Zorro, der Mops (Band 1) - Abenteuer im Bammelwald - Katharina Bendixen - E-Book

Zorro, der Mops (Band 1) - Abenteuer im Bammelwald E-Book

Katharina Bendixen

4,5

Beschreibung

Zorro, der Mops führt ein beschauliches Leben in Bummelhausen. Dabei würde er so gern spannende Abenteuer erleben und ein großer Held sein! Also macht er sich fleißig auf die Suche nach Rätseln und Geheimnissen – schließlich kann unter jeder Kiefernnadel das größte Abenteuer warten! Und dann passiert wirklich etwas: Aus dem Dorf verschwinden die Lieblingsgegenstände seiner Freunde und schließlich auch Zorros goldener Fressnapf. Für den kleinen Mops steht fest, dass er die Diebe fassen wird! Doch so einfach, wie er sich das vorgestellt hat, ist es dann doch nicht ... Ein tierisches Abenteuer zum Vorlesen und ersten Selberlesen ab 6 Jahren mit einem tollpatschigen und liebenswerten Helden, der seinem großen Namen alle Ehre machen will.

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1. Ein Mops fliegt durch die Luft

Es war ein besonders warmer Sommertag. An den Brombeersträuchern hingen dicke schwarze Brombeeren und an den Himbeersträuchern hingen dicke rote Himbeeren. Die Luft roch nach Sonne, See und Gänseblümchen, ein Specht tockte gegen eine Eiche und ein Mops flog durch die Luft.

Moment mal.

Ein Mops flog durch die Luft? Ein Mops konnte nicht fliegen, oder? War dieser Mops etwa ein Superheld? Oder ein Flughund? Nein, Flughunde, das waren doch diese geheimnisvollen Flatterwesen, die tagsüber niemals ihre Höhlen verließen. Flughunde waren so etwas Ähnliches wie Fledermäuse. Und ein Mops war eindeutig keine Fledermaus.

„Jippie!“, schallte es so laut durch den Wald, dass drei Himbeeren auf den Waldboden fielen. „Ich fliege!“

Plötzlich rumpelte und knackte und knirschte es. In der Krone einer hohen Kiefer hatte der Mopsflug ein jähes Ende gefunden. Von Ast zu Ast purzelte der Mops nach unten und landete auf einem weichen Kissen aus Moos.

Für ein paar Sekunden rührten sich nicht einmal seine kleinen Ohren. Dann hob der Mops ganz langsam seine linke Vorderpfote und rieb sich damit über den Kopf, den Bauch und die Hinterpfoten.

„Glück gehabt, alles noch dran“, murmelte er und klaubte sich ein paar Kiefernnadeln aus dem Fell. „Was hat Hamsterine da nur gemacht? Ist ihr vielleicht die Hitze zu Kopf gestiegen?“

Hamsterine – oder Professorin Hamsterine, wie sich seine beste Freundin nannte – erfand fast jeden Tag einen neuen Apparat und meistens stellte sich der Mops als Versuchsmops zur Verfügung. Nur allzu gern erinnerte er sich an die unglaublichen Träume, die er im Träumofon gehabt hatte. Oder an die leckeren Beerenshakes, die der Shakeomat ausgespuckt hatte. Diesmal aber war etwas schiefgegangen. Am Vormittag hatte Hamsterine ein Katapult erfunden, extra für diesen warmen Junitag. Das Katapult sollte den Mops direkt in den Sommersee katapultieren. Allerdings planschte er jetzt nicht im kühlen Wasser, sondern befand sich –

Ja, wo befand er sich eigentlich? War das überhaupt noch der Bummelwald? Im Bummelwald wuchsen schlanke Birken und süße Beeren. Hier war von Birken und Beeren jedoch weit und breit nichts zu sehen. Stattdessen gab es nur knorrige Kiefern und stachelige Disteln. Und Disteln, das wusste der Mops genau – Disteln wuchsen nur im Bammelwald.

Augenblicklich bekam der Mops Bammel. Bernhardinowitsch warnte jeden vor dem Bammelwald und der alte Bernhardiner musste es wissen. Von allen Tieren lebte er am längsten in Bummelhausen. Seit zweihundert Jahren stand seine Hundehütte am Breiten Weg. Oder vielleicht waren es auch erst zwanzig. Jedenfalls wusste Bernhardinowitsch, dass man den Bammelwald nicht betreten sollte – schon gar nicht allein. Seit Kurzem wurde nämlich gemunkelt, dass inmitten der Kiefern und Disteln ein Ungeheuer hauste. Obwohl sich niemand in den Bammelwald wagte, behaupteten fast alle Tiere, das Ungeheuer schon gesehen zu haben. Angeblich hatte es struppiges graues Fell und lange Klauen und riesige schwarze Augen und vor allem sehr, sehr viele Köpfe.

Und das da hinten, was war das? Von einer Ruine hatte Bernhardinowitsch nichts erzählt. War das vielleicht die Höhle des vielköpfigen Ungeheuers? Vor lauter Neugier vergaß der Mops seinen Bammel. Vorsichtig setzte er seine Pfoten zwischen die stacheligen Disteln.

Von Nahem sah das Gebäude traurig aus. Es war hoch wie die Kiefern und breit wie der Sommersee und alles in allem so riesig, dass wahrscheinlich mehrere Ungeheuer hineingepasst hätten. Über die Jahre hatten Regen und Wind an den Ziegelmauern gearbeitet. Eine Wand war eingestürzt und durch eine weiße Plane ersetzt worden, die anderen Wände waren rissig und grau. Dort, wo früher Fenster gewesen waren, klafften nun Löcher und durch diese Löcher konnte der Mops ins Innere sehen. Das ganze Gebäude schien aus einem einzigen Raum zu bestehen. Von der Decke hingen riesige Haken und durch die Halle führten ellenlange Förderbänder. War das vielleicht eine alte Fabrik, in der man früher die Tiefseetauchbrillen hergestellt hatte, mit denen Olof Ochsenfrosch und seine Kaulquappenkinder bis zum Grund des Sommersees tauchten? Oder hatte man hier den Bummelwalder Boten gedruckt, den Herr Igel abonniert hatte? Und jetzt legte das Ungeheuer nachts seine vielen Köpfe in die Haken, damit sie sich beim Schlafen nicht verhedderten?

Auf einmal huschte über eines der Förderbänder ein Schatten. Schnell duckte sich der Mops.

„Vielleicht sollte ich für heute lieber verschwinden“, murmelte er. „Ich habe sowieso meinen Degen nicht dabei und ohne seinen Degen sollte kein Mops ein vielköpfiges Ungeheuer herausfordern. Ich komme einfach morgen wieder und dann geht es dem Ungeheuer an den Kragen.“

Der Mops hob die Nase. Im Süden roch es nach noch mehr Kiefern und im Westen nach der Schnellen Straße. Nordöstlich aber roch es nach dem geheimen Himbeerstrauch, nach dem Bummelbach und nach Hamsterines Hamsterbau. Nordöstlich lag Bummelhausen mit dem Breiten Weg und dem Schmalen Weg, der zum Bummelbachsteg führte, mit dem Hausboot von Olof Ochsenfrosch und dem Schilfnest von Berta, der Biberratte, mit dem Dachsbau von Leif Streif und den vielen Kaninchenlöchern von Karl Karnickel, mit dem Bienenstock des Bienenschwarms und den Hügeln der Ameisen, die bei schlechtem Wetter beinahe an den Wolken kratzten.

Der Mops schob sich über den Waldboden. Erst als er von der alten Fabrik weit genug entfernt war, streckte er seine kurzen Beine wieder durch und trabte los. Dieser Bammelwald war wirklich riesig! Bald lief ihm der Schweiß aus den Stirnfalten und sein Hecheln übertönte locker den tockenden Specht. Dort, wo der Bammelwald in den Bummelwald überging, wurde dem Mops die Luft knapp. Erschöpft legte er unter einem Brombeerstrauch eine kurze Pause ein. Die hatte er sich nach diesem unfreiwilligen Ausflug redlich verdient.

Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als der Mops Bummelhausen erreichte. Während er den Breiten Weg entlanglief, machte er ein argloses Gesicht. Die Dorfbewohner mussten ihm ja nicht gleich ansehen, dass er beinahe einem vielköpfigen Ungeheuer begegnet war! Aber die meisten Tiere hielten sich heute im Wald auf. An sonnigen Tagen wie diesem unternahmen sie gemeinsam einen Ausflug zur großen Lichtung, veranstalteten ein Picknick am Sommersee oder streckten einfach im Schatten einer Bummelwaldbirke ihre vier Pfoten oder tausend Füße von sich. Um den Hausputz oder die Wintervorräte kümmerten sie sich lieber an kühleren Tagen. Nur aus Bernhardinowitschs Hundehütte hörte der Mops ein dröhnendes Schnarchen. Bernhardinowitsch war so alt, dass ihm der Sinn nicht mehr nach Ausflügen stand. Und aus Hamsterines Hamsterbau drang lautes Klirren und Scheppern. Die beste Freundin des Mopses wohnte dort, wo vom Breiten Weg der Schmale Weg abzweigte. Gleich gegenüber stand sein eigenes Häuschen. Es war dunkelblau und ein bisschen schief und über der Tür war ein Klangelschild befestigt – eines von Hamsterines verrückten Geschenken. Das Klangelschild bestand aus vielen Klangschalen, über denen der Name des Mopses prangte.

Der Mops konnte seinen Namen nicht sonderlich leiden. Deshalb kniff er immer die Augen zusammen, wenn er an seinem Häuschen vorbeikam. Aber eigentlich wusste er ja, was über dem Klangelschild stand: Zett. O. Er. Er. O.

Zorro! Das klang nach einem Helden, der jeden Tag ein Abenteuer erlebte. Dem Mops war jedoch in seinem ganzen Mopsleben noch kein Abenteuer über den Weg gelaufen. Zumindest kein richtiges. Aber er gab die Hoffnung nicht auf, dass er seinen Namen eines Tages zu Recht tragen würde.

2. Von echten und von falschen Abenteuern

Zorro, der Mops, stammte aus einer abenteuerlustigen Familie. Vor Jahren waren Zorros Eltern aus der großen Stadt nach Bummelhausen gezogen. Sie hatten Gerüchte über wilde Tiere gehört, die im Bummelwald hausten, und über ein Wassermonster, das im Bummelbach in einem tiefen Schlummerschlaf lag. Sie errichteten am Breiten Weg ein kleines blaues Häuschen und machten sich auf die Suche nach Gefahren. Auf wilde Tiere und Monster stießen sie dabei allerdings nicht. Einmal jedoch verirrte sich in den Bummelwald ein müder alter Bär, der mit allerlei Finten vertrieben werden musste, und ein andermal tauchten am Sommersee riesige Bagger auf, die Zorros Eltern in die Flucht schlugen.

Dann kamen Zorro und seine drei Schwestern Zena, Zita und Zusa zur Welt. Genau wie ihre Eltern hatten die vier Mopskinder beigefarbenes Fell, dunkelbraune Kulleraugen und drei Stirnfalten, und sie großzuziehen, war die meiste Zeit auch ziemlich abenteuerlich. Bevor sich die vier kleinen Möpse dem Bummelbach nähern durften, mussten sie erst einmal schwimmen lernen. Sie mussten lernen, dass die Gefährte auf der Straße schnell wie Blitze waren, dass im Bummelwald süße und saure Beeren wuchsen und dass selbst manche süße Beeren giftig waren. In einem Winter verirrten Zena, Zita und Zusa sich in einem Schneegestöber, und der kleine Zorro blieb einmal ganze vier Tage verschwunden, weil er in Leif Streifs Dachsbau feststeckte. Darin hatte es so wunderbar nach Apfelkompott gerochen!

Dann waren Zena, Zita, Zusa und Zorro groß genug, um ins Abenteuergeschäft einzusteigen. Nur – wo waren diese Abenteuer? Die Mopsfamilie bummelte durch den Bummelwald, schwamm im Bummelbach und tauchte im Sommersee. Aber während Zena, Zita, Zusa und Zorro aufgewachsen waren, waren die Abenteuer rund um Bummelhausen offenbar ausgegangen. Und die Abenteuer im Bammelwald waren für vier kleine Mopskinder doch etwas zu groß – und für ihre Mopseltern eigentlich auch.