A Million Stars Above - Ayla Dade - E-Book

A Million Stars Above E-Book

Ayla Dade

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Beschreibung

Ich soll ihm vertrauen. Doch wird er mich auffangen, wenn ich falle?

Die unwiderstehliche neue Reihe von New-Adult-Star Ayla Dade


Einmal der Star im berühmten Sky Circus zu sein – davon träumt die Trapezakrobatin Heaven bereits ihr Leben lang. Die gespannte Erwartung im Zirkuszelt, die glänzende Augen der Zuschauer, schillernde Kostüme und riskante Acts – all das ist ihr Zuhause. Doch trotz harter Arbeit hat es die Tochter des Zirkusdirektors noch nicht an die Spitze geschafft. Als sich ihre Konkurrentin verletzt, hat sie endlich die Chance, sich zu beweisen und wird über Nacht zum Star der Show – aber das Rampenlicht hat einen Preis: Für die Öffentlichkeit soll sie eine Beziehung mit ihrem Partner, dem neuen Kraftakrobaten Hell, faken. Ausgerechnet mit diesem unverschämten Kerl, der sich mit seinen Muskeln, seinen Tattoos und seinem arroganten Lächeln für unwiderstehlich hält. Und den Heaven seit ihrer ersten Begegnung zum Teufel wünscht. Wie soll sie mit so einem Mann trainieren – geschweige denn, ihm ihr Leben anvertrauen? Doch je öfter er sie in die Luft schleudert und wieder auffängt, desto öfter muss sie sich daran erinnern, dass das Feuer in seinen Augen und das wilde Trommeln in ihrer Brust reine Show sind …

Wenn du auf diese Tropes stehst, bist du hier genau richtig:

• Enemies to Lovers
• Fake Dating
• Bad Boy x Good Girl
• Forced Proximity
• Zirkus-Setting ohne Tiere

Die Sky-Circus-Reihe:

1. A Million Stars Above
2. A Thousand Flames Below

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 565

Veröffentlichungsjahr: 2025

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AYLADADE zählt zu den Stars im New-Adult-Genre. Mit ihrer Winter-Dreams-Reihe und Frozen-Hearts-Reihe hat sie sich in die Herzen ihrer Leser*innen geschrieben. Jeder ihrer Romane ist ein SPIEGEL-Bestseller und hält sich wochenlang in den Top-Rängen. Ihr Erfolgsgeheimnis ist eine süchtig machende Mischung aus Ästhetik und Glamour, Geheimnissen und Intrigen, Liebe und Spice in den faszinierenden Kreisen der High Society. Mit ihrer aktuellen Sky-Circus-Reihe lädt die Autorin ihre Fans ein zu einer atemberaubenden Show voller Dramatik, Emotionen und magischer Momente.

Begeisterte Stimmen über Ayla Dades Romane:

»Wenn ihr nach einer faszinierenden Story und einem unwiderstehlichen Setting sucht, müsst ihr unbedingt Blackwell Palace lesen!« Anna Todd über Blackwell Palace

»Zum Wegträumen schön!« Lilly Lucas über Like Snow We Fall

Außerdem von Ayla Dade lieferbar:

Die Winter-Dreams-Reihe:

Like Snow We Fall

Like Fire We Burn

Like Ice We Break

Like Shadows We Hide

Like Feathers We Fly

Die Frozen-Hearts-Reihe:

Blackwell Palace. Risking it all

Blackwell Palace. Wanting it all

Blackwell Palace. Feeling it all

Whispers. Die Wahrheit wird dich zerstören

www.penguin-verlag.de

Ayla Dade

A Million Stars Above

Roman

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Copyright © 2025 Penguin Verlag

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Dieses Buch wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Lektorat: Janina Roesberg

Covergestaltung: www.buerosued.de, unter Verwendung von Motiven von bürosüd

Cover- und Innenillustration: Christin Neumann

Satz und E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-641-31772-0V001

www.penguin-verlag.de

KAPITEL 1

Heaven

Ich habe ein Geheimnis, das niemals jemand erfahren darf.

Jeder denkt, ich wäre so brav, so unschuldig, dass ich kotzen könnte.

Wenn sie wüssten, was ich getan habe, würden sie sich die Augen waschen, nachdem sie mich nur angesehen hätten.

Nein.

Sie würden sie sich rauskratzen.

Also kann ich auf diesen Rave gehen, als wäre ich genau das, was ich bin.

Dreckig.

Außerdem wartet Elvis Presley da drin auf mich.

Nicht wirklich, denn er ist offensichtlich tot, aber ich affirmiere.

Sein Geist wartet in diesem nach Rauch stinkenden, pulsierenden Partykeller auf mich, und er wird der einzige Grund sein, weshalb ich da jetzt reingehe. Wenn der King of Rock ’n’ Roll höchstpersönlich auf den vollgepissten Toiletten auf mich wartet, kann es mir egal sein, dass die Klos nur noch halbe Keramikruinen sind, weil ich mich gleich auf seinem Schoß rekeln werde.

Ich. Kann. Das.

»O mein Gott, Hawk ist da!« Savannah zupft an meinem Ellbogen und nickt mit dem Kinn die Straße hinunter. Sanft beleuchtet vom orangenen Schein der Straßenlaternen wird sie von unzähligen Palmen flankiert. Es ist Samstagabend, womit Downtown Los Angeles automatisch zum saftigen Fruchtfleisch für die Gen Z wird, die sich in trendiger, ausgefallener Kleidung durch die Straßen schiebt.

Aber Hawk spielt auf einem ganz anderen Level. Selbst in Los Angeles, die Großstadt der Extravaganz, sticht er sofort heraus. Sein Kopf ist kahl rasiert und die schwarze Tinte unter seiner Haut verleiht ihm das Aussehen eines Skeletts. Von der einen Wange zur anderen ziehen sich Totenkopfzähne über seinen Mund, und das Licht erhellt die tätowierten Muskel- und Sehnenstränge, die von seinem Kinn abwärtsgleiten und unter seinem Shirt verschwinden. Der Typ ist von Kopf bis Fuß ein Kunstwerk. Und das weiß ich nicht, weil ich schon mit ihm im Bett gewesen bin. Nein, ich weiß das, weil ich Hawk kenne, seit er mit sechs Jahren zu uns in den Zirkus gekommen ist.

Ich weiß das, weil ich jedes neue Tattoo von ihm miterlebt habe.

Ich weiß das, weil Hawk seine Shows als Okkultist in nichts als schwarzer Lederhose ausführt. Manchmal sogar weniger. Er ist beliebt, denn die ganze Welt kennt den Sky Circus. Wir sind wie ein Königreich. Abgeschottet in den Hollywood Hills, von Sicherheitsleuten umgeben, die Staracts begehrt wie sündige Prinzen. Unser Zirkustal ist umsäumt von elektrischen Zäunen.

Wir sind wie die Area 51.

Nur dass keiner Notiz von mir und Savannah nimmt, weil wir keine Aliens sind. Keine Stars. Niemand weiß, dass wir uns jeden Tag die Glieder taub trainieren, denn wir sind keine Hauptacts.

»Sorry, Mädels«, murmelt Savannah, als sie die ganzen Groupies sieht, die ihm kreischend am Arsch kleben. Wie Ameisen, die es auf ein klebriges Fruchteis abgesehen haben, stürzen sie auf die Warteschlange zu. »Aber das Skelett wird euch kein Babyskull machen. Sammelt eure verdammten Östrogene wieder ein.«

In meinem Magen dreht sich ein panischer Klops auf die andere Seite, der bis eben noch friedlich geschlummert hat. »Glaubst du, er verrät meiner Mutter, dass ich hier bin?«

Meine beste Freundin verdreht die Augen und zieht mich einen Schritt weiter, als die Schlange vor dem dreckigen Schuppen kleiner wird. »Du darfst hier sein, Heaven. Ich bitte dich. Wir sind doch keine Gefangenen.«

»Ich bin zwanzig.« Nervös schiebe ich den Spaghettiträger meines Babydoll-Kleides höher auf die Schulter. Meine Füße stecken in bequemen Schleifchensandalen. Es ist mein Lieblingsoutfit, aber alle anderen sehen aus wie nach einem Superhaul aus den Altkleidercontainern, nachdem die Apokalypse ausgebrochen ist. Nicht, dass ich das verurteilen würde, aber ich wünschte, ich hätte den Mut, mich ausgefallener zu kleiden. Jedoch regiert in meinem Kopf die Stimme meiner Mutter: Sieh brav aus. Wenn du berühmt wirst, darfst du nicht aus der Reihe tanzen. Die Welt will anständige Mädchen, die keinen Ärger machen.

Jetzt wünschte ich mir, ich wäre einfach im Schlafanzug gekommen. In meinem fleckigen Elvis-Shirt hätten sie mich akzeptiert, aber in diesem süßen Sommerkleid werden sie mich fressen wie eine nicht willkommene Mutter Theresa.

»Theoretisch gesehen dürfte ich nicht hier sein.«

»Deshalb ja der Ausweis.« Savannah wackelt mit den roten Brauen, bevor sie eine kleine Karte aus ihrer übergroßen Jeansjacke zieht. »Heute Abend bist du nicht Heaven Fairchild, Tochter des Zirkusdirektors, sondern Leonora Miller, frisch einundzwanzig geworden, bereit und willig fürs The Hodge.«

Angesichts des Altkleider-Dresscodes finde ich den Namen des Untergrundclubs passend. The Hodge. Der Tölpel.

»Wenn das rauskommt«, murmele ich und schnappe ihr den gefälschten Ausweis aus der Hand, mit dem sie in der Luft herumwedelt wie eine stolze Dienerin Cleopatras, »sage ich, dass du mich gezwungen hast, mitzukommen.«

»Ich habe dich nicht gezwungen.« Wir gehen noch einen Schritt vor und nähern uns damit langsam der Treppe. Der Gestank von Rauch und Alkohol mischt sich mit den städtischen Gerüchen von Abgas und fettigem Fast Food, das die Betrunkenen sich aus dem McDonald’s an der Ecke besorgen. »Du meintest, wenn ich ohne dich gehe, bringst du mich mit Kujos Messern um.«

»Weil ich meine beste Freundin nicht allein in diesen Techno-Schuppen gehen lasse. Was, wenn dich eine Gruppe asozialer Drogensüchtiger mit sich reißt und ich nicht da war, um es zu verhindern?«

Savannah lacht auf. »Heaven, du musst lockerer werden.«

Entschieden recke ich das Kinn. »Die Statistik besagt, dass eine von sechs Frauen in Amerika Opfer von versuchter oder begangener Vergewaltigung werden. Häufig in Clubs oder Bars, wo sich die Kerle besaufen und denken, sie wären machthaberische Gangster.«

Sav zieht eine Augenbraue in die Höhe. »Und ausgerechnet Heaven Fairchild wird dann plötzlich zum Karatekid und macht sie alle fertig?«

»Ich bin Luftakrobatin«, halte ich dagegen, während ich die Nase rümpfe, weil vor mir ein Mädchen nach Big Mac riecht. »Ich springe einfach über sie drüber, bevor ich ihnen das Messer in die Kehle ramme.« Mit bedeutsamem Blick klopfe ich auf meine Hängetasche.

»Ich kann nicht fassen, dass du Kujo echt das Messer geklaut hast.«

»Er hat Hunderte. Eins wird nicht auffallen.« Als ich nicht weit hinter uns Hawks Stimme zwischen den anderen heraushöre, versteife ich mich. Unauffällig schiebe ich mich vor das Big-Mac-Mädchen. »Wenn Hawk uns sieht, bin ich erledigt.«

»Schwachsinn. Er ist nicht Ashley.«

Bei dem Gedanken an meine größte Konkurrentin dreht der Klops in meinem Magen eine zweite Runde. »Aber ich sollte wie Ashley sein. Denn sie ist im Zirkus geblieben und trainiert sich die Seele aus dem Leib, anstatt ihren Hintern in diese vollgequalmte Hölle zu schieben, für die wir dreißig Dollar Eintritt zahlen, damit sie dir gratis die Lunge verfärbt.« Ich verziehe das Gesicht. »Deshalb ist sie jedes Jahr der Staract und nicht ich.«

»Du trainierst genauso hart wie Ash.«

»Scheinbar nicht«, korrigiere ich sie.

Sav seufzt. »Sie hat die letzten Jahre immer den Hauptact bekommen, weil die Leute sie kennen, Heav. Ash zieht die Zuschauer an. Das hat nichts damit zu tun, dass sie besser ist als du.«

Trotzig presse ich die Lippen zusammen. Seit dem Kleinkindalter trainiere ich, bin die Tochter des Zirkusdirektors und habe es nicht ein einziges Mal allein auf die große Bühne geschafft. Stattdessen muss ich mich mit den Gruppenauftritten zufriedengeben, weil – ich zitiere meine Mutter – Fehler zwischen so vielen anderen weniger auffallen.

»Hey, noch ist die Entscheidung für die nächste Tour nicht gefallen.« Während wir die vorletzte Stufe zum Keller hinuntergehen tätschelt Savannah meine Schulter. »Vielleicht bekommst du dieses Mal den Hauptact.«

Ich grunze. »Genauso wahrscheinlich wäre es, dass Dexter Shadow endlich aufhört, Zucker wie Wasser zu sich zu nehmen.«

Dexter Shadow ist unser Tuchkünstler und führt eine Schatten- und Nebelshow auf, die die Zuschauer immer wieder zum Staunen bringt. Aber ich bin mir sicher, wenn sie wüssten, dass ihr geheimnisvoller Wikinger, wie die meisten ihn öffentlich nennen, Twizzlers als Grundnahrungsmittel mit sich trägt, wäre der Zauber dahin.

»Und wenn sie es wieder wird«, flüstert Savvy, »können wir ihr Enthaarungscreme ins Shampoo mischen.«

»Nein.«

Sie seufzt theatralisch. »Du bist zu gut für diese Welt.«

»Offensichtlich nicht, denn ich verbringe meinen Samstagabend in einem Drogenclub.«

»Nur um mich zu beschützen, Babe.« Zwinkernd stößt Sav mir ihren Ellenbogen in die Seite. »Denk an die Statistik.«

Dann sind wir an der Reihe und halten dem Security-Typ unsere Ausweise hin. Mein Herz poltert lauter als der Technobeat, der sich jetzt schon an meinen Beinmuskeln labt. Aber der stämmige Kerl hat nicht mal einen kurzen Blick für die gefälschten Karten übrig. Er winkt uns einfach durch.

Euphorisch tänzelt Sav die Treppe herunter, während ich die Hand Halt suchend über die Graffitiwand gleiten lasse, um in der Dunkelheit nicht auf den klebrigen Boden zu fallen. »Der Typ muss gemeldet werden«, sage ich entsetzt. »Jemanden wie den kann man doch nicht vor so einen Club stellen!«

Sav sieht über die Schulter zu mir. Ihr rotes Haar leuchtet in dem flackernden Licht. »Sorry, dass er uns nicht durchschaut hat. Ich weiß, das war dein innigster Wunsch.«

»Falsch.« Ich verenge die Augen, um dem grellen Licht zu entgehen, als wir die schweißgetränkte Alkoholwolke betreten, die in der Main Area im Takt der Beats pulsiert. »Mein innigster Wunsch ist, Elvis Presley zu begegnen.«

»Und du glaubst, er würde dich in dem Kleid nehmen?« Beschwichtigend hebt sie die Arme. »Nichts für ungut, ich liebe dieses Outfit. Aber ich bezweifle, dass E before P seine Ledergirlies dafür hätte stehen lassen.«

»E before P«, betone ich, um ihr zu zeigen, wie lächerlich dieser Spitzname ist, »war ein Good Guy, und Priscilla kein Ledergirlie, sondern süß.«

»Seine Frau war vierzehn, und er, keine Ahnung, vierzig?«

»Vierundzwanzig«, korrigiere ich.

»Das macht es nicht besser, Sweety. Der King of Rock ’n’ Roll war kein Good Guy, wenn er eine Minderjährige gevögelt hat.«

»Er hat ewig gewartet.«

»Bist du deshalb mit Craig zusammen?« Meine beste Freundin bettet ihre perfekten, prallen Brüste auf die Bartheke und weiß ganz genau, wie sie sie zusammenschieben muss, damit der Barkeeper auf sie aufmerksam wird. Sav liebt ihren Körper und lässt keine Gelegenheit aus, ihn als Waffe einzusetzen. Eine verdammt scharf geladene Waffe. »Weil du dir vorstellst, er wäre Elvis, wenn er nicht mit dir schläft?«

»Craig will sich eben aufsparen, na und?« Ich verschränke die Arme. »Er wurde so erzogen, dass er warten will, bis geheiratet wird, und ich respektiere das.«

»Blablabla.« Sav wackelt mit ihren Titten, bevor sie zu dem Barkeeper unter ihrem schwarzen Wimpernkranz hochblinzelt. »Ich war heute duschen, also bin ich ganz sauber und rein, okay, Daddy?«

»Nicht mehr lange, wenn du dich weiter an diesem verklebten Tresen rubbelst«, entgegne ich. »O Gott, Savvy, ist das Rotze neben dir?«

Sofort zuckt meine beste Freundin zurück, als sie den grün verkrusteten Fleck auf der Industrietheke sieht. Der Barkeeper lacht, aber in seinen Augen blitzt ein loderndes Feuer auf, während er Savannah ansieht. Kein Wunder. Sie sieht aus wie Aphrodite. Wahrscheinlich würde er ohnmächtig werden, wenn er sie tanzen sieht.

»Was kann ich euch bringen, ihr Süßen?«

»Ha!« Sav wirbelt zu mir rum. »Mehrzahl, ihr Süßen, das heißt, du bist nicht das einzige Mauerblümchen.«

»Doch, ist sie«, entgegnet der Barkeeper, genau in dem Moment, in dem ich »Doch, bin ich« sage.

Dann zucke ich zusammen, als der Kerl über den Tresen greift, Savannahs Jackenkragen packt und sich dicht zu ihr herüberbeugt. »Aber du bist trotzdem verdammt süß mit diesen roten … whooow, was wird das?« Eilig stolpert der Typ zurück, als er Kujos Messer in meinen Händen entdeckt. Vielleicht ist es doch ganz gut, dass der zwielichtige Türsteher seinen Job so gewissenlos ausführt.

Ich umklammere den hölzernen Griff mit beiden Händen und fokussiere ihn mit stechendem Blick. »Wenn du sie vergewaltigst, steche ich dich ab.«

»Was?«

»Heaven!«, zischt Savvy empört. »Steck das Ding weg!«

»Erst wenn er schwört, sich nicht auf dich zu stürzen.«

In ungläubiger Langsamkeit hebt der Barkeeper eine Braue, bevor er zu Sav sieht. »Ist sie immer so?«

»Ja«, seufzt sie. »Aber ich schwöre, sie würde keiner Fliege was tun. Wirf uns nicht raus, okay?«

»Sie hat eine Waffe dabei.«

»Nur weil sich der Messerwerfer so leicht beklauen lässt.«

»Was?«

Noch immer halte ich das Ding aufrecht und lasse den Typ nicht aus den Augen. Jeder Idiot weiß, dass die Gegner angreifen, sobald man den Fokus verliert. »Zirkus«, erkläre ich knapp.

Er sieht von mir zu Sav und zurück, bevor Erkenntnis in seine dunklen Augen sickert. »Scheiße, ihr seid vom Sky Circus?«

»Das darfst du niemandem sagen!« Panisch sehe ich mich um, ob Hawk in der Nähe ist, aber in dieser vollen Partyhöhle erkenne ich nur einen Einheitsbrei an roten verschwitzten Gesichtern. Obwohl so ein Skelett vermutlich auffallen müsste.

Er runzelt die Stirn. »Gib mir das Messer.«

»Was?«

»Du sollst es mir geben. Dann dürft ihr bleiben. Und ich gebe euch sogar einen Drink aus.«

»Nie im Leben kriegst du mein …«

»Gib ihm das verdammte Messer, Heaven!«

Ich presse die Lippen zusammen, während der Barkeeper und Sav mich anstarren. »Schön«, knicke ich ein und schiebe das Wurfmesser über die Theke. »Aber wenn ich am Ende recht hatte, bringe ich dich um, Sav.«

»Statistisch gesehen schwierig, wenn wir heute Abend draufgehen.« Sie lehnt sich über die Theke, wobei ihre üppigen roten Wellen nur knapp dem Rotzfleck entgehen, und klimpert ihren neuen besten Freund an. »Machst du mir einen Long Island, äh …?«

»Steve.«

»Steve. Und mit viel Eis, bitte?« Theatralisch fächert sich meine beste Freundin Luft zu. »Ich habe das Gefühl, mir wird plötzlich so heiß.«

Er grinst frech, aber als er bemerkt, dass ich ihn entgeistert anstarre, fällt es in sich zusammen. »Und für dich, Prinzessin Diana?«

»Ich bin brünett.«

Steve verdreht die Augen. »Okay, Audrey Hepburn. Maria Magdalena. Wie auch immer. Was willst du trinken?«

»Nichts.«

»Nichts?«

»Ja, nichts.«

»Du schwitzt dein niedliches Sommerkleid voll. Obwohl sicher niemand was dagegen einzuwenden hätte, wenn es dir am Körper klebt, aber …« Argwöhnisch mustert er mich. »… ich schätze, dir würde das nicht so gut gefallen wie den Kerlen hier.«

»Komm schon, Heav.« Savannah knufft mir in die Seite. »Du gehst nie aus.«

»Ich weiß auch warum, wenn ich mich hier so umsehe.«

»Versuch zumindest, Spaß zu haben.«

Spaß?

Wie soll ich in dieser grauenvollen Hölle Spaß haben?

Der Technobeat zerfleischt mein Trommelfell, der Rauch frisst sich in meine Lunge, und die vielen tanzenden Menschen rufen in mir eine Klaustrophobie hervor, obwohl ich schon mein ganzes Leben in einem Zelt voller Menschen auftrete.

Aber gut, haben wir Spaß. Wenn das hier mein Untergang wird, will ich ihn wenigstens genießen.

Ich atme tief durch. »Eine Traubenschorle.«

Obwohl der Bass in meinen Ohren dröhnt, entsteht eine Stille zwischen uns. Dem Typen fällt die Kinnlade runter, Savannah vergräbt das Gesicht in den Händen.

»Eine Traubenschorle?«, wiederholt er.

Ich nicke.

»Süße«, Steve beugt sich zu mir vor, und ich weiche instinktiv zurück, »du weißt schon, dass der The Hodge kein Leseclub ist, ja?«

»Ja, weiß ich«, presse ich zwischen den Zähnen hervor. »Ich nehme auch Orangensaft, wenn ihr keine Schorle habt.«

Er öffnet bereits den Mund, um etwas zu entgegnen, aber Savvy schneidet ihm das Wort ab. »Gib meiner besten Freundin ihren Drink, und behalte deine Gedanken für dich, wenn du willst, dass ich weiter bei dir rumhänge.«

Abwehrend hebt er die Hände. »Alles cool, Arielle. Das Messermädchen kriegt ihre Schorle.«

Der Kerl widmet sich den Kühlschränken unter der Theke, und Savannah beäugt mich mit hochgezogenen Brauen. »Soll ich Kujo sagen, was du getan hast?«

Ich funkele sie an. »Er hätte ein Vergewaltiger sein können. Du musst dir Pfefferspray besorgen, Sav.«

»Wieso?« Sie schiebt sich auf den Hocker und grinst frech. »Ich habe doch dich, Karatekid.« Kurz schaut sie zu meinen Schleifchensandalen hinunter. »Vielleicht hätte ich dir Heels leihen sollen, damit du mit dem Absatz zutreten kannst, statt Kujos Messer zu klauen.« Ihr Blick wird dunkel, wobei mir das perfide Feuer darin nicht entgeht. »Oh, er wird dir den Kopf abreißen, wenn er erfährt, dass ihm eins fehlt, Heav.«

Damit hat sie recht. Kujo ist besessen von seinen Messern. Er poliert sie regelmäßig und ordnet sie in einer akkuraten Sammlung auf roten Tüchern in einer Vitrine seines Wohnwagens, statt sie im Trainingsraum aufzubewahren. Außerdem hasst er mich. Keine Ahnung, was ich ihm je getan habe, aber Kujo gehört zu denjenigen im Zirkus, die der Meinung sind, ich würde einer besseren Luftakrobatin den Platz wegnehmen. Sie ist nur hier, weil sie die Tochter des Direktors ist. Das Mädchen gehört in irgendeine Eliteuni, wo sie andere Nerds mit ihrer Scheiße nerven kann.Wie kann sie jemand heiß finden bei den hässlichen Hautverfärbungen? Kein Wunder, dass ihre Mommy sie nicht im Hauptgig haben will, wenn die Zuschauer denken, jemand vermöbelt ihre Fresse. Wer will so einer Akrobatin zuschauen?

Gerade die letzten Beleidigungen treffen mich, weil ich nichts dagegen tun kann. Ich bin eine der unglücklichen Gewinnerinnen des Gardner-Diamond-Syndroms, wodurch ich nie weiß, wie ich am nächsten Morgen aussehe, wenn ich in den Spiegel sehe. Ein verdammtes Überraschungsei. Manchmal ist meine Haut klar und ebenmäßig, an anderen Tagen zieren heftige Blutergüsse meinen Körper. Manchmal das halbe Gesicht. In der Maske müssen sie dafür Camouflage statt normalem Make-up benutzen.

»Wehe, du erzählst es ihm«, murmele ich.

Sav schnaubt. »Heiße ich Ash und will dich aus dem Weg räumen?« In dem Moment schiebt Steve ihr den Long Island über die Theke und mir die Traubenschorle. Savannah bedankt sich mit einem Kätzchengrinsen, nippt am Strohhalm und verdreht die Augen vor Genuss, bevor sie mit dem Finger auf mich zeigt. »Ihm wird trotzdem auffallen, dass eins fehlt, und …« Plötzlich werden ihre Augen riesig. »Oh fuck, Hawk!«

KAPITEL 2

Heaven

Alarmiert wirble ich herum. Und erkenne, dass sie recht hat. Das Skelett ist im Anmarsch, an jedem Arm zwei Frauen. Panisch greife ich nach meiner Traubenschorle und will mich wegdrehen, aber es ist zu spät. Er hat uns entdeckt und führt seine Chicks zielsicher in unsere Richtung.

»Was sehen meine toten Augen?« Hawk trägt nur einen offenen schwarzen Blazer und zeigt damit seinen tätowierten Knochenrumpf. Die schwarze Jeans sitzt ihm tief auf den Hüften und betont die beiden Muskelstränge, die von seinem schlanken Bauch in tiefere Gefilde führen. Zwar guckt er ernst, aber durch die Tätowierung sieht es immer so aus, als würde er irre grinsen. »Über dich wundere ich mich nicht im Geringsten, Sav, aber unsere süße Fairchild?« Hawk schnalzt dreimal mit der Zunge, als würde er mich tadeln. »Was sagt Craig dazu, dass du dich im bösen, bösen Downtown von La La Land herumtreibst?« Weil ich schweige, verzerren sich seine Lippen nun zu einem echten Grinsen. »Sag bloß, du hast es ihm verschwiegen?«

Der Anflug eines schlechten Gewissens zerrt an meinem Magen. »Er würde es nicht gut finden, und ich will keinen Streit, also …«

»Natürlich nicht.« Sein Lächeln wird breiter, teuflischer. »Heaven Fairchild will niemals Streit. Und erst recht nicht mit ihrem Good Boy, hm? Was würde er sagen, wenn er wüsste, dass seine heilige Freundin …« Er beugt sich vor, streift mein Ohr und flüstert: »… sich in diesem unheiligen Partykeller vergnügt?«

»Ich vergnüge mich nicht.« Mit der einen Hand umklammere ich mein Glas und mache einen Schritt zurück. »Ich bin hier, um auf Savvy aufzupassen.«

»Oh, Heav«, nuschelt Sav durch ihre Finger hindurch, in die sie das Gesicht schon wieder vergräbt. Doch ihre Stimme wird im nächsten Moment abgelöst von Hawks bellendem Gelächter.

»Du passt auf Sav auf?«

Hitze glüht in meinen Eingeweiden auf, und mich überkommt das Bedürfnis, ihm die Traubenschorle ins Gesicht zu kippen, aber ich habe Angst, dass Steve sich weigert, mir eine weitere auszuschenken. Ich hasse es, dass mich alle für ein kleines Kind halten, das nichts kann. Aus demselben Grund glauben sie, ich wäre niemals in der Lage, die Show anzuführen. Heaven, das Mädchen, das zwischen den Wolken verloren geht. Heaven, die von ihrem Bruder beschützt werden musste, weil sie sich nicht selbst gewehrt hat. Die unbedeutende, unsichtbare, nichtskönnende Heaven.

»Bei aller Liebe, Zuckerpuppe, aber Savannah ist ein Raubtier.« Nur für eine Millisekunde zuckt sein Blick zu ihr. Sie saugt an ihrem Strohhalm, als könnte sie das hier nicht weniger interessieren, aber mir kann sie nichts vormachen. Ich erkenne ganz genau, wie verräterisch ihre perfekten Mundwinkel zucken. »Sogar ich habe manchmal Angst vor ihr. Dich hingegen …« Er neigt den Kopf, mustert mich mitfühlend, als wäre ich ein süßer Käfer, der gerade zertreten worden ist. »… könnte ich mit zwei Fingern zerdrücken. Nimm’s nicht persönlich.«

»Schon klar.«

»Wie sieht’s aus?« Hawk nickt mit dem Kinn in Richtung Tanzfläche. »Jetzt, wo ihr euch sowieso in der Hölle rumtreibt, gehen wir ins Feuer und tanzen?«

Geräuschvoll schlürft Savannah ihren letzten Schluck, stellt das Glas auf die Theke und hüpft vom Hocker. »Auf jeden Fall.«

»Nein danke, ich warte, äh«, ich werfe einen schnellen Blick durch den Keller, muss aber feststellen, dass diese Höhle ausschließlich aus graffitibeschmierten Betonwänden, einer Tanzfläche und kaum Sitzgelegenheiten besteht, »da drüben irgendwo.«

»Oh nein, komm schon!« Sav zieht eine Schnute und rüttelt an meinem Ellbogen. »Wir wollten Spaß haben, oder nicht?«

»Hör auf sie, Fairchild«, stimmt Hawk mit einem beunruhigenden Funkeln in seinen Augen zu, »während dein armer braver Freund unwissend im Bett liegt und schläft, hab Spaß.«

Bei seinem Tonfall rieselt mir ein unangenehmer Schauder über den Rücken. »Nein, schon gut. Ich setz mich dahinten an den Tisch und hoffe, dass mir Elvis über den Weg läuft.«

»Wer ist Elvis?«, fragt Hawk.

»Presley.«

»Ist der nicht tot?«

»Nein«, sage ich genau in dem Moment, in dem Sav mit »Ja« antwortet.

»Sie will einen Quicky mit ihm schieben«, ergänzt Savvy.

»Mit einem Toten?«, fragt er.

»Ja«, entgegnen wir wieder zeitgleich.

»Muss ich das verstehen?«

»Nein«, sagen wir unisono.

Sav sieht mich an. »Bist du dir sicher?«

»Absolut«, bestätige ich lächelnd. »Ich rufe Craig an. Hawk hat recht. Er sollte Bescheid wissen.«

»Hallo? Ich habe nie gesagt, dass du den Jongleur anrufen sollst. Lass den Typen pennen und genieß dein Leben.«

Seine Mädels kichern, aber ich schüttele den Kopf. »Wenn er es von anderen erfährt, wäre er enttäuscht.«

»Von wem soll der Kerl bitte erfahren, dass sein Mauerblümchen im The Hodge auf einen Quicky mit einem Toten gehofft hat?«

Zur Antwort sehe ich ihn nur mit weit hochgezogenen Brauen an.

»Ich?« Hawk verdreht so heftig die Augen, dass ich fürchte, sie fallen ihm gleich raus. »Jetzt bin ich enttäuscht von dir, Zuckerpuppe.«

»Glaub mir, ist nichts Neues für mich.« Mit einem ermutigenden Lächeln in Savvys Richtung kämpfe ich mich zu dem einsamen Stehtisch in der Ecke, in der es riecht, als hätte jemand gekotzt und gleichzeitig seine Blase nicht mehr unter Kontrolle gehabt. Angewidert schiebe ich mich auf den hohen Stuhl, nehme große Kopfhörer aus meiner Tasche und verbinde sie mit dem Handy. Als »Jailhouse Rock« die furchtbaren Technobeats des Clubs überspielt, sacken meine angespannten Schultern augenblicklich hinab.

Dann öffne ich Craigs Chat und schreibe ihm eine Nachricht. Ihn anzurufen würde in diesem Club sowieso nichts bringen. Außer vielleicht, dass er direkt losrennt und mich in den dunkelsten Gossen suchen geht.

Heaven:Schläfst du?

Craig:Nein. Muss die ganze Zeit an dich denken. Heute ist einer dieser Tage, an denen mir die Enthaltsamkeit schwerfällt.

Heaven:Wollen wir die Regeln brechen? 😏

Craig:Nein, Heaven.

Mein Lächeln fällt in sich zusammen.

Craig:Du wusstest, worauf du dich einlässt.

Heaven:War doch nur Spaß, Craig.

Craig:Nicht lustig. Es fällt mir auch so schwer genug. Ich wünsche mir Unterstützung von dir.

Heaven:Tut mir leid.

Craig:Schon gut. Gehst du gleich schlafen?

Ich hebe den Blick und lasse ihn durch den pulsierenden Raum schweifen. Der DJ trägt eine große Sonnenbrille, schiebt an den Reglern seines Pults herum und wippt dabei mit der Hand durch die Luft. Unter ihm auf der Tanzfläche bewegen sich die Leute zu seinen Beats. Das bunte Licht zuckt über ihre Gesichter und entblößt einen grotesken Gesichtsausdruck nach dem anderen. Ich entdecke Savvy mit Hawk und seinen Groupies. Gerade lehnt sie den Kopf zurück, während er ihr einen Shot in den Mund kippt.

Ach. Du. Scheiße!

Wenn Craig wüsste, wo ich mich herumtreibe, würde er durchdrehen.

Als hätte er meine Gedanken gelesen, vibriert mein Handy erneut.

Craig:Heav? Eingeschlafen?

Heaven:Ich bin im The Hodge.

Craig:Was? Mit wem?

Heaven:Savvy

Craig:Bist du verrückt? Geh sofort da weg!

Heaven:Ich bleibe, bis Sav gehen will.

Craig:Nein, ich rufe dir jetzt ein Uber.

Fast hätte ich gelacht. Fast.

Heaven:Du willst mir lieber ein Uber rufen, statt einfach herzukommen?

Heaven:Der Fahrer könnte mich doch genauso abmurksen.

Craig:Natürlich will ich nicht nach Downtown rein.

Craig:Ich weiß, wie gefährlich das nachts sein kann.

O mein Gott. So viel dazu, dass er in den dunkelsten Gossen nach mir suchen würde.

Craig:Das Uber ist auf dem Weg.

Mit zusammengezogenen Augenbrauen starre ich die Nachricht an, während ein Gefühl von flüssiger Hitze durch meine Adern strömt.

Heaven:Du kannst nicht über mich bestimmen.

Craig:Wenn meine Freundin sich in einer verdammten Drogenhöhle rumtreibt? Äh, doch, ich glaube schon?!

Craig:Du bist eine Frau. Das schwache Geschlecht. Du kannst nicht auf dich selbst aufpassen. Mein Gott, ich hätte dir wirklich dieses GPS-Zeug auf dem Handy installieren sollen. Was ist in dich gefahren?

Seine Worte fühlen sich an wie eine Backpfeife. Sogar meine Wangen brennen vor Wut. Kurz hebe ich den Blick vom Handy, um mich zu sammeln, da bleibe ich plötzlich an etwas hängen. Oder, besser gesagt, jemandem.

Obwohl die Gestalt im Schatten der Bar steht, spüre ich, dass er mich ansieht. Ein eisiger Schauder rieselt mir über die Wirbelsäule. Dann steckt der breite Schatten seinem Gegenüber etwas zu, klopft ihm kurz auf die Schulter und tritt an ihm vorbei ins Licht. Es ist nur ein Schritt, aber es fühlt sich an, als hätte er mich stattdessen unter Wasser gedrückt.

Ich halte die Luft an.

Der Typ ist groß, breit, hat zerzauste schwarze Haare wie ein wilder Rabe und Augenbrauen dunkel wie der Marianengraben. Seine Haut ist bronzefarben und scheint im Licht zu glitzern, als hätte er sich unser Zirkuspuder aufgetupft, bis mir bewusst wird, dass es der gleiche feine Schweißfilm sein muss, der auch mir unbehaglich auf der Haut klebt.

Mein Herz gerät ins Stolpern, denn fuck!

Er kommt direkt auf mich zu.

KAPITEL 3

Heaven

Bei jedem Schritt tanzen die festen Stränge seines nackten Bizeps im Beat der zuckenden Lichter. Sein anthrazitfarbenes Shirt ist ärmellos, aber es sind nicht diese verdammten Muskeln, die mich in seinen Bann ziehen, sondern die Farbe seiner Augen. Wie flüssiges Gold, versetzt mit bernsteinfarbenen Tupfern, und so hell, dass sie meine Brust in Flammen stecken. Alles an diesem Typen wirkt so beängstigend schön, dass es mir beinahe lächerlich konstruiert vorkommt.

Das kann nicht echt sein.

Niemand ist so schön.

Und hat so scharf geschnittene, hohe Wangenknochen.

Ganz zu schweigen von diesen gottgemachten Lippen, die so dunkelrot glänzen, dass es nur drei Möglichkeiten gibt:

er hat den ganzen Abend Wein getrunken,er ist ein Vampir und will mein Blut (vielleicht glitzert er deshalb?)ich muss einsehen, dass Götter existieren.

Gerade hat er meinen Tisch erreicht, aber statt etwas zu sagen, steht er einfach nur da und zieht eine Braue in die Stirn. In seinem Ohrläppchen steckt ein kleiner goldener Ring. Als ich die lange Narbe entdecke, die sich von seinem Kieferansatz bis zu seinem Kinn zieht, sauge ich scharf die Luft ein.

»Wie heißt du?«, fragt er unverblümt. Seine Stimme klingt dunkel, rau und jagt mir eine Gänsehaut über den Nacken. Sie fühlt sich an wie totes Laub, das über meinen nackten Körper wandert.

»Heaven.« Es kommt fast kein Ton heraus, also räuspere ich mich und richte mich auf, obwohl das Handy in meinen Händen zittert.

»Heaven und weiter?«

Ich runzle die Stirn. »Fairchild.«

Als hätte mein Name eine giftige Wirkung, verzieht er plötzlich das Gesicht, und in den glatt polierten Bernsteinen lodern gefährliche Flammen auf. »Du bist das Zirkusmädchen.«

Mein Herz poltert und quietscht wie ein schlechtes Gitarrenriff. »Woher weißt du das?«

»Ich weiß so einiges über dich«, raunt er und lehnt sich mit dem Ellbogen auf den Tisch zu mir herüber, »Heaven Fairchild.«

Ein unangenehmes Gefühl kribbelt mir von den Knöcheln bis in meinen Schädel. Ich bin kein Hauptact. Zwar auch nicht bei den Amateuren in der Bronzegruppe, aber man kennt mich nicht. Nur diejenigen, die sich intensiv mit der Geschichte unseres Zirkus befassen, wissen, dass ich die Tochter des Direktors bin.

Was will der Typ von mir?

Es verlangt mir einiges ab, den Blickkontakt zu halten, denn seine Augen sehen aus, als wollten sie mich mit den scharfen Kanten der Bernsteine aufschlitzen. Plötzlich komme ich mir so verletzlich vor in diesem dünnen Sommerkleid und ohne Kujos Messer. Unter dem Tisch überkreuze ich die Beine und atme kurz durch. »Und du?«

»Was ich?«

»Wer bist du, wenn du anscheinend so viel über mich weißt?«

Für eine Millisekunde hebt sich sein Mundwinkel, dennoch würde ich es nicht als Lächeln bezeichnen. Eher als Fratze, die mir zu verstehen geben soll, dass das Raubtier hungrig ist. »Ich bin die Hölle, Süße.«

»Du hast jemandem Drogen verkauft«, entgegne ich, als wäre das meine letzte Waffe in diesem aussichtslosen Kampf. »Eben gerade.«

»Ach, habe ich das?«

»Ja.«

»Aha.« Sein zweiter Mundwinkel wandert nun ebenfalls nach oben. »Du siehst so brav aus, dass ich meinen Schwanz drauf verwetten würde.«

Sein Tonfall lässt mich zusammenzucken. »Du würdest … ihn drauf verwetten, dass du mit Drogen gedealt hast?«

»Meinen Schwanz«, wiederholt er. »Sag es, Fairchild. Ich würde was darauf verwetten?«

Feuer frisst sich in meine Wangen.

In seinem Gesicht leuchtet perfides Vergnügen. »Weißt du, was ich noch mehr hasse als Menschen, die mich enttäuschen?«

Ich blinzle, verwirrt über diesen Themenwechsel. »Was?«

»Menschen, die nicht Klartext reden können«, bringt er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Sein Kiefer malmt, woraufhin seine Narbe zu tanzen beginnt. »Menschen, die versuchen, auszuweichen.« Er stößt sich vom Tisch ab und kesselt mich ein, indem er eine Hand auf den Tisch und eine auf die Wand hinter mir drückt. »Feiglinge.«

Das Wort sticht zu wie Kujos tödlichste Waffe. Nicht seine scharfen Klingen, sondern seine sanft gesäuselten Sätze, die seinen Mund verlassen und es auf mich abgesehen haben.

Warum du niemals den Hauptact bekommen wirst, Fairchild? Weil du ein Feigling bist. Weil du dich die riskanten Manöver nicht traust. Weil du Durchschnitt bist. Feiglinge haben keinen Erfolg.

»Ich fliege ungesichert meterhoch durch die Luft und mache dabei Salti und Twists. Das ist alles andere als feige.«

»Dann sag es. Ich würde was darauf verwetten, dass ich …«

»Deinen Schwanz«, unterbreche ich ihn mit glühend heißem Gesicht.

Sein Grinsen hat etwas von bittersüßem Gift. »Mhm. Dafür hast du dir zwei weitere Minuten mit mir verdient.«

»Danke, kein Interesse.«

Ich will mir wieder die Kopfhörer auf die Ohren schieben, aber er nimmt sie mir aus den Händen. »Der Satz war noch nicht korrekt.« Entschieden legt er sie auf den Tisch. »Du siehst so brav aus, ich würde meinen Schwanz darauf verwetten, dass deine Eltern dir beigebracht haben, deine kleine Nase nicht in größere Angelegenheiten zu stecken.«

»Laut Statistik gab es letztes Jahr allein in Los Angeles dreitausendzweihundertzwanzig Menschen, die infolge ihrer Drogensucht gestorben sind.« Während ich mit seinem desinteressierten Scheißegal-Blick kollidiere, rast mein Herz aus den falschen Gründen. Ich will nicht, dass er aufhört, mich anzusehen. Bei dem Gedanken verschlucke ich mich beinahe an meinem ratternden Puls. Schweiß rinnt zwischen meine Brüste in meinen Ausschnitt.

Kurz wandert sein Blick daran herab, bevor er mich genauso gleichgültig und genervt wie schon zuvor ansieht.

»Es könnte also sein, dass dieser Typ eben einer der nächsten dreitausendzweihundertzwanzig Personen gewesen ist, und du hast ihm den ersten Schubs in die tödliche Grube gegeben.« Ich schlucke hart. »Freier Fall«, flüstere ich, woraufhin er die Hände zu Fäusten ballt, obwohl er mich unmöglich über den lauten Bass hätte hören können, »kein Erbarmen.«

Er steht so eisern da und sieht mich einfach nur an, dass ich fast glaube, er hat aufgehört zu atmen.

Dann durchbricht er seine Starre und nickt mit dem Kinn zu meinem Handy. »Dein Freund will zu deiner Mommy rennen.«

Blinzelnd reiße ich mich von seinem Adonisgesicht los und schaue aufs Display. Und als ich sehe, dass er recht hat, sickert mir flüssiger Teer in den Magen, bereit zu erhärten und mich in die Tiefe zu ziehen.

Craig:Weiß deine Mutter, dass du dort bist?

Craig:Hallo?

Craig:Heaven, ich muss zu ihr gehen. Sie wird sich Sorgen machen. Antworte bitte.

»Scheiße!« Ich setze zu einer Antwort an, da schließen sich plötzlich warme, raue Finger um meine, und ich bekomme einen halben Herzinfarkt. Entgeistert wirble ich zu dem Typen rum, der mir entschieden das Handy wegnimmt. »Gib es mir wieder!«

»Wozu?«

»Äh, das kann dir scheißegal sein?« Ich versuche, mein iPhone aus seiner Hand zu schnappen, aber er hält es hoch. Obwohl ich auf einem Stuhl sitze, überragt er mich bei Weitem. »Bist du bescheuert? Gib’s mir!«

»Danke, kein Interesse«, äfft er mich mit zuckendem Mundwinkel nach. »Ich stehe nicht auf brave Mädchen.«

Wut züngelt in mir hoch. »Ich meinte das Handy!«

Wie ein gefährliches Raubtier auf Beutezug neigt er seinen Kopf. »Hat er es verdient, dass du ihm antwortest, wenn er dich nicht mal auf eine Party gehen lässt?«

»Gegenfrage: Hast du schon mal davon gehört, dass man seine Nasen nicht in andere Angelegenheiten steckt?«

»Wenn du mir die Nachrichten dieses Idioten aufdrängst …«

»Außerdem hat er recht«, stoße ich aus. »Ich sollte nicht hier sein. Gott, war ich dumm, herzukommen.«

Sein Grinsen verrutscht nicht einen Millimeter. »Du gibst einem Kerl recht, der seine Freundin kontrolliert?« Jetzt wandern seine Mundwinkel nach unten, und sein Blick wird mitleidig. »Und ich dachte, du wärst intelligent. Aber dein spießiges Aussehen trügt, nicht wahr?«

Mein Herz macht einen Satz. Was meint er?

Irgendetwas stimmt mit diesem Typen nicht.

Um meine Unsicherheit zu überspielen, schnaube ich. »Als ob du jemand wärst, der seine Freundin fröhlich in diese Untergrundhölle spazieren lassen würde.«

»Nein«, raunt er und kommt noch näher. Der Klang dieses einen Wortes war betörender als jede Berührung von Craigs Lippen auf meiner Haut – ein Gedanke, der mich hundsmiserabel fühlen lässt. »Ich würde mein Mädchen nicht aus den Augen lassen. Wenn ich wüsste, sie wäre hier, allein«, mir stockt der Atem, als seiner über meinen Hals gleitet, »müsste sie nur einmal blinzeln, und ich wäre da, um ihren Spaß zu verdreifachen. Zwischen ihren gespreizten Beinen, auf der Toilette, in dieser Nische …« Er stößt ein raues Stöhnen aus, von dem ich ganz genau weiß, es soll berechnend sein, aber trotzdem reagiert mein Körper, und eine verräterische Nässe sammelt sich in meinem Slip. Unwillkürlich beuge ich den Rücken durch und kralle meine Finger in mein Kleid. »Ich kontrolliere mein Mädchen nicht«, knurrt er, »weil ich ihr vorher beibringe, wie meine Königin zu kämpfen hat, wenn es drauf ankommt.«

Urplötzlich schießen meine Finger vor und krallen sich in seinem Shirt fest. Scheiße, was passiert mit mir? Ich verliere niemals die Kontrolle. Ich bin Zirkusartistin. Ich bin Disziplin pur. Warum macht mein Körper jetzt sein eigenes Ding?

Ein weiteres Seufzen vibriert zwischen uns. Im ersten Moment denke ich, er hat schon wieder einen berechnenden Laut von sich gegeben, als plötzlich …

»Hast du gerade gestöhnt, Fairchild?« Sein leises Lachen hallt wie ein Donnerschlag zwischen meinen Beinen wider. »Ohne dass ich dich berühren musste?«

Der Donnerschlag zieht einen Blitz mit sich, der in mich hineinkracht. Von jetzt auf gleich krabbelt die pulsierende Hitze in den Hintergrund und wird ersetzt von einer mitreißenden Welle Scham. Und schlechtem Gewissen. Sein Shirt gleitet mir aus den Fingern.

Wer zur Hölle ist dieser Kerl, und wieso hat er eine Wirkung auf mich, als wäre er Elvis Presley höchstpersönlich?

Plötzlich klingelt mein Handy. Ich versuche, es ihm wieder aus der Hand zu schnappen, aber er dreht sich mühelos weg und sieht aufs Display.

Dann schenkt er mir ein verschlagenes Grinsen. »Craig«, formt er mit den Lippen, und mein Herz gerät aus den Fugen wie eine brüchige Achterbahn.

»Gib her!«, rufe ich, aber der Kerl hält mich mühelos mit einer Hand auf Abstand, während er mit der anderen …

Oh nein. Er nimmt den Anruf an.

»Hallo?« Er klingt gelangweilt. »Ja, sie ist bei mir.«

Verzweifelt kämpfe ich gegen seinen Arm an und zerkratze ihm die Haut wie eine wild gewordene Katze, aber der Typ bewegt sich nicht einen Millimeter. Es scheint ihm nicht mal wehzutun, denn er grinst noch immer wie ein dummer Pavian. »Nein, weißt du, sie sitzt gerade auf meinem Schoß und macht andere Dinge mit ihrem Mund, deshalb … sorry, Kumpel.« Dann legt er auf und wirft das Handy auf den Tisch.

»Du Scheißkerl!«

Amüsiert zuckt sein Blick auf die etlichen Kratzer auf seiner bronzenen Haut. »Machst du so was auch beim Sex?«

Plötzlich greift er nach meinem Glas und schiebt mir den Strohhalm in den Mund. »Saug, Zirkusmädchen, und du musst dich nicht schlecht fühlen, wenn er fragt, was für Dinge du mit deinem Mund getan hast.«

Ich schlage seinen Arm weg, aber schon in der nächsten Sekunde ist der Strohhalm wieder da. »Du kannst auch ganz was Anderes damit tun, wenn du willst.« Mit dem Daumen streicht er minimal über meine Lippen, und augenblicklich durchfährt mich ein elektrischer Stoß, der meinen ganzen Körper in Aufruhr versetzt. »Nur ein Wort, und ich besorg dir jemanden, den du verwöhnen kannst.« Ich besorge dir jemanden. Als würde er sich selbst niemals in Betracht ziehen. Als wäre er ein verdammter Zuhälter. »Oder du saugst brav an deiner süßen Traubenschorle und kannst deinem Freund sagen, wie es wirklich war.«

Traubenschorle. Wie lange beobachtet der Kerl mich schon?

Statt einer Antwort funkele ich ihn an, doch im nächsten Moment öffnen sich meine Lippen. Das war keine bewusste Entscheidung. Jeder Gedanke an Craig, der zu meiner cholerischen Mutter rennen könnte, ist wie weggeblasen. Ich habe nicht einmal darüber nachgedacht, bis ich den Strohhalm an meiner Zunge spüre und beginne, daran zu saugen.

Und zu saugen.

Und zu saugen.

»Brav«, knurrt er, als das Glas leer ist. »Ich habe über deine Worte nachgedacht.«

»W… was?«

»Wäre echt beschissen, wenn ich einer der dreitausendzweihundertzwanzig Menschen wäre, die wegen der Drogen draufgehen, oder?«

Verwirrt blinzle ich ihn an, da zieht er schon ein kleines Tütchen aus seiner Jeanstasche. Meine Augen weiten sich.

Weißes Pulver. Kokain.

»Du trägst in aller Öffentlichkeit Koks mit dir rum?«

Ein verschlagenes Grinsen kriecht auf seine Lippen.

Meine nächsten Worte gehen in ein Keuchen über, als ich seine warmen Finger an meiner Haut spüre. Sie schieben sich unter den Stoff meines Kleids. Gleiten in meinen BH. Und ich … ich sollte auf dem Scheiterhaufen brennen.

Keuchend sitze ich da und rege mich nicht, als er meinen harten Nippel umkreist. Ich schlage seine Hand nicht weg. Ich verfluche ihn hierfür, ja, aber ich gebe diesem Junkie das klare Signal, nicht aufzuhören. Mein Gesicht muss aussehen wie ein sabbernder Shih Tzu, während mein Freund vermutlich gerade mit meiner Mutter plant, wie sie eine GPS-App auf meinem Handy installieren könnten.

Mein Freund. O Gott, mein Freund! Ich muss das hier unterbrechen. Sofort. Und Craig sagen, dass er nicht zu meiner Mom gehen darf und …

Sein Daumen findet die empfindliche Stelle.

Es ist, als hätte er eine Bombe entzündet.

Und ich habe wohl all meinen Stolz verloren, denn ich reibe meine pochende Stelle an der verdammten Sitzkante.

Scheiße, ich hasse mich hierfür. Ich bin abgefuckter als dieser Untergrundclub und sollte dafür brennen, dass ich nicht aufhören kann. Dass ich die Kontrolle verloren habe. Dass dieser Typ irgendeine okkulte Macht auf mich ausübt und ich keine Chance habe, dagegen anzukommen.

Fuck, bin ich beschissen.

»Nicht ich, Süße«, raunt er an meinem Ohr. »Du.«

»Wa…«

Im nächsten Moment spüre ich, wie etwas in meinen BH fällt, bevor er die Hand herauszieht und mich mit einem teuflischen Grinsen ansieht.

Mir sackt die Kinnlade herunter. Gerade will ich ihn anschreien, aber dann …

»Alle abhauen!«, brüllt ein Kerl vom Eingangsbereich vor der Treppe. »Die Cops kommen!«

O verfluchte Götter.

Eine Razzia!

KAPITEL 4

Helix

Das habe ich nicht kommen sehen. Dabei sehe ich immer alles kommen. Die Fairchild sitzt starr wie ein verschrecktes Reh und blickt aus ihren riesigen blauen Augen zur Treppe. Dann schreckt sie auf. Während sie panisch versucht, das Koks aus ihrem Dekolleté zu zupfen, ist der ganze Club in Aufruhr.

Zeit, abzuhauen. Ich drehe mich um und steuere den geheimen Ausgang an.

»Hey!«, ruft sie. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie sie in diesem Kommunionskleid vom Barhocker hüpft und mir hinterhereilt. »Wo willst du hin?«

»Weg hier.«

»Scheiße, wo ist Savvy?«

Ich habe keine Ahnung, wer Savvy ist, aber es interessiert mich auch nicht. Schnell schiebe ich mich an den panischen Menschen vorbei, die durcheinanderrennen wie eine Herde aufgeschreckter Antilopen. Im nächsten Moment höre ich das Tapsen der Schleifchensandalen neben mir. Nur flüchtig werfe ich einen Blick auf Miss Heute-kommen-meine-Großeltern-zum-Picknick-und-ich-ziehe-mich-an-wie-sie, aber sie heftet sich an mich, als wäre sie ein hartnäckiges Geschwür.

»Nimm mich mit!«

»Was?«

»Ich kriege dein beschissenes Tütchen nicht aus meinem BH, weil es sich mit meinem Bügel verheddert hat!«

»Na und?«

»Wenn ich nicht will, dass alles aufreißt, die Cops mich filzen und ihre Hunde bellen, weil es aussieht, als hätte ich in Koks gebadet, muss ich jetzt verschwinden.«

Ein Aufschrei weht durch den Keller. Mein Blick zuckt zum Clubeingang. Von oberhalb der Treppe klingt eine Diskussion zu uns. Mehr als die Hälfte der Leute hier hat Dreck am Stecken, und fast alle tragen Drogen in ihren Taschen oder haben bereits welche genommen.

»Dann viel Spaß dabei.« Ich stoße eine Reihe von Barhockern um, damit die Cops mir nicht so schnell hinterherjagen können, falls sie mich entdecken. »Mit mir gehst du nirgendwohin.«

»Es ist deine Schuld, dass ich überhaupt abhauen muss!«

»Süße, keiner dieser Cops wird dich filzen.«

Die Wellen in ihren blauen Augen funkeln vor Wut. »Wenn du mich nicht hier rausschaffst, werde ich dich suchen und dich den Cops zum Fraß vorwerfen. Schaff mich aus dem Schuppen raus, und du bist mich los.«

Zähneknirschend mustere ich die kleine Fairchild, und zu meinem Bedauern wird mir klar, dass sie das ernst meint. Wäre ich nur irgendein Kerl aus L. A., könnte mir ihre Drohung am Arsch vorbeigehen, aber …

»Schön«, zische ich, packe sie am Handgelenk und ziehe sie hinter mir her, »wehe, du fällst zurück. Ich werde dich nicht tragen.«

»Glaub mir, Vollidiot«, erwidert sie und lacht freudlos auf, »ich bin flinker als du.«

»Wir werden sehen.« Urplötzlich reißt sie sich los, hebt die Arme und streckt ein Bein vor. »Was zur …«, setze ich an, als sie mit einem Mal einen verdammten Überschlag über die umgestürzten Barhocker macht. Dabei rutscht ihr der Rock ihres Kleides herunter. Unter dem Stoff blitzt kein Slip auf, sondern eine Radlerhose. Ohne Scheiß. Als hätte sie Vorsichtsmaßnahmen getroffen für den Fall, dass im Partykeller eine Windmaschine läuft.

Ihre Hände landen auf der Theke. Mühelos wirft sie ihren Körper darüber und fasst hinter der Bar wieder Fuß, wo sie sich hektisch umsieht. Kein Plan, wo der Barkeeper steckt. Wahrscheinlich abgehauen, bevor die Cops ihn drankriegen.

»Was auch immer du da machst«, rufe ich, »du bist mir nicht mehr als fünf Sekunden wert.«

Trotzig schiebt sie den Kiefer vor. »Zu gütig.«

Sosehr ich dieses Mädchen auch verabscheue … ich muss zugeben, ihre harte Kinnlinie ist sexy.

»Eins«, zähle ich laut, während sie alle möglichen Spirituosen durcheinanderbringt und Schubläden aufreißt, »zwei …«

In der dritten findet sie etwas, denn ihre Augen leuchten auf. Ein siegreiches Lächeln umspielt ihre Mundwinkel.

»Drei … Vier …«

Im nächsten Moment schlittert ihr Hintern über die versiffte Theke, und sie landet wieder neben mir.

»Fünf.« Ich hebe eine Braue, als ich das Ding in ihrer Hand sehe. »Der ganze Zirkus für ein verdammtes Messer?«

»Für mein verdammtes Messer. Damit ich dich aufschlitzen kann, falls du mich auf dem Weg nach draußen töten willst.«

Einen Augenaufschlag lang starre ich sie an, dann ertönt plötzlich ein Knall, weil eine Tür aufgestoßen wird. Mit Entsetzen stelle ich fest, dass mindestens ein Dutzend uniformierter Cops des LAPD den Club stürmen.

»Fuck!« Wieder packe ich das Zirkusmädchen am Handgelenk und reiße sie mit mir, damit sie nicht wieder abhaut.

Könnte ja sein, dass sie diesmal eine Knarre entdeckt.

Der Gedanke lässt mich ungläubig auflachen.

»Was ist so komisch?«, fragt sie, während wir um die Ecke in die Black-Area rennen.

»Hey!«, brüllt einer der Cops. Mich beschleicht das unangenehme Gefühl, dass er uns meint. »Das war der Winchester-Junge!«

Jep, er meint mich.

»Du bist komisch«, rufe ich ihr zu, während wir zwischen zwei abgewrackte Sofas schlittern. Mein Herz schlägt fest wie eine Trommel. Wenn die Cops mich kriegen, bin ich dran. Das war’s mit meiner letzten Chance, die morgen erst beginnen sollte. Ich hab’s verkackt, bevor es überhaupt losging. »Du gehst in einen Drogenkeller, betrinkst dich mit Traubenschorle und wirst auf einmal zu Tarzan, um ein Messer zu klauen.« Mit aller Kraft drücke ich den Kühlschrank hinter der Bar beiseite, woraufhin ein schmaler Gang frei wird. »Rein da, Tomb Raider.«

Mit großen Augen starrt sie in die Dunkelheit. »Damit du mich da drin killen kannst?«

»Hast doch dein Messer.«

Sie schüttelt den Kopf. »Nie im Leben.«

»Rein da!«

Aus der Main Area dringt Tumult zu uns. Schritte kommen immer näher. Fluchend reiße ich sie mit mir. Ihr spitzer Schrei hallt wie eine Schreckschusspistole in meinen Ohren. Auch wenn sie mein Tempo halten kann, stolpert sie immer wieder über die verdammten Sandalen.

»Zieh sie aus«, sage ich scharf über meine Schulter.

»Was?«

Wir rennen um eine Ecke. »Die Sandalen. Zieh sie aus.«

»Aber dann bin ich barfuß!«

»Besser barfuß als im Knast!«

Scheinbar hat sie die Schritte hinter uns auch gehört, denn sie zieht scharf die Luft ein. »O Gott!« Sie stockt, und ich will sie schon weiterzerren, aber im nächsten Moment kickt sie ihre Sandalen beiseite und stürmt auf nackten Sohlen vorwärts. Ihre großen Kopfhörer hängen aus ihrer Tasche, und das braune Haar flattert ihr immer wieder ins Gesicht. »Die holen uns ein!«

»Tun sie nicht. Lauf schneller!«

Wir ziehen das Tempo an. Unsere Schultern streifen an den Betonwänden entlang, wodurch mir die Haut aufgeschürft wird. Trotzdem werde ich nicht langsamer.

Ich habe schon wesentlich Schlimmeres gespürt.

Heaven flucht leise vor sich hin: »… weiß nicht mal, ob sie im Gefängnis einen Sportraum haben oder ich Musik hören darf.« Vor allem der letzte Gedanke scheint sie regelrecht zu verstören. »Wie soll ich ohne Elvis überleben?«

»Wie soll ich überleben, wenn du weiter so rumnervst?« Endlich taucht vor uns eine alte Holztür auf. Durch den Spalt dringt Licht herein und wird von etwas Silbernem reflektiert. Heaven hat ihr Messer gezückt.

»Mal sehen, ob ich dich immer noch nerve, wenn du das hier wegen mir überstehst.« Mit der Klinge prügelt sie erfolglos auf das Schloss ein.

»Was zur Hölle tust du da?«

»Uns retten.«

»Stehen bleiben!«, rufen die Cops aus der Ferne. Also werfe ich mich mit voller Wucht gegen die Tür. Schwungvoll bricht sie auf, und Heaven taumelt auf die Straße. Wie ein Brotmesser wackelt die Waffe nutzlos in ihrer Hand. Erstaunlicherweise findet sie binnen einer Sekunde die volle Balance wieder und rennt mir hinterher.

»Steck das verfluchte Messer weg!«, zische ich.

»Niemals! Wenn du mich in eine Ecke ziehst, habe ich keine Chance! Wahrscheinlich spritzt du dir Testosteron und tötest mich mit einer Überdosis, die du mir in den Arsch …«

»Ich ziehe dich in keine Ecke, verdammt!« Kraftvoll springe ich vom Boden ab und lande auf einer hohen Mülltonne, die auf beiden Seiten von Büschen flankiert ist. Ich gehe davon aus, dass Heaven den Umweg drumherum nimmt, aber da landet sie auch schon geschmeidig wie eine Katze neben mir. »Du bist absolut nicht mein Typ.«

»Gleichfalls«, knurrt sie.

»Jetzt steck das Messer weg.«

»Nein.«

Ich schnappe es ihr aus der Hand und werfe es rücksichtslos in die Mülltonne. Augenblicklich wird sie kalkweiß im Gesicht. »Bist du verrückt geworden?«

»Wenn dich ein Cop damit sieht, bist du dran.«

»Was kümmert es dich?«

Einen Moment denke ich darüber nach. »Du hast recht.« In ihrem Ausdruck blitzt Triumph. »Also, hier trennen sich unsere Wege, Zirkusmädchen. Ich habe getan, was du wolltest, und dich da rausgeholt.« Der Triumph wechselt zu Entsetzen, wodurch ich grinsen muss. »Sorry für das Messer. Aber du kannst reinspringen und es rausholen, oder nicht?«

»Du widerliches, hässliches, verseuchtes Arsch…«

»Bei eins und drei gehe ich mit«, unterbreche ich sie, während ich leicht in die Hocke gehe, »aber bei zwei …«, ich gebe ein trockenes Lachen von mir, »… versuch’s gar nicht erst, Süße.« Damit springe ich in einem Salto von der Tonne und lande sicher auf meinen Füßen. Ich will losrennen, als ein schweres Gewicht auf mir landet.

Auf. Meinen. Schultern.

Es gelingt mir gerade so, nicht auf die Fresse zu fliegen.

Finger krallen sich in mein Haar. »Du gehst nirgendwo ohne mich hin, bis die Cops verschwunden sind!«

»Bist du irre?« Ich versuche, die kleine Fairchild abzuschütteln, aber sie hält sich wie eine erfahrene Reiterin auf einem bockenden Pferd. Nur dass meine Haare ihre Zügel sind und es ihr scheißegal ist, wie viele sie mir ausreißt. »Geh runter von mir!«

»Besser, du rennst«, gurrt sie, hörbar zufrieden mit ihrer Attacke, »oder wir werden beide geschnappt.«

Dieses Mädchen hat sie nicht mehr alle. Aber eines hat sie: recht.

Fluchend kralle ich meine Nägel in ihre Waden. »Wenn du fällst, lasse ich dich liegen.«

Sie schnaubt. »Ich falle nicht.«

»Jeder fällt irgendwann, Zirkusmädchen.« Für einen winzigen Moment streift mein Blick das St. Thomas Hospital, das in der Ferne aufragt. »So ist das Leben.«

Dann sprinte ich los.

KAPITEL 5

Helix

Die Neonlichter von Downtown Los Angeles ziehen an uns vorbei, während ich mit geschärften Sinnen durch die Nacht rase. Heaven presst ihre Beine an meinen Brustkorb und legt die Hände an meine Stirn.

»Die starren uns alle an!«

»Natürlich. Du missbrauchst mich als Rodeo.«

»Was, wenn die sich unser Aussehen merken und es der Polizei stecken?«

»Als ob.« Von weit entfernt dröhnen Sirenen der Cops in meinen Ohren, aber für mich ist diese Stadt mit all den Gassen und Winkeln mein Spielplatz. »Die sind alle besoffen und kennen nicht mal mehr ihren eigenen Namen.«

»Aber was, w…« Ihr Satz geht in einen Schrei über, als urplötzlich ein Taxi um die Ecke rast. »Pass auf!«

Geschickt weiche ich dem Auto aus, springe über einen niedrigen Zaun und renne auf eine Kreuzung zu.

»Links!« Ihre zittrige Stimme ist ein chaotischer Kontrast zu dem kontrollierten Druck ihrer Beine. »Verdammt, du Idiot, was machst du?«

Nicht nach links abbiegen.

»Da ist eine Mau… Ah!« Sie kreischt, als ich abspringe und die Hände auf eine Backsteinwand lege und uns nach oben drücke. »Scheiße!«, stößt sie aus, gefolgt von einem verzweifelten Lachen, »bist du lebensmüde?«

»Geh runter.«

»Was?«

In einer schnellen Bewegung werfe ich sie von meinen Schultern. Bevor sie mit dem Schädel auf die Mauer knallt, streckt sie die Arme vor und landet in einem kerzengeraden Handstand. Der Rock ihres Sommerkleids fällt bis zu ihrem Hals, entblößt diese lächerliche Radlerhose und stählerne Bauchmuskeln.

Wütend blinzelt sie zu mir hoch. »Wolltest du mir gerade den Schädel zerschmettern?«

Ich grinse. »War neugierig, was das Zirkusmädchen kann.«

»Ich hätte sterben können!«

»Vielleicht hätte ich dich aufgefangen.«

»Vielleicht?«

»Wir werden es nie erfahren.«

Heaven beugt ihren Körper, bis ihre nackten Füße auf die Mauer treffen und sie in einer gelenkigen Brücke den Bauch gen Nachthimmel reckt. Dann richtet sie sich auf. Sie streicht ihr Kleid glatt, als Reifenquietschen nicht weit von uns zu hören ist.

Ihre Augen weiten sich. »Weg hier!«

Ich muss zugeben, dass Heaven extrem wendig ist. Und dass ich mich frage, wie sie im Bett ist. Denn die kleine Fairchild ist das absolute Gegenteil von den Frauen, die ich gewöhnlich vögle, und definitiv nicht mein Typ, aber ich muss zugeben: Sie macht mich neugierig.

Ohne zu zögern, springt sie mit einem Strecksalto von der Mauer. Das hier ist ein Kinderspiel für sie. Ihr Zuhause. Die Bewegungen, das Fliegen, die Sprünge.

Sie braucht kein Messer.Ihr Körper ist ihre beste Waffe.

Als wir ein paar Minuten später in eine verlassene Unterführung eintauchen, halten wir inne.

»Das war … krass«, murmelt Heaven.

»Teil meines Jobs«, entgegne ich mit einem bitteren Lächeln. »Frauen retten.«

»Oh, komm schon.« Ein empörtes Schnauben entfährt ihr. »Als ob ich dich nötig hätte.«

»Wer hat sich wie ein panisches Äffchen an mich geklammert, als ich sie allein lassen wollte?«

»Ein kurzer Moment der Schwäche«, murmelt sie.

»Schwäche ist was für Zuschauer, nicht für Akteure.« Ich ziehe mein Handy aus der Hosentasche und drehe mich weg, während ich WhatsApp öffne und einen Standort verschicke. Hinter mir tapsen nackte Füße davon. Ohne mich umzudrehen, strecke ich den Arm aus und ergreife Heavens Handgelenk.

Kurz verharrt ihr Blick auf meinen Fingern. »Was?«

»Bleib hier.«

»Warum?«

Mit einer Hand tippe ich eine letzte Nachricht. »Darum.«

Unter meinen Fingern spüre ich ihren Puls schneller werden. »Willst du mich jetzt doch umbringen?«

Ich stecke das Handy weg. »Was hätte ich davon?«

»Genugtuung? Befriedigung? Wer weiß, worauf ein verdorbener Typ wie du steht?«

»Wie gesagt«, entgegne ich träge, »nicht auf Mädchen wie dich.«

Sie öffnet den Mund, doch in dem Moment wird die Unterführung von grellen Xenon-Scheinwerfern geflutet. Blinzelnd taumelt Heaven rückwärts, hält sich die Finger vor die Augen. Ich stehe einfach nur da, während der AMG auf uns zurast.

»Hast du sie noch alle?« Heaven zerrt an meinem Arm. »Weg da! Der fährt dich tot!«

Aber ich bleibe, wo ich bin. »Werden wir plötzlich rührselig?«

Sie schnaubt. »Ich will hinterher nur nicht verdächtigt werden.«

Mit einer Hand stoße ich Heaven rückwärts. Sie keucht, als ihr Rücken gegen die gemauerte Wand kracht.

Nur Zentimeter vor mir kommt der Mercedes quietschend zum Stehen. Grimmig blicke ich durch die Windschutzscheibe, kann mir aber ein anerkennendes Nicken nicht verkneifen.

Dann öffne ich die Beifahrertür und sehe zu Heaven. »Steig ein.«

»W… was?«

»Du sollst einsteigen. Ich sorge dafür, dass du nach Hause kommst.« Noch immer rührt sie sich nicht, und ich stehe kurz davor, meine Geduld zu verlieren. »Das hier ist L.A. und du eine Frau, die leichter zu schnappen ist als ein Reh im Scheinwerferlicht. Rein da.«

»Danke für die Mühe, aber kein Bedarf.« Sie versucht, stark zu klingen, klammert sich aber ängstlich an ihre Handtasche. »Ich laufe.«

»Einen Scheiß tust du. Steig jetzt ein.« Schon wieder will sie widersprechen, aber ich komme ihr zuvor. »Bis zum Zirkustal sind es dreieinhalb Stunden zu Fuß.«

»Dann rufe ich mir ein Uber.«

Nur mit Mühe kann ich ein Augenrollen unterdrücken. »Vor mir hast du Angst, aber einem Uber-Fahrer traust du?«

»Ja«, entgegnet sie sofort. »Sie würden ja sonst ihre Lizenz verlieren.«

»Ihre Liz…« Ein trockenes Lachen entfährt mir. »Ist das dein Ernst?« Als sie nur trotzig das Kinn vorschiebt, wird mein Herz von Zorn gejagt. Wie kann jemand so stur sein? »Steig. Jetzt. Ein«, zische ich.

»Ne-hein.«

»Das reicht.« In einer schnellen Bewegung schlinge ich meinen Arm um ihre Taille und werfe sie über meine Schulter.

Sie kreischt auf. »Lass mich runter, du Freak!«

»Sagt das Mädchen mit dem Messer?«

»Was du in den Müll geworfen hast!«

»Tz, tz, tz«, kommt es von der Fahrerseite, »Kujo wird ausrasten.«

Ein dumpfer Laut entkommt Heavens Kehle, als ich sie auf den Beifahrersitz werfe.

»Du?« Erschrocken sieht sie zu Hawk. »Ihr … ihr kennt euch?«

Sein linker Arm liegt lässig auf dem geöffneten Fenster. »Das Arschloch ist mein bester Kumpel, Zuckerpuppe.«

Stöhnend wirft sie den Kopf zurück und zwickt sich in die Nasenwurzel. »Wieso wundert mich das nicht?«

Von hinten streckt ein rothaariges Mädchen den Kopf durch die Mittelkonsole. »Mach dir nichts draus. Ich hatte auch keine Chance.«

Quietschend wirbelt Heaven herum. »Savvy!«

Ach, das ist Savvy.

»Hawk hat mich auch einfach ins Auto geschmissen.« Die Rothaarige verdreht die Augen. »Dabei war ich gerade dabei, Steve meine Nummer zu geben.«

»Während einer verdammten Razzia«, grummelt mein Freund.

Sie hebt entrüstet die Arme. »Wenn nicht jetzt, wann dann, Skullhead?«

»Sav, du glaubst nicht, was in der letzten halben Stunde passiert ist!« Heaven presst sich eine Hand auf die Brust. »Ich bin vor den Cops geflüchtet. Vor. Den. Cops! Und ich bin ihnen entkommen!«

Besagte Sav schnappt nach Luft und klatscht in die Hände. »Gratuliere, Babe!«

Ich beuge mich durch das Fenster zu ihr herunter. »Du bist entkommen, weil du mit mir zusammen warst«, raune ich. »Glaub bloß nicht, du wärst was Besonderes, Fairchild.«

»Ein Glück für dich, dass ich dich nie wiedersehen werde, Arschloch.« Ihr Blick speit Feuer. »Ich hoffe, du landest im Knast.«

»Und ich hoffe, dein Ich-renn-zu-deiner-Mommy-Lover nimmt dich so richtig durch, damit der Stock in deinem Arsch von einem Schwanz ersetzt wird. Scheinst du zu brauchen.«

Ihre Kinnlade klappt herunter.

Ein Grinsen, süß wie Gift, hebt meinen Mundwinkel, als ich die Hand ausstrecke und in ihren BH greife. Mit geweiteten Augen schnappt sie nach Luft, während ich das Tütchen Koks herausziehe. Dann nicke ich Hawk zu. »Fahr los.«

KAPITEL 6

Heaven

Als ich am nächsten Morgen in meinem Zirkuswagen aufwache, bin ich überzeugt, den absurdesten Traum meines Lebens gehabt zu haben. Die letzte Nacht kann gar nicht real gewesen sein – nicht in meinem Leben. Ich liege in meiner Bettnische, rolle mich auf den Rücken und blinzle gegen das Morgenlicht an, das durch den Spalt der schweren Vorhänge fällt. Dann strecke ich mich unter der Steppdecke aus, schiebe mich höher in die Kissen und beobachte, wie der Sonnenaufgang die Vintagetapete in ein tiefes Orange hüllt.

Der Himmelszirkus gehört zu den berühmtesten Zirkussen der Welt. Im späten neunzehnten Jahrhundert wurde er von meinem Ururgroßvater gegründet. Um den klassisch nostalgischen Charme zu erhalten, wurden die Wagen und Zelte immer wieder aufwendig restauriert. Ich liebe meinen Trailer. Alles in unserem Zirkustal, dem Sky Valley. Jeder Ort verströmt ein königliches Ambiente.

Neben der Lampe mit dem alten Fransenschirm leuchtet mein Handy auf dem Nachttisch auf. Eine Erinnerung meines Vaters in der Zirkusgruppe, dass wir alle pünktlich zu einer wichtigen Versammlung in der Manege erscheinen sollen. Also wühle ich mich aus dem Bett und ziehe ein geblümtes Sommerkleid aus den unteren Schränken der Holzvitrine.

Laut meiner Mutter hat sie einst Zoola Fairchild gehört. Meine Ururgroßmutter war eine historische Ikone, deren Schwarz-Weiß-Fotografien berühmt sind wie die Marilyn Monroes und für astronomische Summen gehandelt werden. Im selben Atemzug hat sie mir gesagt, dass der Schrank ein Anreiz wäre, mir Zoolas Ehre durch perfekte Leistungen zu erarbeiten.

Gerade binde ich meine Haare zu zwei Knoten, als es an meiner Wohnwagentür klopft.