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Die vier grundlegenden Titel der Darm-Expertin im E-Book-Bundle!
Prof. Dr. Michaela Axt-Gadermann ist eine Koryphäe in Deutschland auf dem Gebiet der Darmgesundheit und hat mit ihren Büchern zum Thema Bestseller-Status erlangt.
In "Gesund mit Darm" wird erläutert, dass ein gesundes Mikrobiom wichtig ist für unsere Gesamtgesundheit. Eine vielfältige Darmflora senkt unseren Blutdruck, hält die Gefäße elastisch und sorgt dafür, dass Medikamente optimal wirken. Darmbakterien können die Leistungsfähigkeit steigern, Senioren vor Gebrechlichkeit schützen, sie regulieren unseren Stoffwechsel, stärken das Immunsystem, senken das Risiko für Zuckerkrankheit, Übergewicht, halten den Cholesterinspiegel in Schach und unterstützen sogar die Krebstherapie. Und auch bei der Behandlung von Parkinson, Alzheimer oder Depressionen sollte man immer auch die Darmbakterien berücksichtigen. Hier erfahren Sie alles, was man über den Zusammenhang zwischen Darmgesundheit und einem langen, gesunden Leben wissen muss.
In "Schlank mit Darm" wird erklärt, dass auch das Gewicht und das Wohlbefinden zu einem entscheidenden Teil von der Darmflora bestimmt werden. Zum ersten Mal und in allgemeinverständlicher Sprache werden hier all diese Zusammenhänge aufgezeigt. Das Buch hilft mit praktischen Ratschlägen und Rezepten dabei, die Darmflora in Richtung "schlank" zu programmieren.
In "Schlau mit Darm" werden neueste Erkenntnisse dargelegt, die belegen, dass Bauch und Hirn durch eine Nervenverbindung in direktem Kontakt stehen und sich wechselseitig beeinflussen. Außerdem produzieren 100 Billionen Darmkeime in uns zahlreiche Hormone und Botenstoffe, die über das Blut ins Gehirn gelangen und so auf unsere Stimmung oder unseren Schlaf Einfluss nehmen. Das bietet die Möglichkeit, durch eine gesunde Darmflora die Psyche positiv zu steuern. Und wer den Kopf frei hat, kommt auch auf gute Gedanken. Darm macht schlau!
In "Schön mit Darm" erfahren wir, warum unsere Haut nicht etwa an den Lippen aufhört, sondern sich als Schleimhaut durch den gesamten Verdauungstrakt zieht. Dieser Ratgeber zeigt die Zusammenhänge zwischen Darmgesundheit und äußerer Schönheit auf und gibt Tipps für eine darm- und hautfreundliche Ernährungsweise. Lesen Sie sich schön!
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Michaela Axt‑Gadermann
Von der Darm‑Expertin und Bestseller‑Autorin
Der Darm als Schlüssel für ein langes, gesundes Leben
Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
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»Gesund mit Darm«
© 2020 Südwest Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München
Redaktion: Martin Stiefenhofer
Bildredaktion: Tanja Zielezniak
Korrektorat: Susanne Schneider
Satz/DTP: Christoph Börger, Neuenkirchen 4cSONS mediendesignwww.4cSONS.de
Herstellung: Timo Wenda
»Schlank mit Darm«
© 2015 Südwest Verlag München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München
Redaktion und Rezepte: Regina Rautenberg
Bildredaktion: Melanie Greier
Korrektorat: Susanne Schneider
Cover & Layout: *zeichenpool, München
Gestaltung, Satz, DTP: Christoph Dirkes, mediathletic bild + design, Neuenkirchenwww.mediathletic.com
Litho: Yorck Schultz, mediathletic bild + design, Hannoverwww.mediathletic.com
Herstellung: Reinhard Soll
»Schlau mit Darm«
© 2016 Südwest Verlag München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München
Redaktion und Rezepte: Regina Rautenberg
Bildredaktion: Tanja Zielezniak
Korrektorat: Susanne Schneider
Cover und Titelabbildung, Layout und Illustrationen: *zeichenpool, München
Gestaltung und Satz, DTP: Christoph Dirkes, mediathletic bild + design, Neuenkirchenwww.mediathletic.com
Litho: Mohn Media, Mohndruck GmbH
Herstellung: Reinhard Soll
»Schön mit Darm«
© 2017 Südwest Verlag München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München
Redaktion und Rezepte: Regina Rautenberg
Bildredaktion: Tanja Zielezniak
Korrektorat: Claudia Fritzsche
Cover und Titelabbildung, Layout und Illustrationen: *zeichenpool, München
Gestaltung und Satz, DTP: Christoph Dirkes, mediathletic bild + design, Neuenkirchenwww.mediathletic.com
Litho: Mohn Media Mohndruck GmbH, Gütersloh
Herstellung: Reinhard Soll
ISBN 978-3-641-32234-2V001
www.suedwest-verlag.de
Prof. Dr. Michaela Axt-Gadermann
FITTER, GELASSENER UND JÜNGER MIT DEM RICHTIGEN MIKROBIOM
FÜR MEINE FANTASTISCHE FAMILIE
VORWORT
1. JUNGBRUNNEN MIKROBIOM
Frischzellenkur aus dem Darm
Der Darm – ein Jungbrunnen für uns
Quantensprung in der Mikrobiomforschung
Was sprießt denn da?
Mikroorganismen als Schlüssel zur Fitness
Dysbiose, die tickende Zeitbombe
INFO: Eu oder Dys?
Was Bakterien für uns leisten
Artenvielfalt zum Schutz der Gesundheit
Multikulti braucht soziale Kontakte
Die Entwicklung der Darmflora von Anfang an
»Bakterienimpfung«
Wie sich das Mikrobiom weiterentwickelt
INFO: Darmflora mit festen und variablen Größen
Hundertjährige mit Anti-Aging-Bakterien
2. KOCHTOPF DARM
Jeder braut sein eigenes Süppchen
Ungeahnte Auswirkungen
Glück und Zufriedenheit entstehen im Darm
INFO: Glückscocktail – Superstoffe aus Bakterienhand
Kurzkettige Fettsäuren – wertvolle Elixiere der Mikroorganismen
Butyrat – Stinkbombe für die Gesundheit
Butyratbildner wirksam stärken
TABELLE: Fettsäuren im Stuhl
Resistente Stärke kurbelt die Butyratproduktion an
INFO: So erhöhen Sie Ihren Butyratspiegel
Propionat – wichtiger Gewichtsregulator und Immunmodulator
Propionsäure, der Dompteur der Abwehrzellen
INFO: So erhöhen Sie Ihren Propionatspiegel
INFO: Das leisten die kurzkettigen Fettsäuren Butyrat und Propionat
Acetat – Essigsäure sorgt für Extrapfunde
INFO: Wer sorgt für Butyrat, Propionat und Acetat im Darm?
Spermidin verjüngt
Spermidinquellen
INFO: Prä-, Pro- und Synbiotika
3. ANTI-AGING, FITNESS UND SCHÖNE HAUT
Jünger aussehen, länger leben
Wie bleibt man lange jung und dynamisch?
Schneller, höher, weiter – das Mikrobiom entscheidet
Die Darmflora als Schutz vor freien Radikalen
Darmbakterien lieben Sport
Legales »Doping« durch Buttersäure-Bakterien
Mit Veillonella länger laufen
Probiotika – geeignet zur Leistungssteigerung?
INFO: Warum Sportler Probiotika nehmen sollten
Das Kosmetikstudio im Bauch
Hautgesundheitskeime
Gesundes Gewimmel auf der Hautoberfläche
Gestörtes Mikrobiom, gereizte Haut
Hautsanierung mit probiotischen Kosmetika
TABELLE: Was hilft wofür?
4. DICK, SÜSS UND FETTIG – DARMFLORA UND STOFFWECHSEL
Das verhängnisvolle metabolische Quartett
Die Darmflora – entscheidend für Fettdepots
Übergewicht lässt sich »verpflanzen«
Wenn die grauen Zellen uns zum Essen zwingen
Ist die Darmflora schuld am Jo-Jo-Effekt?
Haben Antibiotika die Übergewichtslawine losgetreten?
Gib dem metabolischen Syndrom keine Chance
Cholesterin – Fett mit zweifelhaftem Ruf
Probiotische Bakterien putzen Cholesterin weg
Diabetes durch Darmbakterien
Süßstoffe – schlechter als ihr Ruf
Ohne Zucker zuckerkrank
Depressionen durch Zuckerersatz
Bluthochdruck-Bakterien
Natriumchlorid versalzt dem Mikrobiom die Suppe
Milchsäurebakterien für entspannte Gefäße
Wie Bakterien Gefäße verstopfen
TABELLE: L-Carnitin-Gehalt unterschiedlicher Nahrungsmittel
Fleischvermeider stehen besser da
Wie lässt sich die TMAO-Produktion regulieren?
5. DARM ÜBER KOPF
Darm-Hirn-Connection – wichtige Achsenmächte
Boten übermitteln gute oder schlechte Impulse
Fresszellen richtig füttern
Entspannungstraining aus dem Darm
Manche Mikroben fördern Depressionen
Den Blues transplantieren
Psychobiotika als Chance
Probiotika, die wie Antidepressiva wirken
Parkinson – der Kot ist aus dem Lot
Löcher im Darm – Chaos im Gehirn
Lindernde Probiotika
Alzheimer – Bakterienmetaboliten erwürgen Nervenzellen
Ungemach aus dem Magen
Multiple Sklerose - Immunzellen gegen Nervenzellen
Gute Keime für gesunde Nerven
6. MUT MACHENDES MIKROBIOM BEI KREBSERKRANKUNGEN
Darmflora und Immunsystem – Dream-Team im Kampf gegen Krebs
Welche Darmbakterien beeinflussen das Krebsrisiko?
Tumor-Mikroumgebung – wo die bösen Zellen wohnen
Brustkrebs – Mikrobiom gegen Metastasen
Die Darmflora als Schutzwall oder Türöffner bei Darmkrebs
Zahnpflege senkt das Risiko für Darmkrebs und Arterienverkalkung
Parodontose-Bakterien begleiten Darmkrebszellen
Rückenwind bei Stammzelltransplantationen
Darmflora unterstützt Krebstherapie
INFO: Mit Bakterien die Tumortherapie verstärken
7. BAKTERIEN AKTIVIEREN ABWEHRKRÄFTE
In der Schaltzentrale unseres Immunsystems
Mikroorganismen machen das Immunsystem munter
Grippeschutz aus dem Darm
Bessere Impferfolge dank Bakterien
8. UNSERE DARM-APOTHEKE
Unser »Pharmabiom« steuert den Medikamentenstoffwechsel
Cholesterinsenker und Darmflora
Schilddrüsenmedikamente benötigen Mikrobenaktivierung
INFO: Mundmikrobiom verursacht Migräne
Und auch hier wirkt das Mikrobiom
9. SO BEKOMMT IHRE DARMFLORA RÜCKENWIND
Multikulti im Darm fördern
Darmflora-Pflege mit Messer und Gabel
Proteine und Fette – auf die richtige Auswahlkommt es an
Ballaststoffe machen das süße Leben leichter
Präbiotika düngen den Darmgarten
Hier gibt es Bakterien-Leckerlis
TABELLE: Lieferanten resistenter Stärke
Polyphenole und Mikrobiom – ziemlich beste Freunde
INFO: Bakterienfutter – wo finde ich das?
Probiotika schließen Lücken in der Darmgemeinschaft
Der richtige Experte für Ihr Problem
TABELLE: Probiotika gegen Krankheiten und Beschwerden
Das Mikrobiom gezielt aufpäppeln
Gesunde Keime systematisch fördern
Unerwünschte Keime treffsicher reduzieren
Wie erfahre ich, was in meinem Darm los ist?
Ist meine Darmbarriere noch ganz dicht?
INFO: Was kann man beim Leaky-Gut-Syndrom tun?
Darmreinigung schädigt die Darmflora nachhaltig
Das »Who’s Who« der Darmbakterien
TABELLE: Pro- und Synbiotika im Vergleich
ANHANG
Register
Literatur
»Pass auf dein Mikrobiom auf, es beschützt dich!« Mit diesem Satz lässt sich der Inhalt meines Buches Gesund mit Darm treffend zusammenfassen. Wenn wir uns gut um unsere Darmflora kümmern, dann bekommen wir von den Darmbakterien eine ganze Menge zurück. Denn ein gesundes Mikrobiom hält unsere Gefäße elastisch, die grauen Zellen rege und verzögert den Alterungsprozess. Es verbessert bei Sportlern die Ausdauer und schützt Senioren vor Gebrechlichkeit. Wenn wir Figurprobleme haben, der Blutzuckerspiegel aus der Reihe tanzt oder die Cholesterinwerte zu hoch sind, weiß die Darmflora Rat. Und eine gesunde Bakteriengemeinschaft kann sogar die Prognose bei einer Krebserkrankung enorm verbessern.
Wie bei allen Präventions- und Anti-Aging-Maßnahmen gilt auch für die Mikrobiompflege: Je früher, desto besser. Störungen der Darmflora gehen nämlich Leistungseinbußen, Alterungsprozessen, vor allem aber auch der Entstehung von Krankheiten oft Monate, manchmal Jahre voraus. Je eher wir also damit beginnen, unser Ökosystem im Verdauungstrakt zu optimieren, desto besser sind die Chancen, dauerhaft von den Wohltaten aus dem Darm zu profitieren.
Auf den folgenden Seiten spanne ich einen weiten Bogen, der den Einfluss des Mikrobioms auf viele Bereiche unseres Lebens deutlich macht. Dieses Buch soll Sie unterhalten, aber vor allem natürlich informieren. Deshalb habe ich die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien in leicht umsetzbare Tipps und übersichtliche Tabellen zusammengefasst, damit Sie wichtige Informationen auf einen Blick erfassen können. So sind Sie in der Lage, individuelle Ernährungsempfehlungen und die richtigen probiotischen Bakterien für Ihr persönliches Gesundheitsziel identifizieren zu können.
Doch um konkrete Empfehlungen geben zu können, ist es notwendig, nicht nur allgemein über die Darmflora zu schreiben, sondern auch Ross und Reiter – beziehungsweise Mikrobe und Bakterie – beim Namen zu nennen. Deshalb werden Ihnen im Laufe dieses Buches verschiedene Mikroorganismen mit interessanten Namen begegnen. Mir ist klar: Kein Mensch kann diese beim ersten Lesen behalten. Deshalb finden Sie Sie immer wieder Kästen (Mikrobiom-Info), in denen Sie sich über geeignete Keime für spezielle Probleme informieren können. Auf Seite 230 finden Sie eine Tabelle mit gebräuchlichen Nahrungsergänzungsmitteln und den darin enthaltenen Bakterienstämmen. Das erleichtert es Ihnen, ein geeignetes Produkt zu finden. Und ab Seite 227 gibt‘s noch ein Who’s Who der Darmbakterien. Dort stelle ich Ihnen die wichtigsten Keime und deren Bedeutung vor. Sie können also jederzeit nachschlagen, um sich im Bakteriendschungel zu orientieren. Sind Sie neugierig geworden?
Viel Spaß beim Lesen und Ausprobieren wünscht Ihnen
Michaela Axt-Gadermann
Mehr Infos finden Sie auch auf meiner Internetsete www.gesund-mit-darm.de und in der Facebook- Gruppe »meine gesunde Darmflora«.
Im Mittelalter malte Lucas Cranach seinen berühmten Jungbrunnen: Alte, kranke und gebrechliche Menschen tauchen in ein Becken ein und entsteigen ihm jung, straff und gesund. Für uns Menschen gibt es ein solches »Verjüngungsschwimmbad« bisher noch nicht, aber für Fische hat man den Jungbrunnen – besser gesagt: das »Jung-Aquarium« – kürzlich entdeckt. Als »Versuchsperson« wählten die Wissenschaftler den Türkisen Killifisch, denn der hat ein Problem – er altert im Zeitraffertempo. Schon wenige Wochen nach seiner Geburt setzt der Verfall ein: seine Farbe verblasst, er baut körperlich und geistig ab und entwickelt häufig Krebsgeschwüre. Die Lebenserwartung des Fischs beträgt nur vier bis acht Monate und liegt damit deutlich unter der von Labormäusen, die immerhin zwei bis drei Jahre alt werden. Doch gerade die Kurzlebigkeit des Türkisen Killifischs, der auf den schönen lateinischen Namen Nothobranchius furzeri hört, macht ihn für Forscher zu einem willkommenen Modell des Alterns. Als Wirbeltier steht er dem Menschen zudem näher als zum Beispiel Fruchtfliegen, die ebenfalls gerne zur Erforschung von Alterungsvorgängen herangezogen werden. Auch das Mikrobiom des afrikanischen Fischs ähnelt unserem in Vielfalt und Zusammensetzung, und es verändert sich bei ihm – wie auch bei uns Menschen – im Laufe des Lebens. Junge Killifische haben noch ganz unterschiedliche Bakterienarten im Darm, mit der Zeit nimmt diese Vielfalt jedoch ab und parallel dazu werden die Tiere gebrechlicher und schwächer.
Nun haben Mitarbeiter des Kölner Max-Planck-Instituts für Biologie des Alterns erfolgreich eine Anti-Aging-Maßnahme für diese Fische getestet. Bei dem Wundermittel, das den Killifischen neue Lebenskraft spenden sollte, handelte es sich um die Exkremente junger Artgenossen. Die Wissenschaftler töteten zunächst mit einem Antibiotikum die Darmflora der Fische mittleren Alters ab und setzten sie dann in ein Aquarium, in dem zuvor junge Fische gelebt hatten. Deren Stuhlreste und somit auch deren Darmbakterien waren noch im Wasser enthalten. Beim Umherschwimmen nahmen die älteren Fische automatisch die Mikroorganismen der jüngeren auf – und das blieb nicht ohne Folgen. Verglichen mit den Fischen, die nur Kontakt zu gleichaltrigen »Kollegen« hatten, erhöhte sich nicht nur die Lebensdauer der türkisen Wasserbewohner mit der jungen Darmflora um 40 Prozent, sondern sie waren auch im hohen Alter noch so agil wie ihre jungen Artgenossen. Wie unsere Freunde im Darm das genau machen, können die Experten des Max-Planck-Instituts noch nicht sicher sagen. »Doch diese Forschungsergebnisse zeigen, dass die Darmmikroorganismen innerhalb einer komplexen Mikrobengemeinschaft die Lebenserwartung und Alterung enorm beeinflussen können«, so Dario Riccardo Valenzano, Wissenschaftler am Kölner Max-Planck-Institut.
Und etwas Ähnliches kann man auch bei Nagetieren beobachten. Junge Mäuse, die kein eigenes Mikrobiom besitzen, wurden entweder zusammen in einem Käfig mit einer Gruppe alter oder einer Gruppe junger Tiere mit intakter Darmflora gehalten. Dabei nahmen die keimfreien Mäuse nach und nach die Darmkeime der Käfiggenossen auf und siedelten sie in ihrem eigenen Darm an. Durch den Kontakt mit dem »alten« Mikrobiom stiegen bei den noch jungen Mäusen die Entzündungswerte (Zytokine) im Blut und im Gewebe unnatürlich hoch an, wodurch sich Alterungsprozesse beschleunigen. Bei den Mäusen, die mit gleichaltrigen Artgenossen zusammenlebten, blieben die Zytokine auf niedrigen, »jugendlichen« Werten.
Der türkise Killifisch, auch als Türkiser Prachtgrundkärpfling bekannt, liefert den Beweis, wie wichtig die Darmflora für die Alterung sein kann.
Nicht nur im Verdauungstrakt von Fischen und Nagern, sondern auch in unserem Darm lebt eine Heerschar winziger Mitbewohner, die uns helfen oder schaden können. Es handelt sich um unsere »Darmflora« oder – wie man als Experte sagen würde – um unser »Mikrobiom«, das aus einer Vielzahl von Bakterien besteht.
Bakterien hatten lange Jahre einen eher schlechten Ruf. Pest, Cholera und Typhus waren die bakteriellen Geißeln der Menschheit. Die Zusammenhänge zwischen Keimen und Infektionskrankheiten wurden erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts durch den ungarischen Arzt Ignaz Semmelweis und den französischen Mikrobiologen und Chemiker Louis Pasteur enthüllt – und das war eine der wichtigsten Entdeckungen der Medizin. Denn bis dahin war es noch nicht einmal üblich, sich vor chirurgischen Eingriffen die Hände zu waschen. So führten Ärzte zum Beispiel morgens Leichensektionen durch und operierten mittags Patienten oder leiteten Entbindungen. Die Sterblichkeitsraten infolge von Wundinfektionen oder Kindbettfieber waren unglaublich hoch. Durch simple Desinfektionsmaßnahmen oder einfaches Einseifen ihrer Hände konnten die Ärzte die Zahl der Todesfälle drastisch senken.
Zunächst stieß also die Vorstellung, es könnte in unserem Körper nützliche Bakterien geben, eher auf Unverständnis. Die Darmbewohner hielt man lange Zeit zwar für weitgehend harmlose, aber eher unbedeutende Kostgänger im Gedärm. Nach und nach dämmert es jedoch Wissenschaftlern wie Laien, dass wir in unserem Verdauungstrakt ein eigenes Ökosystem beherbergen, das unsere Stimmung beeinflusst, Allergien auslöst, unseren Appetit und unsere Essensvorlieben kontrolliert. Nun gibt es sogar konkrete Hinweise, die den Zusammenhang zwischen unserem Mikrobiom und dem Alterungsprozess verdeutlichen. Die gezielte Optimierung unseres Mikrobioms kommt deshalb der Idee eines Jungbrunnens schon recht nahe.
Bakterien spielen auf fast allen Ebenen unserer körperlichen und geistigen Gesundheit eine Rolle. Und weil man ihre Bedeutung gar nicht hoch genug einschätzen kann, scheint sich die ganze Welt derzeit um das Mikrobiom zu drehen – diesen Eindruck haben zumindest alle, die die aktuellen Forschungen und Veröffentlichungen rund um dieses Thema verfolgen. Die gemeinsame Aussage der mehr als 40 000 in den vergangenen Jahren veröffentlichten Studien lautete: Eine vielfältige Darmflora ist in jeder Phase des Lebens enorm wichtig! Wenn es gelingt, eine Störung der Darmflora, eine sogenannte Dysbiose, zu beseitigen, stehen deshalb die Chancen nicht schlecht, dass die Gesundheit davon profitiert und sogar der Alterungsprozess sich verlangsamen oder sogar in Teilen umkehren lässt.
Nur ein geringer Teil der Darmbakterien lässt sich außerhalb des Darms vermehren.
Bereits 1907 vermutete der russische Immunologe Elie Metchnikoff eine Beziehung zwischen dem regelmäßigen Verzehr von gesäuerten Milchprodukten mit lebenden Bakterien und der Langlebigkeit bestimmter osteuropäischer Volksstämme. In den folgenden Jahren beschäftigten sich Forscher immer wieder mit den Zusammenhängen zwischen Darmflora und Gesundheit. Doch die Krux war: Mehr als 90 Prozent aller Darmkeime ließen sich damals außerhalb des Körpers auf Nährböden gar nicht anzüchten. Für viele Bakterien ist eine Petrischale im Labor nicht gerade der Wohlfühlort, weshalb dort auch nur ein ganz kleiner Teil der Keime wuchs. Auf diese Weise ließen sich die meisten Mikroben gar nicht finden und »flogen« sozusagen unter dem Radar der Wissenschaftler. Ich selbst habe vor rund 20 Jahren schon Studien durchgeführt, in denen wir die Zusammenhänge zwischen Hauterkrankungen wie Schuppenflechte und Neurodermitis und der Darmflora untersucht haben. Damals stand uns ebenfalls nur die Möglichkeit zur Verfügung, Bakterien und Pilze in Nährmedien wachsen zu lassen. Die Ergebnisse waren leider ernüchternd, da wir mit dieser Methode nur einen ganz winzigen Ausschnitt des Mikrobioms überprüfen konnten und es auch noch nicht die Möglichkeiten gab, gezielt fehlende Mikroorganismen zu ersetzen. Damals hat zudem das Wissen darüber gefehlt, welche Bakterien bei welchen Problemen hilfreich sind und welche vielleicht sogar eher schaden könnten. Doch in den vergangenen Jahren hat sich eine Menge getan.
Das Jahr 2005 hat für die Mikrobiomforschung eine ähnliche Bedeutung wie die Entdeckung Amerikas für Handel und Seefahrt: In diesem Jahr stieß man auf neue, unbekannte Welten, die man in den folgenden Jahren Schritt für Schritt weiter erforschte. Auslöser für diesen Quantensprung war eine neue Analysemethode, das sogenannte Next Generation Sequencing. Der Vorteil der neuen Bestimmungsmethoden besteht darin, dass man einfach die Erbsubstanz der Bakterien analysiert und so viel mehr der im Darm beheimateten Mikroorganismen finden kann – ganz unabhängig davon, ob sie auf der Laborplatte wachsen wollen oder nicht. Dadurch ist es möglich, aus einer kleinen Stuhlprobe Infos über den Zustand des gesamten Mikrobioms zu bekommen und diese dann zum Beispiel mit bestimmten Erkrankungen in Verbindung zu bringen. Britische Forscher entdeckten mit diesem Verfahren erst kürzlich bei Stuhlanalysen aus Kanada und Großbritannien mehr als hundert Bakterienarten, die bis dahin noch nie jemand isoliert hatte. Und inzwischen geht es nicht mehr nur um die Darmflora. Auch die Bakterienpopulationen im Mund, im Genitaltrakt oder auf der Haut scheinen spannende Ansatzpunkte für Präventionsmaßnahmen und neue Therapien bereitzuhalten.
Ja, die Welt der Mikroorganismen ist faszinierend! In unserem Verdauungstrakt leben rund 100 Billionen Bakterien, zahlreiche Pilze und einige Viren. Das sind deutlich mehr Keime, als wir Menschen Zellen besitzen. Und die Menge bakterieller Gene übersteigt die unserer eigenen Erbanlagen um das Hundertfache. 100 Billionen ist eine unvorstellbar große Zahl. Würden wir alle Bakterien zählen und pro Mikroorganismus eine Sekunde benötigen, dann wären wir erst nach 3,2 Millionen Jahren mit dem Zählen der 100 Billionen Keime fertig. Allein diese riesige Menge an Mitbewohnern lässt vermuten, dass wir sie nicht beherbergen, ohne selbst einen Nutzen daraus zu ziehen.
Alle menschlichen Oberflächen, die äußeren wie die inneren, sind dicht mit Keimen besiedelt und stellen ein mikrobielles Ökosystem dar. Und die Bakterien stehen über Haut und Schleimhäute in einem ständigen Kontakt mit dem gesamten Organismus Mensch. Geben und Nehmen bestimmt die Beziehung zwischen uns, den Wirten, und den Mikroorganismen. Wir bieten den Bakterien Lebensraum und Nahrung, im Gegenzug ist dieser sehr komplexe Lebensraum von fundamentaler Bedeutung für unsere Gesundheit. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass man den Einfluss des Mikrobioms auf Gesundheit, Wohlbefinden sowie körperliche und geistige Leistungsfähigkeit gar nicht hoch genug einschätzen kann. Betrachtet man die Gesamtheit der Studien, dann kann man nur zu einem Schluss kommen: In unserem Magen-Darm-Trakt, aber auch auf der Haut und den Schleimhäuten siedelt ein Jung- und Gesundbrunnen, aus dem wir mit ein paar Tricks reichlich schöpfen können. Denn das Mikrobiom sorgt für einen ausgeglichenen Hormonhaushalt und trainiert das Immunsystem. Seine Stoffwechselleistung übertrifft die der Leber. Die daran beteiligten bakteriellen Metaboliten wirken aber nicht nur im Darm, sondern gelangen über die Blutbahn in jeden Winkel unseres Körpers. Dort entfalten sie unterschiedliche Wirkungen. Es gibt Bakterienstämme, die unsere Gefäße geschmeidig halten oder den Blutzucker, den Blutdruck und den Cholesterinspiegel in einen guten Bereich bringen. Andere Mikroorganismen schützen die Haut vor vorzeitiger Alterung und unterstützen unser Gehirn bei seiner Arbeit. Und die richtigen Keime bewahren uns nicht nur im Alter vor Gebrechlichkeit. Sie lassen uns sogar den Halbmarathon schneller absolvieren, helfen beim Abnehmen und sorgen in jedem Alter für gute Laune und Zufriedenheit. Gerät jedoch die Mikrobengemeinschaft aus dem Gleichgewicht, dann leidet die Fitness. Alterungsvorgänge beschleunigen sich und das Risiko für eine Vielzahl von Krankheiten steigt messbar an.
Eine Vielzahl von Mikroorganismen und deren Stoffwechselprodukte haben Einfluss auf unseren gesamten Organismus.
Einige Darmbakterien werden durch Nährstoffe, die wir ihnen bereitstellen, versorgt, manche benötigen für ihre Entwicklung Stoffwechselprodukte anderer Mikroorganismen. Die einzelnen Mitglieder der Darmflora sind eng miteinander vernetzt, sie kontrollieren und unterstützen sich gegenseitig. Vielfalt ist deshalb ein besonders wichtiges Kriterium einer gesunden Darmflora, auf das ich in diesem Buch noch öfters zu sprechen komme. Alles deutet darauf hin, dass das Mikrobiom zukünftig zu einem wichtigen Ansatzpunkt für individuelles Anti-Aging, wirkungsvolle Präventionsmaßnahmen und die personalisierte Medizin der Zukunft werden könnte.
Ähnlich wie der Türkise Killifisch werden auch menschliche Senioren gebrechlicher und die Wahrscheinlichkeit, ins Altersheim zu kommen, steigt, sobald die Darmflora altert und sich einstmals blühende Bakterienlandschaften in langweilige Monokulturen verwandeln. Denn diese Eintönigkeit der Darmflora erhöht unter anderem das Risiko für Zuckerkrankheit, Übergewicht, chronische Entzündungen, abnehmende geistige Leistungsfähigkeit und Erkrankungen des Nervensystems wie Parkinson und Alzheimer. Nur ein fittes Mikrobiom ist in der Lage, uns fit zu halten, und gilt als Grundvoraussetzung für unsere Gesamtgesundheit. Vor allem der Mangel an Vielfalt ist kennzeichnend für ein ungesundes und eventuell »vorgealtertes« Mikrobiom, das wiederum chronischen Erkrankungen Tür und Tor öffnet. Bei so einer Dysbiose, einer Störung der gesunden Zusammensetzung der Darmkeime, können wichtige gesundheitsförderliche Bakterien fehlen oder andere, vor allem entzündungsfördernde, Mikroorganismen im Übermaß vorhanden sein. Doch was führt zu einem Verlust von Artenreichtum und Balance im Darm? Dass sich die Darmflora im Laufe des Lebens verändert, ist bekannt. Aber das geht nicht automatisch mit einer bakteriellen Verarmung einher. Offensichtlich hängt die Zusammensetzung der Darmflora auch davon ab, wo ältere Menschen leben. Studien zeigen, dass Heimbewohner regelmäßig eine schlechtere Darmflora und eine deutlich geringere Vielfalt des Mikrobioms aufweisen als Senioren, die in den eigenen vier Wänden wohnen. Wissenschaftler vom University College Cork, Irland, stellten auch Zusammenhänge mit der körperlichen und geistigen Fitness fest: Je geringer die Diversität, desto stärker ausgeprägt war die Gebrechlichkeit. Insgesamt zeigten sich deutliche Zusammenhänge zwischen Ernährung, der Menge sozialer Kontakte, Darmmikrobiota und Gesundheitsstatus.
Bemerkenswert ist, dass ein Rückgang der bakteriellen Vielfalt der Entstehung von Erkrankungen und Entzündungen oft lange vorausgeht. Bereits Monate oder Jahre vor Ausbruch einer Krankheit lässt sich schon feststellen, dass der Mikrobenmix eintöniger wird oder sich bestimmte ungünstige Keimstämme ausbreiten und andere, schützende Mikroorganismen verdrängen. Dysbiose und Artenrückgang sind quasi die apokalyptischen Reiter, die von einem erhöhten Krankheitsrisiko künden. Diese Zusammenhänge zwischen Verschlechterung des Mikrobioms und nachfolgender gesundheitlicher Einschränkungen lassen sich nicht nur bei Gebrechlichkeit und Alterung beobachten. Forscher konnten sie unter anderem auch bei Neurodermitis, Allergien und Parkinson feststellen. Der zeitliche Abstand zwischen Ursache und Folge macht es allerdings schwerer, einen Auslöser – zum Beispiel eine längere Antibiotikabehandlung aus dem Vorjahr – mit dem Übergewicht, der Depression oder der Autoimmunerkrankung zwölf Monate später in Verbindung zu bringen.
Bakterien sorgen für Zersetzung und Umwandlung – hier von Milch zu leckerem Joghurt.
Nur rund 10 Prozent der Mikrobiomzusammensetzung werden von genetischen Faktoren festgelegt, den Rest können wir selbst beeinflussen. Es liegt also an uns, ob das Mikrobiom eher in Richtung Eubiose oder Dysbiose tendiert.
Ist die Bakteriengemeinschaft gut aufgestellt, spricht man von »Eubiose«. Die Vorsilbe Eu ist griechisch und heißt »gut«, bios bedeutet »Leben«. Im Zustand der Eubiose können Mensch und Mikrobe demnach gut und gesund leben. Das Gegenteil davon ist die »Dysbiose«. Darunter versteht man ein aus der Balance geratenes Mikrobiom, zu geringe Artenvielfalt und die Ausbreitung unerwünschter Keime oder, um es mit drei Worten zu sagen: »Chaos im Darm«. Eine Dysbiose kommt in unseren Breiten gar nicht so selten vor, denn die gesunde Balance der Bakterien ist störanfällig. So kann beispielsweise eine jahrelange ungesunde Ernährung dazu führen, dass die Darmflora verarmt. Aber auch Antibiotika oder zu viel Hygiene bringen die »Wohngemeinschaft« des Darms durcheinander.
Wie in jeder Gemeinschaft gibt es auch im Darm Bakterien, die es nicht besonders gut mit uns meinen und uns eventuell auch schaden können. Normalerweise werden unerwünschte »Schadkeime« durch die Armada der »Schutzkeime« in die Schranken gewiesen. Das funktioniert aber nur, solange diese gut aufgestellt ist. Sind deren Reihen bei einer Dysbiose gelichtet, dann siedeln sich verstärkt unwillkommene Mikroorganismen an. Bleibt eine solche Dysbiose länger bestehen, hat das auf Dauer Folgen für den »Mikrobiom-Besitzer«.
Andererseits kann uns dieses Zeitfenster aber auch die Möglichkeit geben, Krankheiten zu verhindern, indem wir bei den ersten Anzeichen einer Verschlechterung des Mikrobioms gegensteuern – mit unserem Lebensstil, vor allem der Ernährung und passenden Produkten, die die Darmflora »reparieren«. Das ist vielleicht noch Zukunftsmusik, aber keine, die in weiter Ferne spielt, sondern wahrscheinlich schon in den nächsten Jahren zu nutzen ist. Ideal wäre ein regelmäßiger Mikrobiom-Check, bei dem man einmal jährlich schaut, was der Darmflora fehlt, und bei Bedarf entsprechende Maßnahmen ergreift.
Nun kann man sich fragen: Warum brauchen wir Bakterien? Weshalb kann unser Organismus nicht alles, was er benötigt, einfach in seinen Zellen, Drüsen und Organen selbst herstellen? Ist er faul oder unfähig? Nein, unser Körper ist extrem klug! Er funktioniert da wie ein Unternehmen, das »Outsourcing« betreibt, also wichtige Aufgaben an externe Dienstleister auslagert und sich dadurch schnellere und bessere Ergebnisse bei gleichzeitiger Kostenersparnis erhofft. Unser cleverer Organismus ist offensichtlich ein ziemlich guter Geschäftsmann beziehungsweise eine ziemlich gute Geschäftsfrau. Er verfügt selbst über rund 22 000 Gene. Hört sich nach viel an, ist es aber nicht. Ein Wasserfloh kann auf 30 000 Gene zurückgreifen. Deshalb müssen wir uns an Erbanlagen bedienen, die sich außerhalb unserer Zellen befinden. Wie gut, dass uns da unser »Partnerunternehmen Darmflora« mit sage und schreibe 8 Millionen zusätzlichen Erbinformationen zur Seite steht. Dadurch können einzelne Aufgaben oder sogar ganze Prozesse durch das »Drittunternehmen« im Darm erledigt werden. Billionen von Bakterien stellen mehr als ein Drittel der Moleküle und Substanzen her, die sich in unserem Blut befinden. Sie produzieren für uns Eiweißstoffe und Enzyme, die wir für die Herstellung von Herzmuskelgewebe, Hautfasern oder Hormonen verwenden können. Das zeigt, wie groß das Stoffwechselpotenzial des Mikrobioms ist. Doch die Leistung dieser Bakterienmassen fällt uns normalerweise nicht auf. Erst wenn das sensible Gleichgewicht im Darm aus dem Lot gerät, merken wir, dass etwas nicht stimmt. Denn nur ein gesundes Mikrobioms ist in der Lage, alles zu produzieren, was wir Menschen brauchen, um fit, jung und gesund zu bleiben. Experten betrachten das Mikrobiom deshalb inzwischen als eigenständiges Organ.
Wichtig für unsere Gesundheit ist nicht nur, wie viele Mikroorganismen im Darm leben, sondern vor allem, wie viele verschiedene Keimstämme vorhanden sind. Etwas verallgemeinert lässt sich sagen: »Artenreichtum im Darm ist das A und O für unsere Gesundheit.« Mithilfe eines gesunden und vielfältigen Mikrobioms arbeitet der Organismus effizienter bei geringerem Energieeinsatz. Mit der Unterstützung durch das Mikrobiom erhöht unser Körper die Reaktionsgeschwindigkeit auf äußere Veränderungen, denn Darmbakterien können sich innerhalb von Stunden auf neue Situationen einstellen. Die Flexibilität der Bakteriengemeinschaft ermöglicht es dem Organismus, sich – bis zu einem gewissen Maß – veränderten Ernährungs-, Umwelt- und Lebensbedingungen anzupassen, ohne das Gesamtsystem aus dem Gleichgewicht zu bringen. Bakterien, die Algen abbauen können, zählen etwa zum »Standardmikrobiom« bei Japanern. Bei amerikanischen Staatsbürgern sucht man sie aber in der Regel vergeblich. Dieses Beispiel zeigt die enge Wechselbeziehung zwischen Umweltfaktoren wie unserer Ernährung und der Zusammensetzung der Darmkeime. Deshalb ist es auch verständlich, dass es nicht nur das eine perfekte Mikrobiom gibt, sondern dass man mit ganz unterschiedlichen Varianten gesund und glücklich leben kann.
Unser Mikrobiom ist mindestens so abwechslungsreich und vielfältig wie das Ökosystem eines Korallenriffs.
Wir unterstützen Fridays for Future, verzichten auf Plastiktüten und fördern Baumpflanzaktionen, um unsere Umwelt vor weiteren Schäden zu bewahren. Inzwischen ist den meisten Menschen die Bedeutung von Artenvielfalt bewusst. Wenn wir an ein funktionierendes Ökosystem denken, dann stellen wir uns vielleicht einen lichten Mischwald mit vielen Sträuchern und Moosen vor, einen schattigen tropischen Dschungel mit seiner vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt oder ein sonnendurchflutetes Korallenriff mit glitzernden Fischen. Ein anderes, ebenso bedeutendes und vielfältiges Ökosystem kommt wahrscheinlich den wenigsten spontan in den Sinn. Wer denkt bei einer intakten Lebensgemeinschaft schon an einen dunklen Darm, in dem sich Billionen von Bakterien in übel riechenden Verdauungsrückständen tummeln? Doch die Bakteriengemeinschaft auf unserer Haut, den Schleimhäuten und im Darm ist das komplexeste Ökosystem, das wir kennen. Im Darm gibt es viele Ecken mit unterschiedlichen Lebensbedingungen. Sowohl Keime, die Sauerstoff benötigen (aerobe Bakterien), als auch solche, die nur in einer sauerstoffarmen Umgebung leben können (anaerobe Bakterien), finden hier ihre Nische. Das Nahrungsangebot ist im Idealfall vielfältig. Auf der großen Speisekarte findet jede Mikrobe etwas, das ihr mundet – egal, ob sie Eiweiß liebt, Fett bevorzugt, am besten mit Zucker wächst oder Ballaststoffe für ihr Überleben benötigt. Bei einseitiger Ernährung wachsen und gedeihen dann allerdings nur die Keime, die mit diesem Angebot gut zurechtkommen. Wie in einem natürlichen Lebensraum in unserer Umwelt sind auch beim darm- und hauteigenen Ökosystem Ausgewogenheit und Vielfalt wichtig. Sogar sprachlich gibt es Berührungspunkte: Botaniker bezeichnen die Pflanzengemeinschaft einer Region als »Flora«. Diesen Begriff hat man früher auch für die Gesamtheit aller Mikroorganismen in einzelnen Körperbezirken gewählt: Darmflora, Hautflora oder Schleimhautflora. Heute spricht man eher vom Mikrobiom.
Je nach Ernährungs- und Lebensweise beherbergt jeder von uns so zwischen 150 und 450 unterschiedliche Keime. Sehr ursprünglich lebende Indianerstämme weisen in ihrem Darm noch eine Artenvielfalt auf, die sich in unseren Breiten bei niemandem mehr finden lässt. Doch im Darm der meisten Menschen lassen sich derzeit ähnliche Entwicklungen feststellen wie auf dem Globus: In allen westlichen Gesellschaften wird das Mikrobiom artenärmer. Zurückführen lässt sich das unter anderem auf moderne Ernährungsgewohnheiten, medizinischen Fortschritt und unseren westlichen Lebensstil. Der Artenverlust ist inzwischen so deutlich, dass Wissenschaftler Alarm schlagen und eine Art »Arche Noah« für Mikroorganismen bauen. Es besteht nämlich tatsächlich die Gefahr, dass einige Bakterienstämme unwiederbringlich ausgerottet werden – mit derzeit noch nicht absehbaren Folgen für unsere Gesundheit. Die mehrfach erwähnte Vielfalt ist eine wichtige Eigenschaft einer gesunden Darmflora. Multikulti bereichert also nicht nur unseren Alltag, sondern tut auch dem Darm gut. Für diesen Artenreichtum braucht es aber regelmäßig Bakterienkontakte, die uns immer wieder neue Keime zuführen, und einen Lebensstil, der die Vielfalt fördert.
Unsere moderne Lebensführung ist jedoch eher geeignet, unser Mikrobiom zu schädigen und verarmen zu lassen. Wir führen ein stressiges Leben und dank sozialer Medien werden unsere realen sozialen Kontakte, bei denen die Chance zum »Bakterientausch« bestehen würde, immer weniger – und damit geht auch der Artenreichtum im Darm zurück. Wir verbringen weniger Zeit in der Natur, kommen mit Erde, Laub und Schmutz kaum noch in Kontakt. Dafür sind unsere Wohn- und Arbeitsräume hygienisch sauber und Antibiotikabehandlungen an der Tagesordnung. Auch unsere Ernährung ist in der Regel einseitiger und vor allem ballaststoffärmer und im Gegenzug zusatzstoffreicher als in früheren Zeiten.
Der Mangel an bestimmten Bakterienstämmen und die insgesamt geringere Artenvielfalt im Darm nimmt auf viele Bereiche unseres Körpers Einfluss, etwa auf das Nerven-, Hormon- oder Immunsystem. Und die moderne mikrobielle Zusammensetzung unserer Flora – egal ob auf der Haut, den Schleimhäuten oder im Darm – unterscheidet sich heute deutlich von dem, was unsere Abwehrkräfte im Laufe der Evolution kennengelernt haben und woran sie gewöhnt sind. Möglicherweise ist das ein Grund für die Zunahme von Krankheiten, die Folge von Entzündungen und einem fehlgeleiteten Immunsystem sind, was sich in Allergien, Autoimmunerkrankungen, psychischen Problemen oder auch Übergewicht und Diabetes äußert.
Über unseren Lebensstil lässt sich das Mikrobiom durchaus lenken. Welche der 1500 potenziellen Bewohner sich in und auf uns ansiedeln, hängt von ganz unterschiedlichen Faktoren ab. Schon bei der Geburt werden – abhängig von der Art der Entbindung – die ersten Weichen für die zukünftige Bakteriengemeinschaft gestellt. Gestillte Babys entwickeln eine andere und gesündere Flora als Flaschenkinder. Lebt ein Hund im Haushalt, haben die Bewohner meistens ein vielfältigeres Mikrobiom. Auch das Leben auf einem Bauernhof oder in einer Großfamilie lässt unser körpereigenes Ökosystem aufblühen. Prinzipiell scheinen soziale Kontakte nicht nur unserer Psyche gutzutun, sondern Kontaktpflege ist auch gleichzeitig Mikrobiompflege. Das konnte man an Schimpansen nachweisen – es ist aber anzunehmen, dass das auch auf uns Menschen zutrifft. Denn jeder von uns verliert pro Stunde rund 1 Million Keimpartikel, die wir an unsere Mitmenschen weitergeben und so deren Mikrobiom bereichern, ebenso wie wir selbst neue, spannende Bakterien erhalten.
Auf dem ganz normalen Weg ans Licht der Welt erhält jedes Kind von seiner Mutter eine wichtige Portion hilfreicher Bakterien.
Spieler einer Sportmannschaft teilen sich sogar ein Team-Mikrobiom. Das fanden US-amerikanische Forscher von der University of Oregon heraus. Sie nahmen Keimproben von den Oberarmen verschiedener Roller-Derby-Spielerinnen. Roller Derby ist ein in den USA weitverbreiteter Sport, bei dem zwei Mannschaften auf Rollschuhen versuchen, auf einer Bahn ihren Läufer als Ersten durchs Ziel zu bringen. Körperkontakte, etwa durch Abdrängen und Anrempeln, sind ausdrücklich erlaubt. Dadurch besteht auch immer wieder die Möglichkeit des Keimaustauschs. Die Wissenschaftler stellten fest, dass die Mitglieder einer Mannschaft bereits vor dem Match eine sehr ähnliche Hautflora aufwiesen. Nach dem Wettkampf hatte man nicht nur Beulen und blaue Flecke verursacht und eingesteckt, vielmehr hatten sich dann auch die Hautkeime der Spielerinnen beider Mannschaften miteinander vermischt.
Unsere Darmflora wird durch zahlreiche Einflüsse wie die Art der Entbindung, genetische Aspekte, Medikamenteneinnahme, Stress und Lebensstilfaktoren wie Bewegung, Ernährung oder Genussmittel beeinflusst. Mit den Jahren entwickelt sich ein Mikrobiom, das absolut individuell ist. Auch unser Alter spiegelt sich in der Darmflora wider.
Im Mutterleib schwebt der Säugling neun Monate in einer weitgehend keimfreien Umgebung mit wenigen Bakterienkontakten. Darm und Haut sind in dieser Phase des Lebens noch steril. Das ändert sich, wenn die Fruchtblase platzt und die Wehen einsetzen. Die folgenden Stunden entscheiden darüber, wie es in den kommenden Jahren, vielleicht sogar Jahrzehnten um sein Mikrobiom und damit auch um seine Gesundheit bestellt sein wird. Wenn alles reibungslos läuft und das Baby auf natürlichem Weg das Licht der Welt erblickt, hat es schon mal ein Ass im Ärmel. Denn beim Durchtritt durch den Geburtskanal kann es zahlreiche gesunde Bakterien auf die Reise ins Leben mitnehmen und Mikroorganismen wie Bacteroides, Bifidobakterien und Laktobazillen gehen auf den Säugling über. Vor allem die Bifidobakterien sind wichtig für die frühkindliche Entwicklung des Immunsystems und spielen bei gestillten Kindern eine große Rolle. Deren Darmflora besteht zu rund 90 Prozent aus gesunden Bifidobakterien. Die vaginale Geburt gleicht deshalb einer Dusche mit gesunden Keimen. Ist der Säugling auf der Welt, siedeln schon viele Bakterienkolonien im Verdauungstrakt, die das junge Immunsystem stimulieren und stärken. Sie bilden eine gute Grundlage für eine vielfältige Darmflora und sitzen nun in den Startlöchern, um Gutes für die kindliche Entwicklung zu tun. Auch die Haut erhält auf diese Weise eine Portion freundlicher Bakterien, die das Hautmikrobiom stärken. Die Darmflora von Mutter und Kind sind sich deshalb viel ähnlicher als die von fremden Menschen. Man könnte sagen, wir erben von unserer Mutter nicht nur die Gene, sondern auch das Mikrobiom.
Doch jedes dritte Kind kommt inzwischen per Kaiserschnitt auf die Welt. Bei dieser Geburt gewinnen nicht die wohlwollenden mütterlichen Keime das Rennen um die besten Plätze im Darm und auf der Haut, sondern die Mikroorganismen, die sich auf der Haut oder der Kleidung von Ärzten, Pflegern oder Eltern befinden. Es fehlt der Kontakt mit der mütterlichen Flora und so machen sich zum Beispiel Keime aus der Gruppe der Clostridien oder Escherichia coli als Erste im Darm breit. Auch potenziell krank machende Bakterienstämme, die man vor allem in der Klinik findet, erobern dann schon früh den Darm des Neugeborenen. Die Bedingungen für ein gesundes Mikrobiom verschlechtern sich dadurch schlagartig. Und das könnte für das Kind durchaus Nachteile haben. Studien zeigen, dass durch eine Sectio-Entbindung vor allem die Entwicklung des kindlichen Immunsystems beeinträchtigt wird und die Gefahr für Allergien, Neurodermitis oder Autoimmunerkrankungen im späteren Leben steigt. Das Risiko, später an Übergewicht zu leiden, ist sogar um mehr als 30 Prozent höher als bei vaginal entbundenen Säuglingen. Zum gleichen Ergebnis kommt auch der Kindergesundheitsreport 2019 der Techniker Krankenkasse. Demnach steigert ein Kaiserschnitt beispielsweise das Risiko für eine chronische Bronchitis oder allergisches Asthma in den ersten Lebensjahren um 10 Prozent. Andere Probleme treten sogar erst viel später im Laufe des Lebens auf. Vor allem für Übergewicht, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen und Verhaltensauffälligkeiten wie beispielsweise eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) scheint eine Sectio-Entbindung empfänglicher zu machen. Insgesamt zeigt sich bei den Kaiserschnittkindern bei 19 von 67 Krankheitsgruppen, die im Report näher untersucht werden, ein deutlich höheres Erkrankungsrisiko.
Beim Stillen geht es neben der wertvollen Nahrung auch um ebenso wertvolle Keime für das kindliche Verdauungsystem.
Um diesen Nachteil auszugleichen, haben amerikanische Ärzte versucht, das mütterliche Mikrobiom direkt nach der Geburt auf den Nachwuchs zu transferieren. Dazu haben sie eine Stunde vor dem Kaiserschnitt sterile Mullbinden in die Scheide der werdenden Mütter gelegt und wenige Minuten nach der Geburt Mund und Haut der Babys damit eingerieben. In den Wochen danach untersuchten die Wissenschaftler in regelmäßigen Abständen die bakterielle Besiedelung von Haut, Mund und Darm und verglichen diese mit Kaiserschnittkindern ohne diese »Bakterienimpfung« und mit Babys, die auf natürlichem Weg zur Welt gekommen waren. Tatsächlich siedelten sich die Scheidenbakterien an, wenn auch nicht in der gleichen Zahl wie bei vaginal entbundenen Kindern. Immerhin ließen sich aber deutlich größere Keimzahlen nachweisen als bei der Gruppe der per Kaiserschnitt entbundenen und nicht mit mütterlichen Keimen beimpften Neugeborenen. Vor allem Milchsäurebakterien und Keime aus der Gruppe der Bacteroides, die dafür bekannt sind, dass sie sich günstig auf die Reifung des kindlichen Immunsystems auswirken, kamen bei den »geimpften« Kindern in großer Zahl vor. Bei per Kaiserschnitt Entbundenen waren diese wichtigen Stämme fast nicht nachweisbar.
Der nächste Meilenstein, der unser Mikrobiom wahrscheinlich lebenslang prägt, ist die Säuglingskost. Wird das Baby gestillt, dann breiten sich milchsäureproduzierende Bakterien wie Bifidobakterien und Laktobazillen im Darm aus. Diese sorgen für ein saures Darmmilieu. Hier passt der Spruch »Sauer macht lustig«, denn ein niedriger pH-Wert sichert dem Mikrobiom beste Entwicklungsbedingungen und hält krank machende Eindringlinge fern. Bekommt der Nachwuchs Fläschchen, dann entwickelt sich schon sehr früh eine Darmflora, die der von Erwachsenen ähnelt. Dadurch werden wichtige bakterielle Entwicklungsschritte übersprungen. Hersteller von Babynahrung versuchen deshalb, diesen Mangel durch Zusatz probiotischer Bakterien und präbiotischer Ballaststoffe zur Säuglingsnahrung auszugleichen. Auch wenn das ein erster Schritt in eine gute Richtung ist – an die »Originalmilch« von Mama reichen sie nicht heran.
Wie sich die Darmflora nun weiterentwickelt, hängt von ganz vielen Faktoren ab. Besonders während der ersten drei Lebensjahre ist das Mikrobiom noch sehr instabil und störanfällig. Was dieser jungen Darmflora besonders zusetzt, wollten US-amerikanische Forscher vom New York University Langone Medical Center herausfinden. Sie analysierten in regelmäßigen Abständen Stuhlproben von 43 Kindern in den ersten beiden Lebensjahren. Dabei entdeckten sie, dass verschiedene Einflüsse die gesunde Entwicklung der Darmflora stören und deren Vielfalt langfristig reduzieren. Neben einer Kaiserschnittentbindung waren das vor allem wiederholte Antibiotikagaben und künstliche Säuglingsnahrung. Antibiotika und andere Medikamente können zu ausgeprägten und manchmal auch dauerhaften Veränderungen der Darmflora führen. Diese können kurz- und langfristig erhebliche Auswirkungen auf unsere Gesundheit haben. Vor allem Keime aus der Gruppe der Lachnospiraceae reagierten auf Antibiotikabehandlungen sehr sensibel. Dabei sind diese Bakterien enorm wichtig: Sie produzieren kurzkettige Fettsäuren wie Butyrat und Propionat (siehe nächstes Kapitel), auf die die Zellen des kindlichen Abwehrsystems angewiesen sind. Diese Immunzellen sollten sich beim Kleinkind gut entwickeln, um es später vor Allergien, Autoimmunerkrankungen und Diabetes zu schützen.
Wie das Immunsystem reift auch unser Mikrobiom im Laufe des Lebens. Nach und nach wird es komplexer und vielfältiger, wenn wir ihm die Chance auf eine gute Entwicklung geben, und stabilisiert sich zunehmend. Wissenschaftler vermuten, dass sich in dieser Zeit auch das sogenannte Core-Mikrobiom, also ein »Kern-Mikrobiom«, entwickelt, das bei vielen Menschen recht ähnlich zusammengesetzt ist und etwa ein Drittel unserer Darmbakterien umfasst. Die übrigen zwei Drittel machen den flexiblen Teil der Darmflora aus. Dieser setzt sich aus einer höchst individuellen Komposition von Mikroorganismen zusammen und ist ähnlich einmalig wie ein Fingerabdruck. Doch auch das relativ stabile Mikrobiom des Erwachsenen ist nicht in Stein gemeißelt, sondern passt sich dynamisch und flexibel den Umweltbedingungen an.
Bis zum Eintritt in die Schule wird die Darmflora immer stabiler und vielfältiger. Manche Schulkinder werden aber von der Vergangenheit eingeholt. Je nach Art der Entbindung oder Häufigkeit einer Antibiotikaverabreichung entscheidet sich nun, ob sie ein hohes oder niedriges Risiko haben, mit Übergewicht oder Allergien den neuen Lebensabschnitt zu beginnen.
Eine gesunde und vielfältige Darmflora sorgt auch in hohem Alter für Wohlbefinden.
Nicht bei allen Senioren verschlechtert sich der Zustand des Mikrobioms automatisch. Vor allem Menschen, die im hohen Alter von 90, 95 oder 100 Jahren noch rüstig und vital sind, scheinen davor gefeit zu sein. Sie besitzen auch in späteren Jahren eine »jüngere« Darmflora als Gleichaltrige und sogar als manche Menschen mittleren Alters. Das Zauberwort heißt hier mal wieder »Bakterienvielfalt«. Je bunter und abwechslungsreicher es im Darm der Senioren zugeht, desto besser ist es um deren Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden bestellt.
Man vermutet deshalb, dass bestimmte Bakterienstämme nicht nur die Darmflora, sondern auch deren Besitzer in Form bringen. Die Geheimnisse der Hochaltrigen heißen Ruminococcus, Eubacterium limosum, Akkermansia muciniphila, Faecalibacterium prausnitzii oder Christensenella. Diese Anti-Aging-Bakterien, von denen Hundertjährige in Asien oder Italien auffallend viele im Darm haben, lernen Sie im nächsten Kapitel näher kennen. Es handelt sich um wichtige Butyrat- und Propionatbildner.
Besonders spannend für Hochaltrige scheint ein bestimmtes Bakterium zu sein: Bis zu zehnmal mehr Eubacterium limosum finden sich im Darm von fitten Hundertjährigen. Diese Keime zersetzen Ballaststoffe. Die daraus entstehenden Stoffwechselprodukte wirken sich positiv auf Fitness und Gesundheit aus. Bei einer Low-Carb-Ernährung mit einem hohen Eiweißanteil nimmt die Gruppe dieser Eubakterien ebenso wie die anderer Butyratproduzenten ab.
Doch es gibt auch Keime, die Alterungsvorgänge eher beschleunigen. Ein reichliches Vorkommen von Eubacterium dolichum und Eggerthella lenta gehen mit einem größeren Risiko für Altersschwäche und Gebrechlichkeit einher. Ähnlich negativ wirkt sich ein Mangel an Faecalibacterium prausnitzii aus. All diese spannenden Erkenntnisse aus der Mikrobiomforschung lassen den Schluss zu, dass es sinnvoll ist, sich rechtzeitig um eine gesunde Darmflora zu bemühen und diese möglichst langfristig in einem Topzustand zu halten. Doch wie setzt sich unser Mikrobiom eigentlich zusammen? Dazu mehr in den nächsten Kapiteln.
Wenn wir uns etwas Leckeres kochen, hängt das Ergebnis davon ab, welche Zutaten wir wählen und welche Gewürze wir verwenden. So entstehen ganz unterschiedliche Gerichte, die mal scharf, ein anderes Mal aromatisch oder auch mal fad und langweilig schmecken.
Auch unser Verdauungstrakt lässt sich mit einem Kochtopf vergleichen. Die Köche sind unsere Mikroorganismen im Darm. Als Zutaten verwenden sie Bestandteile unserer Ernährung oder Stoffwechselprodukte, die dann in der »Großküche« Darm verarbeitet werden. Und über das, was wir essen, lässt sich steuern, welche Bakterien sich im Darm ansiedeln oder vermehren und welche tollen Sachen sie für uns produzieren.
Die Darmflora greift auf vielfältige Weise in unser Stoffwechselgeschehen ein. Da gibt es Substanzen, die von Bakterien aus unterschiedlichen Nahrungsbestandteilen hergestellt werden. Dann sind da die Metaboliten, die unser Körper an anderer Stelle und in anderen Organen zusammengebastelt hat (wie zum Beispiel Hormone, Gallensäure oder Eiweißverbindungen) und die dann von Mikroorganismen noch mal umgebaut und in ihrer Wirksamkeit verändert werden. Manche Medikamente können erst durch den Einfluss der Darmflora ihre volle Wirksamkeit entfalten. Und natürlich machen die Keime auch ihr eigenes Ding und produzieren ganz ohne unser Zutun neue Ingredienzien, die auch zum Gelingen der »Suppe« beitragen.
Selbst manche Nahrungsmittel werden erst durch das Wirken des Mikrobioms für uns genießbar. Oxalsäure, die wir unter anderem mit Spinat, Rhabarber, Amaranth, Mangold oder Portulak aufnehmen, ist in größeren Mengen für uns Menschen giftig. Doch Helfer im Darm, allen voran der Keim Oxalobacter formigenes, verstoffwechseln den Nahrungsbestandteil und machen ihn dadurch verträglicher. Fehlt das Bakterium, etwa weil wir eine längere Antibiotikatherapie erhalten haben, dann steigt der Gehalt an Oxalsäure an und Eisenmangel und Nierensteine können die Folge sein. Bei Neigung zu Nierensteinen lässt sich mithilfe einer Mikrobiomanalyse die Ursache möglicherweise in der Darmflora finden.
Die Darmflora hilft aber nicht nur zu verdauen. Sie produziert Folsäure, Vitamin K2, B-Vitamine und Antioxidantien. Komplexe Kohlenhydrate und präbiotische Ballaststoffe werden von ihr zu kurzkettigen Fettsäuren fermentiert. Das Mikrobiom neutralisiert oder aktiviert auch Arzneimittel und krebserregende Stoffe und schützt uns vor Krankheitserregern, stimuliert Abwehrzellen und hilft dem Immunsystem heranzureifen. Bakterienmetaboliten regen die Darmtätigkeit an und sorgen dafür, dass die Darmschleimhaut gut in Schuss und die Darmbarriere dicht bleibt. Und auch das Nervensystem wird bedacht.
In seltenen Fällen kann es sogar vorkommen, dass der Darm zum körpereigenen Braumeister wird.
Über die Blutbahn gelangen Stoffwechselprodukte der Darmbakterien zu jeder Zelle des Körpers und können sogar die »Gehirnchemie« steuern. Welche Auswirkungen Metaboliten der Darmflora auf unseren gesamten Organismus haben können, lässt sich sehr gut anhand des Falls eines 61-jährigen Texaners zeigen.
Immer mal wieder lag er nämlich ziemlich betrunken in der Ecke, torkelte durchs Haus, sprach mit schwerer Zunge oder wirkte am Steuer mehr als unsicher. Der Senior stritt jedoch vehement ab, auch nur einen einzigen Tropfen Alkohol getrunken zu haben. Aber als dann im Krankenhaus ein Blutalkoholspiegel von 3,7 Promille festgestellt wurde, schien die Sache klar zu sein. Für 3,7 Promille muss man schon ziemlich viel trinken. Als sich der Betroffene noch immer gegen den Vorwurf des Alkoholmissbrauchs wehrte, schaute man genauer hin. Begonnen hatte der Spuk, als sich der Mann einer Fuß-OP unterziehen und anschließend für längere Zeit ein Antibiotikum einnehmen musste. Seitdem war der ältere Mann immer wieder wie aus heiterem Himmel voll wie eine Strandhaubitze.
Der Leidensweg hatte ein Ende, als ein Magen-Darm-Spezialist bei ihm das sogenannte Eigenbrauer-Syndrom (englisch: Auto-Brewery Syndrome) vermutete. Bei einer Stuhluntersuchung entdeckte er nämlich den Keim Saccharomyces cerevisiae – besser bekannt als Bierhefe – im Stuhl des Patienten. Dieser Hefepilz machte im Darm des Texaners das Gleiche, was er normalerweise im Bierfass tut: Er vergärt Kohlenhydrate zu Alkohol. In seinem Bauch braute der Mann quasi sein eigenes Bier. Wie effektiv das die Bierhefen können, zeigte sich auch bei einem Test im Klinikum: Der Mann wurde isoliert, sein Zimmer und Gepäck gründlich durchsucht, um auszuschließen, dass er doch noch irgendwo heimlich Alkoholvorräte gebunkert hatte, und dann erhielt er kohlenhydrathaltige Mahlzeiten wie Brot, Nudeln oder Kuchen.
Und siehe da: Mit jeder Mahlzeit stieg sein Alkoholpegel im Blut weiter an. Der Fall war gelöst. Mit einem Medikament gegen Pilze und einer gesunden Ernährung konnte der Patient geheilt werden. Wahrscheinlich hatte die lange Antibiotikatherapie dazu geführt, dass schützende Bakterien getötet wurden und sich dadurch der unerwünschte Hefepilz ausbreiten konnte.
Das Beispiel zeigt recht eindrucksvoll, dass das, was im Darm geschieht, nicht im Darm bleibt, sondern den gesamten Körper betrifft.
Doch unser Darm kann glücklicherweise viel mehr, als nur Bier zu brauen. Die im Darm produzierten »Chemikalien« nutzt unser Körper auch, um Entzündungen zu bekämpfen, Giftstoffe zu neutralisieren oder unser Gedächtnis, unsere Emotionen und unsere Stimmung zu regulieren. Was in dem großen Bioreaktor brodelt, hängt davon ab, was wir essen und von welchen Bakterienstämmen der Darm besiedelt wird. Unsere Helfer im Verdauungstrakt sind in der Lage, anregende oder beruhigende Nervenbotenstoffe, Glückshormone oder deren Vorstufen wie Dopamin, Serotonin, Tryptophan oder GABA zu produzieren, die uns bei körperlichem oder seelischem Stress unterstützen und unser Wohlbefinden fördern. Die Ausgangsstoffe kommen von unseren Tellern. Der Darm verbindet quasi den Kochtopf mit dem Gehirn.
Oxytocin ist so eine Wunderdroge, die der Körper selbst produziert. Der Spitzname dieses Botenstoffs lautet »Kuschelhormon«, denn das Hormon ist der Kitt, der zwischenmenschliche Beziehungen zusammenhält. Oxytocin schafft Vertrauen, das unser Zusammenleben erleichtert. Wir vertrauen unseren Eltern, dem Partner, dem Piloten, in dessen Maschine wir steigen, und dem Chirurgen, der uns operiert. Gebildet wird dieser wunderbare Botenstoff im Gehirn. Anregen lässt sich die Produktion dieses Hormons durch die richtigen Darmbakterien. Der Milchsäurebakterienstamm Lactobacillus reuteri ist in der Lage, aus dem Darm heraus über den Nervus vagus die Produktion des Kuschelhormons im Gehirn zu stimulieren. Das hat zumindest im Tierversuch funktioniert und vieles deutet darauf hin, dass auch wir mit den richtigen Keimen zu sozialeren und liebevolleren Menschen werden.
Das Glückshormon Serotonin ordnen wir vor allem dem Gehirn zu, denn dort bewirkt es Wohlbefinden und Zufriedenheit und verbessert zudem die Konzentration. Der Eiweißbaustein Tryptophan ist der notwendige Ausgangsstoff für die Produktion des Glückshormons – dieser Grundstoff kommt aus dem Darm. Tryptophan gelangt über das Blut zum Oberstübchen und kann hier sehr gut die Blut-Hirn-Schranke überwinden. Nur wenn der Darm ausreichend Tryptophan bildet, kann das Gehirn diesen Grundstoff für die Serotoninproduktion nutzen und unsere Stimmung aufhellen. Menschen, die unter Depressionen leiden, mangelt es oft nicht nur am Glückshormon Serotonin, sondern sie haben auch weniger zufrieden machendes Tryptophan im Blut. Das konnten japanische Wissenschaftler kürzlich feststellen. Manipuliert man die Zusammensetzung des Mikrobioms, verändert sich dadurch auch die Konzentration der Aminosäure Tryptophan im Blut. Stress, Darmentzündungen oder Störungen der Darmflora senken den Tryptophanspiegel und können dadurch Depressionen begünstigen. Im Tierversuch ließ sich die Menge dieser stimmungsaufhellenden Aminosäure deutlich erhöhen, wenn die zuvor keimfrei lebenden Mäuse einen bestimmten Keim, nämlich Bifidobacterium infantis, erhielten. Dieser Bakterienstamm ist auch ein wichtiger Bestandteil der menschlichen Darmflora.
Die Produktion wichtiger Botenstoffe lässt sich über die Darmflora anregen beziehungsweise die Bildung von Stresshormonen kann gesenkt werden. Art und Menge der produzierten Botenstoffe hängen nämlich davon ab, was wir essen und welche Bakterien unseren Darm besiedeln beziehungsweise welche Mikroorganismen wir gezielt als Nahrungsergänzungsmittel zuführen.
Serotonin ist ein Glückshormon, das sowohl im Darm als auch im Gehirn produziert wird und uns zufriedener und ausgeglichener macht. Auch Antidepressiva wirken über Serotonin, indem sie dessen Abbau verlangsamen. Die Serotoninproduktion lässt sich anregen durch Bifidobacterium infantis, dunkle Schokolade, Bananen, Nüsse, Hülsenfrüchte, die Vitamine B6, B12 und D, Omega-3-Fettsäuren, Magnesium und helles Tageslicht.
Tryptophan ist eine Aminosäure (Eiweißbaustein) und eine wichtige Ausgangssubstanz für die Produktion von Serotonin und dem Schlafhormon Melatonin. Die Tryptophanproduktion lässt sich anregen durch Bifidobacterium infantis, proteinreiche Nahrungsmittel wie Putenfleisch, Huhn, Rindfleisch, Fisch, Eier, Nüsse und Hülsenfrüchte.
GABA (Gamma-Aminobuttersäure) gehört zu den beruhigenden Botenstoffen und gilt als natürlichen Tranquilizer. GABA lässt Körper und Geist zur Ruhe kommen. Die GABA-Produktion lässt sich anregen durch Lactobacillus rhamnosus, Lactobacillus paracasei, Lactococcus lactis, Lactobacillus plantarum oder Lactobacillus brevis. Außerdem ist GABA enthalten in reifem Käse wie Pecorino oder Parmesan, Tomaten und Sojasoße.
Oxytocin wird auch als »Kuschelhormon« bezeichnet, denn es ist der Kitt, der zwischenmenschliche Beziehungen zusammenhält. Der Botenstoff nimmt Angst und stärkt zwischenmenschliche Verbindungen. Die Oxytocinproduktion lässt sich anregen durch Lactobacillus reuteri (zum Beispiel enthalten in Brottrunk). Es gibt kein Nahrungsmittel, das direkt Oxytocin enthält. Wir können die Produktion ansonsten nur durch unser Verhalten, vor allem durch körperliche und soziale Kontakte, anregen: Massagen, Umarmen, Sex, Freunde treffen, Tiere streicheln.
Peptid YY ist ein Sättigungshormon, das gleichzeitig die Stressresistenz erhöht und uns zufriedener macht. Die Peptid-YY-Produktion lässt sich anregen durch präbiotische Ballaststoffe, Lactobacillus gasseri, Bifidobacterium breve, Bifidobacterium lactis, Lactobacillus plantarum und durch Propionat.
Dopamin ist ebenfalls ein Glückshormon, das eng mit dem Belohnungssystem des Körpers verbunden ist. Es belohnt uns mit einem guten Gefühl, wenn wir ein Ziel erfolgreich erreicht haben oder Aktivitäten nachgehen, die wir mögen. Dopamin gibt uns Energie und Durchhaltevermögen. Für die Dopaminproduktion benötigt unser Körper die Aminosäuren Phenylalanin und Tyrosin. Phenylalanin nehmen wir mit Fisch und Fleisch zu uns. Pflanzliche Spitzenreiter sind Haferflocken, Dinkelmehl, Bohnen und Linsen, Nüsse, Petersilie, Grünkohl und Brokkoli. Tyrosin ist enthalten in Geflügelfleisch und fettem Fisch wie Lachs, Makrele, Thunfisch oder Heilbutt. Vegetarier können Tyrosin durch Kerne und Nüsse aufnehmen, vor allem durch Kürbiskerne und Walnüsse. Die Bakterien Escherichia coli und Proteus sind in der Lage, die Dopaminkonzentration anzuregen. Auch Omega-3-Fettsäuren erhöhen den Dopaminspiegel.
Melatonin ist das wichtigste Schlafhormon und sorgt für eine erholsame Nacht. Gleichzeitig verhindert es Zellschäden. Ein hoher Melatoninspiegel gilt als Altersbremse. Melatonin wird wie Serotonin aus dem Ausgangsstoff Tryptophan gebildet. Nächtliche Dunkelheit fördert die Produktion. Helles Licht, eingeschaltete Elektrogeräte im Schlafzimmer oder das blaue Bildschirmlicht von Tablets, Handys und PCs hemmen die Melatoninbildung. Wer abends noch am PC arbeiten möchte oder muss, sollte sich deshalb eine Brille mit Blaulichtfilter zulegen oder den Bildschirm in den »Nachtmodus« schalten. Dadurch wird der Anteil des blauen Lichts herausgefiltert und die Melatoninproduktion nicht gestört. Probiotische Präparate mit Bifidobacterium infantis und Präbiotika sind wichtig für einen ausreichenden Melatoninspiegel. Ebenso regen Schokolade, Bananen und Magnesium die Melatoninbildung an.
Stresshormone, vor allem Cortisol, schaden unserem Körper, wenn sie langfristig erhöht sind. Cortisol schwächt das Immunsystem und erhöht das Risiko für Depressionen und psychische Probleme. Stresshormone lassen sich senken mit Lactobacillus plantarum, Lactobacillus rhamnosus, Lactobacillus bulgaricus, Lactobacillus helveticus, Streptococcus thermophiles, Lactococcus lactis, Bifidobacterium lactis, Bifidobacterium longum, Bifidobacterium bifidum sowie Präbiotika.
Auch ein anderer beruhigender Nervenstoff, der unter der Bezeichnung GABA (Gamma-Aminobuttersäure) bekannt ist, benötigt bakterielle Unterstützung. Dieser Eiweißbaustein zählt zu den hemmenden Nervenbotenstoffen. GABA verlangsamt die Reizübertragung zwischen den Muskeln und auch der Kopf kann so zur Ruhe kommen, Stress wird abgebaut. Verschiedene Milchsäurestämme sind besonders aktive GABA-Produzenten. Sowohl in unserem Darm als auch zum Beispiel im Käse, dem sie zugesetzt werden, produzieren die kleinen Keime diesen natürlichen Tranquilizer. Allerdings unterscheiden sich die GABA-Konzentrationen je nach Käsesorte. Niedrige Konzentrationen fanden italienische Wissenschaftler in Mozzarella, mittlere Konzentrationen in verschiedenen Parmesansorten. Die höchsten Werte wurden in Pecorino gemessen. Wer schlecht schläft, sollte sich vielleicht mal im Regal mit den Milchprodukten umsehen. Besonders gut läuft die GABA-Produktion, wenn wir abends auch noch Tomaten oder Sojasoße zu uns nehmen, denn diese liefern wichtige GABA-Bausteine. Etwas Ciabatta, ein guter Käse und Tomatensalat versprechen demnach einen schönen Abend und eine erholsame Nacht.
Die Ausgangsprodukte der Gute-Laune-Hormone kommen aus dem Darm – wenn die richtigen Bakterienstämme aktiv sind.
Unsere Darmflora bildet zahlreiche Stoffwechselprodukte, die im Körper für unsere Gesundheit wichtige Aufgaben übernehmen. Vor allem die Gruppe der kurzkettigen Fettsäuren, zu der Acetat (Essigsäure), Propionat (Propionsäure) und Butyrat (Buttersäure) gehören, sind bedeutende Gesundheitsbooster. Im weiteren Verlauf des Lesens werden Sie feststellen, dass diese Fettsäuren eine sehr große Bedeutung für die Gesundheit haben und wahrscheinlich das Wichtigste und Erstaunlichste sind, was unser Mikrobiom zu bieten hat. Geht die Produktion der kurzkettigen Fettsäuren zurück, steigt das Risiko für eine Vielzahl von Erkrankungen.
Kurzkettige Fettsäuren entstehen im Darm durch den bakteriellen Abbau sogenannter Präbiotika. Das sind pflanzliche Ballaststoffe, die wir Menschen nicht verdauen können. Sie gelangen unverändert in den Dickdarm und stehen als »Futter« für die Bakterien zur Verfügung. Die Mikroorganismen dort zögern nicht lange und wandeln sie in wertvolle Fettsäuren um. Sowohl für die Darmflora als auch für unseren ganzen Körper sind diese Fettsäuren wichtige Energiequellen. In unseren Breiten decken wir etwa 10 Prozent unseres Kalorienbedarfs durch kurzkettige Fettsäuren. Das meiste kommt dabei den Darmzellen zugute: Mehr als 70 Prozent der Energie, die die Epithelzellen des Dickdarms und die Darmschleimhaut benötigen, gewinnen sie aus diesen kurzkettigen Fettsäuren.
Kurzkettige Fettsäuren gelangen leicht durch die Darmwand in die Blutbahn. Dadurch können sie jeden Winkel des Körpers erreichen und sich im gesamten Organismus nützlich machen. Ihre Wirkung entfalten sie, indem sie an Zellrezeptoren anheften. Diese Andockstellen für kurzkettige Fettsäuren sitzen vor allem auf Immunzellen und auf Zellen, die im Fett- und Zuckerstoffwechsel eine Rolle spielen. So werden diese Bakterienmetaboliten zu wirksamen Waffen gegen Übergewicht, Leberverfettung, Zuckerkrankheit und Entzündungen aller Art.
Von besonderer Bedeutung ist Butyrat, das Salz der Buttersäure. Auf den ersten Blick ist Buttersäure nichts Erstrebenswertes. Sie ist für den Geruch von Käse, Sauerkraut, Erbrochenem oder Schweißfüßen verantwortlich und entsteht, wenn Butter ranzig wird. Scherzartikelproduzenten verwenden Buttersäure gern zur Herstellung besonders wirkungsvoller »Stinkbomben«. Doch für unsere Darmzellen ist Butyrat ein Leckerbissen und unerlässlich für deren Gesundheit und Funktionsfähigkeit. Ohne Buttersäure würden sie jämmerlich verkümmern, und das würde die Darmbarriere schwächen. Denn um wichtigen Nährstoffen und Botenstoffen den Eintritt in den Körper zu erlauben, unerwünschten Eindringlingen aber die Stirn zu bieten und diese wirkungsvoll abzuhalten, existiert ein darmeigenes Sicherheitssystem, die sogenannte Darmbarriere. Man kann sich das ungefähr so vorstellen, dass die Zellen mit druckknopfartigen Verbindungen, den sogenannten Tight Junctions, miteinander verkoppelt sind. Doch die Darmbarriere darf keine unpassierbare Grenze sein, sondern muss über einen cleveren Öffnungs- und Schließmechanismus verfügen. Sie sollte einerseits durchlässig sein für alles, was in den Körper gelangen muss, andererseits absolut dicht für alles andere. Ein Teil dieses Schließsystems wird durch Botenstoffe geregelt. Butyrat ist ein wichtiger Teil dieses Sicherheitskonzepts. Es festigt die »Druckknopf-Verbindungen« zwischen den Zellen und versiegelt auf diese Weise die Darmbarriere. Dadurch verhindert Buttersäure, dass große Nahrungsbestandteile, Umweltschadstoffe oder Bakterien aus dem Darm (wo sie gut sind) in die Darmwand (wo man sie nicht haben möchte) eindringen und dort Entzündungen auslösen. Deshalb profitieren Patienten mit chronischentzündlichen Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn auch von einem ausreichenden Spiegel an kurzkettigen Fettsäuren. Butyrat stabilisiert bei ihnen die Darmbarriere und lindert Entzündungen. Allerdings fehlen bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen oft gerade die Butyrat bildenden Mikroorganismen.
Ob Stinkbombe oder streng riechender Käse: Butyrat, das für den durchdringenden Geruch verantwortlich ist, spielt eine wichtige Rolle im Körper.
Der Butyratgegenspieler ist Zonulin. Er kann die Tight Junctions öffnen. Normalerweise entsteht dadurch nur ein schmaler Spalt. Winzige Nahrungsbestandteile können dann diesen Schleichweg in den Körper nutzen. Doch bereits bei einer leichten Dysbiose kommt das Gleichgewicht durcheinander. Dann produziert die gestörte Darmflora weniger Buttersäure und die ausgehungerten Darmzellen bilden mehr Zonulin. Diese Konstellation führt zu einer deutlich erhöhten Durchlässigkeit des Schutzwalls, die eine ganze Kaskade an negativen Folgen auslösen kann. Man bezeichnet diesen Zustand als »löchrigen Darm« oder auch »Leaky-Gut-Syndrom«. Ob ein Leaky-Gut-Syndrom vorliegt, lässt sich anhand des Zonulinspiegels im Stuhl überprüfen.
Aber Butyrat kann noch viel mehr. Gemeinsam mit einer weiteren kurzkettigen Fettsäure, dem Propionat, senkt Buttersäure das Risiko für Dickdarmkrebs. Die beiden Fettsäuren sind nämlich in der Lage, entartete Zellen zur Selbstzerstörung zu veranlassen. Dazu aktivieren die Fettsäuren den Schalter für den programmierten Zelltod (Apoptose). Dieser Mechanismus sorgt dafür, dass potenziell gefährliche Zellen sich selbst ausschalten. Patienten mit Dickdarmkrebs weisen – ähnlich wie Menschen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen – zu wenige Butyrat bildende Bakterien in ihrem Mikrobiom auf. Die Tatsache, dass Menschen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen auch ein deutlich erhöhtes Darmkrebsrisiko haben, belegt, dass es offensichtlich enge Verbindungen zwischen Entzündungen, Butyratmangel und Darmkrebsentstehung gibt.
Durchschnittlich hat jeder Mensch etwa 20 unterschiedliche Bakterienstämme im Darm, die Butyrat synthetisieren, also herstellen, können. Diese relativ große Sicherheitsreserve an Buttersäureproduzenten ist ein weiterer Beleg für die Bedeutung des Butyrats. Forscher fanden heraus, dass die Zahl der wertvollen Butyratbildner im Darm davon abhängt, was wir essen. Kommt häufig Pflanzenkost auf den Teller – vor allem solche mit vielen präbiotischen Ballaststoffen –, dann vermehren sich die nützlichen Keime. Bevorzugen wir vor allem Fleisch, Wurst und Milchprodukte, dann nimmt die Zahl der Bakterien, die Buttersäure produzieren können, deutlich ab. Durch ungünstige Ernährungsgewohnheiten kommt bei manchen Menschen die Butyratproduktion fast zum Erliegen. In einer Studie waren die Darmbakterien der meisten Teilnehmer in der Lage, präbiotische Ballaststoffe zu mehr als 95 Prozent abzubauen – sie verfügten über die geeigneten Bakterien. Eine kleine Gruppe verwertete aufgrund fehlender Mikroorganismen aber weniger als 40 Prozent – mit entsprechend negativen Effekten auf die Menge der produzierten kurzkettigen Fettsäuren. Einseitige Ernährung, zu wenig Grünzeug und Vollkornprodukte oder auch eine längere Antibiotikatherapie können die Zahl Butyrat produzierender Bakterien dezimieren.
Wer darf durch und wer ist unerwünscht? Auch an der Darmbarriere wird diese wichtige Frage entschieden.
Ein wichtiger Buttersäureproduzent ist ein Keim mit der interessanten Bezeichnung Faecalibacterium prausnitzii. Er ernährt die Darmschleimhaut und trägt dadurch entscheidend zum Erhalt der Darmbarriere bei. Faecalibacterium prausnitzii hat zwei Lieblingsgerichte: erstens resistente Stärke und zweitens die Abbauprodukte seines Kollegen mit dem schönen Namen Akkermansia muciniphila. »Muciniphila« bedeutet »Schleim (lateinisch mucus) liebend«, und diese Bezeichnung ist durchaus treffend. Akkermansia muciniphila lebt in der Schleimschicht, die den gesamten Verdauungstrakt auskleidet, und baut den Mucus auch regelmäßig ab. Dieser abgebaute Schleim fördert das Wohlergehen von Faecalibacterium prausnitzii und wird von dem Bakterium in Buttersäure umgewandelt, die wiederum uns, den Wirten der Darmflora, guttut. Dieses Beispiel zeigt, wie eng die Darmbakterien miteinander kooperieren und wie sehr sie aufeinander angewiesen sind. Für die Darmgesundheit ist deshalb die Balance aller Mikroorganismen im Verdauungstrakt von Bedeutung.
Fettsäuren
Gesunder Darm
geschwächte Darmbarriere/chronischentzündliche Darmerkrankungen
Essigsäure
60 %
70–80 %
Propionsäure
20 %
10–15 %
Buttersäure
20 %
8 %
Um gesund zu bleiben, sich gut zu entwickeln und ausreichend Butyrat zu produzieren, benötigt das Mikrobiom täglich präbiotische Ballaststoffe. Vor allem aus dem Präbiotikum »resistente Stärke Typ 3« können Darmbakterien besonders viel Butyrat erzeugen. Resistente Stärke zählt zu den Präbiotika, also zu den unverdaulichen beziehungsweise schwer verdaulichen Ballaststoffen, die im oberen Verdauungstrakt nicht resorbiert werden können und deshalb unverändert in den Dickdarm kommen, wo sie von der Darmflora verstoffwechselt werden. Für eine ausreichende Buttersäureproduktion sollten wir täglich mindestens 10 bis 15 Gramm resistente Stärke zu uns nehmen. Nach langsamer Gewöhnung sind auch 20 bis 25 Gramm möglich.
Dieses Präbiotikum ist in unterschiedlichen Nahrungsmitteln enthalten. Die Menge ist vor allem abhängig von der Zubereitungsart oder dem Reifegrad. Werden Lebensmittel, die Stärke enthalten, gekocht und kühlen anschließend ab, wird die Stärke »resistent«: Durch das Abkühlen verändern sich die Stärkemoleküle und widerstehen dann den Verdauungsenzymen. Wer Nudeln, Reis und Kartoffeln öfters als Sushi oder Nudel- beziehungsweise Kartoffelsalat isst, erhöht dadurch die Zufuhr an resistenter Stärke. Da resistente Stärke nicht verdaut wird, sind Reis, Nudeln, Porridge oder Kartoffeln im abgekühlten Zustand kalorienärmer als im frisch gekochten. Auch wenn die abgekühlten Lebensmittel wieder erhitzt werden, zum Beispiel als Auflauf oder Bratkartoffeln, bleibt die resistente Stärke erhalten. Welches Lebensmittel wie viel davon enthält, finden Sie in der Liste