Absturz aus dem Himmel - Egyd Gstättner - E-Book

Absturz aus dem Himmel E-Book

Egyd Gstättner

3,8

Beschreibung

Eines Morgens erhält der Schriftsteller Jan Philipp Möller seltsame Post: nämlich von sich selbst. Es handelt sich um ein verschollen geglaubtes Jugendmanuskript, das ein Vierteljahrhundert lang unterwegs gewesen und nun ungeöffnet zurück zum Absender gekommen ist. Diese merkwürdige Begebenheit animiert den Autor zu einem imaginären Dialog mit seinem jüngeren Ich. Gleichzeitig erstattet er über diesen vergessenen Teil seines Wesens Frau Großholtz Bericht, die gerade eine Doktorarbeit über ihn verfasst.Es entwickelt sich eine Art Stationendrama aus unpublizierten Romananfängen: Stationen eines Lebens, gewissermaßen von der ersten Liebe bis zum ersten Tod. Unordnung und frühes Leid, Irrungen und Wirrungen. Ein Künstlerschicksal mit Fehlstarts, jeder Menge Sackgassen und Misserfolgen, dann doch auch unerwarteten Erfolgen, Höhenflügen und Triumphen. Das Leben zwischen Provinz und Metropole, zwischen Sein und Nichtsein, das Leben mit dem Vater, das Leben als Vater, der Abschied vom Vater, schließlich der plötzliche Zusammenbruch der Existenz.Egyd Gstättner changiert meisterhaft zwischen satirischer Erzählhaltung und existenzieller Tiefe, er erzählt von den Qualen und Freuden einer Künstlerexistenz, von der Gleichzeitigkeit von Erfolg und Scheitern.

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Egyd Gstättner

Absturz aus dem Himmel

Copyright © 2011 Picus Verlag Ges.m.b.H., Wien Alle Rechte vorbehalten Grafische Gestaltung: Dorothea Löcker, Wien Umschlagabbildung: © Getty Images/Tim Flach Datenkonvertierung E-Book: Nakadake, Wien ISBN 978-3-7117-5043-3 Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt

Informationen über das aktuelle Programm des Picus Verlags und Veranstaltungen unterwww.picus.at

Egyd Gstättner

Absturz aus dem Himmel

Roman

Picus Verlag Wien

Das Schlusswort bleibt immer:

Ich könnte leben und lebe nicht.

Franz Kafka

[9]1

Heute habe ich merkwürdige Post bekommen: Nämlich von mir selbst. Im Briefkasten lag ein Romanmanuskript, das ich vor fünfundzwanzig Jahren (ich formuliere es poetischer: vor einem Vierteljahrhundert) an einen deutschen Verlag geschickt habe, wo es aber – so jedenfalls die spätere Auskunft dieses Verlags – niemals angekommen ist. Daraufhin wandte ich mich damals an die Post: Dort leitete man eine Suche ein, die aber ergebnislos verlief. Seither galt mein Manuskript als verschollen. Der Schaden hielt sich für alle in Grenzen: Die Post bedauerte, kommt aber bei Verlusten für ideelle Werte prinzipiell nicht auf. Der Verlag bekam auch ohne meines mehr als genug Romanmanuskripte junger Schriftsteller angeboten, die er praktisch alle ablehnte, und ich selbst habe mir höchstwahrscheinlich bloß eine Absage, ein Frustrationserlebnis, eine Peinlichkeit mehr erspart. Es sind ja auch so genügend Absagen gekommen. Und jetzt, nach einem Vierteljahrhundert, ist mein Manuskript plötzlich und unvermutet wieder zu mir zurückgekehrt, originalverpackt und mit dem Hinweis der Post auf dem Kuvert versehen: Unzustellbar! Zurück zum Absender!Empfänger unbekannt! Das glaube ich gern: Der Verlag existiert ja längst nicht mehr.

In zwei Jahren werde ich fünfzig. Daher kann ich mich daran, was ich als knapp Zwanzigjähriger geschrieben habe, nicht mehr genau erinnern. Ich weiß nur noch, dass ich versucht habe, ein Jahr meines Lebens zu erzählen, nur eben nicht in Tagebuchform, sondern als Roman. Der trägt den Titel Der Ernst des Lebens, könnte aber auch Das zwanzigste Jahr heißen. Es geht um die Schwelle zum Erwachsenwerden – und um die Schwellenängste. Zuerst wollte ich Emma anrufen, um die Neuigkeit loszuwerden: Liebling, mein früheres Ich ist zurückgekommen! [10]Aber Emma war bei der Arbeit. Entweder saß sie in einer Besprechung oder sie hielt einen Vortrag oder sie nahm eine Prüfung ab. Jedenfalls hätte sie höchstwahrscheinlich gar nicht abgehoben, sowohl am privaten, als auch an ihrem Diensthandy wäre ich sofort mit Emmas Sprachbox verbunden worden, die sie aber nie abhört und die ich nicht besprechen will. Ich wollte sie auch nicht stören. Zu Mittag würde sie keine Zeit und kein Organ zum Zuhören haben, »schnelle Küche machen«, essen und wieder gehen. Abends würde Emma mit Adriana für den Geografietest afrikanische Hauptstädte auswendig lernen müssen, Hefte korrigieren, über ihre Dreifachbelastung stöhnen (Beruf! Haushalt! Familie! – die Beschäftigung mit ihrem eigenen Psychodrama noch gar nicht mit eingerechnet!), ein Kreuzworträtsel lösen, die Nachtkästchenlampe ausschalten und auch schon eingeschlafen sein.

Ein zufällig aufgetauchtes, fünfundzwanzig Jahre altes Manuskript eines postpubertären Jünglings hätte in einem so ausgefüllten Tag keinen Platz und würde keine Aufmerksamkeit finden. Das musste ich einsehen. Nicht alle Menschen haben so viel Zeit wie ich. Um die Wahrheit zu sagen: Kaum ein Mensch hat so viel Zeit wie ich. Manchmal denke ich: Wenn sie einmal gestorben sind, werden die meisten Menschen ihr Leben lang keine Zeit gehabt haben.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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