius-Verlag kein Glück und musste neue Wege gehen. Der Grund dafür war nicht, dass wir das Theaterstück neu einstudiert haben, denn ich habe damals im Auftrag des cenarius-Verlags immer mal wieder an der Fortsetzung geschrieben. Am Ende war es unter den gegebenen Umständen leider nicht mehr wie geplant durchführbar. Das lag aber nicht an mir, sondern an der Insolvenz des Verlages. Trotzdem wollte ich meine Yvette, die Fortsetzung und den Handlungsbogen nicht begraben. Deshalb habe ich mich entschlossen, den ersten Teil von Yvette noch einmal unter dem Titel „Yvette und die Hexe der Unterwelt“ mit Yvettes Vorgeschichte zu veröffentlichen. Es würde sonst keinen Sinn machen, den zweiten Teil „Yvette und die Gewitterhexe“ zu veröffentlichen, wenn man den ersten Teil nicht mehr bekommen kann. Es ist mir ein besonderes Anliegen, Yvettes Geschichte nicht nur im zweiten Band weiter zu erzählen. Jetzt ist es an der Zeit, auch den dritten Teil „Yvette und die Teufelin Santana“ in die Bücherwelt zu entlassen. Eigentlich hatte ich das für 2020 geplant, aber dann kam Corona und hat mich total ausgebremst. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
Jetzt bleibt mir nur noch, meinen Lesern viel Spaß beim Lesen des dritten Teils von „Yvette und die Teufelin Santana“ zu wünschen.
Ihre
Halina Monika Sega
Yvette blickte in den blauen Himmel, in dem zahlreiche weiße Schäfchenwolken in schwindelerregender Höhe einen fröhlichen Reigen tanzten. Aus einer dieser Wolken kristallisierte sich ihre weiß gekleidete, strahlende Mutter heraus und schwebte langsam auf sie zu. Yvette nickte stumm und betrachtete fasziniert den weiblichen Engel, der sie mit seinem Flügel sanft berührte und über ihr Gesicht strich.
»Mein liebes Kind, wie kannst du an dir zweifeln? Hast du vergessen, dass du nicht allein bist? Denke immer daran, dass wir Engel und der ganze Himmelsstab mit dir sind. Kopf hoch, mein Schatz, du wirst die weißen Hexensprüche schon erlernen. Du bist meine Tochter, deshalb weiß ich genau, dass du dir bald alle uralten Sprüche merken wirst. Mein Kind, fühle jeden einzelnen in deinem Herzen, dann wird es dir spielend gelingen, und deine Missgeschicke gehören der Vergangenheit an!«
Bevor Yvette antworten konnte, klingelte ihr Wecker und sie schreckte hoch. Leider war es wieder nur ein Traum, stellte sie seufzend fest, und Wut stieg in ihr auf, weil ihre Mutter nicht wirklich bei ihr war. Sie vermisste sie so sehr. Ja, natürlich, Ursula war lieb zu ihr und bemühte sich, ihr das Leben so angenehm wie möglich zu machen. Unglücklicherweise war sie nicht ihre leibliche Mutter, und das ließ den Groll in ihr wachsen. Yvette konnte nichts für ihre starken Gefühle. Aber Blut ist dicker als Wasser!, schoss es ihr durch den Kopf, als Eddy, der Teddybär, brummte und sie ihn links neben sich spürte, als würde er ihre Gedanken bestätigen.
Nach all den anstrengenden Erlebnissen der letzten Zeit war sie vorhin einfach ins Bett gefallen und schlief wie ein Stein. Silver schmiegte sich an sie und sie streichelte ihr über das gelockte Pudelfell. Dass sie die verwandelte Gewitterhexe war, machte Yvette nichts aus. Sie fand es toll, auf diese Weise auf den Hund gekommen zu sein, auch wenn der Hexenmeister das anders meinte.
Es gefiel ihr, neben Eddy auch stolze Besitzerin eines eigenen Haustieres zu sein. Das entlockte ihr ein verschmitztes Lächeln und sie seufzte zufrieden. Dennoch kamen ihr die Hexensprüche wieder in den Sinn. War es Einbildung oder Wunschdenken, dass die elfte Hexe sie schneller lernen könnte, wenn statt Kunigunde ihre Mutter bei ihr wäre? Aber die Realität verursachte Schmerzen in ihrem brummenden Schädel, wenn sie an das dicke Hexenbuch dachte, das Kunigunde ihr aufgezwungen hatte, damit sie endlich ihre Pflicht erfüllte und als vollwertiges Mitglied in den Kreis der weißen Hexen aufgenommen wurde. Doch die Wirklichkeit sah anders aus und vor ihr lag ein beschwerlicher Weg, der ihr den Schweiß aus allen Poren trieb.
Leider blieben die dämlichen Hexensprüche nicht so im Gedächtnis haften, wie sie es sich erhofft hatte. Dafür waren ihre Hausaufgaben der reinste Kindergarten. Sie bekam Bauchschmerzen, wenn sie an den Nachmittag dachte. Kunigunde hatte ihr aufgetragen, zwanzig Hexensprüche auswendig zu lernen und sie ihr anschaulich zu präsentieren. Aber sie quälte sich nur damit, weil sie ihr nicht so gelangen, wie sie sollten. Sie erinnerte sich, wie das Teewasser aus der Kanne schoss, weil sie es unbedingt in eine Tasse hexen wollte. Dabei klatschte es gegen die Wand und färbte die Tapete mit blauen Streifenblumen. Zum Glück konnte sie ihrer Pflegemutter Ursula weismachen, dass sie sich künstlerisch ausgetobt hatte, um ihr Zimmer zu verschönern. Trotzdem sah es komisch aus und passte nicht zu der rosa Tapete.
Sie grinste freist, als sie sich Ursulas überraschtes Gesicht vorstellte, während sie ihr diese Lüge auftischte. Kunigunde hätte ihr bestimmt beide Ohren langgezogen für ihr Lügenmärchen. Glücklicherweise weilte die Kräuterhexe zu diesem Zeitpunkt nicht unter ihnen. Sie war ins Hexenreich zurückgekehrt, weil der Hexenmeister durch sein Sprachrohr Silver darum gebeten hatte. Es hatte etwas mit Waldemar zu tun, so viel verstand sie, bevor sich Kunigunde vor ihren Augen auflöste. Yvette war erleichtert, dass sie sich nicht noch einmal rechtfertigen musste. Es nervte sie, ständig auf der Hut vor der Kräuterhexe zu sein, seit sie die Wahrheit über ihr Hexendasein kannte.
Gähnend sprang die elfte Hexe aus dem Bett und trottete ins Badezimmer. So ein Mist!, dachte sie. Ihr Wochenende war ruiniert und ein Treffen mit Michelle und Sophie, um vielleicht mit dem Bus ins Kino zu fahren oder ein Eis zu essen, konnte sie sich abschminken. Nein, sie musste sich weiter abrackern, um die Kräuterhexe zufrieden zu stellen. Verdammt noch mal!, fluchte sie in sich hinein und knipste das Licht an. Mit schlaftrunkenen Augen blickte sie in ihr Spiegelbild, das sie angrinste. Brummend trommelte sie mit den Fäusten gegen den Spiegel und brüllte: »Du verdammter Verräter!«
Mehrmals ging das Licht aus und wieder an, wie zur Bestätigung. Yvette hatte das Gefühl, als ob jemand versuchte, sie zum Narren zu halten. Da die Zeit drängte, wusch sie sich seufzend und ging in ihr Jugendzimmer zurück. Dort zog sie eine hellblaue Jeans und ein gleichfarbiges T-Shirt aus ihrem Schrank an. Dann verließ sie missmutig ihr Zimmer. Dummerweise hatte sie das blöde Hexenbuch in der Küche vergessen und musste es holen, um weitere Hexensprüche zu üben.
Gott sei Dank tarnte sich das Hexenwerk immer als Kochbuch für Uneingeweihte, sonst wäre sie längst bei ihrer Pflegemutter aufgeflogen. Boah ey, Kunigunde hätte mir ohne mit der Wimper zu zucken die nächste Standpauke gehalten und mich mit neuen Strafen belegt, schimpfte sie in Gedanken. Sie hatte den Verdacht, dass die Kräuterhexe nur darauf wartete, ihr Feuer unterm Hintern zu machen, um ihr jede noch so kleine Verfehlung anzukreiden. Am liebsten hätte sich die elfte Hexe versteckt oder wäre bei Sophie oder Michelle eingezogen, um Kunigundes Gemeckere zu entgehen.
Also schlich sie sich in die Küche und suchte das Hexenbuch, das auf dem Fensterbrett lag. Sie nahm es, ging zurück in ihr Zimmer und warf es auf ihr Bett. Damit erschreckte sie Silver, die jaulend heruntersprang und unter das Bett kroch.
»Sorry«, murmelte sie und ließ sich verärgert auf ihr Bett fallen. Eifrig blätterte sie in dem dicken Buch und stöhnte laut auf, als ihre Augen an einem langen Spruch hängen blieben, während Silver zurück aufs Bett sprang. Sie kuschelte sich an Yvettes Oberschenkel und die elfte Hexe las leise den Hexenspruch vor, den sie auserwählt hatte.
Luzifer ärgerte sich maßlos über das Getue von Santana. Sie grinste ihm dreckig ins Gesicht. Grollend deutete er mit der Hand auf sie, denn eine solche Unverschämtheit war ihm in seinem Audienzraum schon lange nicht mehr untergekommen. Diese Frechheit würde er niemals dulden. Seine Augen blitzten vor Zorn und er unterdrückte ein Knurren. Wie er erwartet hatte, beeindruckte das die Teufelin nicht, sondern sie grinste unbekümmert weiter und spielte mit ihrem feuerroten Haar, ohne ein Wort zu sagen. Dafür stieg Beelzebubs Nervosität, als er wie auf der Flucht hin und her lief und stammelte: »Äh ja, wir haben Erfahrung ... mit dieser Hexenbrut ...«
»Das weiß ich! Deshalb verlange ich Auskunft darüber, wie wir den weißen Hexengesindel endgültig den Garaus machen, und hör auf mit dem dummen Gestotter, Beelzebub! Ich will Ergebnisse und keine Hinhaltetaktik!«, brüllte Luzifer und beobachtete im Spiegel, wie sich das Gesicht seines Untergebenen vor lauter Panik veränderte. Angesäuert sprang der Höllenfürst auf den überraschten Beelzebub zu und packte ihn am Kragen. Auch Killer blieb nicht untätig und attackierte den Hüter der Hölle mit seinen Krallen, bis dieser mit schmerzverzerrtem Gesicht aufstöhnte. Der König der Hölle ließ Beelzebub los und schmetterte ihn mit voller Wucht gegen seinen Schreibtisch. Der Hüter der Hölle verlor das Gleichgewicht, rutschte aus, landete auf dem Boden und blickte auf Leon, der sich mit den vier Teufelchen verängstigt unter dem Schreibtisch verkrochen hatte.
Die Teufelchen lösten sich quietschend von Leon, krochen hervor, näherten sich Beelzebub und sprangen ihm ins Gesicht, wo sie so lange herumhüpften, bis er seinen Kopf heftig schüttelte, so dass sie wie Fallobst herunterplumpsten. Sobald die Teufelsbrut auf dem Boden landete, machte Killer Jagd auf sie und packte einen am Ringelschwänzchen. Ehe der sich versah, riss der Kater sein Maul auf und verschlang ihn mit Haut und Haaren. Die verbliebenen Teufelchen kreischten schrill, flüchteten wieder unter den Schreibtisch und suchten Schutz hinter Leon.
Luzifer lachte über Killers Jagd auf die Teufelsbrut, die sich wieder unter dem Schreibtisch verkrochen hatte, und wie er mit den Tatzen nach ihnen schlug, sie aber nicht erwischte, weil Leon ihm in die Quere kam. Die Ablenkung ließ seine Wut abebben und er wandte sich Santana zu: »Bekomme ich endlich eine vernünftige Antwort ... wenigstens von dir, oder provozierst du mich weiter mit deinem blöden Grinsen? Meine Geduld ist am Ende, sonst schicke ich dich direkt in die Grotte der Qualen!«
»Mein Gebieter, ich habe die Hexen seit Jahrhunderten durchschaut und weiß, wie sie ticken, um sie zu benutzen und für immer zu vernichten. Seitdem fressen sie mir aus der Hand. Durch meine Verbündete, die Hexe der Unterwelt, kenne ich jedes Versteck und jedes Geheimnis dieser weißen Zunft.«
»Es geht vor allem um die neue, junge elfte Hexe!«
»Mit diesem kleinen Hexlein wird es sicher nicht anders sein, Gebieter.«
»Wahrscheinlich nicht! Wie willst du sie denn kriegen? Stell mich endlich zufrieden, sonst geht es dir wie dieser verdammten Versagerin!«
Santana nickte und antwortete: »Ja, ich werde in die Menschenwelt eindringen und mich in ihr Vertrauen schleichen, so wie ich es damals bei ihrer Hexenschwester getan habe. Ich werde sie so beeinflussen, dass sie nicht merkt, was mit ihr geschieht. Ich werde ihr ihre Seele entreißen und sie euch zum Geschenk machen.«
Der König der Hölle knurrte, als sie wieder grinste, riss sich zusammen und fragte mit gespielt gut gelaunter Stimme: »Wenn dir das gelingt, was verlangst du als Lohn?« Dabei trat er auf sie zu und streichelte ihr über das feuerrote Haar, als wäre sie ein Hundewelpe.
Sie flüsterte nur: »Macht.«
»Das dachte ich mir, du hinterhältige Schlange!«, zischte er, und wieder glühten seine Augen wie Kohlen.
»Ich kann es lassen, mein Gebieter, und Sie gehen persönlich in die Menschenwelt.« Statt zu antworten, nickte er mürrisch, und seine Mundwinkel zuckten, um seine Beherrschung wiederzuerlangen. Um sich abzulenken, ging er zum Schreibtisch, umrundete ihn und warf vorsichtshalber einen Blick in den Spiegel, um Santana im Auge zu behalten. Als sie nicht reagierte, drehte er sich um, öffnete die oberste Schublade und zog ein schwarzes, langes, durchsichtiges Tuch heraus. Er wedelte damit auf und ab, bis ein seltsamer Gesang ertönte, der an einen Chor erinnerte. Killer beäugte Leon nicht weiter, sondern änderte die Richtung und tappte auf Santana zu. Vor ihr blieb er stehen und schmiegte sich an ihre Beine.
Auch Luzifer blieb nicht hinter dem Schreibtisch stehen, sondern ging wie im Zeitraffer auf sie zu. Als er sie erreicht hatte, schwang er das Tuch um ihren schlanken Körper. Durch den Körperkontakt wurde es immer größer, bis es sie wie eine zweite Haut umschloss. Schlagartig wurde der Gesang intensiver und ohrenbetäubend laut. Fassungslosigkeit huschte über Santanas Gesicht, als sich die schwarze Masse aus dem Tuch löste und ungehindert in ihren Körper eindrang. »Ich brenne innerlich!«, schrie sie mit weit aufgerissenen Augen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht krallte sie sich die Fingernägel in die Unterschenkel und schnappte nach Sauerstoff, weil ihr für Sekunden die Luft wegblieb. Unverkennbar bildeten sich Schweißperlen auf ihrer Stirn und ihre Körperbehaarung richtete sich kerzengerade auf. Das ließ den König der Hölle vor Freude schmunzeln, denn die neue Teufelsmacht hatte von ihr Besitz ergriffen und würde sie für immer beherrschen und versklaven. Ein Entkommen war unmöglich, ehe würde sie sie zerstören.
Sie konnte sich kaum auf den Beinen halten und wippte wie ein Stehaufmännchen auf und ab. Dieses Schauspiel dauerte so lange, bis Luzifer das Tuch mit einer winkenden Handgestik nach oben zurückbeorderte. Wie auf Kommando verstummte der Gesang. Das Tuch gab ihren Körper frei. Es löste sich, flog auf Luzifer zu, wo es sich um seinen linken Arm schlängelte, während er augenzwinkernd sagte: »Ich hoffe, die neue Teufelsmacht gefällt dir! Probiere sie aus!« Wie von Sinnen schlug er ihr auf die Schulter. Normalerweise hätte der heftige Schlag sie von den Füßen gerissen. Aber nichts geschah. Sie verzog keine Miene und bewegte sich keinen Millimeter. Luzifer bewies ihr, dass er sie nicht wie sonst verletzen konnte. Killer schnurrte, tapste zwischen ihren Beinen hindurch und blieb hinter ihr stehen.
»Bedeutet das etwa, ich bin unbesiegbar?«, fragte sie und starrte den Höllenfürsten an. Der nickte, deutete auf den geschockten Beelzebub und rief: »Hey, greif sie an!«
Mit panischem Gesichtsausdruck schüttelte der Hüter der Hölle den Kopf, war wie gelähmt, als Luzifer ihn hochriss und mit purer Gewalt auf Santana zustieß. Er prallte ab wie ein Flummi und flog quer durch den Audienzraum. Mit einem lauten Krachen landete er an der gegenüberliegenden Wand, stieß sich den Kopf, rutschte ab und blieb mit versteinerter Miene regungslos sitzen.
»Reicht dir das als Antwort?« Santana grinste und Freude blitzte in ihren Augen auf. »Das ist gut! Wenn du es schaffst, mir diese kleine weiße Hexenseele zu beschaffen, dann werde ich dich zu meiner Anvertrauten auserkoren. Natürlich werde ich dir viel, viel mehr Macht und Einfluss über die Hölle schenken, als du dir in deinen kühnsten Träumen vorstellen kannst. Killer kannst du dann selbstverständlich als dein Eigentum betrachten.« Aber er dachte: Von wegen mehr Macht! Wenn du die Drecksarbeit für mich erledigt hast, wirst du dein jetziges Dasein neu erfahren. Warte ab, was dir droht! Ich habe eine wunderbare Idee, wie du dein Leben fristen wirst. Nicht umsonst bist du mein Lieblingsspielzeug! »Vorschläge?«, murmelte er und betrachtete sie mit gierigen Augen.
Santana warf ihm einen leidenschaftlichen Blick zu und strich mit den Händen über ihren Körper. Augenblicklich verschwand ihr durchsichtiges, dunkelrotes Negligé. Stattdessen trug sie ein dunkelblaues Businesskostüm mit weißer Bluse. Besonders auffällig war ihre goldene, eckige Brille, die ihre Augen extrem betonte. Nur ihre schwarzen Ballerinas schimmerten wie Sternschnuppen. Ihr feuerrotes Haar hatte sie hochgesteckt, nur links und rechts fielen ihr zwei Strähnen ins Gesicht und verdeckten geschickt ihre Teufelshörner.
»Was soll das werden?«, fragte Luzifer mit hochgezogenen Augenbrauen und musterte sie von oben bis unten.
»Ich muss mich anpassen, damit das Hexlein mich nicht durchschaut. Ich werde mich als ihre neue Chemielehrerin und als Hexe des Wissens ausgeben. Das wird ihr das Misstrauen nehmen und ich kann mich leicht in ihr Vertrauen schleichen. Durch die neu verliehene Teufelsmacht verfüge ich über genaues Wissen über das kleine Hexlein und ihr Umfeld. So kann ich beruhigt agieren, um sie zu überlisten!«
»Fabelhaft!«, lobte Luzifer und grinste wie ein Honigkuchenpferd, während Santana zu lachen begann. Vielleicht über ihre eigene Genialität oder über ihre Dummheit, mutmaßte er und ging von letzterem aus.
»Los, ab mit dir in die Menschenwelt, Santana! Beelzebub, du gehst mit ihr und suchst die Gewitterhexe. Ich bin sicher, sie hat sich dort verkrochen, um meinem Zorn zu entgehen. Du weißt ja, ich verstehe keinen Spaß beim Versagen! Schließlich habe ich noch ein Hühnchen mit ihr zu rupfen! Du Faulpelz, oder soll ich dir Beine machen? Na los, steh endlich auf, du Faultier Schlafen kannst du später genug!«
Als der Hüter der Hölle nicht reagierte, trat der Höllenlord nach ihm und erwischte ihn am Oberschenkel. Durch den Schmerz berappelte er sich, stöhnte und stolperte auf Santana zu. Sie griff nach seinem Arm und zerrte ihn hektisch aus Luzifers Audienzraum, ungefragt begleitet von Killer, der mit erhobenem Schwanz hinter ihnen her tapste.
Als der Höllenfürst das sah, brach er in schallendes Gelächter aus und vergaß Leon, der mit den anderen Teufelchen unter seinem Schreibtisch hockte, bis er die roten Kerle schnattern hörte.
»Leon, komm her und versteck dich nicht wie ein Feigling unter meinem Schreibtisch! Ich möchte, dass du die beiden im Auge behältst, damit sie keinen Blödsinn in der Menschenwelt verzapfen.«
»Äh ja?«, zögerte er, kroch hervor und kratzte sich am Kinn. »Leider kann ich durch Kunigundes Schuld die Menschenwelt nicht betreten.«
»Ach, du Trottel, lass dir verdammt noch mal etwas einfallen, wie du das umgehen kannst. Nimm die Teufelchen mit, die wissen bestimmt einen Ausweg.«
Leon zuckte mit den Schultern und fragte zähneknirschend: »Sind die nicht zu dumm dafür?«
»Willst du mich beleidigen? Tu, was ich sage, oder du landest bei deiner Herrin in der Grotte der Illusionen.«
Diese Drohung überzeugte Leon. Mit panischen Augen bückte er sich und streckte seine Hände nach den Teufelchen unter dem Schreibtisch aus. Er brauchte sie nicht zu fangen, denn sie griffen schnatternd an und verbissen sich in seinen Händen. Leon schrie auf und erntete einen missbilligenden Blick von Luzifer, der ihm mit einem Kopfnicken zu verstehen gab, den Audienzraum zu verlassen. Der Diener biss sich auf die Unterlippe und rannte hinaus, während Luzifer ihm nachrief: "Wehe, du enttäuschst mich, dann landest du in der Grotte der Qualen!«
Nachdem Leon und die Teufelchen ihn verlassen hatten, ging er siegessicher zu seinem Schreibtisch und ließ sich in den bequemen Chefsessel fallen. Knurrend wickelte er sich das schwarze Tuch vom Arm, faltete es zusammen, öffnete die Schublade, legte es hinein und schloss sie Wie ein Geistesblitz kam ihm Yvettes Seele in den Sinn, mit der er in Zukunft viel vorhatte. Kein Wunder, dass das seine Fantasie beflügelte. Er grinste schelmisch, während seine Augen Feuer sprühten.
Zum Glück ging der Heimflug aus der Menschenwelt problemlos mit Lichtgeschwindigkeit an den Sternen und dem blauen Regenbogen vorbei. Es dauerte nur fünf Minuten, bis der Hexenmeister und Waldemar endlich ihr Ziel erreicht hatten. Vor ihren Augen materialisierte sich der Thronsaal des Hexenreiches in seiner ganzen Pracht. Das Licht war gedämpft, wenn der Meister der Hexen nicht durch seine Anwesenheit glänzte. Erst wenn er auf der Bildfläche erschien, wurde es heller und heller und leuchtete wie der Abendstern.
Der Hexenmeister hielt immer noch fest die Hand des Jungen, der nach dem Sieg über die Gewitterhexe keinen Rabenkörper mehr hatte. In seiner Kleidung war er eine perfekte Kopie des Hexenanführers. Waldemar blieb stumm, während die beiden Ankömmlinge aufhörten, sich wie ein Kreisel zu drehen, sobald sie den Boden berührten. Auch der Schwindel verschwand wie ein Blatt im Wind, so dass nichts mehr an ihre Anreise erinnerte. Der Hexenmeister blickte zu Camilla hinüber, die mit einem dunkelblauen Staubwedel hantierte und den Thron sorgfältig abstaubte. Als sie die beiden Neuankömmlinge bemerkte, zuckte sie wie vom Blitz getroffen zusammen. Der Staubwedel entglitt ihr in hohem Bogen, flog kreuz und quer durch die Luft und landete krachend mitten im Thronsaal. Camillas Mund und Augen weiteten sich, aber kein Wort kam über ihre Lippen.
Das zauberte ein Schmunzeln auf das Gesicht des Hexenmeisters und er wandte sich amüsiert an die Hexe des Westens: »Hallo Camilla, ich wollte dich weder von deiner Arbeit abhalten noch erschrecken. Aber wenn du schon hier bist, rufe sofort den Hexenzirkel zusammen! Es gibt Neuigkeiten. Außerdem müssen wir uns gemeinsam um Waldemar kümmern.«
Sie nickte mit offenem Mund und schaute von einem zum anderen. Als er keine Antwort von ihr bekam, deutete er auf den Ausgang des Thronsaals. Mit schleppenden Schritten ging sie dorthin, ohne sich um ihren Staubwedel zu kümmern, der seine Bedeutung verloren hatte. Er ließ sich nicht beirren, richtete sich auf und marschierte auf den Thron zu, wo er weiter Staub wischte. Camilla beschleunigte ihren Schritt, als sie hörte, wie sich der Hexenmeister räusperte, und rannte hinaus.
Währenddessen zog er Waldemar zum Thron und flüsterte: »Mein Sohn, erinnerst du dich? Oder hat die Hexe der Unterwelt auch dein Gedächtnis gelöscht?« Der Junge mit den fuchsroten Haaren schwieg beharrlich und machte keine Anstalten, in irgendeiner Weise zu reagieren. Das missfiel dem Hexenmeister. Mit einer gezielten Handbewegung verscheuchte er den Staubwedel, der entsetzt hinter dem Thron Schutz suchte. Resigniert ließ sich der Meister der Hexen auf die zwölf Kissen fallen, ohne Waldemars Hand loszulassen, und zog ihn auf seinen Schoß. Auch das konnte die Starre des Jungen nicht lösen. Das trieb ihm Sorgenfalten auf die Stirn und er wartete ungeduldig auf die Hexengesellschaft.
Seine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, bis Camilla mit all den Hexenschwestern den Thronsaal betrat. Erleichtert stieß er die Luft aus der Nase und seine Augen ruhten auf seinem treuen Gefolge. Die Überraschung stand allen ins Gesicht geschrieben. Geduldig warteten sie darauf, dass er sie ansprach, denn das gehörte zu den guten Hexenmanieren.
»Endlich, Schwestern, seid Ihr da! Wie Ihr seht, habe ich einen besonderen Gast mitgebracht. Ihr erinnert euch sicher an Waldemar, meinen einzigen Sohn!«
»Er wird nicht mehr vermisst?«, entfuhr es der Hexe des Feuers, die sich beherrschte, keine Flammen zu spucken, während sie die Hände hob und sich den Mund zuhielt, damit sich der Thronsaal nicht noch entzündete.
»Zum Glück ist er wieder bei uns!«, rief die Hexe des Südens mit erleichterter Stimme, zupfte nervös an ihrem Bassröckchen und seufzte.
»Ja«, antwortete der Hexenmeister und blickte auf seine Gefolgschaft, die vor Aufregung kaum stillstehen konnte und um ihn herum stiefelte. Nur die Hexe des Himmels berührte Waldemar versehentlich mit dem Ellenbogen. Aber auch das konnte ihn nicht aus seiner Starre befreien.
»Endlich eine gute Nachricht«, antwortete Camilla und lenkte die Aufmerksamkeit auf sich. Sie trat näher an den Thron und strahlte Waldemar an wie eine Taschenlampe.
»Natürlich sind das gute Nachrichten, aber wie Ihr seht, ist er stumm wie ein Fisch und sagt kein einziges Wort. Außerdem spürt Ihr es sicher alle, dass wir ihn nach alter Hexentradition von der bösen Aura reinigen müssen, die ihn wie ein Dieb in der Nacht befallen hat. Sie haftet wie Pech an ihm, und er erkennt uns leider nicht wieder. Sein Gedächtnis ist beeinträchtigt und hält ihn zusätzlich in dieser schwarzmagischen Starre gefangen.« Resigniert stieß er einen tiefen Seufzer aus und strich seinem Sohn zärtlich über den Rücken. Doch der Junge reagierte nicht.
»Wir sollten ihn in unsere Mitte nehmen und einen Hexenkreis um ihn bilden«, schlug die Hexe des Wassers vor, raschelte mit ihrer Muschelkette und schlug mit ihrem Fischschwanz hin und her. Leider erwischte sie dabei die Hexe des Ostens, die aufstöhnte, sie empört musterte und mit ihrem Judogürtel drohte. Die schuldige Hexenschwester hob beschwichtigend die Hände und die Hexe des Ostens ließ den Judogürtel sinken.
»Das wird nicht ausreichen. Er braucht auch ein Bad im heiligen blauen Teich, den der Erzengel Michael geschaffen hat, um all den Schmutz des Bösen aus seinen Poren zu spülen. Aber Kunigunde ist nicht da, um ihn darauf vorzubereiten. Sie muss ihren bewährten Kräutertee aus blauen Rosenblättern zubereiten, um ihn Waldemar einzuflößen«, erinnerte Camilla alle Anwesenden und machte ein betrübtes Gesicht.
»Ja, genau, wir müssen handeln. Seine Reinigung wird nur funktionieren, wenn er freiwillig in den Engelsteich steigt«, wies die Hexe des Himmels eindringlich hin und weiße Schäfchenwolken schwebten über ihrem hellblauen Gewand.
»Sie ist im Haus von Yvette«, antwortete der Hexenmeister, strich sich übers Kinn, zupfte an seinem langen Spitzbart und legte die Stirn in Falten, während er in Gedanken ihre Rückkehr durch Silver befahl. Es dauerte nur eine Minute und die Kräuterhexe materialisierte sich im Thronsaal. Sie war überhaupt nicht überrascht, als sie auf den Hexenmeister zuging, ihren Schirm schloss und flüsterte: »Ab ins Bettchen mit dir und mach Heia!« Der Angesprochene hob ab und nahm Fahrt auf. Die Hexe des Windes in ihrem durchsichtigen Flattergewand zog blitzschnell den Kopf ein, sonst hätte er sie an der Stirn erwischt. Kichernd flog er mehrmals quer durch den Thronsaal bis zum Schirmständer, drang ein, rührte sich nicht mehr und sein Lachen verstummte. Doch der Staubwedel reagierte, schoss wie eine Rakete hinter dem Thron hervor und flog ohne Umwege direkt auf den Schirmständer zu, wo er sich unter die Hexenschirme schmuggelte, die ihn erwarteten und lachend in ihrer Mitte begrüßten. Kunigunde betrachtete das Spektakel, schüttelte den Kopf und sagte: »Kann Camilla ihr Gezumpel nicht besser im Zaum halten, dass dieser betrügerische Bursche sich selbstständig macht und die Schirme unterwandert?« Aber als sie den strengen Blick des Hexenmeisters registrierte, antwortete sie: »Ich habe genug blaue Rosenblätter in meiner Kräuterküche. Oder ich hexe den Tee gleich herbei und erspare mir die Zubereitung, wenn es euch recht ist, Sir Da es sich offensichtlich um einen Notfall handelt!«
Er nickte. »Du errätst wie immer meine Gedanken, fabelhaft!«, lobte er die Kräuterhexe. »Aber zuerst wollen wir uns mit Waldemar vereinen. Also lasst uns den Hexenkreis bilden, damit wir ihn wieder in unserer Runde begrüßen können, bevor er auf die Idee kommt, seine Rabengestalt anzunehmen und sie gegen uns zu verwenden oder wegzufliegen. Wer einmal die Kunst beherrscht, sich in einen Raben zu verwandeln, wird sie immer dann anwenden, wenn Gefahr droht. Es ist sehr wichtig, dass er weiß, zu wem er gehört. Das Böse darf ihn nie wieder befallen und missbrauchen.
Die Hexenschwestern zögerten nicht länger und bildeten den gewünschten Hexenkreis. Sie fassten sich an den Händen, um sich miteinander zu verbinden. Der Hexenmeister erhob sich rasch mit dem Jungen und zog ihn in den vorbereiteten Kreis. Camilla ergriff die freie Hand des Hexensohnes und der Hexe des Nordens mit ihrem Pelzmantel. Ihre freie Hand ergriff die des Hexenmeisters. Waldemar zuckte nicht einmal zusammen, als ihn die Hexe des Westens berührte. Er starrte stumm vor sich hin und schien noch immer in dieser fremden Welt gefangen zu sein.
Sobald der Hexenzirkel geschlossen war, begannen die Hexen mit ihrem hexenartigen Singsang. Dabei bewegten sie sich vor und zurück und hoben fünfzig Zentimeter vom Boden ab. Wie auf Kommando strömte ein blaues Licht aus ihnen heraus und breitete sich ringförmig aus. Es steuerte nur auf den Jungen zu und verband sich mit ihm, der daraufhin wie ein Zitteraal zuckte. Blaues, intensives Licht blitzte fünf Sekunden lang in seinen beiden Pupillen auf, die kindlichen Gesichtszüge entspannten sich und Leben kehrte in seine Augen zurück. Wie aus einem schrecklichen Albtraum erwacht, blickte er erstaunt von einem zum anderen. Auch die Starre schien seinen Körper endgültig verlassen zu haben, denn er streckte die Beine vor sich aus und bewegte sie hin und her, als wären sie eingeschlafen. Wie auf Kommando erlosch das blaue Licht, das ihn umgab, und die Umgebung nahm wieder ihre gewohnte Helligkeit an. Dann schwebte die ganze Hexengesellschaft zu Boden.
»Waldemar!«, rief der Hexenmeister freudig und ein Lächeln umspielte seinen Mund. Er drückte die Hand seines Sohnes. »Ich bin froh, dass es dir gut geht!«
»Wer sind Sie? Ich kenne keinen von Ihnen. Wo bin ich hier? Was ist das für ein seltsamer Ort?«
»Diese Biest hat sein Gedächtnis gelöscht!«, schimpfte Camilla und ballte eine Faust Richtung Boden. »Wenn ich sie noch einmal in die Finger kriege, hexe ich sie in eine Schnecke und werfe sie ins Maisfeld!«
»Kein Problem, das kriegen wir wieder hin«, antwortete Kunigunde ruhig und kniff ihr ein Auge zu.
Das erschreckte Waldemar. Er riss sich los, rannte zum Thron und versteckte sich dahinter. Dieses Verhalten schockte die Hexengesellschaft. In ihren Gesichtern stand reines Bedauern. Der Hexenmeister behielt die Nerven und ging wie im Zeitraffer auf seinen Sohn zu, der hinter dem Thron kauerte. Sein Verhalten erinnerte ihn an ein verängstigtes Tier, das in die Enge getrieben wurde. Langsam beugte er sich hinunter, packte Waldemar an den Schultern, zog ihn hoch und schloss ihn sanft in seine Arme. »Keine Panik, hier bist du sicher. Die Hexe der Unterwelt wird dir nie wieder etwas antun können, das verspreche ich dir! Dein Leben als Rabe ist vorbei. Du musst dich nur erinnern.« Die sanfte Stimme des Hexenmeisters beruhigte den Jungen. Er leistete keinen Widerstand, blickte ängstlich in die Runde und klammerte sich an seinen Vater, als wäre er sein rettender Anker.
Camilla stieß Kunigunde mit dem Ellenbogen in die Seite, und die Kräuterhexe machte einen Satz nach vorn. Statt sich zu beschweren, hexte sie leise ihren Rosenblütentee herbei. Er dampfte stark und duftete herrlich nach den dazugehörigen Blüten. Damit näherte sie sich geschwind dem Jungen, der wortlos den Kopf schüttelte, abwehrend die Hand vorstreckte und wild damit wedelte. Der Hexenmeister kämpfte gegen diese Abwehr an und flüsterte: »Trink, mein Sohn, das wird dir helfen. Es wird deine Furcht für immer vertreiben und dir die Erinnerung an deine Vergangenheit zurückbringen.« Vorsichtshalber ließ er seinen Sohn aus der Umarmung los, um ihm zu beweisen, dass er ein freier Hexenjunge war. Das überzeugte Waldemar und er griff nach der bläulichen Teetasse mit dem Blumenmuster. Langsam führte er die Tasse zum Mund, roch daran und nahm einen winzigen Schluck. Der Tee war zu heiß, er verbrühte sich die Zungenspitze. Er pustete mehrmals, bevor er den nächsten Schluck trank.
»Trink aus!«, forderte der Hexenmeister und beäugte seinen Sohn, bis er die Tasse geleert hatte. Kunigunde nahm sie ihm behutsam aus der Hand, während er sie prüfend musterte. Um ihn zu beruhigen, sprach sie ihn noch einmal leise an: »Erinnerst du dich jetzt?« Wie vom Blitz getroffen kehrte die Farbe in sein Gesicht zurück, er nickte und antwortete: »Du bist Kunigunde, die Kräuterhexe, die einmal ein Frosch war.«
»Ich wusste, dass es klappt!«, rief sie überglücklich und wollte ihn ebenfalls umarmen. Kopfschüttelnd wich er zurück, blickte den Hexenmeister an und murmelte: »Vater, ich hätte auf dich hören sollen! Du hattest mit allem Recht! Die Hexe der Unterwelt hat mich benutzt, mich aufgehetzt, mein Vertrauen missbraucht und mich mit ihren Hexensprüchen hereingelegt!«.
»Diese hinterhältige Schlange!«, entfuhr es Camilla und sie kämpfte mit den Tränen. Als Kunigunde das sah, legte sie ihr die Hand auf die Schulter und flüsterte: »Du brauchst dich deiner Tränen nicht zu schämen. Mir geht es genauso.« Die Hexe des Westens warf ihr einen dankbaren Blick zu. »Diese Verräterin hat ihre Strafe erhalten und wird niemandem mehr schaden können!«, rief der Hexenmeister und alle Hexenschwestern nickten zustimmend.
»Wir haben sie alle zusammen in die Hölle geschickt, wo sie Luzifer bis zum Umfallen nerven kann. Aber wie ich den Bösewicht kenne, wird er sie seinerseits für ihr Versagen gegen uns bestrafen«, antwortete Kunigunde und lächelte den Jungen weiter an. Diese positive Information zauberte Waldemar ein Lächeln auf die Lippen.
»Genug geredet!«, mischte sich der Hexenmeister unwirsch ein. »Mein Sohn, wo dein Gedächtnis wieder da ist, bleibt uns nur noch eines zu tun!«
»Was denn?«, fragten alle Hexenschwestern wie aus einem Munde, nur Waldemar zuckte mit den Schultern. Anstatt dass der Hexenmeister antwortete, mischte sich Kunigunde ein: »Ja, genau, die Reinigung im blauen Wasserteich, damit ihn die schwarze Magie nicht beeinflusst und Luzifer oder ein anderer Bösewicht Macht über Waldemar ausüben kann, nicht wahr, Sir?«