1 Wartezeit - Alex Gfeller - E-Book

1 Wartezeit E-Book

Alex Gfeller

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Beschreibung

Dies ist genau das, was vorhanden ist, nämlich das, was ist, also genau das, was auch die beiden Rotarier sich immer wieder vorgestellt haben, und das ist in der Tat etwas Vorhandenes, etwas Voraussehbares und etwas Getriebenes.

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Seitenzahl: 86

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Die Wartezeit bis zum Abgang muss irgendwie herumgebracht werden, und sie muss ständig und von Neuem eingegeben, angegeben, ausgegeben, angereichert, aufgegeben, zertrampelt, verrührt, zerhackt und gleich anschließend sicher vernichtet werden, damit sichergegangen werden kann, dass sie nimmer auferstehen und wiederkehren möge, die vertrödelte Zeit, noch als Zombie wiederkäme und als Gespenst niederkomme, die Verruchte, denn es geht hierbei eindeutig um eine reine Zeitverschwendung und Zeitvernichtung in der ganzen Zeitenrechnung, und allein dies ist doch bereits irgendwie sündig oder sogar todsündig, nicht wahr? Frevelhaft zumindest? Verwerflich gar, oder wenigstens unanständig? Unangebracht ist sie auf jeden Fall, denn Zeiten dürfen sich eigentlich nie wiederholen. Nichts fürchtet ein moderner, aber mittelmäßiger Maschinist mehr als immerzu wiederkehrende Ereignisse gleich welcher Art, denn alle Ereignisse müssen umgehend einmalig und zudem selten und rar bleiben, sonst verlieren sie sofort ihren ursprünglichen Wert und ursächlichen Sinn, und wertlose Zeitzeugnisse gibt es geradezu massenhaft und trotzdem nicht wirklich, nie und nirgendwo wahrhaftig. Ist das nicht ergreifend? Ist das nicht erschütternd? Die Zeitzeugen wollen hier indes niemals von Phantomen sprechen, ebensowenig von Phänomenen oder Phantasien, ganz abgesehen von allen zertreuten Pharisäern, Philharmonikern, Photolysten und Phonematikern. Doch wie dem auch sei; es muss jetzt geschehen, was geschehen muss, und das ist in diesem Falle eindeutig ein weiterer Ermessensspielraum in allem Ekklatismus, zudem eine reine Ansichtssache und eine fiese Vorgabenveranlagungsursache dazu, vielleicht sogar eine Ernennungsurkundenbestätigungsvorsorge, allerdings eine der ganz besonderen Art, wenn diese Beifügung gestattet sei. Wer jetzt aber der Ansicht sein mag, dies alles sei nichts als ein einziges Rätsel oder sogar nur reiner Mist, vergisst, dass es gar keine Rätsel gibt, keine Denkspiele und keine Enigmen, die nicht immer in all ihrer Banalität und Plattitüde, allenfalls in all ihrer Perfidie aufgelöst werden könnten. Diese Mittelmäßigkeit muss vielleicht sogar in Kauf genommen werden, weil die nachgefragte Qualität so oder so immer darunter leidet. Doch ein Qualitätsverlust muss jederzeit in Betracht gezogen werden können; das ist wahrscheinlich sogar die derzeitige Menschheitsaufgabe in extremis, denn neulich lagen die beiden dickflüssigen Kontrollbeamten wach in ihren breiten Betten in ihren getrennten Schlafzimmern, und zwar eine geschlagene Nacht lang und wachen, offenen Auges, wie schon so oft zuvor in ihren Leben, und währenddessen strömten ganze Texturen in vollständig ausgebildeten Sätzen und von erlesener Eleganz durch ihre Köpfe, allesamt Sätze, die sie gleich auf den ersten Blick gar nicht übel fanden. Ja, sie waren sogar richtig stolz auf sie, wie sie da zügig und ungefragt in voller Länge hereinwebten und flott wieder hinausschwebten, als kämen sie nicht nur ausschließlich aus ihrer Küche, sondern von irgendwo her, vielleicht sogar aus dem All oder aus dem Fundus der widersprüchlichsten und absurdesten Gefühlslagen der Hemisphären, und nur deshalb mussten sie sich ernüchtert einreden, dass es wohl doch noch nicht ganz vorbei sei mit dem Schreiben, denn sie müssen nach wie vor einfach schreiben. In der Tat: Sie müssen immerzu aufschreiben; sie können gar nicht anders, das ist ihnen einfach so gegeben, und vielleicht ist das sogar ihr innerer Auftrag oder aber eine ganz schlimme Erkrankung der übelsten Sorte, unerklärbar, unkurierbar und unheilbar. Das Malen indes können sie ohne Weiteres jahrelang unterbrechen, ohne an dieser künstlichen Pause Schaden zu nehmen, ohne dass ihnen dabei allmählich unwohl würde wie beim Schreibstopp, denn bei den Texten ist das ganz anders. Sie laufen bei ihnen in roter Leuchtfarbe über den inneren Bildschirm, wie die aktuellen Börsenkurse über ein Laufband in Leuchtschrift an der Fassade einer erfolgreichen Bank, an einer sehr modernen Häuserfassade, und zwar beharrlich, ungefragt, also immerfort, pausenlos und ununterbrochen. Sie geben deutlich und klar über Gewinn und Verlust, über Bewegung oder über Stillstand, über Hingang oder Rückgang Auskunft, ohne dass sie diesen bemerkenswerten Vorgang eines inneren Vorgangs und Abgangs jemals steuern, anhalten oder gar beschleunigen und schon gar nicht zum Verschwinden bringen könnten. Wie ein endloser Fluss fließen die leuchtend roten, gelben und grünen Sätze zügig auf ihren inneren Breitbandbildschirmen vorbei und schwimmen endlos dahin in eine weite, dunstige Ferne hinaus, ziehen an ihnen lautlos vorüber und über sie hinweg und sinken allmählich weit in der Ferne dahin, und zwar allesamt gute Sätze, brauchbare Sätze zumal und robuste Sätze dazu, so dass sie sich sagen müssen, während sie auf dem Rücken im Bett liegen und darüber nachsinnen, ob sie sich wohl endlich wieder die Mühe machen müssten zu schreiben, dass sie sich somit die Zeit nehmen sollten aufzuschreiben, was in ihnen eigentlich ständig abgeht, und dass sie sich auch dieser Aufgabe zu stellen haben oder hätten, die sie somit wieder einmal gegen besseres Wissen, gegen alle Erkenntnisse und Erfahrungen und gegen jegliche Notwendigkeit unfreiwillig angefangen haben. Es gibt keinen einzigen Grund, dies zu tun oder nicht zu tun, aber es gibt auch keinen Anlass, diesen Drang zu unterdrücken oder aber sich ihm zu ergeben, sich ihm hinzugeben, sich ihm auszuliefern und ihn auszuleben, denn es ist mit dem Schreiben wie mit dem Brunzen: Der Drang ist da, die Pisse läuft, allerdings im Alter nur noch in stark reduzierter Form, denn die Blase leert sich nie mehr vollständig, vor allem nicht im Sitzen, aber auch nicht im Stehen, denn sie fühlen seit langem nichts Konkretes mehr unterhalb ihrer äquatorialen Gürtelzone und somit an den gefühllos gewordenen Schwanzspitzen; sie können also nicht sagen, so wie früher, ob etwas noch nicht läuft, ob etwas schon läuft, ob es immer noch läuft, oder ob es schon wieder nicht mehr läuft. Wenn sie es unbedingt wissen wollen, müssen sie sich die Brillen aufsetzen, müsen sich mühsam hinunterbücken und genau hinschauen, und sie müssen zudem ihre Kümmerlinge scharf im Auge behalten und abwarten, was sie sonst noch von sich geben, oder ob sie überhaupt noch etwas von sich geben, einen letzten Piepser vielleicht, einen letzten Seufzer oder ein letztes Stöhnen, was immer es sein mag, oder ob sie überhaupt noch etwas zu sagen haben dort unten, kurz gesagt, die dreckigen Lümmel, die beschissenen Wurmfortsätze, die lahmen Lurche, die toten Hechte machen keinen Wank mehr! Sie machen aus dieser Voraussetzung, was dort unten überhaupt noch möglich ist, mit viel schütteln, drücken und pressen, allerdings kein Theater mehr, und sie möchten sich nicht sagen lassen müssen, sie hätten etwas verpasst, sie kümmerten sich zu wenig darum oder hätten etwas in sich unterdrückt, was auch immer. Behüte! Dieser falsche und völlig unzutreffende Vorwurf wäre ihnen zudem sehr unangenehm, und er wäre auch völlig unangebracht, zumal er zunächst und vor allem ausdrücklich fehl am Platze wäre.

Sie wissen das seit langem, denn sie sind nun mal Schreibprofis, und sie kennen ihre unterschiedlichen Schreiblaunen längst haargenau und porentief klar wie unsichtbar. Dazu brauchen sie sich nichts mehr vorzumachen, und sie brauchen sich auch nicht mehr von dritter, völlig unberufener oder gar unbefugter Seite beeindrucken zu lassen, zum Beispiel von ärztlicher Seite – dies schon gar nicht mehr. Diese üblen und ätzenden Anfängerzeiten sind zum Glück definitiv vorbei, denn sie lassen sich längst nicht mehr dreinreden, von welcher Seite auch immer, ebenso wenig, wie sie sich überhaupt noch etwas sagen lassen würden, weil sie mittlerweile genau wissen, dass ihnen niemand mehr dreinreden darf und dreinreden kann oder dreinreden soll und dreinreden wird, auch kein Hausarzt. Es gibt einfach niemanden, der dazu geeignet oder gar befugt wäre. Nun ist es aber so, dass aus blankem Überlegen allein noch lange kein brauchbarer Text entstehen kann, denn jeder Text entsteht überhaupt erst mal auf dem Papier, bzw. auf dem Bildschirm, und nirgendwo sonst, erstaunlicherweise auch nicht im Kopf, und zwar in oft mühsamer Form und nur dort und nirgendwo sonst, zumal sie genau wissen, dass vor allem die schriftliche Form rein inhaltlich eine geistig und formal sehr reduzierte sprachliche Kunstform ist, formal zwar mehr oder weniger korrekt, aber eben insgesamt gesehen doch nur ein skizzenhafter Entwurf, flüchtig und gespickt mit vielen Lücken und Löchern und fadenscheinigen Stellen, und sonst nichts, eine dürre, abstrakte Konstruktion, ein entlaufener, verwirrter, verirrter und deutlich unterernährter Faun, ein unadressiertes Konvolut, ein durchaus gut gemeinter, doch eben wiederum nur abstrakter Versuch, einer sehr unbestimmten, aber harten Wirklichkeit Herr zu werden, mehr gewiss nicht, also nichts Konkretes, nichts wirklich Definitives, nichts Vereinzeltes oder Verbandeltes, nichts Detailliertes, nichts Ausgereiftes und vor allem nichts wirklich Endgültiges.

Aber auch das Nachdenken allein und an und für sich wird meist völlig überschätzt, denn nachdenken kann jeder Bodenwichser, und jeder Springinsfeld denkt immer genau so viel nach, wie er überhaupt nachdenken kann, genauso wie jeder Naseweis wenn er überhaupt nachdenken kann, der Naseweis, das steht längst fest. Nirgendwo wird übrigens so viel nachgedacht wie im Knast, und diese Erkenntnis sagt alles über das Wesen und die Qualität des Nachdenkens an sich aus. Verstehen Sie? Vergessen wir das also, und zwar schnell, denn nachdenken führt zu nichts, und wer dabei auch noch im Knast sitzt, bleibt dazu im Knast sitzen, das steht fest. Am Nachdenken kann es also nicht liegen; da muss schon mehr her, nämlich tätige Beihilfe, sofern das Beiprogramm überhaupt weiterhilft, und zwar auf irgendeine Weise, egal auf welche, oder zumindest auf jede denkbare Weise, sagen wir mal. Es entscheidet über Sein oder Nichtsein, und das hat es in sich, denn es geht auch hier gleich um Leben und Tod. Schnuder oder Choder. Geld oder Blut.

Dicke Wurstfinger oder schmale Pianistenhände. Da kann man im Haushalt jahrelang manisch Fussel aufklauben oder abwischen, wegsaugen oder einatmen, und trotzdem entstehen überall immer wieder neue Staubfussel ohne Zahl; man weiß nie, woher die überhaupt alle kommen, denn nichts im Raum besteht grundsätzlich aus Fusseln; der Rohstoff für eine nachhaltige Fusselbildung fehlt völlig,



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