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Wenn es draußen kalt ist, geht es im Blackwell Palace umso heißer zu: Die fieberhaft ersehnte Reihe der New-Adult-Bestseller-Autorin geht weiter!
»Wenn ihr nach einer faszinierenden Story und einem unwiderstehlichen Setting sucht, müsst ihr unbedingt ›Blackwell Palace‹ lesen!« ANNA TODD
Auch wenn das Blackwell Palace sich inzwischen wie ein wahres Zuhause anfühlt, würde Paola das Luxushotel und St. Moritz nach den Geschehnissen des letzten Polospiels am liebsten hinter sich lassen. Doch sie hat jemandem ein Versprechen gegeben, das sie niemals brechen würde. Paola bleibt keine andere Wahl: Um ihr Versprechen zu halten, muss sie sich ausgerechnet der Person anvertrauen, die sie aus tiefster Seele hassen will. Aber es gibt noch eine viel größere Herausforderung: Wie soll sie ihr Herz vor Edward und Charles verschließen? Den attraktiven und unberechenbaren Blackwell-Brüdern, die sie mit ihren düsteren Geheimnissen in tiefere Abgründe gestürzt haben, als sie es je für möglich gehalten hätte. Doch es ist nicht nur ihre besondere Verbindung zu den beiden, die ihr Angst einjagen sollte, sondern auch die dunkle Ahnung, dass sie nur einen von beiden vor sich selbst retten kann …
Romantik, Glamour und Intrigen im verschneiten St. Moritz – die Frozen-Hearts-Reihe geht weiter:
1. Blackwell Palace. Risking it all
2. Blackwell Palace. Risking it all
3. Blackwell Palace. Feeling it all
Und danach? Lust auf noch mehr Sehnsucht, Prickeln und zauberhafte Winteratmosphäre von Bestsellerautorin Ayla Dade? Dann wird es Zeit für die Winter-Dreams-Reihe:
1. Like Snow We Fall
2. Like Fire We Burn
3. Like Ice We Break
4. Like Shadows We Hide
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 734
Ayla Dade nutzt am liebsten jede freie Minute zum Schreiben. Die Seiten ihrer New-Adult-Romane füllt die beliebte Buchbloggerin mit großen Gefühlen an zauberhaften Schauplätzen. Ihre Winter-Dreams-Reihe war ein überwältigender Erfolg: Die Bände standen wochenlang auf der SPIEGEL-Bestsellerliste und haben für immer einen Platz in den Herzen ihrer Leser*innen. In ihrer neuen Frozen-Hearts-Reihe macht sie einen luxuriösen Hotelpalast im verschneiten St. Moritz zum Zentrum von Glamour, Intrigen und einem Feuerwerk an Emotionen.
Auch wenn das Blackwell Palace sich inzwischen wie ein wahres Zuhause anfühlt, würde Paola das Luxushotel und St. Moritz nach den Geschehnissen des letzten Polospiels am liebsten hinter sich lassen. Doch sie hat jemandem ein Versprechen gegeben, das sie niemals brechen würde. Paola bleibt keine andere Wahl: Um ihr Wort zu halten, muss sie ausgerechnet auf die Hilfe der Person vertrauen, die sie aus tiefster Seele hassen will. Aber es gibt noch eine viel größere Herausforderung: Wie soll sie ihr Herz vor Edward und Charles verschließen? Den attraktiven und unberechenbaren Blackwell-Brüdern, die sie mit ihren düsteren Geheimnissen in tiefere Abgründe gestürzt haben, als sie es je für möglich gehalten hätte. Doch es ist nicht nur ihre besondere Verbindung zu den beiden, die ihr Angst einjagen sollte, sondern auch die dunkle Ahnung, dass sie nur einen von beiden vor sich selbst retten kann …
Begeisterte Stimmen über Ayla Dades Romane:
»Wenn ihr nach einer faszinierenden Geschichte und einem unwiderstehlichen Setting sucht, müsst ihr Blackwell Palace lesen!« Anna Todd
»Zum Wegträumen schön!« Lilly Lucas über »Like Snow We Fall«
Außerdem von Ayla Dade lieferbar:
1. Like Snow We Fall
2. Like Fire We Burn
3. Like Ice We Break
4. Like Shadows We Hide
Die Frozen-Hearts-Reihe:
Blackwell Palace. Risking it all
Blackwell Palace. Wanting it all
Blackwell Palace. Feeling it all
www.penguin-verlag.de
Ayla Dade
Roman
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Copyright © 2023 by Penguin Verlag
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur
Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.
Die Zitate auf den Seiten 303f., 322 und 538 stammen aus dem Song »Jeden Tag mehr« von Montez.
Lektorat: Steffi Korda, Hamburg
Illustrationen: Christin Neumann
Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München
Coverabbildung: Collage unter Verwendung von Motiven von shutterstock.com
Gesamtherstellung: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-641-30836-0V004
www.penguin-verlag.de
The A Team – sleep.ing
So macht die Sonne das auch – Montez
Blinding Lights – Loi
Talking to the Moon – Ashley Marina
Mirrors, Acoustic – Beth
Holy – Justin Bieber
Locked Away – R. City, Adam Levine
Jeden Tag mehr – Montez
Easy On Me, Acoustic – Covers Culture
Big Big World – Emilia
Love is Gone, Acoustic – SLANDER, Dylan Matthew
Auf & Ab – Montez
It Must Have Been Love – Mark Wilkinson
FourFiveSeconds – Rihanna, Kanye West, Paul McCartney
Geisterstadt – Montez
Forget Me – Lewis Capaldi
How This Ends – Lewis Capaldi
Fieber – Montez
Pointless – Lewis Capaldi
Liebe Leser*innen,
ich freue mich so sehr, dass ihr nach dem ersten Band nun erneut ins Blackwell Palace eintauchen und euch von seinem Luxus und Glamour verzaubern lassen wollt.
Vorab aber ein wichtiger Hinweis:
Beim Schreiben meiner Geschichten ist eure Unterhaltung mein oberstes Ziel. Ihr sollt einige wundervolle Stunden fernab der Realität bekommen, in denen ihr nur so durch die Seiten fliegt und ein anderes Leben lebt. Sollte es also Themen geben, mit denen ihr nicht konfrontiert werden wollt, und ihr befürchtet, es könnte in diesem Buch geschehen, so bitte ich euch, vor dem Lesen einen Blick auf S. 540 zu werfen. Dort sind die sensiblen Themen dieses Romans aufgelistet. Bitte seid euch allerdings bewusst, dass diese Liste Spoiler enthält.
Was mir außerdem noch wichtig ist: Meine Charaktere erleben einige intime Momente miteinander, in der Unterwürfigkeit und Dominanz eine große Rolle spielen. Ich bitte euch selbst oder auch eure Eltern, einzuschätzen, inwieweit ihr eine moralisch graue Fiktion und die Realität voneinander trennen könnt.
Ich wünsche euch viel Freude beim Lesen meiner neuen Reihe. Es wird skandalös, und ich könnte nicht stolzer sein!
Und nun taucht ab ins Blackwell Palace, Signore e Signori!
Eure Ayla
Für Luca
das danke hier muss für dich sein weil dieses manuskript für mich ein auf und ab war spät nach haus und noch geschrieben und gedacht bleib wach und mein kopf voll im fieber manchmal kein wort mehr da und die seiten eine geisterstadt und ich dachte ich kann nie wieder schreiben aber ich hab gewusst diese brüder mit ihrem herz aus beton verdienen alles was ich geben kann und plötzlich war da wieder dopamin so viel und mein kopf so wenn ich du wäre würde ich mal an dich glauben würde ich mal an dieses buch glauben würde ich mal jeden tag mehr an einen lovesong glauben der dich irgendwie durch die seiten bringt als wäre das buch hier eine netflix serie und ich habe geschrieben jeden tag mehr und ich habe diesen song gehört jeden tag mehr und ich wusste diese charaktere dessen liebe in gefahr ist leben von diesem gedanken jeden tag mehr und dann war da dieses kapitel in venedig und ich hab's geschrieben mit venedig und ich hab's geschrieben mit'm laptop auf der autobahn in meinem eigenen kreativen universum und dann habe ich dieses buch beendet jeden tag mehr und als ich fertig war habe ich gestrahlt und gedacht so macht die sonne das auch aber dachte ich bin voll die robin hood mit deinen zeilen auf meinen seiten aber du meintest ok, klar und robin hood war vorbei oder für immer und eh weg und ich bisschen im delirium weil das war für mich wie direkt über los und ich habe so viel gezweifelt und so viel gejubelt und dachte irgendwann ok ich bin manisch talentiert und das hier ist das verrückteste danke das ich je geschrieben habe aber deine worte deine stimme deine wortmelodie haben meine worte meine stimme meine wortmelodie in 2x 544 seiten begleitet und manchmal gerettet und dieses danke besteht aus deinen songs weil wenn ich an blackwell palace denke sind sie da alle in meinem kopf
Ein Ring, der sich um mein Herz schließt.
Fest.
Fester.
Unerträglich.
Dornen aus Eiszapfen. Ich kann nicht mehr atmen. Nicht mehr fühlen. Mein Körper entgleitet mir.
So muss es sich anfühlen, wenn man ertrinkt.
Wenn ein Messer die Haut trifft, die Fasern reißen, die Moleküle schreien, die erste Millisekunde, bevor der Schmerz eintritt.
Angespannt.
Bedrohlich.
Still.
Und dann kommt es. Das Brennen. Es breitet sich aus wie ein Lauffeuer. Jeder Zentimeter meiner Zellen steht in Flammen. Meine Beine. Meine Arme. Die Finger, die Kehle. Vor allem die Kehle. Ich hole Luft, aber meine Lunge schreit, denn es kommt nichts an.
Vor meinem Sichtfeld verschwimmt die breite Masse, die schaulustigen Geier, die lange Hälse aus der Ferne machen und versuchen, an den vielen Securitys vorbeizuschauen, um zu erkennen, was hier los ist. Warum Elias Van Dyk sich mit blutenden Lippen im Schnee hochrappelt. Weshalb Signor Blackwell seinen Sohn Charles an sich pressen muss, damit er nicht auch noch von der Polizei abgeführt und wegen Körperverletzung eingebuchtet wird. Und wieso, um alles in der Welt, die neue Sommelière mittendrin in diesem Chaos steckt.
»Paola …« Die Stimme neben mir ist leise. Zaghaft. Die Finger, die sich um mein Handgelenk schließen, sind sanft. Wie in Zeitlupe drehe ich den Kopf und sehe Emma an. Mein geschockter Ausdruck spiegelt sich in ihren blauen Iriden. Ich sehe aus wie jemand, der dem letzten Monster in einem High-End-Spiel begegnet ist. Und irgendwie bin ich das tatsächlich, oder nicht? »Paola, lass uns …«
»Das Mädchen soll verschwinden!« Eine weitere Stimme. Wesentlich aggressiver als Emmas. Autoritärer. Endgültiger. Mein Kopf wirbelt herum, und ich sehe dem Mann in die Augen, dem ich ein Gedicht in meinem Notizbuch gewidmet habe. Dem Mann, von dem ich mir immer eingeredet habe, er würde seine Entscheidung, uns verlassen zu haben, inständig bereuen. All die Jahre habe ich mir eingebildet, er würde nach mir suchen, könnte mich nicht finden, habe mir eingeredet, er würde mich tief in seinem Herzen lieben, und wenn es einmal dazu käme, dass wir einander gegenüberstehen, würde er mich unter Tränen in den Arm nehmen und beteuern, dass er jede freie Sekunde an mich gedacht hätte.
Hier steht er nun. Augen, schwarz wie seine Seele, in Teer getränkt und der Hölle verschrieben. Nur so kann es sein, denn der Hass, dieser Abscheu, mit dem er mich ansieht, dieser mächtige Angriff, während ich innerlich verbrenne, das ist das Gegenteil von all meinen verzweifelten Kindheitsfantasien.
Aber das hier ist kein Märchen. Es ist die brutale Realität.
»Verschwinde«, zischt Signor Blackwell, ohne mich aus den Augen zu lassen. Wenn Blicke töten könnten, würde ich in dieser Sekunde zu Asche zerfallen. »Hast du nicht verstanden?« Ich zucke zusammen, weil er so brüllt. Die erste Regung meines Körpers, während Edward noch immer erstarrt ins Nichts blickt und Charles mit geballten Fäusten und angespanntem Körper versucht, runterzukommen. »Du sollst mir aus den Augen gehen!«
»Du bist mir ein Gespräch schuldig«, flüstere ich. Irgendetwas in mir ist voller Angst. »Du … Das habe ich verdient, oder nicht?«
Signor Blackwell ist steinreich, mächtig und nicht die Art von Typ, die zusammenzuckt. Auch jetzt tut er es nicht, obwohl er völlig außer sich scheint. Er sieht mich bloß an, als wäre ich eine Made, die er entsorgen muss, bevor es eklig wird.
»Ich bin dir gar nichts schuldig.«
»Du bist abgehauen.« Ich schlucke, zwinge mich zu einer festeren Stimme. »Du bist, verdammt noch mal, einfach ABGEHAUEN!«
»Soweit ich mich erinnere, war ich den Großteil meines Lebens in diesem Hotel.«
»Und ich bin hier geboren. Sieben Jahre habe ich hier gelebt. Meine Mutter war diesem Hotel treu, sie war normal, bis du sie …« Ich schiebe das Kinn vor, um die Tränen zu vertreiben. »Du hast meine Mutter erpresst! Du, du …«
»Signora Cortessa.« Er ballt die Hände zu Fäusten, öffnet sie wieder. Mir ist schleierhaft, wie er jetzt diesen Geschäftston anschlagen kann. Ich hasse ihn. In meiner Vorstellung ist er an allem schuld. An der Onlinesucht meiner Mutter, meinem verkümmerten Leben, daran, dass Gabriel nicht hier ist. An allem. »Die Tatsache, dass ich Ihr …« Er stockt, ringt mit sich, seiner Fassung. »Dein Erzeuger bin, bedeutet nicht automatisch, dass ich Pflichten nachkommen muss. Und jetzt verschwinde von hier, verstanden?«
»Vater«, murmelt Edward, doch Jake bringt ihn mit einem irren Blick zum Schweigen. Aber so schnell gebe ich mich nicht geschlagen. Nicht jetzt, da ich ihn endlich vor mir habe.
»Doch, musst du«, beharre ich. »Weil du mich im Stich gelassen hast.« Meine Stimme wankt. »Weil du … mich einfach nicht wolltest.«
Mit seiner freien Hand wischt er sich über das Gesicht. Ich sehe, wie er vor Zorn erzittert. »Ich hatte keinerlei Bindung zu deiner verfickten Mutter, okay?!«
Ich schnappe nach Luft. Emma zuckt zusammen, und Charles zischt »Genug!«, aber Jake ignoriert ihn.
»Es war eine einmalige Sache hier im Palast, weil sie mein Zimmermädchen war. Ich war frisch verheiratet und konnte es mir nicht erlauben, das aufs Spiel zu setzen für …«
»Für deine Tochter!« Ich habe das Gefühl, zu ersticken. »Du wolltest nichts aufs Spiel setzen für DEINE.« Ich mache einen Schritt vor. »VERDAMMTE.« Noch einen. »TOCHTER!«
»VERPISSDICH, VERFICKTESCHEIßE!«
»Vater!«, brüllen Edward und Charles gleichzeitig, ziehen ihn am Arm, aber Jake reißt sich einfach los und tritt fluchend gegen den Zaun.
Er verliert völlig die Beherrschung. Je wütender er wird, desto mehr schwindet der Schleier vor meinen Augen. Und plötzlich wird alles klar. Die Farben der verschiedenen Jacken und Mäntel sind kein verschwommenes Bild mehr, sondern gestochen scharf. Genauso wie die Blicke, die allesamt fokussiert und sensationsgeil auf uns gerichtet sind.
Auf Charles.
Auf Edward.
Auf mich.
Und da wird mir klar: Ich muss hier weg.
Blitzschnell entreiße ich mich Emmas Griff, remple einen der Securitys an, als ich orientierungslos an ihm vorbeitaumele, und … renne.
»Paola!«, höre ich Emma rufen, aber nichts auf der Welt könnte mich jetzt dazu bewegen, stehen zu bleiben. Eiskalte Luft schneidet meine Haut. In meinem Kopf herrscht trübe Leere. Da ist nichts, das ich greifen könnte. Kein Gedanke, kein Halt. Keine Idee, was ich gerade tue. Wohin ich will. Ein erschreckender Hauch von
Gar.
Nichts.
Mir entgeht nicht, dass Leute mit dem Finger auf mich zeigen. Auch die vielen auf mich gerichteten Handys nehme ich beinahe überdeutlich wahr. Ich stürme am See entlang, bis ich den hochwertigen Stall der Polopferde sehe. Meine Rettung, denke ich, nur um mich in der nächsten Sekunde zu fragen, wie ein verdammter Pferdestall diesen Scherbenhaufen meines Lebens wieder zusammensetzen soll. Gerade bleiben mir jedoch nicht viele Alternativen, um der Masse zu entkommen, also renne ich weiter-weiter-weiter, bis mein explodierender Puls unter der Handfläche gegen die Stalltür hämmert. Vielleicht war es auch meine Faust. Ich bin zu desillusioniert, um das festzustellen, und diesmal liegt es an keinem einzigen dieser verrückten Grünteeherrscher.
Einen Moment später wird die Tür geöffnet.
»Fuck«, stoße ich aus, als ich sehe, wer ausgerechnet jetzt vor mir steht.
»Nette Begrüßung.« Sofia Vendergaard sieht aus wie eine Beauty-Ikone. Groß, eingehüllt in die teuersten Designerstücke und mit einem atemberaubenden Gesicht, dessen Konturen so scharfkantig sind, dass sie wie geschliffen und poliert wirken. Aber der Ausdruck, mit dem sie mich mustert, ist weder feindselig noch arrogant. Sie trägt eine nüchterne Maske, hinter der sie sich perfekt verschließt. Dann tritt sie beiseite. »Komm rein.«
Wie ich neben diesem Victoria’s-Secret-Engel hineinstolpere, hat etwas von einem Bauerntölpel. Fahrig reibe ich mir über die Brust, immer wieder, sehe mich um, betrachte die verschwitzten Pferde und die Grooms der Polospieler, die sich um sie kümmern, und habe keinen blassen Schimmer, was ich hier verloren habe. Es riecht nach Heu, Mist und Pferdehaar.
»Willst du mir sagen, was da draußen los war?«, fragt Sofia.
Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, bis es mir gelingt, sie anzusehen. Der dicke Klunker an ihrem Ringfinger erhascht meine Aufmerksamkeit. Ich schlucke, zwinge mich, ihr in die Augen zu sehen. Langsam schüttele ich den Kopf.
Sofia runzelt die Stirn. Aber sie drängt mich nicht. Stellt keine weiteren Fragen. Diese weltbekannte Schönheit sieht mich nur an, als würde sie mich verstehen. Als würde ich all diese Dinge, die in meinem Kopf toben und wüten und nicht mehr aufzuhalten sind, aus mir herausbrüllen. Als würde ich ihr unter Tränen erzählen, dass ich mich in zwei Jungs verliebt habe, die plötzlich meine Brüder sein sollen. Die Gedanken schnüren meine Kehle zu. Schon wieder verschwimmt die Sicht vor meinen Augen. Ich spüre, wie der Glanz meine Wimpernkränze befeuchtet.
»Ich muss hier weg«, flüstere ich mit brüchiger Stimme. »Bitte.«
Sofia reagiert nicht sofort. Es vergeht ein Moment, in dem sie mich bloß weiterhin ansieht. Aber dann nickt sie. Sie dreht sich um, öffnet die Tür der Box, vor der wir stehen, und führt eine muskulöse Schimmelstute in die Stallgasse. Sie ist gesattelt und trägt Zaumzeug.
»Ich wollte sie reiten«, erklärt Sofia, als sie meinem Blick folgt. »Aber ich denke, du könntest diesen Ritt gerade dringender gebrauchen.«
Vermutlich sollte ich ihr sagen, dass ich nur wenige Male in meinem Leben geritten bin. Ich sollte ihr sagen, dass ich ihr Angebot sehr zu schätzen weiß, es aber nicht annehmen kann. Ich sollte ihr sagen, dass es zu gefährlich ist. Aber ich bin verzweifelt, kopflos und adrenalingesteuert. Ich bin Edward 2.0 – und will bloß hier weg. Eine schlimme, schlimme Kombi.
»Danke«, sage ich, wobei ich Sofia fest in die Augen sehe, damit sie versteht, wie ernst ich dieses Wort meine. »Wirklich. Du …«
»Schon gut.« Sie stößt die Luft aus, streicht sich eine Korkenziehersträhne hinter das Ohr. Mir entgeht nicht, dass sie das hier Überwindung kostet. Das verrät die Art und Weise, wie sie ständig mit dem Finger über ihren Verlobungsring streicht. Ich bin ihre Konkurrenz. Die Frau, die ihr Verlobter geküsst hat. Die erste Frau, die er überhaupt jemals geküsst hat.
Mein Bruder.
Mir wird übel, wenn ich daran denke.
»Bring Saphir zurück, sobald du einen klaren Kopf hast. Meine Groom wird sich um sie kümmern.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, wendet Sofia sich mit erhobenem Kinn ab und schreitet wie eine Königin aus dem Stall. Dabei erhasche ich einen kurzen Blick auf die aufgeregt summende Menge, die sich draußen versammelt hat. Schon wieder trommelt mein Herz einen wilden Rhythmus. Ängstlich blicke ich zu Saphir, die wie ein Verlasspferd bereitsteht und wartet.
»Jetzt bleibt mir sowieso keine Wahl, oder?«
Das Pferd bläst seinen warmen Atem auf meinen Handrücken. Ich beiße mir auf die Unterlippe. Das Schnattern der Menge von draußen wird lauter. Scheiße!
Schnell ziehe ich mir einen Tritt heran und stelle mit weichen Knien einen Fuß in den Steigbügel. Mit den Händen klammere ich mich an Sattel und Widerrist des Tiers fest, halte kurz inne und atme tief durch. »Ich muss irre sein«, flüstere ich, »völlig den Verstand verloren haben. Aber gut, ziehen wir es durch.« Bevor ich weiter über diese hirnrissige Aktion nachdenken kann, hebe ich mich in den Sattel. Ein Groom, der gerade neben der Tür nach einem Eimer greift, sieht mich und öffnet die Stalltüren. Und als ich Hunderte Menschen vor mir erkenne, die sensationsgeil ihre Handys auf mich richten, hält mich nichts mehr auf. Ich entscheide, den einzigen Tipp anzunehmen, den Edward mir je gegeben hat: festhalten.
Ich kralle mich an Zügel und Sattel fest, kicke meine Stiefel in Saphirs Bauch und bete, dass ich nicht draufgehe, als die Stute in einem schnellen Trab losprescht.
Ist es dumm, was ich hier tue? Definitiv.
Hätte ich besser darüber nachdenken sollen, bevor ich diese Entscheidung getroffen habe? Mit Sicherheit.
War ich emotional dazu in der Lage? Auf keinen Fall.
Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, ein winziges bisschen verstehen zu können, wie es in Edward Blackwell aussieht.
Die Menschen, die mir im Weg stehen, springen eilig zur Seite. Saphir scheint zu wissen, wo es hingeht: Sie steuert die Alpen an. Ihre Hufe wirbeln Schnee auf, während meine steifen Finger sich um das Leder der Zügel und den Sattel klammern.
Wir traben durch den weißen Nebel. Adrenalin flutet meinen Körper. Einerseits bin ich panisch, andererseits fühle ich mich seltsam klar. Diese lebensmüde Aktion bläst jeden bedrückenden Gedanken aus meinem Hirn, lässt mich frei atmen und ummantelt mich mit einer Art Rausch, angetrieben von zwei wahnsinnigen Fakten: entweder ich falle, wobei ich mir etwas brechen, wobei ich sogar draufgehen könnte, oder es geht gut aus.
Das Erschreckendste daran ist, dass ich beide Möglichkeiten in Kauf nehme.
Was ich in meinen unüberlegten Plan ebenfalls nicht miteinbezogen habe: Saphir ist ein ausgebildetes Polopferd. Während andere Tiere vermutlich nach wenigen Minuten in den Schritt wechseln, wird sie nicht müde. Im Gegenteil. Irgendwie scheine ich sie mit meinen hilflos baumelnden Beinen anzutreiben, denn sie zieht das Tempo an und geht über in den Galopp. Impulsiv schießt sie die erhöhten Pfade des verschneiten Berges hinauf, vorbei an den Tannen, dessen Kronen sich verheißungsvoll im Schleier des Nebels verlieren. Im nächsten Moment nimmt sie eine schnelle Kurve. Kurz verliere ich die Balance. Es ist dem Können des Tieres geschuldet, dass ich nicht falle. Ich spüre, wie sie meine Bewegungen ausgleicht, um mich oben zu behalten.
»Fuck«, stoße ich aus. Vor meinem Gesicht entsteht eine weiße Wolke. Hinter meiner Brust wirft sich mein Herz empört und verängstigt gegen meine Rippen. Es verprügelt mich, dieses Organ. Meine Glieder zittern, vor allem Knie und Hände. Den Blick starr geradeaus gerichtet, erkenne ich plötzlich einen riesigen Baumstamm, der den Weg versperrt. Und wir galoppieren geradewegs darauf zu. Was bedeutet …
»Oh, Scheiße!«
Mit einer Hand versuche ich, an den Zügeln zu ziehen, aber da ich mich mit der anderen am Sattel festklammere, scheint Saphir keine Ahnung zu haben, was ich von ihr will. Sie reißt nur einmal den Kopf zur Seite, als würde sie mich fragen wollen, was nicht mit mir stimmt, und galoppiert weiter. »Scheiße, Scheiße, Scheiße!«
Wenn sie springt, werde ich fallen. Das ist so sicher wie Annelis Schnauben nach jeder dritten Sekunde. Aber je näher wir dem Baumstamm kommen, desto mehr denke ich, dass es okay ist.
Vielleicht würde ich mir den Kopf stoßen und vergessen. Vielleicht würde ich mich verletzen und hätte andere Sorgen als die Blackwells. Vielleicht … vielleicht würde mein Vater dann merken, dass ich ihm doch etwas bedeute.
Der Baumstamm kommt näher.
Er.
Ist.
Schuld.
Nur noch ein paar Hundert Meter.
Er.
Ist.
Schuld.
Wenn ich falle, vergesse ich. Wenn ich falle, wird er bereuen.
Er.
Ist.
Schuld.
Wenn ich falle, übertrifft der physische Schmerz den psychischen. Wenn ich falle, werde ich aus diesem Albtraum aufwachen.
Adrenalin. Adrenalin. Adrenalin.
Ich schließe die Augen. Ich halte den Atem an und erwarte den Sprung. Aber er kommt nicht. Stattdessen höre ich ein Motorgeräusch. Saphir verliert an Tempo. Ich reiße die Augen auf, gerade in dem Moment, als ein Motorrad an uns vorbeirauscht und einige Meter weiter in einem riskanten Bremsmanöver zum Stehen kommt.
Saphir stemmt die Hufe in den Schnee. Der abrupte Stopp wirft mich nach vorn. In letzter Sekunde gelingt es mir, den Hals des Tiers zu umklammern. Mein Hintern fliegt hoch, aber ich halte mich. Das hier ist der größte Rodeokick seit der sechsten Klasse, als ich auf dem Jahrmarkt den Rekord gebrochen und einen Sommer lang geglaubt habe, ich werde Cowgirl. Schwer atmend und mit riesigen Augen starre ich das Motorrad an.
Zwei Personen steigen ab. Einer von ihnen, der auf dem hinteren Platz, ist Laxon. Und der andere …
»Hast du den verfickten Verstand verloren, little secret?« Edward neigt den Kopf. Seine sonst so schalkhaften Züge sind bedrohlich scharf. Das geschliffene Messer eines Ausdrucks, der zwischen Wahnsinn und Sorge wankt. »Oder sollte ich besser sagen: Schwesterherz?«
Ich sehe Edward an. Edward sieht mich an. Nein, ich korrigiere: Er starrt mich nieder. Zwischen uns verdichtet sich der weiße Nebel unserer schnellen Atemzüge. Und ich …
Ich wünschte, ich wäre gefallen.
»Warte«, sagt Laxon. Seine Stimme klingt dumpf in dieser reinen Stille hier oben in den Bergen. Als würden wir in einem Hohlraum stehen. Teils entsetzt, teils verwirrt sieht er zu Edward. »Schwesterherz?«
»Ja.« Edward presst die Lippen zusammen. Ohne den Blick von mir zu wenden, fügt er hinzu: »Sie ist meine verdammte Schwester, Lax.«
»Hör auf!« Ich kneife die Augen zusammen wie ein Kind. Vielleicht ist es einfach nicht wahr, wenn ich nichts sehe. »Hör auf, das zu sagen!«
»Schwester.« Edward macht einen Schritt auf mich zu. Ich höre das Knirschen des Schnees. »Schwester.« Noch einen Schritt. »Schwester.«
»Halt die verdammte Fresse, Edward!« Ich reiße die Augen auf, weil ich kaum glauben kann, dass diese Worte soeben meinen Mund verlassen haben. Aber ja. Ich war’s. Noch vor wenigen Wochen wäre das undenkbar gewesen. Doch Emma hatte recht: Die Blackwells haben mich verändert. Einen anderen Menschen aus mir gemacht. Mich von innen nach außen gestülpt, damit sie mein Herz zerfetzen und meine Seele zerstören konnten.
Es gibt ein Davor und ein Danach.
Vor den Brüdern war ich brav.
Jetzt, nach den Brüdern, bin ich abgefuckt.
Laxon starrt mich entgeistert an, während Edwards Züge dominiert werden von einer eiskalten Maske. Nicht auszumachen, was er fühlt. Hass oder Schmerz. Verzweiflung oder Leere. Seit Aprils Leiche gefunden wurde, ist der zweitgeborene Blackwell kälter als der Tod.
Schneller Atem entweicht mir. Meine Brust hebt und senkt sich fast synchron mit der des Pferdes. »Das ist nicht wahr, okay?! Das kann nicht stimmen.« Beinahe aggressiv streiche ich das Haar zurück, wieder und wieder. »Elias hat verdammte Scheiße erzählt!«
»Ach, hat mein Onkel das?« Ed hebt eine dunkle Braue in die Stirn. »Also heißt deine Mutter nicht Fernanda Berlusconi? Und ihr Name war meinem Vater kein Begriff?«
Seine Worte sind wie eine Hebelpresse an meiner Kehle. »Das …«
»Hat sie nicht im Blackwell Palace gearbeitet, als sein Zimmermädchen, bis er sie gevögelt, geschwängert und erpresst hat, damit sie verschwindet und den Mund hält und …«
»Stopp!« Ich kriege keine Luft. Immer wieder krümme ich die Finger, damit das Kribbeln meiner Panik abflaut. »Sprich nicht darüber. Nie wieder!«
Noch immer verzieht Edward keine Miene. Mit dem Kinn nickt er zum Pferd. »Steig ab.«
»Und wenn nicht?« Mein Ton ist angriffslustig. Ich will diese verdammte Welt in Fetzen reißen. Ich bin so angepisst, dass ganze Kontinente bersten könnten, würde ich explodieren. Wieso hat das Universum entschlossen, mich immer wieder leiden zu lassen? Warum ich? »Willst du mich dann bestrafen wie dein lieber Bruder, weil ich nicht gehorche?«
»Auch dein Bruder, Paola.«
Das ist schmerzhafter als ein Fausthieb in den Solarplexus. Edward weiß, wie er mit wenigen Worten Seelen zerreißt, und er schreckt nicht davor zurück, genau das zu tun. Er ist ein Blackwell. Kein Heiliger, nein. Ein Sünder. Ein Sünder auf höchstem Niveau.
»Alter«, stößt Laxon aus, gefolgt von einem fassungslosen Laut. »Das ist übel.«
Beinahe hätte ich aufgelacht. Übel, sagt er. Übel.
Das ist nicht nur übel. Das ist nukleares Gift in Form von radioaktiven Blackwell-Strahlen, die das Universum auf mich losgelassen hat.
»Steig ab«, wiederholt Edward. Diesmal klingt er fast wie Charles. »Und um deine Frage zu beantworten: Tust du es nicht, zerre ich dich von dem Tier runter.«
Ich schnaube. »Ist klar.«
Für einen kurzen Augenblick blitzt etwas Wahnwitziges in seinen eisblauen Augen auf. »Ich werde nicht zulassen, dass noch jemand in diesen beschissenen Bergen draufgeht, verstanden?« Zum ersten Mal seit Tagen bröckelt Edwards Maske. Schmerz kriecht über seine scharf geschnittenen Züge. Purer Schmerz in seiner freigelegten Form. »Ich schwöre es dir, Paola. Steig jetzt von diesem Pferd oder du wirst mich erleben, wie niemand auf dieser Welt mich je erleben will.«
Wir liefern uns ein stummes Blickduell. Grün in Blau. Verzweifelt in gebrochen. Unsicher in mächtig.
Ich blinzle zuerst. Und weil ich weiß, dass es ein krankes Spiel war, wie alles in Edwards Leben, muss er nicht sagen, dass ich damit verloren habe. Ich rutsche vom Pferd herunter. Meine Beine versinken bis zum Schienbein im Schnee.
»Geht doch.« Edward neigt den Kopf in Laxons Richtung. »Reite Saphir zurück.«
Laxon nickt. Als er an mir vorbeistapft, treffen sich unsere Blicke. Aus der Art, wie er die Brauen zusammengezogen und die Stirn gerunzelt hat, lese ich Mitgefühl heraus. Ein stummes ›Tut mir leid für euch‹. Der Ansatz eines Verständnisses, das niemals an das heranreichen könnte, was ich fühle. Und diese Erkenntnis schmerzt, weil sie mir umso deutlich macht, dass all das hier wahr ist. Dass ich nicht gleich neben Karl der Krabbe aufwache und feststelle, mal wieder von den Blackwell-Brüdern geträumt zu haben.
Nein, das hier ist die brutale, abgefuckte Realität.
Meine zitternden Finger ziehen 3310 aus der Manteltasche, wählen die Nummer meiner Mutter. Ich presse mir das Handy ans Ohr und warte. Mein Herzschlag dröhnt lauter als das Tuten am anderen Ende. Dann …
»Ja?«
»Mamma?«
»Wer ist da?«
Beinahe hätte ich laut aufgelacht. Als wäre es möglich, dass sie noch eine Tochter hat.
»Paola.«
»Ah, Hallo.« Im Hintergrund höre ich das Klicken der Tastatur. »Süße, gerade ist es schlecht. Ich bin mitten in einer wichtigen Unterhaltung.«
Ich schnaube. »Mit einem Freak in Krokodilkostüm im Habbo Hotel?«
»Wie immer unverändert melodramatisch.« Ein Ratschen dringt durchs Telefon. Kurz darauf höre ich sie paffen. Ich sehe förmlich vor mir, wie sie das Wohnzimmer vollqualmt und in die Miniaturtoilette ascht, die sie von Hans Peter zugeschickt bekommen hat. Hans Peter ist ein alter weißer deutscher Politiker mit Familie, die ihn jedoch nicht daran hindert, seit Jahren mit meiner Mutter zu sexten, wenn sie sich eine Habbo-Auszeit gönnt und mal wieder als Druide mit Schweinefresse die Ebenen von World Of Warcraft unsicher macht. »Ich sollte endlich deine Nummer einspeichern, damit ich nicht mehr versehentlich drangehe, wenn du anrufst.«
Ich schlucke meine Verärgerung herunter, weil ich weiß, sie wird sonst auflegen. »Wo ist Gabe?«
»Keine Ahnung. Pennt, glaube ich.«
»Wir haben vor einem halben Jahr den Sorgerechtsprozess angestoßen«, erinnere ich sie. »Weil ihr keinen Bock hattet auf, ich zitiere, diese ganzen nervigen Verpflichtungen, Zitat Ende.« Neben mir macht Edward einen Schritt vor, aber ich hebe eine Hand und halte ihn auf Abstand. »Ich habe ein Recht zu wissen, wo er ist.«
»Noch hast du das nicht. Die Entscheidung ist ja noch nicht durch.«
»Das sind nur Formalien.«
»Sind es nicht. Ich bin mir sicher, richtige Erwachsene merken, dass ein pubertierendes Mädchen, über das als Nutte im Internet gesprochen wird, nicht in der Lage ist, sich um ihren Bruder zu kümmern.«
Zornig presse ich die Zähne zusammen. »Ich habe mich sein ganzes Leben um ihn gekümmert!«
»Tja, und bist dann abgehauen. Ohne ihn.« Eine Pause, in der sie wieder pafft. »Hast du eigentlich eine Ahnung, wie anstrengend das für mich hier ist? Matteo kommt kaum zum Arbeiten!«
»Er arbeitet nicht.«
»Du weißt, was ich meine. Er muss ständig früher abhauen, und das macht seine Bosse sehr wütend.« Sie schnaubt. »Nur, weil dich irgendein nostalgischer Mist überkommen hat und du das Bedürfnis hattest, in dieses dreckige Hotel zurückzugehen.«
»Mamma«, stoße ich frustriert aus. »Wo ist Gabe?«
»Wie bereits gesagt.« Am Ende der Leitung gibt meine Mutter ein entnervtes Seufzen von sich. »Er pennt.«
»Geh in sein Zimmer«, sage ich. »Guck nach.«
»Mann, nein, nerv mich nicht.« Im Hintergrund ertönt ein lautet Ding-Ding-Ding aus dem Computer. Es klingt wie diese billo Viruswerbung, die ihr ständig fünfzigtausend Euro verspricht und hinterher einen Trojaner beschert. Und auf die sie immer wieder reinfällt. »Ich leg jetzt auf.«
»Halt, warte!« Stille. Fest umklammere ich 3310, aus Angst, es könnte herunterfallen und das Gespräch beenden, so sehr zittern meine Hände. »Ich bin in der Schweiz geboren. Und du warst im Palast angestellt. Als Zimmermädchen.«
Erneutes Ziehen an der Zigarette. »Und?«
»Und du meintest, mein Vater wäre abgehauen. Jetzt sind … jetzt wurden Behauptungen aufgestellt, die dem widersprechen und mich verwirren.«
»Komm zum Punkt, Kind.« Ding-Ding-Ding. »Ah, Scheiße, ich klick doch drauf, verdammt, ich klick drauf!«
»Hast du mich angelogen, was meinen Vater betrifft?«
»Was?«
»Sag mir, ob es stimmt, dass mein Vater ein alkoholsüchtiger, sizilianischer Fährangestellter den du während seiner Arbeit getroffen hast. Sag mir, ob es stimmt, dass er uns für eine Grasdealerin verlassen hat. Sag es mir.«
Sie schweigt.
»Okay, dann anders.« Ich hole tief Luft. »Ist Jake Blackwell mein Vater?«
Noch immer entgegnet sie nichts. Ich höre, wie sie einatmet, etwas sagen will, dann aber doch innehält.
»Hallo?«
»Hat er das behauptet?«
»Antworte mir erst.«
»Will er dir Geld geben?« Sie überlegt. »Nachträglichen Unterhalt zahlen?«
»Also stimmt es?« Rasselnd atme ich ein. Edwards Blick ruht auf mir. Ich wende mich ab und füge leiser hinzu: »Er ist mein Vater?«
»Frag ihn doch«, sagt sie.
»Ich will es von dir wissen.«
»Und ich will mein Game weiterzocken. Kein Bock, wegen dir aus dem Chatroom gekickt zu werden.« Ding-Ding-Ding-Ding. »Oh, verflucht noch mal, jetzt hängt alles!«
»Antworte einfach, dann lege ich auf.«
»Meine Güte.« Meine Mutter klackert in einem heftigen Rhythmus immer wieder auf die Tastatur. »Wenn ich dir sage, dass es stimmt, hörst du dann auf zu nerven?«
»Also ist es wahr?« Ba-Bumm. Ba-Bumm. »Ich will nur die Wahrheit. Dann höre ich auf zu nerven.«
Sie zögert. »Das hat der Test damals ergeben, ja.«
»Und du hast ihn nicht gefälscht?« Fahrig streiche ich mir über den Hals. »Um … um Geld oder so von ihm zu kriegen?«
»Willst du mich verarschen?«
»Wäre nicht so undenkbar, Mamma …«
»Diese Unterhaltung hat mir jetzt genug wertvolle Zeit geraubt. Aber wenn er, also … melde dich, ja?«
»Bitte?«
»Na ja, wenn es um nachträglichen Unterhalt geht, muss ich im Bilde sein. Das läuft ja über mich.«
Ah. Dann muss sie natürlich im Bilde sein. Klar.
»Also dann, Süße.« Im Hintergrund zischt es. Wahrscheinlich hat sie die Zigarette in Hans Peters Klo ausgedrückt. »Ciao.«
Bevor ich etwas entgegnen kann, hat sie aufgelegt.
Langsam lasse ich 3310 sinken, stecke es zurück in die Tasche. Mein Kiefer schmerzt, so sehr presse ich ihn zusammen. Jeden Moment erwarte ich, dass ein Knacken die Luft erfüllt. Stattdessen ist da nur das Geräusch des Eisengebisses in Saphirs Maul, als Laxon die Zügel in die Hand nimmt und das Pferd in die entgegengesetzte Richtung führt. Einen Augenaufschlag später trabt er davon, bis sein Wollmantel im Nebel verschwindet.
»Paola.« Edward berührt meine Schulter. »Sieh mich an.«
Abrupt schrecke ich zurück. Ich schnappe nach Luft. Eiskalter Sauerstoff setzt meine Lunge in Flammen. »Fass mich bitte nicht an.« Meine Stimme zittert. »Nie … nie wieder, Edward. Das … Was wir getan haben …«
Ein Schatten huscht über seine Augen und tränkt die Iriden in eine tiefere Nuance. »Ich bereue nichts.«
Entgeistert starre ich ihn an. »Was?«
»Was wir getan haben.« Er zuckt die Achseln. »Das Leben ist abgefuckt. Ich habe nie geglaubt, es könnte mir in die Karten spielen.« Er gibt ein freudloses, leises Lachen von sich. »Nicht mir.« Kurze Pause. »Nicht nach dem, was ich April angetan habe.«
Ich erwische mich dabei, wie ich Edward mustere. Seine Bewegungen, Züge. Wie ich versuche, in seinen Gesten Ähnlichkeiten zu mir festzustellen. Und plötzlich ist da so vieles, das mein Kopf zu sehen glaubt. Die Art, wie er die Nase rümpft, jedes Mal, wenn er den Blick abwendet. Wie seine Mundwinkel sich heben, sobald er ein grimmiges Lächeln andeutet. Spinnt mein Hirn sich das jetzt zusammen – oder liegt die Antwort tiefer, vergraben in unserer DNA?
»Das ist Wahnsinn«, höre ich mich leise sagen. »Absoluter Wahnsinn.«
Die Explosion kündigt sich an, indem sie mein Sichtfeld verschleiert. Ein ausgeprägter Blur vor meinen Augen. Plötzlich werden meine Knie nass. Meine Oberschenkel. Bevor ich wahrnehme, dass ich in den Schnee gesackt bin, höre ich ein hohes Kreischen. Erst denke ich, jemand ist in Gefahr – bis mir bewusst wird, dass ich diejenige bin, die die Beherrschung verliert.
Der verzweifelte Laut wechselt zu einem tiefen, wütenden Brüllen. Kurz darauf durchzuckt ein heftiger Schmerz meine Kopfhaut. Ich zerre an meinen Haaren, kneife die Augen zusammen, brülle all die Scham, den Schmerz, die Ungerechtigkeit aus mir heraus, will den Himmel bersten, die Alpen unter uns einstürzen und mich von ihnen mitreißen lassen.
Plötzlich spüre ich zwei kräftige Arme, die sich um mich schließen und meinen Kopf an eine feste Brust drücken.
»Schsch«, sagt Edward. Er hält mich so fest, dass ich keine Chance hätte, ihm zu entkommen. Aber ich mache auch keine Anstalten, es zu versuchen. Die Kraft verlässt mich. Das Brüllen wird zu einem Wimmern. »Ich bin ein Arschloch, Paola. Völlig durch. Deshalb verspreche ich dir nicht, dass alles gut werden wird. Das wird es nicht. Nicht, wenn ich Teil des Ganzen bin.« Er streckt mich von sich und sieht mir tief in die Augen. »Aber, fuck … ich schwöre dir, dass ich die Welt in Flammen setzen würde, um dich zu beschützen, okay? Wann auch immer du mich brauchst, ich werde da sein. Wir stehen diese Scheiße gemeinsam durch. Seite an Seite.«
Edward sagt diese Worte, und ich reagiere darauf. Mein Körper reagiert darauf. Obwohl ich weiß, dass er mein Bruder ist, spüre ich etwas, das ich nicht spüren darf. Das ich nicht spüren will. Und als mir bewusst wird, dass es Verlangen ist, dass in meine Mitte schießt, während mein Blick über seine Lippen gleitet, verbotene Lippen, die ich niemals auf meinen hätte spüren dürfen, klickt ein Schalter in mir um.
Ich kriege Panik. Vor mir selbst. Vor dem, was ich will. Und diese alles überwältigende Panik zwingt mich, zu handeln.
Vergessen, Paola. Du musst vergessen. Du musst die Gefühle in dir im Keim ersticken. Und wenn es im bewussten Zustand nicht funktioniert …
»Ich brauche dich«, sage ich. »Jetzt, Edward.«
Er runzelt die Stirn. »Was meinst du?«
»Dankenhaal.« Ich blinzle mehrmals hintereinander, weil mein Hirn verarbeitet, was ich gerade im Begriff bin zu tun. »Hilf mir, meinen Kopf auszuschalten.« Eine salzige Tränenspur frisst sich in meine eiskalte Haut. »Hilf mir, diesen Tag zu vergessen. Er soll einfach nie existiert haben.«
Edwards Augen huschen umher. Nord und Süd, West und Ost. Sie studieren die gesamte Landkarte meines Gesichts. Eine Welt mit zertretenen Ebenen und verbrannten Hoffnungen.
Aber dann nickt er. »Okay.«
Es hat eine Zeit gegeben, in der ich mir sicher gewesen bin, nie wieder mit Edward Blackwell auf ein Motorrad zu steigen. Aber jetzt breche ich freiwillig meine Prinzipien.
Punkt 4: Mit einem Rebell Motorrad fahren. Lösung: Nie wieder mit einem Rebell Motorrad fahren!!!
Tja, das war Davor, denke ich, als ich den Helm von Ed entgegennehme, den Laxon zuvor getragen hat, und hinter ihm auf den apokalyptischen Reiter namens Hayabusa aufsteige.
Wanderfalke. Ein Vogel, der uns in eine andere Welt bringen wird. Hoffentlich eine, in der Edward Blackwell und Paola Cortessa niemals Geschwister waren und es auch nie sein werden.
Edward sieht über seine Schulter zu mir. Unter seinen Augen liegen tiefviolette Schatten. Ein gefallener Engel in seiner allerschönsten Dunkelheit. »Bereit, little secret?«
Ich schiebe mir den Helm über den Kopf, lege meine Hände an seine Hüften und nicke. »Bereit, Blackwell.« Ich glaube, ich verliere langsam den Verstand.
Er grinst. »Wir gehören in die Hölle.«
»Ich dachte, da wären wir längst.«
»Was für eine wundervolle Art, zu denken.« Damit schiebt er mir die Klappe herunter, umfasst das Lenkrad und kickt den Motor. Zu beiden Seiten wirbelt der Schnee auf, als das Motorrad vorwärtsjagt.
Kaum zu fassen, dass ich vor wenigen Wochen eine andere Person gewesen bin. Ein Mädchen, das verzweifelt gekreischt hat, weil es von diesem Ding herunterwollte. Nun lacht ebendieses Mädchen laut auf, bei jeder scharfen Kurve, die Edward nimmt, genießt das Adrenalin, das durch seine Adern strömt. Will den Nervenkitzel spüren, weil es das einzige Mittel zu sein scheint, das in der Macht steht, alle anderen Gefühle zu übertrumpfen. Der einzige Weg, der es sich lebendig fühlen lässt. Auf eine Art und Weise, die berauscht. Beflügelt. Dopamin entstehen lässt, wo vorher gähnende Leere herrschte.
Wir preschen den Piz Nair herunter wie eine Lawine, die die Welt zum Beben bringen will. Edward fährt am Moritzersee entlang. Noch immer hat sich die Menge dort versammelt. In der Ferne jagen süße Häuser auf erhöhten Ebenen an uns vorbei, architektonische Meisterwerke aus Holz und Glas, bis wir uns auf dem langen Pfad zum Blackwell Palace befinden. Vögelchen fliegen durch die Luft, erheben sich zu den Bergen, als wollten sie die Spitzen küssen. Weihnachtslämpchen leuchten in den Tannen, erhellen uns neben den Dreimastern den Weg. Flocken wirbeln kreuz und quer durch die Luft, beleuchtet vom goldenen Schein der Laternen, als wollten sie in ihrem Tanz erstrahlen. Vor uns befindet sich eine Kutsche mit Cobs im Zweiergespann. Die Pferde schrecken auf und wiehern, als Edward an ihnen vorbeijagt.
Vor dem Hotel stoppt er den Motor in einem abrupten Seitwärtsslide. Die Hayabusa schlittert noch wenige Meter weiter. Ich halte den Atem an, als das Gemäuer des Hotels rasend schnell näherkommt. Aber bevor wir mit Wucht dagegen schleudern, kommt das Motorrad zum Stehen.
Edward steigt ab. Er reicht mir eine Hand, um mir herunterzuhelfen. Das Adrenalin hat mich schwitzen lassen. Ich zerre den Helm herunter. Strähnen kleben mir im Gesicht. Und als ich Edward ansehe, bleibt mir kurz die Luft weg.
»Was?«, fragt er.
Vor dem dunklen Hintergrund des Himmels und dem trüben Film der weißen Flocken sieht er so traurig aus, so intergalaktisch hoffnungslos, dass ich denke, nie etwas Schönerem begegnet zu sein. Er sieht aus wie der Abschied des Mondes, wenn die Sonne keine Strahlen mehr für ihn übrighat.
Der Neumond ist die melancholischste Ästhetik, die das Universum zu bieten hat.
»Nichts«, flüstere ich. »Gar nichts.«
Er hebt einen Mundwinkel. »Na dann.« Seine Finger schließen sich um meine. Edward zieht mich mit sich. Wortlos öffnet der Concierge uns die Doppelflügeltür.
Im Foyer gleiten die Pianoklänge eines Weihnachtshits über die Wände. Je mehr Blicken ich begegne, die sich auf Edwards und meine Hände heften, desto mehr sehnt sich mein Kopf nach Freiheit. Alle sind in Weihnachtsstimmung und machen sich bereit für das Abendessen im Sternerestaurant.
Unsere Schritte werden von den luxuriösen Teppichen geschluckt. Wir verlassen die Eingangshalle und nehmen die Treppe in den Keller, bis wir vor den Securitys stehen. Sie zögern nicht eine Sekunde. Sofort öffnen sie uns die Tür. Wir treten ein und sperren die Welt hinter uns aus.
»In Dankenhaal steht die Zeit still«, sagt Edward. Unter uns lässt der Bass des Elektrosongs den Boden erzittern. Mein Blick gleitet über die vielen Menschen auf der Tanzfläche, über ihre ausgelassenen Gesichter. Warum sind so viele Menschen am Heiligen Abend an diesem unheiligen Ort?!
Auf einem Sofa sehe ich, wie eine Frau auf dem Schoß eines Typen sitzt und sich an ihm reibt. Ein paar Meter weiter presst ein Kerl einen anderen gegen die Wand, während ihre Zungen miteinander tanzen. Bunte Lichter zucken durch den Untergrundsaal, eine grüne Wange für zwei Männer, die an einem Tisch weißes Pulver in die Nase schnupfen, pinke Brüste für eine Frau, die auf der Tanzfläche blankzieht, bevor ein Stripper sie mit Champagner übergießt.
Edward sieht mich an. »Wie sehr willst du vergessen, little secret?«
»Wie sehr ist alles?«
Ein raubtierartiges Grinsen schleicht sich auf sein Gesicht. »In deinem Fall eine Pappe.« Edward zieht etwas aus seiner Tasche, das aussieht wie Esspapier. Darauf sind drei pinke Elefanten auf gelbem Hintergrund. »Auf der Zunge zergehen lassen.« Das Grinsen erlischt. Die bunten Lichter flackern in den hellen Pigmenten seiner Augen, aber ich könnte schwören, nur noch Schwärze in ihnen zu sehen. »Willkommen am Abgrund, Paola.«
Ich nehme das Papier entgegen. Langsam führe ich es an meinen Mund. In meinem ganzen Leben habe ich keine Drogen genommen. Aber das hier ist nicht mehr mein Leben. Nicht wirklich, oder?
Edward und ich sehen uns an. Gleichzeitig öffnen wir den Mund. Ich lege mir die Pappe auf die Zunge. Er auch.
»Los«, sagt Edward schließlich. »Tanzen wir.«
»Wann merke ich, dass es wirkt?«
Er lacht. »Früh genug.«
Eine Erkenntnis, wenn man mit Edward zusammen unterwegs ist: Wir müssen nicht zu den Getränken kommen. Die Getränke kommen zu uns. Und ich trinke alles. Champagner, Likör, Bier. Die Frau, die ich schon bei meinem ersten Besuch in Dankenhaal hinter der Bar gesehen habe, knallt uns zwei Tequila auf die Theke. Sie sieht alles andere als begeistert aus.
»Hier.« Edward reicht mir eines der Shotgläser. »Ich zeige dir, wie es geht.« Er nimmt meine Hand. Ein intensives Pulsieren schießt in meine Mitte. Ich ziehe scharf die Luft ein. Für den Bruchteil einer Sekunde treffen sich unsere Blicke, und ich weiß, ich weiß, er hat es auch gespürt.
»Wie ich schon sagte«, raunt er. »Ich bereue nichts, Paola.«
Mein Puls beschleunigt sich. Ich weiß nicht, ob ich erleichtert oder enttäuscht bin, als er die Lider senkt. Doch im nächsten Moment reibt er die Zitrone über meinen Handrücken und streut Salz darüber. Er blickt wieder auf, streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht. Seine Hand verharrt an meiner Wange.
Er ist mir zu nah, denke ich. Viel zu nah und viel zu fern.
»Lecken. Schlucken. Beißen.«
Meine Augen weiten sich. »Was?«
Ein raues Lachen. »Das Salz. Den Shot. Die Zitrone.«
»Oh.«
»Ich sagte es damals, und ich sage es jetzt …« Seine Hand rutscht von meinem Gesicht. Er beugt sich vor, bis seine Lippen mein Ohr berühren. »Du bist ein schlimmes, schlimmes Mädchen.«
Ein heftiges Prickeln durchfährt mich. Edward lehnt sich zurück, und ich … ich kann nicht anders, als ihm in den Schritt zu sehen. Den Anblick zu genießen, wie die Hose über seinem besten Stück spannt.
Abrupt wende ich mich ab. Meine Wangen glühen. Ich glaube nicht, dass es vom Alkohol kommt. Ich lecke das Salz ab und kippe den Tequila herunter. Er schmeckt so widerlich, ich muss würgen. Schnell beiße ich in die Zitrone. Als ich aufsehe, erwische ich Edward dabei, wie er mir dabei zusieht. Er schluckt. Aber irgendetwas verändert sich. Die Farben werden intensiver. Schärfen sich. Edwards Augen leuchten wie glitzernde Gletscher. Mir wird schwummrig.
»Alles okay?«, fragt er.
Ich nicke. Versuche, ihn zu fokussieren, aber plötzlich ist da so ein Glanz um ihn herum. Langsam lasse ich den Blick schweifen. Dieses Schimmern ist überall. »Die Atmosphäre ist voll mit Glitzer«, sage ich. Meine Augen werden riesig. »Wie ein lebensgroßes Barbiehaus.«
Edward nickt, sieht sich um. »So viele Blasen. Überall Blasen.« Er erhebt sich, greift nach etwas. »Wir können reingehen.«
»Wo rein?«
»In die Blasen.«
»Ohhh.« Fasziniert neige ich den Kopf. »Wir könnten fliegen!«
»Bevor wir fallen.«
»Noch ein letztes Mal.«
»Ja.«
»Aber wir landen auf Zuckerwatte.«
»Natürlich.«
Ich sehe zu Edward, aber etwas verändert sich. Er ist nicht mehr da. Stattdessen stehe ich vor einer Katze. Aber nicht vor irgendeiner …
»Du bist die Grinsekatze!« Ich weiß es nicht genau, aber ich glaube, der Mund steht mir weit offen. Ich mache das, damit eine Blase hineinfliegt. Aus irgendeinem Grund weiß ich, dass sie nach süßer Beere schmecken. »Deine Augen … sind so riesig blau. Und deine Pupille ist ein Schlitz. Da ist eine Tür drin. Ich könnte reingehen, glaube ich. Bin … bin ich verrückt?«
Die Katze steht auf ihrem Schwanz. Sie hört nicht auf zu grinsen. Sie macht ihrem Namen alle Ehre. »Verrückt? Alles eine Frage der Perspektive. Ich denke, wir sind es alle. Du. Ich.«
»Wieso denkst du, dass ich es bin?«
»Musst du. Sonst wärst du nicht hier.«
»Wenn du die Grinsekatze bist«, sage ich, wobei sich alles um mich herum dreht, die Farben wie ein Stroboskop vor und zurück fliegen und ich meinen Körper nicht spüre, »bin ich dann Alice?«
»Ob du es bist oder nicht …« Das Tier kommt näher. »Das hier ist das Wunderland, und das Wunderland ist besser, wenn du komplett verloren bist.«
Die Grinsekatze bewegt sich, und ich habe das Gefühl, sie schlängelt sich über meinen Körper. Immer ist ihr Gesicht da, dann wieder nicht, mal sehe ich nur Farben, ihre Augen, dann bin ich in einer dieser Blasen und fliege über Dankenhaal, während mir Sabber aus dem Mund läuft, den ich für Himbeersorbet halte.
»Wir könnten für immer hierbleiben«, sage ich, als die Grinsekatze erneut an mir vorbeischwebt. Ich versuche, sie zu berühren, aber irgendwie flackert sie. Eine Projektion. »Das Wunderland würde mich aufnehmen.«
»Wer sagt das?«
»Die Milchtüte.« Ich fange an, den Kopf zu kreisen. Es macht Spaß, also tue ich es wieder. Die Blasen begleiten mich dabei und geben ein wundervolles Knistergeräusch von sich. Welch herrliches Konzert! »Neben dem Baum mit der großen Nase. Sie hat es mir verraten.«
»Die Milchtüte ist eine Lügnerin!« Die Katze grinst nicht mehr. Plötzlich wirkt sie aggro. »Du musst zurück. Sonst vergisst du, wer du gestern warst, weil das Heute dich zerfressen hat.«
»Aber ich kann nicht zurück ins Gestern«, entgegne ich. »Da war ich eine andere Person.«
»Wir alle sind jemand, wenn wir ins Bett gehen, und wir sind jemand anderes, wenn wir wieder aufstehen.«
Ich hüpfe aus meiner Blase auf einen fliegenden Teppich aus Sternenschweif. Die Grinsekatze begleitet mich. Dabei kleben ihre Augen plötzlich an ihrem Bauch. Faszinierend.
»Würdest du mir bitte sagen, wie ich von hier aus weitergehen soll?«, frage ich.
»Das hängt zum großen Teil davon ab, was dein Ziel ist.«
Ich neige den Kopf. »Mir scheint, alles ist möglich.«
»Ist es.«
»Dein Mund ist so groß.«
»Das ist er.«
»Kannst du damit küssen?«
»Kommt drauf an, ob die Blasen zwischen uns stehen.«
»Was?«
»Willst du, dass es prickelt?«
»Ja.«
»Dann nimm die Blasen.« Die Grinsekatze bewegt die Hände, als würde sie im Delfinstil schwimmen. Dabei blubbern immer mehr von diesen Zuckerwatte-Dingern zwischen uns. In der nächsten Sekunde beugt sich die Katze vor. Ich lege meine Hände an ihr weiches Fell. »Das ist ja mit Perwoll gewaschen.«
»Nein«, haucht sie. »Mit Gard.«
»Schönes Haar ist dir gegeben, lass es leben …«
»Mit Gard«, raunt die Katze.
Und dann liegen ihre Lippen auf meinen. Dieses Raubtier kann tatsächlich küssen. Und es prickelt. Ein angenehmes Knistern in mir. Aber der Geruch … der Geruch kommt mir bekannt vor. Männlich. Wie frischer Schnee, aber vom Neumond getränkt in Dunkelheit. Wie teures Parfüm, das den Duft des Schmerzes übertünchen will. Das Letzte, was ich denke, ist:
Die Grinsekatze riecht wie Edward Blackwell.
Mein eigener Puls schlägt mir in den Ohren wie ein beschissener Song, der mir die Seele zerreißt. Und es hört nicht auf. Seit dem Moment, in dem mein Onkel die verhängnisvollen Worte ausgesprochen hat und ich irgendwo in der Tiefe des Abgrunds zersprungen bin.
»Rede mit mir.« Ich blicke auf meine Hände, die ich auf dem massiven Bauhaustisch abgestützt habe. Die Knöchel treten weiß hervor. Meine Finger zittern. Genauso wie meine Stimme. »Sag mir, was hier los ist. Sag mir … sag mir, dass das alles ein beschissener Witz ist!«
Es kommt keine Antwort. Langsam hebe ich den Kopf. Mein Vater steht mit einem Whiskeyglas vor dem Panoramafenster seines Büros und starrt in die vom Nebel verhangenen Bergwipfel. Als ich schon nicht mehr erwarte, dass etwas von ihm kommt, sagt er plötzlich: »Es stimmt.«
Von jetzt auf gleich gleiten Eiswürfel durch mein Hirn, rutschen hinab bis in mein Herz. Ein Keuchen verlässt meinen Mund. Ich richte mich auf, zupfe meine Ärmelaufschläge zurecht, weiß nicht, wohin mit meinen Händen. Aufgewühlt fahre ich mir mit den Fingern durchs Haar, während ich im Gang neben dem Konferenztisch auf und ab schreite.
»Es macht keinen Unterschied.« Das Eis klimpert gegen das Kristallglas, als mein Vater einen Schluck der bernsteinfarbenen Flüssigkeit kippt. »Sie wird verschwinden. Alles bleibt, wie es ist.«
Ich bleibe stehen. »Ist das dein verdammter Ernst?« Freudlos lache ich auf. »Du willst deine eigene Tochter zurück in die Armut schicken?!«
»Sie ist nicht arm.« Der Schatten, der sich auf das Gesicht meines Vaters gelegt hat, schluckt jede Herzlichkeit, die ich von ihm kenne. »Signora Cortessa ist eine einwandfrei ausgebildete Sommelière. Sie wird ein gutes Arbeitszeugnis erhalten, mit dem ihr alle Türen offenstehen. Aber hier bleiben kann sie nicht.«
Signora Cortessa …
»Du hast gehört, was sie gesagt hat. Wenn du sie feuerst, macht sie alles öffentlich. Elias Erpressung. Unsere … unsere Verbindung zu … zu ihr.« Übelkeit steigt in mir auf. Schwindel legt sich wie Watte über meine Ohren. Schwester, donnert es in meinem Kopf, immer wieder. Schwester. »Das wird uns schaden.«
»Sie kann nichts beweisen.«
»Aber Elias.« Ich schnaube. »Dein Bruder, den du nicht aus dem Unternehmen kicken kannst, weil vierzehn andere Personen dem zustimmen müssten – und das werden sie niemals. Nachdem, was er die letzten Monate geplant hat, wird er nicht zögern, sofort auf den Zug der Skandale aufzuspringen, nur um den Ruf anschließend wiederherzustellen und als professioneller CEO, der als Einziger weiß, wie man eine weltbekannte Firma führt und präsentiert, dazustehen.« Ich sinke auf den Ohrensessel, lege die Stirn in meine Hände und schüttle langsam den Kopf. »Sein Sohn sitzt im Knast, Vater. Elias ist jetzt alles scheißegal. Wenn Paola anfängt, uns in den Dreck zu ziehen, macht er mit. Und wenn sie es nicht richtig macht, sorgt er dafür, dass es richtig gemacht wird.«
Mir ist schleierhaft, wie mein Hirn es schafft, in diesem Augenblick Strategiegespräche zu führen. Vielleicht ist es aber auch gerade deshalb dazu in der Lage, weil es mich andere Gedanken erfolgreich verdrängen lässt.
Gedanken, in denen meine Lippen auf denen meiner Schwester liegen.
Meiner Schwester.
Wenn Menschen verliebt sind, sagen sie oft, die Person wäre alles für sie. In meinem Fall trifft das auf eine fucking ironische Art buchstäblich zu.
Paola ist die erste Frau, in die ich mich verliebt habe.
Sie ist die erste Frau, der ich jeden Wunsch von den Augen ablesen wollte.
Die erste Frau, von der ich mich bewusst fernhalten musste, weil ich jede Sekunde bei ihr sein, aber nicht komisch wirken wollte.
Die erste Frau, die ich geküsst habe.
Die mich verarscht hat.
Sie ist meine Angestellte.
Und meine Schwester.
Also, fuck, ja. Sie ist alles. Ein alles ohne Happy End.
Das Gesicht meines Vaters wirkt wie taub. Seine Lippen bewegen sich nicht einmal, als er den Rest des Whiskeys herunterkippt. »Ich kann das nicht.«
»Was kannst du nicht?«
»Ich …«
»Für sie da sein?« Keine Ahnung, warum ich hier stehe und mich für sie einsetze, nachdem mein Plan war, sie für immer zu vergessen. Vielleicht, weil es nicht funktioniert. Oder weil ich mich selbst in ihrer Situation wiedererkenne. Oder weil mein geschundenes Herz irgendetwas braucht, um ganz zu bleiben, und das Einzige, das ich niemals loslassen kann, die Kontrolle ist. Der tief sitzende Wunsch, leidende Frauen zu retten, der sich auf eine krank besessene Art in mir festgekrallt hat, nachdem ich zusehen musste, wie die Klinge des Messers sich in das Herz meiner Mutter bohrte. Nachdem ich zusehen musste, wie das Leben aus ihren Augen gewichen ist, und ich
Nicht.
Geholfen.
Habe.
»Du konntest es für mich.«
»Das ist was anderes«, erwidert er.
Jetzt erst hebe ich den Kopf und sehe meinen Vater an. »Was ist daran anders? Du hast eine wildfremde Frau geschwängert, hast einen Scheißdreck drauf gegeben und dann, Jahre später …«
»HALT’S MAUL, CHARLES!«
Klirr. Ich zucke zusammen. Das Whiskeyglas ist am Regal zersprungen. Die Flüssigkeit läuft an den Akten hinab. Das Gesicht meines Vaters ist dunkelrot. An seiner Schläfe pulsiert eine Ader in bedrohlichem Tempo. Er sieht mich an, als würde er jede Sekunde auf mich losgehen. »Denkst du, ich habe diese ganze Scheiße geplant, oder was?«
»Offensichtlich nicht«, gebe ich trocken zurück. »Und mir ist egal, wie viele Kinder du in die Welt gesetzt hast, ohne es zu wollen. Aber wenn diese Kinder dann bei dir anklopfen und dich brauchen, dann solltest du, verdammt noch mal, für sie da sein, wie du für mich da gewesen bist!«
Mein Vater fährt sich mit einer Hand über das Gesicht. Er stößt die Luft aus. Und dann fangen seine Schultern plötzlich an zu beben. Er schluchzt auf. »Ich weiß nicht … ich kann nicht … das alles passiert so plötzlich. Leopold und Elias, und dann das …« Scharf zieht er die Luft ein, wischt mit dem Handrücken die Tränen beiseite. »Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll!«
Ja, Pa, ich auch nicht. Ich weiß es so wenig, dass ich das Bedürfnis habe, mich einzubuddeln und nie wieder dem Tageslicht begegnen zu müssen. Und trotzdem sitze ich hier und spiele den Vater für eine Person, die sich weigert, einer zu sein.
Ich wische mir die feuchten Hände an der Polohose ab und erhebe mich aus dem Sessel. »Sei kein Arsch. Lass sie hierbleiben. Fürs Erste. Der Rest wird sich ergeben.«
Mit Panik in den Augen sieht er mich an. »Es stimmt wirklich, Charles. Ich habe damals einen Vaterschaftstest machen lassen. Das Mädchen war schon sieben, sie hat nie etwas gesagt, weil sie mit … mit diesem anderen Typen zusammen war. Aber als es zu Ende ging, kam sie plötzlich an, mein Zimmermädchen, mit der nur einmal etwas lief, Charles, nur ein einziges Mal, und meinte, das Kind wäre von mir.« Er schluckt, schüttelt den Kopf. »Ich habe sie für bescheuert erklärt, völlig verrückt, aber der Test stimmte. Es ist die Wahrheit.«
Darauf sage ich nichts mehr. Würde ich den Mund öffnen, käme lediglich ein verzweifelter Schrei heraus. Ein Seelenstriptease, den niemand will. Am wenigsten ich.
Schweigend verlasse ich das Büro.
Mein Kopf ist ein Bienenstock. Das Summen schwillt zu einer ohrenbetäubenden Lautstärke an, während ich ziellos durch die weihnachtlich geschmückten Gänge des Hotels wandere.
Irgendwann finde ich mich in der Lobby wieder. Süße Pianoklänge erfüllen das Foyer. Mein Blick heftet sich auf die Tür des Prunksaals, in dem so vieles geschehen ist, das nie hätte geschehen dürfen. Jetzt gerade feiern die anderen Polospieler mit der britischen Königsfamilie dort das Freundschaftsspiel und den Heiligen Abend. Vermutlich fragen sich alle, wo ich stecke. Und plötzlich wird mir wieder bewusst, dass ich Pflichten habe, denen ich nachgehen muss. Dass die Welt nicht stehen bleibt, nur weil sie für mich auseinandergerissen wurde. Und dass ich weder Edward noch Sofia im Stich lassen kann, während alle Augen auf uns gerichtet sind. Wenn sich mir eines aus den Privatstunden in Öffentlichkeitsdarstellung ins Hirn gebrannt hat, dann dieser Satz: Sie sehen dich auch dann, wenn du nicht willst, dass sie dich sehen, also präsentiere dich genau so, wie du willst, dass sie dich sehen. Und wenn ich eines sicher nicht will, dann, dass all diese Menschen, die mein Leben verfolgen, in der Presse darüber schreiben, wie meine eigene Schwester mir das Herz gefickt hat.
Zum Glück nur das Herz.
Ich richte den Kragen meines Poloshirts, fahre mir über die rasierten Schädelseiten und marschiere mit gerecktem Kinn in Richtung Prunksaal. Einige Mädchen tuscheln hinter vorgehaltener Hand, als ich an ihnen vorbeigehe, anderen schießen heimlich Fotos. Es ist alles wie immer. Zumindest für sie.
Leon, mein persönlicher Security, ist an einer Seite der Doppelflügeltür postiert. »Alles in Ordnung, Charles?«
»Ja«, lüge ich. »Frohe Weihnachten übrigens.«
»Frohe Weihnachten.«
»Wie ist die Lage?«
»Ehrlich gesagt kann ich das schwer einschätzen.« Er verzieht das Gesicht, wodurch sein dunkler Dreitagebart die Position wechselt. »Durch deinen Angriff auf Elias ist für die Leute offensichtlich, dass irgendetwas vor sich geht.«
Ich fluche. »Hast du mitbekommen, was sie sich zusammenreimen?«
»Sie glauben, Elias wäre ausfallend gegenüber Paola geworden. Wegen seiner sexistischen Sprüche in der Vergangenheit.«
»Okay.« Nachdenklich fahre ich mir mit dem Finger über die Lippen. »Das spielt uns in die Karten, oder?«
»Na ja …«
»Was?«
Er seufzt. »Die Leute sind voll auf die Sommelière und dich fokussiert. Sie lieben das Drama. Steigern sich da rein.«
Mein Puls beschleunigt sich. »Wissen sie, dass …«
»Nein.« Leon schüttelt den Kopf. »Das hätte ich mitbekommen. Aber sie wollen High-Society-Trash, Charles. Und da du dieses Mädchen auf dem Ball geküsst hast, obwohl du mit Sofia zusammen bist, explodiert TikTok förmlich mit Chafiola-Videos.«
»Chafiola?«
»So nennen sie euch online. Charles, Sofia, Paola.« Er zuckt die Achseln. »Chafiola.«
»O Gott.« Ich zwicke mir in die Nasenwurzel. »Das ist eine Katastrophe.«
»Mhm …« Leon hebt einen bulligen Arm und klopft mir auf die Schulter. »Du hast sie halt geküsst, Mann.«
»Erinnere mich nicht daran.«
Mitfühlend verzieht er den Mund. »Heftige Sache, was?«
Statt einer Antwort spanne ich den Kiefer an und weiche seinem Blick aus.
»Okay«, brummt Leon. »Schon klar, du willst nicht drüber reden.«
Nicht drüber reden? Ich will nicht einmal daran denken. Nicht eine Sekunde. Nie wieder in meinem ganzen Leben. Ich will Paola, ihren verfickten Verrat und unsere Verbindung aus meinem Leben löschen, als hätte es sie nie gegeben.
Leon beugt sich zur Tür, um sie zu öffnen, aber bevor er den Knauf zu fassen bekommt, schwingt sie auf und Sofia steht mir gegenüber. Das Funkeln der Kristallleuchter bricht sich in ihrem Goldschmuck von Vendergaard.
»Charles!« Sie wirkt erleichtert, mich zu sehen. »Ich wollte dich gerade suchen.«
»Warum? Ist etwas passiert?«
»Das wollte ich dich fragen. Weißt du, was ich mir für Sorgen gemacht habe? Erst diese Auseinandersetzung, bei der ich immer noch nicht weiß, worum es ging, dann Paola, die überstürzt in den Stall gerannt kam und mit meinem Pferd abgehauen ist, dann warst du nirgendwo zu finden und …«
»Warte, was?« Unwillkürlich mache ich einen Schritt vor und packe sie am Arm. Erschrocken sieht Sofia zu mir auf. Ich lockere meinen Griff, bevor ich hinzufüge: »Paola ist mit Saphir abgehauen?«
»Ja.«
Entgeistert starre ich ihr ins Gesicht. »Wieso?«
»Weil ich sie ihr gegeben habe.«