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Wahre Schönheit kommt von innen
Unsere Haut hört nicht etwa an den Lippen auf, sondern zieht sich als Schleimhaut durch den gesamten Verdauungstrakt. Ein gesunder Darm macht nicht nur schlank und happy, sondern kann zu einem strahlenden Teint, glänzendem Haar und einer Linderung bei Allergien und anderen Hauterkrankungen verhelfen. Dieser Ratgeber zeigt die Zusammenhänge zwischen Darmgesundheit und äußerer Schönheit auf und gibt Tipps für eine darm- und hautfreundliche Ernährungsweise. Lesen Sie sich schön!
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Seitenzahl: 255
Prof. Dr. Michaela Axt-Gadermann
mit Regina Rautenberg
Schön
MIT DARM
Strahlendes Aussehen durch einen gesunden Darm
© 2017 by Südwest Verlag, einem Unternehmen der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München
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BILDNACHWEIS
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PROJEKTLEITUNG
Andrei-Sorin Teusianu
REDAKTION UND REZEPTE
Regina Rautenberg
KORREKTORAT
Claudia Fritzsche
BILDREDAKTION
Tanja Zielezniak
COVER UND TITELABBILDUNG, LAYOUT UND ILLUSTRATIONEN
*zeichenpool, München
GESTALTUNG UND SATZ, DTP
Christoph Dirkes
mediathletic bild + design, Neuenkirchen
www.mediathletic.com
LITHO
Mohn Media Mohndruck GmbH, Gütersloh
HERSTELLUNG
Reinhard Soll
ISBN 978-3-641-21282-7V004
FÜR MEINE FANTASTISCHE FAMILIE
INHALT
Vorwort
1. Zwei wie Pech und Schwefel
Der lange Arm des Darms
Auf ewig verbunden
Eine Reise nach Liliput
2. Die Keime und wir – ein kultiviertes Miteinander
Team-Mikrobiom und Familien-Flora
Das Universum in uns
Aufbruch in neue Galaxien
Zu Besuch im botanischen Garten der Haut
Mit Vielfalt punkten
Trainingscamp Darm
Ohne Darmflora keine Abwehr
I’m on fire – der Darm und Entzündungen
Mikroben-Security
3. Attraktivität beginnt im Darm
Das Kosmetikstudio in unserem Bauch
Polyphenole – die Darmfloristen
Keime lassen Haare sprießen
Paracasei-Schuppenkur
Die Haut, in der wir leben
Bakterien als Kosmetikproduzenten
Sensible Haut? Paracasei hilft!
Die Wundenheiler
Schlank mit Darm?
Die Gerüche-Küche
Die Hautflora macht uns attraktiv für Mücken und Mitmenschen
4. Falten verzieht euch – wie Bakterien die Alterung verzögern
Warum altert unsere Haut?
Radikale? Nein danke!
Die Schutzstofffabrik im Darm
Eine junge Darmflora verlängert das Leben
Bakterieller Sonnenschirm
5. Dr. Darm – wie Bakterien Hautkrankheiten heilen
So schützt uns der Darm vor Hauterkrankungen
Akne – Pickel außer Rand und Band
Ekzeme und Allergien – Immunreaktion auf Abwegen
Psoriasis – wenn Schuppen nicht schnuppe sind
Rosacea – die Haut „blüht“ rosig
6. Ein gesundes Darmklima schaffen
Multikulti im Gedärm
Ein Himmelbett für gute Freunde
Nur das beste Futter für meine Bakterien
Inulin und resistente Stärke für schöne Haut
Rotwein sorgt für neue Freunde
Probiotika coachen Ihre Darmflora
Der richtige Experte für Ihr Problem
Her mit den freundlichen Keimen!
Darmflora-Analyse – alte Freunde treffen
Darmreinigung – „Kehraus“ im Verdauungstrakt
7. Krieg der Keime – Bakterien gegen Seife
Bitte nicht zu sauber!
Des Guten zu viel getan
Wo sind die Mikroben?
Schmutziges Geheimnis
Sauer macht schöner
Saures Anti-Aging
Kosmetik mit Bakterien – da lacht die Haut
Hautpflege kompakt
8. Das schmeckt dem Darm
Lecker kochen für die Darmflora
Frühstück
Mittagessen
Abendessen
Snacks
Was man sonst noch wissen muss
Zertifiziertes Ernährungsprogramm für einen gesunden Darm
Laboradressen
Produkte, die Ihrer Darmflora guttun
Literatur
Impressum
Der Darm soll schöner machen? Das klingt auf den ersten Blick wohl mehr als unglaublich. Doch die Forschung hat in den vergangenen Jahren Erstaunliches zutage gebracht und dabei auch die enge Verbindung zwischen zwei auf den ersten Blick so völlig unterschiedlichen Organen nachweisen können. Unsere Haut scheint der Spiegel unseres Darms zu sein. Die Ursache vieler Hauterkrankungen liegt im Verdauungstrakt, genauso wie der Schlüssel zu einer schönen Haut und vollem Haar. Verantwortlich dafür sind Billionen von Bakterien, die nicht nur den Verdauungstrakt, sondern auch unsere äußere Hülle besiedeln und unwahrscheinlich viel für Gesundheit und Attraktivität tun. Mithilfe einer gesunden Darmflora produziert unser Körper eine Vielzahl nützlicher Substanzen wie Antioxidantien, Stoffe zum Schutz vor der UV-Strahlung oder auch Hyaluronsäure und Ceramide, die wir als Kosmetikwirkstoffe kennen. Sie alle helfen, unsere Haut zu verschönern. Darm- und Hautbakterien können aber auch Allergien, Ekzeme und Entzündungen lindern und tragen dadurch zu einem schönen und gesunden Hautbild bei.
Ich habe für dieses Buch wieder zahlreiche Studien gewälzt, verglichen und ausgewertet und selber Untersuchungen durchgeführt. Nun möchte ich Ihnen viel Neues, Spannendes und Überraschendes über die Liebesgeschichte zwischen Haut und Darm erzählen.
Wussten Sie zum Beispiel, dass
* Bakterien unsere Haut vor Sonnenschäden und Falten schützen?
* Störungen der Darmflora Pickel, Ekzeme und Rosacea auslösen können?
* Ihre Hautflora dafür verantwortlich sein kann, wenn Sie im Urlaub von Mücken geplagt werden?
* ein gesundes Mikrobiom für die hormonelle Balance im Körper sorgt?
* Keime Einfluss auf das Haarwachstum nehmen?
* es Hautpflegeprodukte mit Mikroorganismen aus dem Hühnerstall gibt?
* sensible Haut mit den richtigen Bakterien weniger empfindlich reagiert?
Neugierig geworden? Viel Spaß beim Lesen und Ausprobieren wünscht Ihnen
Michaela Axt-GadermannPetersberg, im April 2017
Noch mehr Infos unter www.schoen-mit-darm.de
Was haben Darm und Haut gemeinsam? Auf den ersten Blick überhaupt nichts! Unsere Haut ist – wenn sie gesund und gepflegt ist – unser Aushängeschild. Sie verleiht uns Attraktivität, sie informiert über unsere Gesundheit und gibt Auskunft über unseren Ernährungszustand. Sogar Rückschlüsse auf unseren Lebensstil lässt diese äußere Hülle zu: Haben wir eine tolle Partynacht hinter uns, wirkt unsere Haut blass und erschöpft. Rauchern und Sonnenanbetern sieht man ihre Leidenschaft ebenfalls im Gesicht an. Ihre Haut wird früh faltig, und Pigmentflecken lassen sie alt aussehen. Und nicht zuletzt soll unsere Haut ja auch der Spiegel unserer Seele sein. Wenn wir Stress und Sorgen haben, sprießen Pickel und blühen Entzündungen. Geht es uns gut, strahlt unsere Haut wie die Sonne an einem warmen Junitag.
Der Darm hingegen … naja. Sexy ist er nicht, und auf der Rangliste der attraktiven Organe rangierte er bis vor einigen Jahren ganz weit unten. Doch das hat sich inzwischen geändert: Unser Verdauungstrakt ist vom Kellerkind zum Superstar avanciert, und – im Gegensatz zur gefälligen Haut – wird über den weniger hübschen Darm und seine Bewohner, die Darmkeime, derzeit fast täglich in den Medien berichtet. Diesen gesellschaftlichen Aufstieg verdankt unsere Körpermitte der aktuellen wissenschaftlichen Forschung. Wöchentlich entdecken Experten neue Fähigkeiten dieses bisher unterschätzten Körperteils. Besondere Aufmerksamkeit kommt dabei der Darmflora zu, denn die Keime entscheiden häufig über schlank oder dick und oft auch über gesund oder krank. Aus der aktuellen Forschung haben wir inzwischen gelernt, dass Keime nicht grundsätzlich schädlich sind, sondern uns eine ganze Menge guter Dienste leisten. Wenn es im Darm ordentlich wimmelt, geht es uns rundherum gut.
Und der „lange Arm“ des Darms reicht weit in den Körper hinein. Fast jedes Organ wird durch die Arbeit unseres Verdauungsorgans beeinflusst, denn der Darm ist kein schüchternes Mauerblümchen, sondern ein recht kontaktfreudiger und gleichzeitig gutmütiger und hilfreicher Geselle. Mit Botenstoffen und Hormonen, die die Darmbakterien produzieren sowie mit Immunzellen, die in seinem Inneren trainiert werden, hält der Darm ständig engen Kontakt zu anderen Körpergeweben. Er unterstützt deren Arbeit und sorgt dafür, dass alles wie am Schnürchen läuft. Ein gesunder Darm ist der Schlüssel zu einer ganzen Menge gesunder und angenehmer Dinge: Er macht nicht nur schlank und happy, sondern kann uns zu einem klaren Teint, weniger Pickeln, vollem Haar und bei Allergien und Hauterkrankungen zur Linderung verhelfen. Nur wenn es Ihrer Darmflora gut geht, strahlt auch Ihre Haut und glänzen die Haare.
Die Verbindung zwischen Darm und Haut ist – wenn auch nur auf den zweiten Blick – gut zu erkennen. Denn unsere Haut hört nicht an den Lippen auf. Sie stülpt sich am Übergang der Gesichtshaut zum Mund mit einem etwas veränderten Aussehen nach innen und kleidet nicht nur den Mund aus, sondern zieht sich als sogenannte Schleimhaut durch den gesamten Verdauungstrakt. Haut und Schleimhaut des Darms stehen also in einer direkten Verbindung, gehen quasi ineinander über. Sowohl die Haut als auch die Darmschleimhaut stellen wichtige Grenzzonen dar, die den Körper vor schädlichen äußeren Einflüssen schützen, denn im Darm und auf der Haut treffen Umwelt und Mensch aufeinander. Man spricht deshalb von der „Darmbarriere“ und der „Hautbarriere“. Dabei gilt es jeweils große Flächen abzusichern. Die Haut bedeckt rund 2 Quadratmeter unseres Körpers. Das entspricht in etwa der Größe einer Tischdecke. Der Darm hingegen misst in seiner gesamten Ausdehnung fast 500 Quadratmeter und umfasst somit die Grundfläche eines Tennisplatzes. Dieses riesige Organ passt nur deshalb in einen kleinen Körper, weil es in zahlreiche winzige Falten gelegt und mit unzähligen Ausstülpungen versehen ist, die zusammen eine so große Oberfläche bilden.
Bei ihrer Abwehrfunktion können sich Haut und Darmschleimhaut auf Billionen von Mitarbeitern verlassen. Alle beide sind Tummelplätze und Lebensräume für zahllose Mikroorganismen. Diese Keime sind unerlässliche Helfer, die auf der Haut und im Darm wichtige Aufgaben übernehmen. Studien belegen inzwischen, dass die Haut enorm profitiert, wenn man seine Darmflora optimiert. Ebenso ist eine intakte Hautflora unerlässlich für ein gutes Hautgefühl. Schon durch ein paar kleine Veränderungen in Hautpflege und Ernährung lässt sich die Situation unserer Keime enorm verbessern.
Schön geschwungene Lippen sind sehr attraktiv, anatomisch gesehen bilden sie allerdings nur das Ende des Verdauungstrakts.
In uns und auf uns sprießt und wuchert eine mehr oder weniger üppige Vegetation – wie in einem tropischen Regenwald bei warmem Nieselregen. Sie wird „Flora“ genannt. Als „Flora“ bezeichnet man normalerweise die Gesamtheit aller Pflanzen, die in einer bestimmten Region vorkommen. Darunter fallen Blumen genauso wie Unkräuter, essbares Grünzeug ebenso wie Giftsträucher. Auch in und auf unserem Körper wächst eine Flora. Sie umfasst die Fülle der Mikroorganismen, die den Körper besiedeln, also vor allem Bakterien, Pilze und Viren. Je nach Lokalisation bezeichnet man diese Keime zum Beispiel als „Hautflora“, „Mundflora“ oder „Darmflora“. Genauso wie in der Natur eine Monokultur nicht nur öde und langweilig, sondern auch extrem anfällig für Schädlinge und Unwetter ist, so schadet uns Menschen auch eine eintönige Bakterienlandschaft. Daher sollten wir uns um eine möglichst abwechslungsreiche Flora bemühen, denn sie ist enorm wichtig und trägt entscheidend zu Gesundheit, Wohlbefinden und Attraktivität bei.
Eine abwechslungsreiche Flora ist widerstandsfähiger und gesünder – sowohl in der Natur als auch im Darm.
Doch obwohl sie so hilfreiche Gesellen sind, rufen Mikroorganismen bei uns nur selten Gefühle wie Wohlwollen oder Zuneigung hervor. Das Spektrum der Empfindungen reicht von Ekel (Fußpilz, Eiterbakterien) über unmerkliches Zurückweichen (Schnupfenviren, Lippenherpes, Brechdurchfall) bis hin zu Panikreaktionen, wie man sie eine Zeit lang sogar in Europa durch die Erwähnung von Ebolaerregern oder HI-Viren auslösen konnte. Die Tatsache, dass nur 0,0000000000001 Gramm leichte Bakterien einen 110.000 Gramm schweren Mann ins Jenseits befördern können, macht verständlicherweise Angst. Die schlimmsten Epidemien in der Geschichte der Menschheit waren bakteriellen Ursprungs. So tötete das Pestbakterium (Yersinia pestis) innerhalb von nur 4 Jahren (1347–1351) 25 Millionen Menschen in Europa und rottete damit ein Drittel der Bevölkerung aus. Kein Wunder also, dass wir Bakterien zunächst einmal mit einer gesunden Skepsis und Zurückhaltung begegnen.
Es ist ja auch irgendwie gruselig, dass wir diese Winzlinge nicht sehen können und sie dennoch unseren Körper besiedeln und die Welt beherrschen. Mikroorganismen machen 70 Prozent der gesamten lebenden Biomasse der Erde aus. Schon ein einziges Gramm Gartenerde enthält rund 100 Millionen Bakterien und 500.000 Pilze. Zudem lassen sie sich mit den üblichen Instrumenten auch kaum messen oder wiegen. Forschern ist es aber jetzt gelungen, mit einer speziellen Waage das Gewicht eines einzelnen Bakteriums zu bestimmen. Demnach wiegt ein einzelner Keim meist zwischen 100 und 200 Femtogramm. Ein Femtogramm (fm) ist ein Millionstel eines Milliardstel Gramms, also 0,0000000000001 g. Das ist schon sehr wenig! Laut der Internetseite www.wissen.de verhält sich die Masse von 1 fm zu einem Kilogramm wie die Masse eines Lkw zu der des Zwergplaneten Pluto. Wobei es jetzt natürlich auch schwer ist, den Laster vor seinem geistigen Auge in Bezug zu dem Zwergplaneten zu setzen. Ich habe da ehrlich gesagt keine so ganz konkrete Vorstellung – gehen wir also einfach mal davon aus, dass Keime unvorstellbar winzig sind. Und diese mikroskopisch kleine Welt ist ähnlich schwer zu begreifen wie die endlosen Weiten des Weltalls.
Denn wenn es um die geheime Welt der Mikroorganismen in unserem Körper geht, warten noch mehr Superlative darauf, bestaunt zu werden. Bräche man die 4,6 Milliarden Jahre alte Geschichte der Erde auf 24 Stunden herunter, dann stellte man fest, dass Mikroorganismen Überlebensweltmeister sind, die sich allen noch so widrigen Umständen anpassen können. Im 24-Stunden-Modell der Erde würde man ersten einfach gebauten Bakterien bereits im Urozean kurz nach 00.00 Uhr begegnen. Gegen 16.00 Uhr, also am späten Nachmittag der Evolution, kämen dann die ersten mehrzelligen Organismen dazu. Und wo bleibt der Mensch? Wenn die Dauer der Erdgeschichte einem Tag entspräche, dann erschiene er erst 3 Sekunden vor 24.00 Uhr auf der Bildfläche. Bakterien haben bis dahin schon deutlich mehr erlebt. Und diesen großen Erfahrungsschatz stellen sie uns bereitwillig zur Verfügung. Welch ein Glücksfall, dass die Evolution die erfahrenen und mit allen Wassern gewaschenen Keime und den komplexen Homo sapiens zusammengebracht hat!
Entspräche die gesamte Erdgeschichte einer Uhr mit 24 Stunden, gäbe es den Menschen erst seit drei Sekunden. Mikroorganismen bevölkern unseren Planeten hingegen fast seit dem Beginn seiner Geschichte.
Während der gesamten Menschheitsgeschichte standen Menschen und Mikrobiom miteinander in engem Kontakt, haben sich gemeinsam weiterentwickelt und festgestellt, dass ein Zusammenleben für beide Seiten von Vorteil sein kann. Nach Jahrmillionen der Co-Evolution sind sie bestens aufeinander eingespielt und ergänzen sich wie ein altes Ehepaar. Was der eine nicht kann, erledigt der andere. Hier gilt: Eine Hand wäscht die andere. Die Mikroben übernehmen Aufgaben, die der Körper selber nicht erfüllen kann. Aufgrund seiner Stoffwechselleistung, die größer ist als die der Leber, bezeichnen Experten die Gesamtheit des Mikrobioms auch als ein eigenständiges Organ, das uns seine Fähigkeiten gerne zur Verfügung stellt. Dafür bietet der Mensch den Keimen ein Zuhause, in dem es Nahrung im Überfluss gibt. Wenn alles glattläuft und Mensch und Mikrobe gut miteinander harmonieren, kann man von einer klassischen Win-win-Situation sprechen.
Doch dieses Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen ist labil und kann schnell gestört werden. Deshalb sollten wir es unseren Mitbewohnern durch unseren Lebensstil nicht unnötig schwer machen. Denn sowohl die Mikroben, die auf der Haut leben als auch die Bakterien, die sich im Darm tummeln, meinen es meistens gut mit uns. Werfen wir doch mal einen näheren Blick auf ihre Lebenswelten.
Unsere Umwelt ist voller Mikroorganismen Und auch wir Menschen schleppen mehrere Kilo Bakterien mit uns herum. Das ist nicht eklig, sondern fantastisch. Denn ohne diese freundlichen Mikroorganismen würde unsere Gesundheit leiden, wären wir dem Stress schlechter gewachsen, und auch unsere Haut würde schneller altern.
Gute Dinge sollte man mit Familie und Freunden teilen. Soweit es unsere Mikroorganismen betrifft, halten wir uns an diese Empfehlung, denn wir tauschen ständig Mikroben mit unserer Umgebung aus. Aktuellen Studien zufolge ist jeder Mensch von einer einzigartigen Keimwolke umnebelt. Jede Stunde geben wir etwa eine Million Keimpartikel an die Umwelt ab. Die uns umschwirrenden Kleinstlebewesen sind so individuell, dass es Forschern in einem Experiment gelungen ist, Mikrobenwolken in unterschiedlichen Räumen eindeutig ihren „Besitzern“ zuzuordnen. Inzwischen überlegt man, diese Erkenntnisse für die Aufklärung von Verbrechen zu nutzen. Denn allein anhand des Keimspektrums im Hausstaub konnte man feststellen, ob in den jeweiligen Wohnungen Männer oder Frauen lebten. Unseren bakteriellen Abdruck hinterlassen wir auf dem Sitz in der U-Bahn, auf den Knöpfen im Fahrstuhl und den Türklinken der Büros. Wir tauschen Bakterien aus, wenn wir dem Geschäftspartner höflich die Hand schütteln oder vertraute Menschen umarmen. Partner, Kinder, Freunde und alle anderen Mitmenschen schnappen diese Keime auf, und manche davon werden ins eigene Mikrobiom integriert.
Beim Toben und Kuscheln tauschen wir zahlreiche gesunde Keime aus.
Auf diese Weise ziehen ständig neue Bewohner in unseren Bakterien-Zoo ein, andere wechseln den Lebensraum und springen auf unsere Mitmenschen über. Durch regelmäßigen engen Kontakt mit anderen Menschen und Tieren ändert sich unsere Keimkomposition grundlegend. Bei Familienmitgliedern gleicht sich die Zusammensetzung von Haut- und Darmflora allmählich an. Lebt im Haushalt auch noch ein Hund, dann wird dieser in den regen Keimtransfer miteinbezogen, und auch das Keimspektrum von Menschen und Haustier wird sich immer ähnlicher. Und offensichtlich lassen sich über das Haustier auch leichter Bakterien von Mensch zu Mensch weitergeben. Partner, die mit einem Hund zusammenleben, weisen nicht nur Keime auf, die vom Haustier stammen, sondern offensichtlich werden auch mittels Tierfell Mikroben weitergereicht. Wahrscheinlich gelangen die Bakterien des einen Hausbewohners beim Streicheln des Hundes auf dessen Haut und Haare und werden dann beim Knuddeln mit einem anderen Hausbewohner von diesem aufgenommen. Deshalb ähneln sich Darm- und Hautflora von Personen mit Haustieren stärker als die von Wohnungsgenossen, die ohne Haustiere zusammenleben.
Und die Spieler einer Sportmannschaft teilen sich sogar ein Team-Mikrobiom. Das fanden US-amerikanische Forscher von der University of Oregon heraus. Sie nahmen Keimproben von den Oberarmen verschiedener Roller-Derby-Spielerinnen. Roller Derby ist ein in den USA weit verbreiteter Sport, bei dem zwei Mannschaften auf Rollschuhen versuchen, auf einer Bahn ihren Läufer als Ersten durchs Ziel zu bringen. Körperkontakte, etwa durch Abdrängen und Anrempeln, sind ausdrücklich erlaubt. Dadurch besteht auch immer wieder die Möglichkeit des Keimaustauschs. Die Wissenschaftler stellten fest, dass die Mitglieder einer Mannschaft bereits vor dem Match eine sehr ähnliche Hautflora aufwiesen. Nach dem Wettkampf hatte man nicht nur Beulen und blaue Flecke verursacht und eingesteckt, vielmehr hatten sich die Hautkeime der Spielerinnen beider Mannschaften miteinander vermischt.
Eine ganz besonders faszinierende Welt ist das Reich der Darmbakterien. Sie machen den Verdauungstrakt eines Menschen zu dem am dichtesten besiedelten Ökosystem der Erde. Auf der Darmoberfläche tummeln sich etwa 10 hoch 14 Bakterien. In Worten: hundert Billionen! Diese Zahl ist unvorstellbar groß, ausgeschrieben lautet sie 100.000.000.000.000. Das sind tausendmal mehr Bakterien, als unsere Galaxie Sterne hat. Wir bieten zehnmal mehr Keimen eine Heimat, als wir Körperzellen besitzen. 90 Prozent aller menschlichen Zellen sind demnach Bakterien. Leberzellen, Gehirnzellen, Haut-, Darm- und andere Körperzellen schlagen nur mit 10 Prozent zu Buche.
Man muss sich vor Augen führen, dass bereits in einem Gramm Stuhl mehr Keime enthalten sind, als Menschen auf der Erde leben und die Hälfte unseres Darminhalts aus diesen freundlichen Untermietern besteht, die – obwohl sie so winzig klein sind – in ihrer Gesamtheit immerhin fast 2 Kilogramm auf die Waage bringen.
Bis vor wenigen Jahren waren die meisten der Mitbewohner, die in unserem Gedärm hausen, unbekannt. Zahllose Keime haben unseren Darm bevölkert, ohne auf irgendeiner Liste aufzutauchen. Vor zehn Jahren wusste man wahrscheinlich mehr über den Mars zu berichten als über die Zusammensetzung unserer Darmflora. Der Grund: Früher musste man Stuhlproben auf Nährböden auftragen, um herauszufinden, wer sich da tummelt. Manche Keime wuchsen sehr rasch auf den Nährmedien, manche zögerlich und sehr viele gar nicht, denn nur 2 Prozent der Bakterien des Darmökosystems lassen sich im Labor kultivieren. Die übrigen 98 Prozent sind „Anaerobier“, das heißt, sie benötigen eine sauerstofffreie oder sauerstoffarme Umgebung, um sich zu vermehren. Deshalb war der größte Teil der Mikroorganismen schon von einer Überdosis Sauerstoff abgetötet worden, wenn der Stuhl in den Petrischalen ausgestrichen wurde. Diese große Gruppe der Darmkeime flog also unter dem Radar der Labormediziner und Mikrobiologen durch und wurde deshalb nie wahrgenommen.
In unserem Darm beherbergen wir tausendmal mehr Keime, als unsere Galaxie Sterne besitzt.
2007 entdeckte man einen neuen mikrobiologischen Kontinent. Nein, was rede ich da: Uns wurde der Blick auf neue, unbekannte mikrobiologische Galaxien gewährt. Denn damals brachten innovative technische Errungenschaften zur Analyse des Mikrobioms den Durchbruch bei der Erforschung der Darmflora. Gen-Sequenzierungen, Bio-Informatik und Methoden zur Erbgutentschlüsselung ermöglichten es nun, auch Keime, die auf den Nährstoffböden partout nicht wachsen wollten, zu erfassen und so mehr über sie zu erfahren. Dadurch können selbst kleinste Erbgutschnipsel identifiziert und den unterschiedlichen Keimen zugeordnet werden. Auf keinem anderen Forschungsgebiet herrscht derzeit eine solche Aufbruchsstimmung. Doch wir stehen noch am Anfang. Aus wissenschaftlicher Sicht wurde die Blackbox Darmflora gerade erst geöffnet, und die Experten stehen staunend davor und sind fasziniert von den neuen Möglichkeiten, die sich ihnen für die Behandlung zahlreicher Krankheiten eröffnen. Depressionen, Demenz und Diabetes scheinen ebenso ihren Ursprung in einer Störung der Darmflora zu haben wie Übergewicht, Allergien und manche Hauterkrankungen. Diese Zusammenhänge sind so bedeutsam, dass allein in der Zeit von 2012 bis 2014 922 Millionen US-Dollar in die Erforschung des Mikrobioms geflossen sind.
Sicher ist schon jetzt: Mikroorganismen sind für uns Menschen und auch für die meisten Tiere lebenswichtig. Auch wenn jeder von uns eine kaum zählbare Masse an Keimen in sich trägt, so kann es doch sein, dass sich nicht die besten und hilfreichsten Stämme in unserem Darm breitgemacht haben oder dass das Mengenverhältnis der einzelnen Bakterien zu ihrer Gesamtheit nicht stimmt. Diesen Zustand nennt man „Dysbiose“ und meint damit eine Störung der Darmflora. Denn nur wenn die Keime, die auf und in uns leben, in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen, macht uns das gesund und psychisch stabil. Je besser die Darmflora aufgestellt ist, desto schöner, gesünder und strahlender sind auch Haut und Haare. Die Zusammensetzung der Mikroben-Gemeinschaft im Darm variiert dabei in Abhängigkeit von unserer Ernährung und unserem Gesundheitszustand. Und umgekehrt entscheidet die Komposition der Keime wiederum über unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit.
Von den Tausenden unterschiedlichen Keimarten, die inzwischen bekannt sind – gerade hat man mal wieder ein paar Hundert neue entdeckt – besitzen wir „zivilisierten“ Menschen etwa 150 bis 200. Menschen hingegen, die sehr ursprünglich leben, wie zum Beispiel die Ureinwohner des Amazonasdschungels, beherbergen mehr als doppelt so viele gesunde Bakterienstämme in ihrem Darm. Doch das eine ideale Mikrobiom scheint es nicht zu geben (oder es wurde noch nicht entdeckt). Wahrscheinlich hat jeder seinen persönlichen Mix im Bauch, auf der Haut und den Schleimhäuten, der so individuell ist, wie das Leben des Einzelnen. Die Komposition der Mikroben gleicht einem Tagebuch unseres Lebens und erzählt davon, wie wir das Licht der Welt erblickten. Es berichtet von den vielen Haustieren, die wir auf die feuchte Schnauze geküsst haben, der Freundin, die mit uns immer so gerne den Kaugummi getauscht hat, der Oma, mit der wir auf dem Sofa gekuschelt haben oder der Tropenreise, auf der wir uns einen üblen Durchfall eingefangen haben. Ob wir häufig Antibiotika einnehmen mussten oder eine vegetarische Ernährungsweise bevorzugten, uns oft die Hände gewaschen haben oder es mit der Hygiene nicht ganz so genau nahmen (was für die Darmflora übrigens ganz gut ist) – das alles hinterlässt seine Spuren in unserem Gedärm.
Ähnlich wie der Darm ist auch die Haut ein großes Biotop, in dem mindestens 10 Milliarden Keime, wahrscheinlich sogar bis zu einer Billion mikroskopisch kleiner Organismen beheimatet sind. Ganz unterschiedliche Bakterien, Pilze und Viren leben auf der Oberfläche, in den Haarfollikeln und zwischen den Zellen der Haut. Einige haben sich dauerhaft eingenistet und sind kaum zu vertreiben. Experten bezeichnen diese als „residente Flora“. Daneben gibt es Übernachtungsgäste und Besucher, die sich nur kurz bei uns aufhalten und dann weiterziehen. Sie zählen zur „transienten Hautflora“.
Die meisten Mikroben tun uns gut. Sie erhalten unsere äußere Hülle gesund, schützen sie vor den Attacken krankmachender Keime und bringen Teint und Haare zum Strahlen. Wie üppig sich die Vegetation der Hautflora entfalten kann, hängt dabei von verschiedenen Umwelt- und Standortfaktoren ab, denn unsere Haut lässt sich in unterschiedliche Vegetationszonen einteilen. Ähnlich wie auf dem Planeten Erde das Klima bestimmt, welche Pflanzen gut gedeihen, so wird auch die Bakterienflora auf dem Planeten Mensch von den Umgebungsbedingungen diktiert. Auf der Haut gibt es wärmere und kältere Regionen, sehr trockene, wüstenartige Gebiete und eher feuchte oder fetthaltige Gegenden. Normalerweise lieben Keime es feucht, fetthaltig und warm. Unsere Haut ist aber in weiten Teilen eher trocken und kühl. Die Hauttemperatur liegt – je nachdem, ob wir uns in geheizten Räumen oder auf der Skipiste befinden – nur zwischen 20 °C und 32°C und somit einige Grad unter den optimalen 37 Grad im Körperinneren.
Deshalb variiert die Anzahl der vorhandenen Keime pro Quadratzentimeter zwischen 100 und 1.000.000. Unterarme und Unterschenkel zählen zu den Trockenzonen unseres Körpers und gehören mit 100 bis maximal 1000 Keimen pro Quadratzentimeter zu den eher dünn besiedelten Regionen. In Versuchen ließ sich jedoch das Hautklima verändern, z. B. indem man einen Arm für einen oder zwei Tage in Frischhaltefolie wickelt. Dadurch kann die Hautfeuchtigkeit nicht mehr verdunsten, und die einstmals trockene Oberfläche der Extremität wird zu einem Feuchtbiotop. Ähnlich, wie viele Wüsten in der Regenzeit aufblühen, bewirkt auch die Feuchtigkeit unter dem Folienverband, dass die Vegetation der Haut explodiert. Statt magerer 100 Keime besiedeln plötzlich bis zu 100.000 Bakterien jeden Zentimeter Fläche.
Achselhöhle, Leisten und die Genitalregion bilden hingegen von Natur aus den subtropischen Dschungel unserer Körperlandschaft. Dank zahlreicher Talg- und Schweißdrüsen herrscht hier stets ein feuchtwarmes Klima, in dem Keime prächtig gedeihen.
Genauso wie ein Kaktus nicht in Alaska wächst und man in Wüstenregionen vergeblich nach wogenden Getreidefeldern sucht, so haben auch die unterschiedlichen Bakterien Regionen, in denen sie sich bevorzugt ansiedeln, da hier die Bedingungen optimal sind. Fettliebende Keime wie Corynebakterien und Propionibakterien findet man vor allem in Gegenden mit vielen Talgdrüsen, wie Gesicht oder Schultern. Für sie liegt das Mikroben-Schlaraffenland an Stirn und Nase, denn sie ernähren sich vom Hautfett, und davon gibt es in diesen Körperarealen mehr als genug. Corynebakterien und Propionibakterien lieben es, den Hauttalg in freie Fettsäuren zu zerlegen. Diese Säuren tragen zum Erhalt des wichtigen Säureschutzmantels bei. Ein Vertreter der Propionibakterien, das Propionibacterium acnes zählt ebenfalls zur ganz normalen, harmlosen Hautflora und fühlt sich im Hauttalg besonders wohl. Sobald aber in der Pubertät die Haut fettiger wird, sieht dieser harmlose Keim seine Chance, denn nun sind die Bedingungen für ihn besonders günstig. Der Aknekeim vermehrt sich dann rasant, verdrängt andere Bakterien von ihren Stammplätzen, und plötzlich ist die Propioni-Familie so groß, dass sie Pickel, Mitesser und Hautentzündungen verursachen kann. Deshalb werden bei Akne häufig (und mit gutem Erfolg) antibiotische Tinkturen eingesetzt, um die Zahlenstärke des Propionibakterium-Heeres wieder auf ein normales Maß zu reduzieren.
In feuchten Regionen wie den Leisten oder Achselhöhlen, die durch eine Vielzahl von Schweißdrüsen bewässert werden, breiten sich gerne Hefepilze oder Bakterien aus der Gruppe der Bacteroidetes aus. In Trockengebieten wie Armen und Beinen leben ein paar wenige Keime, die mit diesen eher keimfeindlichen Bedingungen ganz gut zurechtkommen, zum Beispiel bestimmte Staphylokokkenarten. Besonders keimreich sind unsere Hände – schon allein durch ihren intensiven Kontakt mit der Umwelt. Und obwohl – oder gerade weil – sich Frauen häufiger die Hände waschen, sind ihre Finger dichter besiedelt als die von Männern. Aufgrund ihrer stärkeren Talg- und Schweißproduktion ist das Hautmilieu von Männern von Natur aus saurer als das von Frauen. Dieser sogenannte Säureschutzmantel bildet eine Biobarriere, welche normalerweise die Ansiedelung von Keimen verhindert. Zudem schädigen die meisten Seifen und Waschlotionen den Säureschutzmantel. Im sauren Milieu der seltener gewaschenen Männerhände finden Bakterien deshalb schlechtere Bedingungen, um sich zu vermehren. Das legt den Schluss nahe, dass man sich durch zu häufige Reinigungen die Hände auf Dauer „schmutzig waschen“ kann.
Die verschiedenen Körperregionen mit ihren spezifischen Eigenschaften und der unterschiedlichen Keimbesiedelung der Haut sollen auch dafür verantwortlich sein, dass bestimmte Hauterkrankungen Prädilektionsstellen („Lieblingsplätze“) besitzen. Die Schuppenflechte bevorzugt die Außenseiten von Gelenken wie Ellenbogen oder Knie. Von der Neurodermitis sind hingegen die Beugen (Ellenbeugen, Kniekehlen, Handgelenksbeugen) betroffen. Akne wiederum liebt fettreiche Körperbereiche wie Stirn, Nase, Kinn oder Dekolleté. Nur ein gesundes und vielfältiges Mikrobiom ist in der Lage, unsere Haut zu verteidigen und vor Schäden und Krankheiten zu schützen. Denn durch ihre exponierte Lage ist unsere äußere Hülle zahlreichen äußeren Einflüssen ausgesetzt. Sonnenlicht, Hitze und Kälte setzen unserer Haut zu. Eine intakte Bakterienflora hilft bei der Reparatur entstehender Schäden, beim Aufbau und Erhalt der Hautbarriere und des Säureschutzmantels.
Ein reicher Bakterienmix im Darm und auf der Haut scheint das Geheimnis von Gesundheit und Attraktivität zu sein, denn das „System Mensch“ funktioniert nur mit unterschiedlichen Keimstämmen. Das zumindest legt die unglaubliche Menge von wissenschaftlichen Publikationen der letzten Jahre nahe. Zwischen 2007 und 2017 wurden mehr als 43.000 wissenschaftliche Artikel veröffentlicht, die diese Zusammenhänge bestätigen. Jeder Keim hat andere Eigenschaften und Fähigkeiten, und sie bilden untereinander ein eng verwobenes Netzwerk, in das auch der Mensch mit eingeflochten ist. Teilweise arbeiten die Mikroben Hand in Hand. Sie kommunizieren und interagieren miteinander und mit uns, ihrem Wirt, gemäß dem Motto der drei Musketiere: „Einer für alle, alle für einen.“ Dieses Netzwerk verstehen wir bisher zwar nur in Ansätzen, aber alle Experten sind sich darin einig, dass man die Bedeutung der Darm- und Hautflora nicht hoch genug einschätzen kann.
Entscheidend für unsere Gesundheit sind aber nicht allein die Mikroorganismen, sondern vor allem das, was diese Keime produzieren, nämlich Hormone, Botenstoffe, Eiweiße und Antioxidantien. Und die Kooperation zwischen Mensch und Mikrobe betrifft sogar unser Erbmaterial. Noch sind wir nicht in der Lage, unsere menschlichen Gene zu beeinflussen. Bakterien können das aber. Zwischen den menschlichen Erbinformationen und bestimmten Keimen lassen sich nämlich zahlreiche Interaktionen feststellen. Das legen Studien an Mäusen nahe, von denen eine Gruppe über eine gesunde Darmflora verfügte, während die Kontrollgruppe nur keimfreie Nager umfasste. Über die Präsenz von Keimen werden auch bei uns Menschen Genveränderungen ausgelöst, die dann langfristig bestehen bleiben und unsere Gesundheit und unser Verhalten auf Dauer beeinflussen.