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Antonia Michaelis

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Beschreibung

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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An unserem zweiten Tag wanderten wir zum ersten Mal über die Insel.

Es heißt im Reiseführer, man könnte in drei Stunden einmal ganz darum herumgehen.

Wer immer das geschrieben hat, wusste nicht, dass alle Felsspitzen fady sind, und es gibt eine Menge davon: Man kann gar nicht um die Insel herumgehen.

Aber es führt ein kleiner Weg hinter dem Strand am Ufer entlang, ein geheimer Pfad zwischen Hecken und blühenden Büschen, und von dort aus bogen wir irgendwann ins Inselinnere ab.

Da war ein altes Holzschild zu einer »épicerie«: Ein Bretterschuppen, an einem Ende ein Verkaufsfenster, hinter dem sich Kekspackungen und Windeln stapelten.

»Ins Dorf geht es da lang«, sagte der junge Verkäufer und zeigte auf ein kleines Feld.

»Aber da ist kein Weg«, sagte ich.

»Es muss kein Weg da sein, damit man das Ziel erreicht«, sagte er.

Also gingen wir um das Feld herum, und tatsächlich, dahinter gab es wieder einen Pfad. Eine Gruppe Kinder in blauen Schuluniformen kam uns entgegen, sie balancierten auf zwei langen, dünnen Palmenstämmen auf uns zu, die über eine Art Sumpf führten. Von ferne sahen die Kinder sehr adrett aus. Aber als sie näher gekommen waren, sah ich, dass die Kragen der Hemden ausgerissen und die Hosen mit Schnur geflickt waren. Die Kinder sagten alle einzeln »Bonjour«, als sie an uns vorübergingen.

Das letzte drehte sich um und fügte hinzu: »Bonbon?«

Da tat es mir leid, dass ich bei dem kleinen Laden keine Bonbons gekauft hatte.

»Sie haben also eine Schule auf der Insel«, sagte Elise. »Das ist schön.«

Ich stellte mir Fy vor. Als kleines Mädchen, in einer Schuluniform. Wie sie über den Stamm balancierte, zusammen mit ihrem Bruder, der fast genauso aussah wie sie. Und auf einmal war da in meiner Vorstellung noch ein Kind: ein blasses Mädchen mit strähnigem, hellrotem Haar, abstehenden Ohren und Sommersprossen. Es ging hinter Faly, die dünnen Arme ängstlich ausgebreitet, ich sah es straucheln, es würde fallen – da drehte er sich um und hielt das Kind fest. Es sah Faly an und lächelte schüchtern. Und er lächelte zurück.

Ich wollte etwas zu ihm sagen. Etwas darüber, wie sehr sein Name nach »Fady« klang, dem Verbotenen, Verfluchten, was man nicht tun durfte, und dass das doch seltsam war.

»Emma? Träumst du? Wollen wir nicht weitergehen?«

»Doch … doch.« Ich blinzelte, und das Bild war fort, die Palmstämme leer.

Und dann balancierten wir hinüber und wanderten weiter durch all das überschäumende Grün, zwischen Palmen und Papayabäumen, Bananenstauden, blühenden Wandelröschen und winzigen Feldern. Frauen kamen uns entgegen, Körbe oder Taschen auf dem Kopf, manche hatten Babys umgebunden wie Fy.

Aus einem einfachen Bretterschuppen ertönte Gesang, und hinter der offenen Tür wiegten sich die Menschen im Takt und sangen. Der Schuppen war eine Kirche.

»Eigentlich wäre es schön, wenn man an Gott glauben könnte«, sagte ich. »Man könnte einfach darauf vertrauen, dass er sich um alle Probleme kümmert.«

Elise seufzte. »Wir wissen zu viel.«

»Ja«, sagte ich. »Manchmal würde ich gerne alles vergessen. Den Urknall, die Evolution, die Existenz von Quantenphysik … Einfach leben und einfach denken, wie die Menschen hier. Sie müssen so glücklich sein, oder, Elise? Sie stehen auf, wenn die Sonne aufgeht, und arbeiten und essen und singen und gehen schlafen. Sie machen sich keine Sorgen um die Zukunft des Planeten, weil sie vielleicht nicht mal wissen, dass es ein Planet ist, auf dem ihre Felder liegen. Sie graben die Erde um und sehen das Leben wachsen und ernten ihren Reis.«

»Du kannst versuchen, einen Bauern zu heiraten und dich hier niederzulassen«, sagte Elise fröhlich. »Ich würde dich besuchen. Du kannst dir dein Kind auf den Rücken binden und ab und zu für Weihnachten ein Secondhand-Kleid kaufen …«

Tatsächlich, wir kamen an ein paar winzigen Bretterbuden vorbei, in denen gebrauchte Kleider zum Verkauf hingen, chinesischer Kunststoff in schreienden Farben. Neben den Buden kletterte ein kleiner Junge in einem Mangobaum herum.

»Elise«, sagte ich und schluckte. »Ein Kind auf dem Rücken? Ich werde nie –«

Aber sie war schon weitergegangen, auf einem Pfad durch die Reisfelder.

Sie weiß es nicht, dachte ich. Oder sie weiß es, nur weiß sie nicht, dass ich es weiß.

Wir werden nicht darüber reden. Dies hier ist ein Urlaub. Wir sind im Paradies.

Und dann waren wir in der Mitte der Insel, im Dorf: Bretterhütten und leuchtend bunt gestrichene kleine Steinhäuser.

Auf wackeligen Tischen an der Straße lagen winzige Tomaten, Kartoffeln und kleine dicke Gurken zum Verkauf.

Im Halbdunkel hinter einem quietschgelb gestrichenen Betongeländer schlief eine Katze neben einem Schild »Reis, Cola und Sopy«. Das Geländer sah aus wie der Rest einer Villa aus der französischen Kolonialzeit. Ich fand ein uraltes öffentliches Telefon und hob den Hörer ab.

»Und?«, fragte Elise. »Was hörst du?«

»Die Zeit«, sagte ich. Dann legte ich den Hörer sorgfältig auf. Damit nichts von der Zeit verloren ging. Man braucht sie, jede Minute. Wer wusste das besser als ich.

»Komm«, sagte Elise. »Da vorne ist ein Supermarkt.«

Und ich lachte, denn der Supermarkt war nichts als eine weitere Bretterhütte, in die man über eine wackelige Treppe gelangte. Dann stand man vor hohen, windschiefen Regalen und einer Reihe offener Säcke: Reis, Zucker, Mehl. Auf der Verkaufstheke gab es Gläser mit Bonbons, und in den Regalen stapelten sich Schulhefte, Tomatenmark, Batterien, Tabletten. Und eine Babypuppe. Nein. Es war ein Baby. Es schlief friedlich zwischen Tetrapacks und Zwiebeln.

»Es ist ungefähr so alt wie Onja«, flüsterte ich. »Weißt du, die Tochter von dem Mädchen aus der Lodge.«

Die junge Frau hinter der Theke sah mich seltsam an.

»Wohnen die beiden hier im Dorf?«, fragte ich, auf Französisch. »Fy und die kleine Onja?«

Sie schüttelte den Kopf. Zeigte. »Bei den Fischern, am Berg«, sagte sie in gebrochenem Französisch. »Nähe vom Leuchtturm.«

»Und Sie kennen sie?«

Wieder ein Kopfschütteln. »Es ist besser, sie nicht zu kennen.« Damit beugte sie sich über die Bonbons und begann, sie zu zählen.

»Hübsches Mädchen, Fy«, sagte jemand hinter mir, und ich fuhr herum. Ein Typ mit pockennarbigem Gesicht taumelte herein, hielt sich am Türrahmen fest, schwankte. »Sehr hübsch. Nicht von hier. Komische Geschichte, wie sie hergekommen ist. Aber hübsch! Fast so hübsch wie du.« Er sah mich an, zwei Vorderzähne in seinem Mund fehlten, er sprach sein holperiges Französisch darum herum, vernuschelte es. »Hey!«, sagte er plötzlich. »Weißt du, dass du gesucht wirst?«

»Was?«

»Hast du die Zettel nicht gesehen? Da ist auch einer!« Er zeigte hinter sich auf die Bretterwand, an die ein Zettel mit einer kleinen Zeichnung geheftet war: das schnell aufs Papier geworfene Gesicht eines Mädchens mit Sommersprossen, glattem strähnigem Haar und besorgten Augen. Elise pfiff durch die Zähne, was immer lustig ist; andere achtzigjährige Frauen pfeifen nicht durch die Zähne.

Und mir wurde heiß, heiß von der Nase bis in die Zehenspitzen.

Ich trat näher an den Zettel heran.

An das Mädchen, das Booten nachschwimmt.

Konnte dich nicht finden. Wollte noch mal mit dem Einbaum raus und vielleicht willst du mit? Ich habe einen Wal gesehen. Ruf mich an.

Darunter stand eine Nummer.

Mein Herz hüpfte. Ich fragte mich, ob es gut für das Herz war. »Luc«, murmelte ich.

»Ich wär heut Abend auch frei!«, nuschelte der Besoffene. »Falls du ’n Begleiter brauchst.«

Elise legte das Geld für die Bonbons auf die Theke, fegte sie in ihre Handtasche und riss den Zettel mit meinem Bild von der Wand. »Emma? Kommst du?«

Und dann tauchten wir auf der anderen Seite des Dorfes in die Schatten hoher alter Mangobäume, und dort im grünen Zwielicht, wo niemand uns beobachtete, setzte ich mich auf eine Wurzel und sah mir das Blatt Papier näher an, das Blatt Papier mit meinem Porträt.

Er war gut, dieser Luc, er konnte nicht nur sieben Bälle in der Luft halten und einen Einbaum zu einem Surfbrett umfunktionieren, er konnte auch zeichnen.

»Wale«, murmelte ich.

»Wale sehen … in einem Einbaum«, sagte Elise. »Ich weiß nicht, Emma. Sonst fahren sie da mit dem Motorboot raus. Die Wale sind … ziemlich weit weg vom Land.«

»Und?«, fragte ich. »Ich kann schwimmen, der Einbaum kann schwimmen, Luc kann schwimmen, die Wale können schwimmen. Wo ist das Problem?«

Elise hob hilflos die Hände – und sagte nichts.

Ich wählte die Nummer auf dem Blatt Papier. Mir war heiß. Es war keine Kopie, es gab keine Kopierer auf der Insel. Wenn er wirklich an mehreren Stellen Zettel aufgehängt hatte, musste er sie alle einzeln gezeichnet haben.

Das Telefon klingelte. Er ging nicht ran.

Die Hitze in mir wich einer kleinen schwarzen Enttäuschung.

»Dreh den Zettel mal um«, sagte Elise.

»Dreh den …?« Ich drehte.

Auf der anderen Seite befanden sich gedruckte Buchstaben. Der Zettel, den Luc benutzt hatte, war ein Reklameplakat.

»Fullmoon Party«, las ich. »Jeden Monat bei Vollmond im Pizzaboot, gegenüber der Île Sainte-Marie! Tanzt in eine wunderschöne Mondnacht und feiert mit uns die ewige Jugend! Sonderpreise für Bier und Pizza!«

»Das ist ungefähr da, wo dieser Weg hinführen müsste«, sagte Elise. »Auf der anderen Inselseite. Wir könnten da drüben eine Runde schwimmen und uns das Pizzaboot ansehen. Dann wissen wir heute Abend den Weg.«

Ich drehte den Zettel in meinen Händen, zögernd. »Ernsthaft? Du willst zu dieser Party?«

Da beugte sich Elise zu mir, sodass ihr Gesicht ganz nah an meinem war, ich sah die vielen winzigen Fältchen darin, ich sah ihre klaren blauen Augen.

»Er hat seine Nachricht nicht ohne Grund auf diesen Zettel geschrieben«, sagte sie leise. »Er wird da sein. Dein Walsucher.«

Ich merkte, wie ich rot wurde. »Vielleicht … Aber … Sie werden alle Bier trinken und rauchen und tanzen und … Ich war nie auf Partys. Ich werde am Rand sitzen und … anders sein.«

»Wer sagt das?«, flüsterte Elise. »Wer sagt, dass du nicht tanzen kannst? Dies ist die Mitte des Lebens. Lass es uns feiern. Die ewige Jugend.« Sie grinste. »Schau mich an, ich passe auch nicht auf so eine Party. Trotzdem bin ich entschlossen, mich zu amüsieren.«

Wenn ich sein könnte wie Elise.

Ich schwamm mit ihr, an diesem Tag, im klaren Wasser auf der Nordseite der Insel: Türkisfarbene Wellen überall um uns, und inmitten von Tropfenfontänen Elises Gesicht neben meinem, nass und fröhlich. In der Ferne paddelten bunte Holzboote hin und her, brachten Tagestouristen von der Île Sainte-Marie auf die kleine Insel.

Und Elise spritzte mich nass und lachte.

Meine Mutter wäre zu besorgt gewesen, um zu lachen, sie hätte am Ufer gesessen und zugesehen und die Hände ineinander gekrallt, wie sie es immer tut, wenn sie denkt, ich sehe es nicht.

»Elise? Als du dich zum ersten Mal verliebt hast …«

»War ich Studentin in einem alten bröckeligen Hörsaal in Berlin. Es war schön. Mondschein gab es schon damals.«

»War das … ich meine, hatte es … Zukunft?«

Sie lachte, tauchte weg und wieder auf, Wassertropfen im Haar. »Oh ja. Ich habe ihn geheiratet. Das war dein Urgroßvater. Er und dein Großvater besaßen leider beide die Frechheit, vor mir zu sterben. Ich nehme an, man kann nicht von jedem verlangen, dass er achtzig wird.« Sie paddelte auf dem Rücken neben mir her. »Aber es muss nicht jede Verliebtheit Zukunft haben.«

Ich nickte. »Vermisst du sie?«

»Die Zukunft?« Sie lachte.

»Deinen Mann. Deinen Sohn. Die, die gestorben sind.«

»Natürlich«, sagte Elise. »Manchmal spreche ich mit ihnen. Und es tut weh, an sie zu denken. Das gehört zur Liebe dazu. Es tut immer weh, wenn man wirklich liebt.«

Ich wählte Lucs Nummer an diesem Nachmittag noch ein Dutzend Mal: nichts.

Fy war nicht bei der Lodge, als wir von unserer Wanderung zurückkamen. Auf unseren sorgfältig gemachten Betten lagen frische rote Hibiskusblüten.

Ich nahm eine von ihnen und verbarg meine Nase darin. »Hast du sie dahin gelegt?«, flüsterte ich. »Oder war es eine der anderen Frauen? Ich hätte dir gerne etwas gezeigt. Eine Zeichnung. Kann man mit einem Einbaum weit genug hinausfahren, um Wale zu sehen? Würdest du auf eine Mondscheinparty gehen, wenn du ich wärst? Weißt du … ich wünschte, wir könnten zusammen hingehen. Zusammen könnten wir vielleicht tanzen. Aber … du hast Onja, natürlich. Du gehst nicht auf Partys.«

Der Weg in der Dämmerung, war ein anderer. Die Schatten waren noch immer grün, aber alles schwebte, selbst die Zebus, die zwischen den Bäumen und Hecken grasten, selbst wir, wir schwebten in der lauen Abendluft. Die Sonne geht rasch unter, in diesem Teil der Welt, und als wir das Dorf erreichten, waren die bunten Farben nur noch eine Erinnerung. Glühwürmchen schwebten in der tieferen Schwärze im Unterholz.

Elise hatte eine Taschenlampe mitgenommen.

»Wir können notfalls wieder gehen«, sagte ich. »Oder? Wenn ich nicht dazu passe. Zu den anderen.«

Die Pizzeria bestand aus einer Handvoll von Tischen und Stühlen und einem großen alten Holzboot, in dem die Theke eingebaut war: LUCKY DUDE PIZZA verkündeten die etwas krakeligen riesigen Buchstaben auf dem Boot. Darum herum waren Bilder von Bob Marley und verschiedenen Sandwiches aufgemalt, sehr bunt; es sah aus, als hätte ein Kindergarten auf Droge hier seiner Kreativität freien Lauf gelassen, es war nicht klar, ob Bob die Sandwiches oder sie ihn aßen.

Hinter der Bar lehnte ein junger Madagasse, der offensichtlich versuchte, auszusehen wie Bob Marley selbst, und neben ihm ein älterer Mann mit langem grauem Haar, dessen Finger über die Tastatur eines Laptops glitten. Er sah ein bisschen aus wie ein pensionierter Hund.

Reggae klang aus den Lautsprechern.

Und an den Tischen saßen – zwei Familien mit Kindern.

Elise lachte. »Eine wahrhaft wilde und verruchte Mondscheinparty.«

Und dann versuchten wir, ein Sandwich zu bestellen.

»Tut mir leid«, sagte Bob Marley, »wir haben keine Sandwiches.«

»Fish and Chips? Ist auch da aufgemalt.«

Er schüttelte die Rastalocken. »Wir haben keinen Fisch. Und keine Chips.«

»Würstchen mit Pommes? Da steht, ihr habt Würstchen …«

»Pizza«, sagte er. Es war eher ein Befehl als eine Aussage. »Pizza und zwei Bier für die Ladys. Was anderes gibt es nicht.«

Eine halbe Stunde später saßen wir also mit zwei Bierflaschen an einem wackligen Holztisch, und hinter uns rauschte das Meer. Ich trank Wasser aus der Flasche, die wir mitgebracht hatten. Kein Bier – das war eine der Regeln. Und der Grund, weshalb ich nie zu Partys ging.

Oder vielleicht der Grund, dass ich gar nicht erst eingeladen wurde.

Nicht, dass irgendwer in der Schule unfreundlich zu mir gewesen wäre. Sie hatten Angst vor mir. Vor meiner Blässe, meiner Zerbrechlichkeit, dem Gerede um das verdammte Herz.

Sie hatten Angst vor mir wie die Leute auf der Insel Angst vor Fy zu haben schienen.

Fady.

Ich schloss einen Moment die Augen und versuchte, nur an schöne Dinge zu denken: das Meer, die Sterne, die Musik. Da zupfte mich eine kleine Hand an der Hose, und ich öffnete die Augen wieder. Vor mir stand ein Kind, vielleicht fünf Jahre alt, und sah zu mir auf. »Tanzt du mit uns?«, fragte es. Auf Englisch. »Meine Mama kann nicht, sie hat ein Baby. Im Bauch. Aber sie hat es nicht gegessen.« Hinter ihm stand ein noch kleineres Kind mit zwei Zöpfen und guckte mich wortlos an. Die Eltern der beiden saßen an einem Tisch auf der anderen Seite der Tanzfläche und sahen jung und schön und verliebt aus, sie in einem bestickten Umstandskleid, die dunklen Locken fielen ihr bis über die Schultern herab; ich hätte nicht gedacht, dass man mit Babybauch so schön aussehen kann.

»Macht ihr hier Ferien?«, fragte ich.

»Nee«, sagte das Kind. »Wir tanzen.«

»Ich kann nicht tanzen«, sagte ich, »ich …«

Aber es zog mich einfach mit. Und der pensionierte Hund hinter dem Laptop grinste uns zu, als wir auf der Tanzfläche ankamen, und ersetzte den Reggae durch Achtzigerjahre-Tanzmusik.

»Mach einfach, was ich mache«, sagte das Kind und hopste auf und ab, die Arme ausgebreitet wie eine Art Kreuzung zwischen Frosch und Flugzeug.

Ich sah, dass das kleinere Kind Elise gekidnappt hatte. Die bunte Miniaturlichtorgel neben dem Lautsprecher blinkte.

Na prima, dachte ich. Typisch Emma. Ich war gekommen, um auf einer Mondscheinparty einen Jungen zu treffen, der mich gezeichnet hatte, den ersten Jungen, der sich je für mich interessiert hatte, einen Weltreisenden, einen Kunstjongleur; ich war gekommen, um mit anderen jungen Leuten zu feiern – und hier stand ich, auf einer leeren Tanzfläche, vor einer Sandwichbar ohne Sandwiches, mit zwei Kleinkindern und meiner Urgroßmutter, gebadet in die künstlichen Schluckauf-Beats einer außer Mode geratenen Zeit.

Auf einmal musste ich lachen. Ich konnte nicht anders, ich lachte und lachte.

Und ich begann einfach, mit dem Kind auf und ab zu hopsen. Die anderen Kinder kamen jetzt auch, wollten mitmachen. Warum nicht.

Dies war die Mitte des Lebens.

Und dann tippte mir jemand auf die Schulter, und ich fuhr herum. Und sah in ein Gesicht mit hellen Augen, das umrahmt wurde von verstrubbeltem blondem Haar.