Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Ein Frauenmörder macht Kommissar Braun und Adda Fried schwer zu schaffen. Die Morde reichen bis nach Polen hin, so dass die beiden sich gezwungen sehen, dort hin zu reisen, und sich vor Ort von den Morden zu überzeugen. Zurück in Mannheim, gehen die Morde weiter, so dass sogar aus Polen Amtshilfe geleistet wird, und Major Kolasa, als auch der Pathologe Karel Bobrowski zu ihrer Unterstützung nach Deutschland kommen.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 268
Veröffentlichungsjahr: 2014
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Angelika Nickel
Adda Fried
Band 2 - Ein Gläschen für den Mörder
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Vorwort
1 – Knuth Neumann
2 – Kolasa
3 – Hedwig Hahnbügels Angst
4 – Erfreulicher Anruf
5 – Mordopfer, Hilde Hahnbügel
6 – Edgars Bleifuß
7 – Stippvisite in Polen
8 – Wodka zum Kaffee
9 – Zum hintersten Nirgendwo
10 – Leichenschauhaus via Jahrmarkt
11 – Orlando Ramirez
12 – Anruf aus Deutschland
13 – Stranguliert
14 – Wein und Amore
15 – Zahnweh, mit Wodka hinuntergespült
16 – Asche zu Asche
17 – Alte Fälle, neu aufgegriffen
18 – Die Bekanntschaften-Börse
19 – Cornelia Trautwein
20 – Geliebt, verwöhnt – getötet
21 – Karel Bobrowski
22 – Restaurant Zur Mexikanischen Rose
23 – Tschüss, Herr Major
24 – Das Klassentreffen
25 – Lore
26 – Das neuste Opfer
27 – Gereinigt
28 – So viel Zeit muss sein
29 – Der nötige Drive
30 – Degens Fund
31 – Frühstück mit Folgen
32 – Exhumiert
33 – Das Abendessen
34 – Der Mann hinterm Tresen
35 – Indiskrete Fragen
36 – Eine erste Spur führt ins Internet
37 – Pläneschmieden in der Cafeteria
38 – EDV-ler im Sondereinsatz
39 – Verunglücktes Tête-à-Tête
40 – Auf der Suche nach dem nächsten Opfer
41 – Eine neue Liebe
42 – Amtshilfe aus Polen
43 – Der Lockvogel
44 – Die Entscheidung
45 – Knuth und Elfriede
46 – Der Künstlernamen
47 – Verblüffte Marion
48 – Vom Mörder keine Spur
49 – Eine Überraschung
50 – Die Falle
51 – Ein Schal als Geschenk
52 – Sorge um Elfriede
53 – Ich bin, wer ich bin
54 – Der Wirt
55 – Agathe Wunderlich – warum nur?
56 – Aufgespürt
57 – Ein Gläschen für den Mörder
58 – Bis bald mal wieder
Geschrieben
Gewidmet
Anmerkung
Nachwort
Vorschau auf Band 3
Bisher erschienen
Autor
Cover Rückseite
Impressum neobooks
Adda Frieds sehnlichster Wunsch war in Erfüllung gegangen. Sie war zur MannheimerMiss Marplegeworden.
Zwar war sie noch nicht derartig bekannt, wie es die legendäreMiss Marplegewesen war, dennoch war es ihr gelungen, auf ihre ersten Leichen gestoßen zu sein, und zusammen mit ihrer Tochter Elfriede und Kommissar Edgar Braun, den Täter zur Strecke und hinter Schloss und Riegel gebracht zu haben.
Dabei hatte sie natürlichBlut geleckt, und war auf den Geschmack gekommen. Die ältere Dame hatte sich vorgenommen, dass der erste Fall niemals auch ihr letzter Fall gewesen sein sollte, den sie mit Braun gemeinsam, zu lösen gedachte.
Täglich wartete sie darauf, dass endlich ihr Telefon klingelte und Braun diemagischen Worte, denen sie aufgeregt entgegenfieberte, sagen würde: »Adda Fried, ich brauche dich. Wir haben ein neues Mordopfer.«
Der Mann schob den Teller von sich, die zusammengeknüllte Serviette lag gleich neben dem Besteck.
Er ging und holte die Zeitung aus dem Flur, wo er sie morgens abgelegt hatte.
Mit Zeitung und Cognacschwenker in der Hand setzte er sich auf die Couch. Das Glas zur Hälfte geleert, stellte er es auf den Tisch zurück, dabei klirrten die beiden Eiswürfel, die auf dem Cola-Cognac schwammen.
Neugierig durchblätterte er die Anzeigen. Im lokalen Teil suchte er nach einem neuerlichen Mord.
Frauenmorde, die sich in der letzten Zeit mehrten, erregten seine Aufmerksamkeit.
Kopfschüttelnd faltete er die Zeitung wieder zusammen. Nichts, er hatte nichts gefunden. Konnte doch aber gar nicht sein, dass es keinen neuerlichen Mord gegeben haben sollte; immerhin, der Mann tötete schon seit einer Weile und das in einer fast regelmäßigen zeitlichen Wiederkehr.
Neumann stand auf. Er warf die Zeitung in den Karton fürs Altpapier, den er in einer versteckten Ecke in der Diele stehen hatte. Meist nahm er den Karton morgens mit hinunter und leerte ihn im Papiercontainer aus, um ihn abends geleert wieder mit nach oben zu nehmen.
Knuth Neumann schaute auf die Uhr. Kurz vor zwanzig Uhr. Eigentlich noch recht früh am Abend. Er blickte an sich herunter und überlegte, ob er noch ausgehen, oder besser zuhause bleiben sollte.
Für diesen Abend entschied er sich für Letzteres.
Zurück im Wohnzimmer legte er sich auf die Couch und zappte mit der Fernbedienung durch die Sender. Auf Die Stunde des Jägers, einem Klassiker mit Robert Mitchum und Shelly Winters in den Hauptrollen, blieb er stehen.
Dies war ein guter Film und er hatte ihn schon lange nicht mehr gesehen, und war es schon von daher wert, wieder einmal angeschaut zu werden.
Die Zigarette im Aschenbecher qualmte vor sich hin.
Es klopfte an der Tür, doch der Major antwortete nicht. Zu sehr war er in sein Telefonat vertieft, als dass er das Klopfen überhaupt wahrgenommen hätte.
Der Mann klopfte nochmals gegen die Tür, dieses Mal lauter. Es glich fast einem Hämmern, und seine Knöchel taten ihm bereits weh.
»Wart‘ mal Kleines, ich glaube, es hat geklopft.« Major Kolasa wandte den Kopf Richtung Tür. »Ja!«, rief er, und drückte die Kippe im Ascher aus. Er war dabei, mit dem Rauchen aufzuhören, so dass die meisten seiner Zigaretten vor sich hin qualmten.
Leutnant Damir Groskow öffnete mit einem Ruck die Tür. »Herr Major, es ist schon wieder passiert!«, stammelte er aufgeregt.
Kolasa schlug ein Bein übers andere, während er sich in seinen Stuhl zurücklehnte. »Nur mit der Ruhe Groskow. Wo brennt’s denn?“
»Ein Mord, Major, schon wieder eine Frauenleiche.«
Der Major zog eine Braue hoch, und steckte sich eine Kippe an, ohne dabei den Blick vom Leutnant zu wenden. »Wo dieses Mal? Wieder in einer Spelunke?«
Groskow schüttelte den Kopf. »Nein, im Wald hat man sie gefunden.« Der Mann setzte sich seinem Chef gegenüber. »Das ist schon die …«
Kolasa winkte ab, und der Leutnant schwieg auch sofort.
»Mir brauchen Sie nicht zu sagen, die wievielte Frauenleiche das ist. Ich kann rechnen, Groskow.«
Der Mann fuhr zusammen. Mit eingeknickten Schultern saß er da. »Ich habe einen Suchtrupp losgeschickt. Aber bisher haben die Hunde keine Spur aufgenommen.«
Major Kolasa ließ sein Gegenüber nicht aus den Augen. Zu lange kannte er Groskow schon, um nicht zu wissen, dass da noch etwas war, was er ihm bisher noch nicht gesagt hatte. »Das ist doch noch nicht alles, oder?«
Groskow fühlte sich unwohl unter dem Blick seines Chefs. Er kam sich ertappt vor, dabei hatte er doch gar nichts getan, außer, dass er noch nicht alles erzählt hatte. Er druckste herum, nahm die angebotene Zigarette, die ihm Kolasa hin hob, und steckte sie ungeschickt an. »Die Leiche, sie ist an der Grenze gefunden worden. Es könnte von daher sein, dass der Mörder gar nicht aus unserer Gegend ist«, erklärte er und verschluckte sich dabei am Rauch.
»Hat irgendjemand etwas gesehen, vielleicht Wanderer?«, hakte der Major nach.
»Es gibt da ein Pärchen, die sind der Meinung, dass sie einen Wagen davon rasen gesehen haben. Aber richtig sicher sind sie sich nicht. Die Aussagen der beiden sind zu widersprüchlich.«
»Widersprüchlich? Was habe ich darunter zu verstehen?«
Groskow drückte die Zigarette aus. »Die Frau meint, dass es ein dunkler Volkswagen war, der Mann ist der Meinung, dass es sich um einen inländischen Kombi gehandelt habe.«
»Also wie immer. Der eine sagt dies, der andere das.« Kolasa lehnte die Arme auf seinen Schreibtisch. »Haben sie wenigstens einen Teil des Nummernschilds erkannt?«
Wie es sich Kolasa bereits gedacht hatte, schüttelte sein Untergebener auch dieses Mal nur mit dem Kopf.
»Wie hätt’s auch anders sein können.« Er stand auf. »Ist die Leiche noch am Tatort, oder muss ich in die Gerichtsmedizin?«
»Gerichtsmedizin«, antwortete der Mann knapp.
»Gut, fahre ich eben zu den Leichenaufschneidern. Und Sie, Leutnant, sehen zu, ob es nicht doch noch jemanden gibt, der etwas beobachtet hat, womit wir auch etwas anfangen können.«
»Chef, Major, es war Wochenende, was, wenn es ein Ausländer war, der die Tote bei uns abgelegt hat?«
»Sie deuten an, dass der Tatort wo ganz anders gewesen sein könnte«, brummte der Major. »Das zeigte den Fall in einem völlig anderen Licht.«
Damir Groskow krauste die Stirn. »Was wollen Sie damit sagen, Major Kolasa?«
»Dass es durchaus sein kann, dass wir mit der Polizei aus einem anderen Land zusammenarbeiten müssen. Doch das muss sich erst noch herausstellen, ob ich mit meiner Vermutung richtig liege. Ich will der Gerichtsmedizin nicht vorgreifen, von daher, vertagen wir weitere Mutmaßungen darüber auf später.« Ohne ein weiteres Wort rauschte er an Groskow vorbei. Im Hinausgehen schnappte er nach seiner Jacke, und hoffte, dass seine alte Karre ihm diesmal gnädig gesonnen war und auch anstandslos ansprang. Er hatte das Auto noch nicht sehr lange, dafür umso mehr Ärger, seit er es hatte.
Wie oft schon hatte er später kommen oder früher gehen müssen, nur weil diese Schrottlaube einfach machte, was sie wollte. Einen Mercedes hätte ich mir kaufen sollen, damit wäre ich sicherlich besser gefahren, überlegte er, während er zu seinem roten Polski Fiat eilte.
Dass er über den neuerlichen Frauenmord vergessen hatte, sein zuvor geführtes Telefonat zu beenden, kam ihm nicht in den Sinn.
Ohne Brauns Herein abzuwarten, stürmte Alfred Krämer ins Büro seines Vorgesetzten. »Edgar, sei so gut und komm einmal rüber in mein Büro.«
Braun, der am Telefonieren war, sah unwirsch auf, während er in den Telefonhörer sagte: »Traudel, wart‘ mal bitte einen Augenblick. Krämer will etwas von mir.« Er schaute recht ungehalten zu Krämer hin. »Alfred, siehst du nicht, dass ich telefoniere!«
»Es ist aber wichtig, Chef.«
»Dann komm doch auch endlich zur Sache.« In den Hörer hinein, wiederholte er nochmals »Einen Augenblick.«
»Du musst rüberkommen. Bei mir sitzt eine Frau, die meldet ihre Tochter als vermisst.«
»Ich bitte dich, Alfred, was willst du da von mir? Schick sie in die Abteilung für Vermisste. Mit uns hat das nichts zu tun.« Braun wollte sich wieder seinem Telefonat zuwenden, als er erneut durch Alfred Krämer unterbrochen wurde. »Nein, du verstehst nicht. Die Frau bei mir, das Alter der Vermissten, es passt alles auf unseren Frauenmörder. Auf die Opfer von dem Kerl.« Nervös stand er da und trommelte mit den Fingern gegen seine Brust.
Kommissar Edgar Braun stutzte. »Bist du dir sicher?«
»Ziemlich sicher, sogar.«
»Traudel, ich muss Schluss machen. Es kann sein, dass wir im Fall unseres Serienkillers eventuell eine Spur haben.« Der Kommissar legte auf und ging mit Krämer hinüber in dessen Büro. Als er die niedergeschlagene ältere Frau an Krämers Tisch sitzen sah, stellte er sich vor: »Guten Tag, Kommissar Edgar Braun. Leiter der hiesigen Mordkommission. Wie mir mein Kollege sagte, vermissen Sie Ihre Tochter.« Er reichte der Frau die Hand zum Gruß.
»Ach, Herr Kommissar, es ist alles dermaßen schrecklich. Hilde und ich, wir waren vor ein paar Tagen zum Essen verabredet, aber sie ist nicht gekommen; und seit der Zeit habe ich auch nichts mehr von ihr gehört.«
Braun betrachtete die Frau auf dem Stuhl genau. Auf Mitte sechzig, schätzte er sie. Er überlegte kurz, wie alt ihre Tochter wohl sein könnte, und kam zu dem Schluss, dass Krämer womöglich Recht haben, und die Vermisste tatsächlich ins bisherige Opferprofil passen könnte.
Braun zog sich einen Stuhl herbei und setzte sich neben die Frau. »Wenn ich Sie bitten dürfte, uns etwas mehr über Ihre Tochter zu erzählen. Wie alt sie ist, wie sie aussieht, was sie beruflich tut, und all das, was für uns vonnöten ist, und, was wir über sie wissen müssten«, forderte er die Frau auf.
Die ältere Frau zupfte nervös an ihrem Taschentuch herum. »Meine Hilde, ich glaube, sie hat einen Mann kennen gelernt.« Sie schüttelte den Kopf. »Das passt gar nicht zu ihr.« Ihre Augen wurden glasig; Braun bemerkte die Tränen, die sich darin bildeten.
Krämer räusperte sich. »Wie alt ist, Ihre Tochter genau, Frau …?«
»Frau Hahnbügel. Hedwig mit Vornamen«, stellte die Frau sich erst jetzt den beiden Männern vor. »Meine Hilde, kurz vor fünfzig ist sie.«
»Nun ja, meiner Meinung nach ist das schon ein Alter, in dem man einen Mann haben darf.« Krämer verkniff sich sein Grinsen.
Die Frau schüttelte den Kopf. »Nicht meine Hilde«, wehrte sie ab. »Hilde und ich … Seit mein Mann uns verlassen hat«, sie wischte sich mit dem Taschentuch über die Augen, »seit der Zeit hat sich Hilde immer um mich gekümmert. Sie müssen wissen, ich leide an MS, Multiple Sklerose. Und es gibt Tage, da kann ich mich fast gar nicht bewegen, so dass ich auf Hildes Hilfe angewiesen bin.«
»Sollten Sie da nicht besser eine Pflegerin haben, und Ihre Tochter ihr eigenes Leben leben lassen?«, wunderte Braun sich.
»Nein. Eine Pflegerin können wir uns nicht leisten, und meine Hilde macht das gerne.«
»Was aber, ist mit dem Recht Ihrer Tochter, auf ein eigenes Leben?«, fragte auch Krämer.
»Sie wollen es nicht verstehen, nicht wahr!« Auf den Wangen der Frau bildeten sich rote Flecken, dermaßen empörte sie die Andeutung des Mannes. »Meine Hilde, sie ist glücklich mit ihrem Leben, so, wie es ist und sie es lebt.«
Kommissar Braun stand auf. »Frau Hahnbügel, wenn Sie bitte so gut wären und alles Weitere meinem Kollegen Krämer erzählen würden. Ich werde mich unterdessen bei der Vermisstenstelle erkundigen, und auch in den umliegenden Krankenhäusern nachfragen, ob sie von jemandem wissen, auf den die Beschreibung Ihrer Hilde passt. Es könnte ja auch sein, dass sie einen Unfall gehabt hatte, und sich nur deswegen nicht bei Ihnen meldet.« Er wandte sich an Krämer. »Kannst du, bitte, einmal kurz mit rauskommen.« Braun reichte der älteren Frau die Hand und verließ, zusammen mit Krämer dessen Büro.
»Ich glaube, wir haben den Zusammenhang gefunden«, legte er los, kaum dass Krämer die Tür hinter sich geschlossen hatte.
Verwundert schaute Alfred Krämer ihn an. »Was hast du denn gehört, das ich nicht verstanden habe?«
»Diese Frau, Hilde, sie hat kein eigenes Leben.« Braun lehnte sich an der Wand an. »Was, wenn die Frauen ausbrechen wollten, aus der Monotonie ihres Alltags und sind bei der Suche, nach etwas Abwechslung, ihrem Mörder in die Hände gelaufen?« Er zog einen Zahnstocher aus der Packung und schob ihn zwischen die Lippen. Darauf herumkauend, stellte er fest: »Diese Frauen, sie wären leichte Fänge für unseren Mörder gewesen. Alfred, hak‘ nach, was diese Hilde Hahnbügel betrifft und schau, dass du noch soviel als möglich, von ihrer Mutter erfährst.«
»Und was machst du unterdessen?«
»Ich?« Braun grinste. »Ich werde mich wieder einmal bei unserer Adda Fried melden. Bin sicher, dass sie uns gerne wieder unter die Arme greift.«
Krämer nickte und ging zurück in sein Zimmer. Als wenn wir auf die Hilfe von der Fried angewiesen wären, dachte er mürrisch, und zwang sich zu einem zuversichtlichen Lächeln, als er sich wieder Frau Hahnbügel gegenübersetzte.
Adda knetete den Hefeteig auf der Tischplatte. Dabei ließ sie all ihre Wut an dem Teig aus. »Der Edgar, melden hätte er sich ja schon wieder einmal können. Kann doch gar nicht sein, dass Mannheim keine neuen Morde haben soll«, schimpfte sie dabei vor sich hin.
Just in diesem Augenblick klingelte das Telefon.
Sie wischte sich die Hände an einem Geschirrtuch ab, und eilte hinaus in den Flur, hin zu ihrem Telefon. »Fried«, meldete sie sich.
»Hallo, Adda. Ich bin’s, Edgar.«
»Dass du dich auch endlich wieder einmal meldest«, machte sie ihrem Frust Luft.
»Reg‘ dich ab. Was glaubst du denn, weshalb ich dich anrufe?«
Adda schwieg.
»Herrjemine, jetzt spiel nicht schon wieder die Beleidigte.« Braun schüttelte den Kopf. Diese Frau, es gab Tage, da brachte sie ihn an die Grenzen seines Nervenkostüms. »Wir haben eine Mordserie. Frauenmorde; und brauchen deine Hilfe bei der Aufklärung. Wie sieht’s aus, hast du Zeit dafür?«
»Komm und hol‘ mich ab. In einer Stunde bin ich soweit«, antwortete sie, hielt ihre Freude allerdings zurück. Er musste ja nicht unbedingt wissen, wie sehr sie einen Anruf wie diesen, herbeigesehnt hatte.
»Okay, bis in einer Stunde also.«
Adda eilte in die Küche. Hastig riss sie Teigstücke vom Hefeteig ab und rollte Kugeln daraus, die sie auf der bemehlten Tischplatte auslegte und mit sauberen Küchentüchern bedeckte. »Euch Dampfnudeln werde ich heute Abend backen. Bis dahin habt ihr Zeit genug gehabt, um auch richtig aufgegangen zu sein.«
Sie eilte ins Bad und machte sich fertig.
Eine halbe Stunde vor Brauns Eintreffen war sie fertig und wartete ungeduldig auf den Kommissar. Immer wieder lugte sie, zwischen einem Vorhangspalt hindurch, aus dem Wohnzimmerfenster hinaus, in der Hoffnung, ihn anfahren zu sehen.
Kolasa beschaute sich die Tote. Kurz vor fünfzig war sie, wie er ihrem Ausweis entnommen hatte. Und aus Deutschland kam sie.
Er wandte sich an den Gerichtsmediziner. »Kann man schon sagen, ob Fundort auch gleich Tatort war?«
»Nein, mit bestimmter Gewissheit können wir das ausschließen. Dort, wo sie gefunden worden ist, ist sie nur abgelegt worden. Ermordet wurde sie woanders.« Der Mann betrachtete den Major. »Was machst du jetzt, Kolasa? Musst dich ja nun mit den Deutschen in Verbindung setzen.«
Kolasa nickte. »Ja, hatte mir schon fast so was gedacht.« Nochmals warf er einen Blick auf den Ausweis der Toten, der eingetütet neben ihr auf der Bahre lag. »Mannheim«, las er laut. »Wo ist das denn?«
Der Pathologe grinste schief. »Keine Ahnung. Kannst aber den Weberszky fragen, der weiß es bestimmt.«
Der Major stutzte. »Weberszky?«, wiederholte er den Namen. »Meinst du den langen Weberszky? Den Darius?«
Sein Gegenüber nickte. »Ja, genau der. Er hat doch eine Frau in Deutschland. Und wenn mich nicht alles täuscht, lebt die in Mannheim, oder, einem Vorort davon. Irgend so etwas in der Art.«
»Dank‘ dir.« Kolasa verließ die Gerichtsmedizin und rief übers Handy Weberszky an. Und tatsächlich, der konnte ihm weiterhelfen.
Zwei Stunden später klingelte bei Braun das Telefon. »Mordkommission, Kommissar Braun am Apparat«, meldete er sich.
»Major Kolasa. Mordkommission Polen«, drang eine resolute Mannerstimme an Brauns Ohr.
»Hallo, Herr Major. Was kann ich für Sie tun?«, wunderte Braun sich, was ein polnischer Kommissar von ihm wollte.
»Ich glaube, dass eher ich etwas für Sie tun kann.«
»Sie, für mich, Herr Major? Wie das?« Braun setzte sich aufrecht hin. Den Zahnstocher spuckte er aus.
»Bei uns in der Gerichtsmedizin liegt eine Frau. Hilde Hahnbügel, laut ihrem Ausweis.«
Braun fuhr’s kalt den Rücken runter. Bis Polen hin, mordet das Schwein, dachte er. Der Kommissar räusperte sich. »Unfalltod?«, fragte er, und wusste schon jetzt, dass es sich bei der Toten um kein Unfallopfer handelte.
»Nein, Mord«, antwortete Kolasa.
»Herr Major, ich werde mich schnellstens zu Ihnen auf den Weg machen. Bis morgen werde ich da sein. Könnten Sie mir bitte zwei Zimmer in einer Pension besorgen. Für meine Kollegin und mich«, bat er den Major.
»Sie können auch gerne bei mir wohnen. Ich habe einen großen Hof. Wenn Sie meine Katzen und Pferde nicht stören, sind Sie jederzeit willkommen.«
»Vielen Dank, Herr Major, das Angebot nehme ich gerne an; auch im Namen meiner Kollegin.«
»Gut so. Auf diese Art haben wir die Möglichkeit, auch nach Arbeitsende, uns noch weiter über den Fall zu unterhalten. Bei einem guten Glas Wodka, sogar«, lachte Kolasa und verabschiedete sich, allerdings nicht, ohne zuvor Braun seine Mobilnummer gegeben zu haben.
Braun legte den Hörer auf. Eilig wählte er Addas Nummer.
»Fried«, hörte er sie sagen.
»Adda, es hat sich etwas geändert. Du musst dir eine Reisetasche packen. Nimm Kleidung für ein paar Tage mit.«
Adda stutzte. »Wieso das denn?«
»Unser Fall, er reicht dieses Mal bis hin nach Polen.«
»Polen? Was soll ich denn dort. Ich spreche ja noch nicht einmal polnisch.«
»Brauchst du auch nicht. Der Kommissar dort, der kann gut in Deutsch; hatte ihn soeben an der Strippe.«
»Wie du meinst. Wie viel Tage, denkst du, dass wir bleiben?«
»Keine Ahnung. Pack mal Klamotten für ‘ne Woche ein.«
»Eine Woche!« Adda wurde heiß. Was sollte sie nur mit ihrem Imbiss machen. Unmöglich konnte sie ihn sieben Tage geschlossen halten.
Elfriede!
Musste Elfriede herhalten und den Imbiss aufmachen. Bert konnte sie dieses Mal nicht bitten, der war im Schwarzwald mit einer seiner Freundinnen unterwegs. Von Nordmann hatte sie eine Weile schon nichts mehr gehört; und Jörg hatte zwar Urlaub, musste sich aber um seine Kinder kümmern. Seit er geschieden war, hatte er sie mitunter an den Wochenenden und, wenn Ferien waren. Von daher blieb nur Elfriede.
»Horch, Edgar, ich leg jetzt auf. Immerhin muss ich noch packen. Komm von daher erst bis fünfzehn Uhr. Danke.« Sie beendete das Gespräch und wählte gleich darauf Elfriedes Nummer.
Es dauerte, bis ihre Tochter sich endlich am anderen Ende der Leitung meldete.
»Du musst den Imbiss machen, Friedel. Und heute Abend auch noch in meine Wohnung gehen und die Dampfnudeln backen. Liegen hier auf dem Küchentisch. Bin in einer Woche wieder da. Der Edgar braucht mich. Dir mehr zu erzählen, hab ich jetzt keine Zeit mehr.«
Noch bevor Elfriede auch nur ein Wort sagen konnte, hatte Adda abgehängt.
Auf Elfriedes Anruf reagierte sie nicht. Sie hatte keine Zeit für Diskussionen mit ihrer Tochter.
Bleich saß Adda auf dem Beifahrersitz, den Blick angestrengt aus dem Fenster gerichtet; denn, sah sie auf Brauns Tacho, wurde ihr schlecht. Ab einem gewissen Tempo zog die ältere Dame es vor, nicht wissen zu wollen, wie schnell gefahren wurde. Diesbezüglich erging es ihr auch mit Braun. Dass der Kommissar dermaßen in die Eisen treten würde, damit hatte sie auf keinen Fall gerechnet.
Draußen dunkelte es bereits, und auch ihr Magen meldete sich durch Knurren zu Wort. »Sag, Edgar, wollen wir nicht endlich einmal eine Pause machen und uns was zwischen die Kiemen schieben?«, fragte sie, ohne ihn dabei anzusehen.
»Hunger? Du hast tatsächlich Hunger? Wie geht das denn an?« Er lachte. »Ich dachte, du willst so bald als möglich ins Leichenschauhaus.«
»Bei deinem Fahrstil wird‘s dazu auch nicht mehr allzu lange dauern, bis ich dort gelandet sein werde«, murrte sie.
»Ho, ho, so war das nicht gemeint. Leichen, beste Adda, ich dachte, es könnte dir gar nicht schnell genug gehen, um zu denen zu gelangen.«
»Lenk‘ nicht ab. Ich habe Hunger. Du etwa nicht?«
»Doch, ich auch. Dort vorne kommt ein Rasthof, da machen wir Halt.«
»Na, das ist doch ein Wort.« Zufriedengestellt lehnte sich Adda zurück. Die Anspannung allerdings blieb; seinen rasanten Fahrstil hatte Edgar nämlich dennoch nicht gedrosselt.
An der Raststätte angelangt, bestellte sie sich Rippchen mit Sauerkraut, während der Kommissar Kartoffelsalat mit Würstchen den Vorzug gab.
Das Essen nahmen sie schweigend zu sich. Jeder hing seinen Gedanken nach.
Den letzten Bissen hinuntergeschluckt, und mit Mineralwasser nachgespült, fragte Adda: »Diesen polnischen Kommissar, kennst du den eigentlich?«
Braun, der noch mit seinem Essen beschäftigt war, schüttelte den Kopf. »Nur vom Telefon«, antwortete er, und biss dabei ohne Scheu, ein Stück Wienerle ab.
»Wofür hast du eigentlich Besteck vor dir liegen?«
»Um den Kartoffelsalat auf die Gabel zu bekommen«, grinste er, und biss neuerlich von der Wurst ab. Anschließend leckte er sich mit der Zunge über die Finger.
»Also ich weiß nicht«, murrte sie. »Ein bisschen mehr an guter Kinderstube beim Essen könntest du schon an den Tag legen.«
»Beschwer‘ dich nicht, du bist nicht meine Mutter; und auch nicht meine Frau.«
Sie zog schnippisch die Schultern in die Höhe. »Mich wundert, dass das deiner Waltraud nichts ausmacht.«
Wieder durchzog ein breites Grinsen das Gesicht des Mannes. »Wie sollte es? Sie sieht es doch nicht.«
»Ach, so einer bist du. Na danke!« Adda stand auf und holte sich eine Tasse Kaffee, und als Nachtisch entschied sie sich für ein Flammendes Herz.
Zurück am Tisch, biss sie herzhaft in das Herz hinein. »Na, wer das gebacken hat, der hat seine liebestollen Tage auch längst hinter sich«, meckerte sie.
»Was ist denn nun schon wieder los?«
»Ach, das Gebäckteil, das ist trocken, als wenn’s seit Jahren an der Theke herumgelegen hätte.«
»Tunk’s doch in deinen Kaffee. Wirst sehen, da wird’s gleich weicher.«
»Als wenn ich das nicht selbst wüsste.« Denselben Gedanken hatte sie auch bereits gehabt. Nachdem sie sich umgesehen hatte, dass sie auch niemand beobachtete, nahm sie das Gebäck und tauchte es tatsächlich in ihren Kaffee ein.
Als auch der Kommissar mit dem Essen fertig war, ebenfalls seinen Kaffee getrunken, und dazu ein Stück Käsesahnetorte gegessen hatte, brachen sie auf, um ihre Fahrt nach Polen fortzusetzen.
Adda, die pumpsatt war, schloss die Augen und schlief ein, während Edgar Braun den Pferdestärken freien Lauf, und den Wagen über die Autobahn düsen ließ, dass er nur so dahinflog.
Zum Glück schlief Adda und bekam davon nichts mit, ansonsten wäre sie womöglich noch ausgestiegen, dermaßen heftig schlug die Tachonadel aus.
»Major Kolasa«, stellte der polnische Kommissar sich seinen beiden Gästen vor. »Gehen wir doch gleich ins Haus«, schlug er vor, und nahm Adda ihre Reisetasche aus der Hand.
»Danke.« In Edgars Richtung zischte sie: »Der Major ist noch ein Kavalier der alten Schule. An dem könntest du dir ruhig ein Beispiel nehmen.«
»Ich? Was hab ich denn damit zu tun?«
»Das weißt du sehr genau. Wer hat mich denn meine Reisetasche von meiner Wohnung bis zu seinem Wagen schleppen lassen?«, kam es vorwurfsvoll zurück.
»Liebe Adda, jetzt mach aber mal ’nen Punkt! Von Schleppen kann gar keine Rede gewesen sein. Wir reden immerhin von einer leichten Reisetasche.«
»Die hat auch ihr Gewicht«, widersprach sie auf der Stelle.
»Außerdem waren es von dir bis zu meinem Auto nur ein paar Schritte.«
»Und wenn schon! Die paar Schritte hättest du mir trotzdem meine Tasche tragen können. Das gehört sich nämlich, für einen Kavalier.«
»Ich und ein Kavalier, und deiner noch dazu …« Missmutig lag sein Blick auf sie gerichtet. »Jetzt halt aber einmal die Luft an. Du tust gerade so, als wenn ich dir den Hof machen würde«, ereiferte er sich.
»Das habe ich mit keinem Wort gesagt.« Beleidigt zog sie die Unterlippe nach unten und verschränkte die Arme vor der Brust.
Um dem Thema endlich ein Ende zu setzen, gab er sich geschlagen. »Wenn es dich beruhigt: Beim nächsten Mal werde ich darauf achten, dir auch ja deine Tasche zu tragen. Zufrieden?«
»Vergiss es bloß nicht!« Sie hörte mit dem Gemecker auf, und folgte Kolasa ins Haus.
Das Haus des Majors war ein Anwesen von gewaltiger Größe. Auf der Koppel tobten sich bereits die Pferde aus, obwohl der Morgen noch zwei Stunden auf sich warten ließ.
Im Haus strichen zwei Katzen um Addas Beine, kaum, dass sie den ersten Schritt über die Schwelle gemacht hatte.
»Max und Moritz«, stellte der Major die beiden Katzen seinen Gästen vor. »Die müssen jeden begrüßen, das ist immer so. Aber daran gewöhnen Sie sich schon noch.«
»Glaube nicht, dass wir so lange Ihre Gastfreundschaft in Anspruch nehmen müssen«, stellte Adda richtig. »Wir sind nur gekommen, um uns Ihre Leiche anzusehen.«
»Warten Sie’s erst einmal ab, wie lange Zeit das in Anspruch nehmen wird; danach sehen wir weiter.« Der Major zeigte ihr ihr Zimmer und stellte die Reisetasche neben dem Bett ab.
Brauns Zimmer befand sich dem ihren gegenüber.
»Wenn Sie Ihre Sachen ausgepackt haben …«, rief Kolasa aus der Diele. »Ich habe uns eine Kleinigkeit zu Essen gerichtet. Es gibt auch einen guten Wodka dazu.«
Wodka und das, wenn schon fast der Morgen graut, der hat sie doch nicht alle! »Und meine Reisetasche packe ich auch nicht aus. So lange, wie der meint, will ich gar nicht bleiben«, meckerte die Hobby-Detektivin vor sich hin.
Es klopfte an den Türrahmen. »Fertig? Alles ausgepackt?« Braun stand am Türrahmen gelehnt und schaute Adda verwundert an, die noch immer vor ihrer offenen, jedoch nicht ausgepackten Reisetasche stand.
»Ich packe gar nichts aus. Bin doch nicht plemplem! Wie lange, meint dieser Major eigentlich, dass wir bleiben? Der nimmt anscheinend an, dass wir auch noch in Polen Urlaub machen wollen.« Ihre Augen funkelten, dermaßen empörte sie diese Vorstellung. Als wenn sie Zeit hätte, Urlaub zu machen! Unvorstellbar war dieser Gedanke für sie. Mein Imbiss, der ginge mir dann womöglich noch den Bach runter. »Ich weiß nicht, auf was für Ideen diese polnischen Kommissare kommen. Aber der da unten, der scheint von einer ganz speziellen Sorte zu sein«, schimpfte sie weiter. »Dabei ist unser Besuch hier, nichts weiter, als eine Stippvisite, und das auch nur, weil’s in diesem Land ‘ne deutsche Tote hat.«
»Warum regst du dich eigentlich derartig auf? Wir sind doch gerade erst angekommen.« Der Kommissar schaute Adda verwundert bei ihrem Wutausbruch zu. Die Schuhe, die sie sich von den Füßen gestreift und wütend durch durchs Zimmer gekickt hatte, war sie gerade wieder dabei, zusammenzusuchen.
»Ach, rutsch mir doch den Buckel runter«, brummte sie, während sie wieder in ihre Schuhe schlüpfte, und an ihm vorbei, aus dem Zimmer hinaus rauschte.
»Das kann ja heiter weiter.« Braun folgte ihr, wobei er unentwegt mit dem Kopf schüttelte.
Nach dem Essen lehnte sich Edgar Braun entspannt zurück, während Adda ihren Blick neugierig durch die geräumige Küche flitzen ließ.
»Wie wär’s, mag einer von euch ‘nen Wodka zum Verdauen?« Kolasa hielt Braun die eiskalte Wodka-Flasche hin, während er mit der anderen Hand die Gläser in Richtung Adda schwenkte.
Sie jedoch lehnte ab. »Nein, danke. Mit einem kalten Bier, Herr Major, könnten Sie mir allerdings eine Freude machen.«
Der polnische Kommissar lachte breit. »Wenn Sie Bier wollen, Frau deutsche Kommissarin, müssten wir in mein Büro fahren, da habe ich nämlich stets einen Kasten neben dem Schreibtisch stehen.«
Die Möchtegern-Detektivin schlenkerte verwundert ihren Blick an ihm entlang, und überlegte, ob der Mann sie womöglich verulken wollte. Doch kein Muskel regte seine Miene.
»Hast du das gehört, Edgar? Beim Major gibt’s Bier bei der Arbeit. Bei dir auch? Hast mir noch nie eins angeboten!«, beschwerte sie sich auch prompt. Ein Bierchen nach einem anstrengenden Arbeitstag wäre so manches Mal, nicht zu verachten gewesen!
»Adda, sei so gut! In meiner Dienststelle wäre der Teufel los, wenn ich etwas Derartiges in meinem Büro aufbewahren und womöglich auch noch anbieten würde.« Nun fühlte auch Braun sich der Situation ausgesetzt, mit zweifelndem Blick zu Kolasa hinzuschauen und zu versuchen, herauszufinden, ob der Mann es tatsächlich ernst meinte. Doch auch er sah sich nicht in der Lage, Kolasas steinerne Miene zu deuten. Er spuckte den Zahnstocher in den Aschenbecher, zog einen neuen aus der Packung und schob ihn sich zwischen die Zähne. »Doch wie heißt es so schön«, sagte er, als er bemerkte, dass Adda wieder dabei war, eine beleidigte Miene aufsetzen zu wollen, »andere Länder, andere Sitten.«
»Also kein Bier.« Die ältere Dame klang enttäuscht. Immerhin, ein gut gekühltes Bier, nach Kolasas scharfem Essen, wäre im Augenblick genau das Richtige gewesen.
»Nein, bedauere.« Der Major stellte den Wodka vor Braun auf dem Tisch ab. »Bedienen Sie sich, Herr Kommissar.« Als er Edgar Brauns überraschten Gesichtsausdruck bemerkte, stellte er sachlich fest: »Bei uns nehmen wir das nicht so streng. Wenn wir Gäste haben, sind diese auch herzlich dazu eingeladen, sich selbst zu bedienen. Völlig zwanglos.«
Dankend nahm Braun das Angebot an; schenkte sich ein und kippte das Glas in einem Zug hinunter.
»Ein Schluckspecht bist du auch noch!«, ereiferte Adda sich. »Noch nicht lange in diesem Land, und du präsentierst dich gleich von einer Seite, die ich dir niemals zugetraut hätte.« Sie schielte von unten herauf, zu ihm hin. »Hauptsache du hast deinen Schnaps und ich kein Bier. Wahre Gerechtigkeit, nenne ich das«, konnte sie ihren Sarkasmus, sich nicht verkneifen, von sich zu geben.
»Aber, aber. Das ist doch alles kein Grund zum Ärgern. Wenn Sie möchten, Frau deutsche Kommissarin, ich habe auch Krimsekt. Ich schenke Ihnen gerne ein Gläschen oder zwei, davon ein.«
Verwundert schaute Adda ihn an. Den Kopf leicht zur Seite hin geneigt. »Krimsekt, in Polen? Ich dachte, den böte man in Russland an.«
Kolasa lachte breit, und laut. »Ich bitte Sie, wir leben doch nicht mehr hinterm Mond.« Auch er zog sich ein Glas heran, setzte sich wieder zu den beiden an den Tisch, und schenkte sich ebenfalls vom Wodka ein. »Wir leben doch nicht mehr, was weiß ich, in welchem Jahrhundert. Immerhin schreiben wir das Jahr 2013, werte deutsche Kollegin«, lachte er, und kippte auch das zweite Glas hastig hinunter. »Recht bald sogar, schon 2014«, amüsierte er sich weiter, und wischte sich dabei Wodkaperlen vom Kinn.