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In der malerischen Kulisse des Weinguts River's Bend, gerät das Leben des talentierten Chefkochs Jamie Martinez plötzlich aus den Fugen. Alles beginnt damit, dass Grace, die jüngere Schwester seiner besten Freundin, ihm gesteht, dass sie sich in ihn verliebt hat. Ein leidenschaftlicher Kuss entfacht zwischen ihnen ein Feuerwerk der Gefühle – doch die aufkeimende Romanze wird überschattet: Jamie ist hin- und hergerissen. Obwohl er ihre Zuneigung erwidert, plagen ihn Zweifel wegen des Altersunterschieds.
Doch das ist erst der Anfang ihrer Herausforderungen. Als Jamies Ruf durch falsche Anschuldigungen ins Wanken gerät, stehen Jamie und Grace vor einer schweren Entscheidung: Werden sie gemeinsam für seine Unschuld kämpfen? Inmitten eines Strudels aus Loyalität, Liebe und dem verzweifelten Streben nach Gerechtigkeit müssen sie lernen, einander zu vertrauen.
Umgeben von üppigen Weinreben und dem verlockenden Aroma köstlicher Gerichte stehen Jamie und Grace nicht nur vor äußeren Konflikten, sondern auch vor ihren eigenen inneren Dämonen. Werden sie den Mut finden, für ihr gemeinsames Glück zu kämpfen?
Die Antwort liegt verborgen zwischen den Reben – und vielleicht in ihren Herzen.
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Seitenzahl: 312
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In der malerischen Kulisse des Weinguts River's Bend, gerät das Leben des talentierten Chefkochs Jamie Martinez plötzlich aus den Fugen. Alles beginnt damit, dass Grace, die jüngere Schwester seiner besten Freundin, ihm gesteht, dass sie sich in ihn verliebt hat. Ein leidenschaftlicher Kuss entfacht zwischen ihnen ein Feuerwerk der Gefühle – doch die aufkeimende Romanze wird überschattet: Jamie ist hin- und hergerissen. Obwohl er ihre Zuneigung erwidert, plagen ihn Zweifel wegen des Altersunterschieds.
Doch das ist erst der Anfang ihrer Herausforderungen. Als Jamies Ruf durch falsche Anschuldigungen ins Wanken gerät, stehen Jamie und Grace vor einer schweren Entscheidung: Werden sie gemeinsam für seine Unschuld kämpfen? Inmitten eines Strudels aus Loyalität, Liebe und dem verzweifelten Streben nach Gerechtigkeit müssen sie lernen, einander zu vertrauen.
Umgeben von üppigen Weinreben und dem verlockenden Aroma köstlicher Gerichte stehen Jamie und Grace nicht nur vor äußeren Konflikten, sondern auch vor ihren eigenen inneren Dämonen. Werden sie den Mut finden, für ihr gemeinsames Glück zu kämpfen?
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Iris Morland
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19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
Epilog
Impressum
Lust auf more?
Als Grace Danvers Jaime Martínez zum ersten Mal seit jener unglückseligen Feier wiedersah, auf der er ihre Avancen rundweg abgelehnt hatte, stürzte sie beinahe aus einem Fenster.
Vor diesem Moment hatte Grace keinen schlechten Tag gehabt. Obwohl der Herbst längst Einzug gehalten hatte, waren die Temperaturen gegen Mittag der Zwanzig-Grad-Marke entgegengeklettert, und die Sonne schien. Grace hatte sich dazu durchgerungen, nach River’s Bend zu fahren, um ein Handyladekabel bei ihrem Bruder abzuliefern, der Besitzer des Weinguts war. Auf dem Gut war vor Kurzem die erste Hochzeit ausgerichtet worden, und man arbeitete gegenwärtig daran, das Veranstaltungsgeschäft zu erweitern; nach drei Jahren schlechter Erträge brauchte River’s Bend dringend weitere Einnahmequellen.
Besagte Hochzeit war für Grace auch der Anlass gewesen, alle Vorsicht in den Wind zu schreiben und Jaime ihre Gefühle zu gestehen.
Bei der Erinnerung verzog sie das Gesicht. Sie befand sich im offenen Empfangsbereich von River’s Bend, hatte sich bei Kerry, der Empfangsdame und Adams Assistentin, angemeldet und wartete nun auf ihren Bruder, weil sie außerdem mit ihm über das Familienessen am Abend sprechen wollte.
Sie hätte natürlich einfach zu seinem Büro gehen und nachsehen können, ob er da war, aber Adams Verlobte, Joy McGuire, neigte dazu, sich ebenfalls hier herumzutreiben, und Grace hatte keinerlei Bedürfnis, die beiden bei … bei weiß Gott was zu ertappen. Die zwei turtelten heftiger, als eine Schwester ertragen konnte.
Also wartete Grace. Und blickte aus einem der offenen Fenster. Die Fliegengitter waren nach dem Sommer entfernt worden, weil Adam sie austauschen wollte, und sie atmete die frische Luft ein und versuchte, nicht daran zu denken, wer sich in diesem Moment sonst noch auf dem Weingut aufhielt … wie Jaime zum Beispiel.
Jaime Martínez: River’s Bends Küchenchef und der attraktivste und atemberaubendste Mann im ganzen Universum. Zumindest in Graces Augen. Sie war achtzehn gewesen, als der gerade erst nach Heron’s Landing gezogene Jaime sie unter seinen Schirm gelassen und bis nach Hause gebracht hatte, weil unversehens ein Sommergewitter über sie hereingebrochen war. Erst als sie den Schutz der Veranda erreicht hatte und sich bei ihm bedanken wollte, stellte sie fest, dass ihm sein dunkles Haar klitschnass am Kopf klebte – er war vollkommen durchnässt, während sie unter seinem Schirm kaum einen Tropfen abbekommen hatte. Doch er hatte sich nur grinsend verabschiedet und war wieder hinaus ins Unwetter gegangen.
Seitdem liebte Grace ihn.
Fünf Jahre lang hatte sie ihn aus der Ferne angehimmelt. Bis zu jener Hochzeitsfeier, wo sie sich alles verdorben hatte, weil sie ihm ihre Gefühle gestanden hatte. Er hatte ihr gesagt, er sei nicht der richtige Mann für sie, und sie stehen lassen. Seitdem ging sie ihm aus dem Weg.
»Grace.«
Sie erstarrte. Jaimes Stimme war hinter ihr ertönt, und ihr erster Impuls war, so zu tun, als habe sie nichts gehört. Aber schon kamen Schritte näher, und ihr war klar, dass der Moment der Wahrheit gekommen war.
Also wandte sie sich zu ihm um, und das Herz drohte ihr aus der Brust zu bersten. Er trug wie immer Jeans und T-Shirt und für die Arbeit in der Küche eine Schürze um die Taille, die im Gegensatz zu denen seiner ihm unterstellten Köche vergleichsweise wenig Flecken aufwies. Sein Haar war etwas zu lang geworden und lockte sich leicht an den Spitzen. Seine dunklen Augen, die gewöhnlich schelmisch funkelten, betrachteten sie nun mit solch einem Unbehagen, dass Grace sofort ein schlechtes Gewissen bekam.
»Dein Bruder hat mir aufgetragen, dir zu sagen, dass er gerade noch eine Führung macht, aber bald hier sein wird. Oder aber du gibst mir, was immer du ihm bringen wolltest.« Jaime hörte sich normal an, nur bei »dein Bruder« schien seine Stimme ein wenig zu schrammen, als wären die Worte schwierig auszusprechen.
Grace wich zurück. Sie konnte nichts sagen, ihre Kehle war wie zugezogen. Sie klappte den Mund auf, aber es kam nichts heraus.
Jaime trat auf sie zu, doch sie wich weiter zurück, ohne sich dessen wirklich bewusst zu sein.
»Alles in Ordnung?«, fragte er ruhig.
Sie hätte beinahe gelacht. Nein. Mein Herz ist gebrochen, und ich bin eine dumme Kuh, aber das ist ja nichts Neues. Am liebsten hätte sie sich irgendwo verkrochen und wäre nie wieder hervorgekommen. Am liebsten hätte sie sich bei ihm entschuldigt. Am liebsten wäre sie in der Zeit zurückgegangen, um die Grace von vergangener Woche anzuweisen, die Klappe zu halten.
Unwillkürlich wich sie weiter zurück und weiter, bis sie mit der Ferse gegen die Wand stieß, nach hinten kippte und durchs offene Fenster ins Gebüsch darunter zu stürzen drohte.
Doch dazu kam es nicht. Jaime bewegte sich blitzartig, schlang einen Arm um ihre Taille und hielt sie fest, ehe sie tatsächlich ins Freie plumpste.
Er ließ sie nicht sofort wieder los – das war das Erste, was ihr auffiel. Das Zweite war, wie warm sich sein Arm um ihre Taille anfühlte. Und als Drittes erkannte sie ein so starkes Verlangen in seinem Blick, dass ihr ein Prickeln über die Haut lief.
Endlich kehrte ihre Stimme zurück. »Ich wollte es dir sagen«, flüsterte sie. »Ich … ich bin nur …«
Sein Blick glitt hungrig über ihr Gesicht, und sie spürte, wie er in ihrem Rücken die Faust ballte. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, als …
»Jaime«, fragte Adam, der den Empfangsbereich betrat. »Warum genau hältst du meine Schwester aus dem Fenster?«
Grace stieß einen kleinen Schrei aus. Jaime hievte sie mit einem Ruck hoch und ließ sie so schnell los, dass ihr schwindelig wurde. Hätte er sie beinahe geküsst? Doch sie musste es sich nur eingebildet haben; er blickte weg, als sei nichts geschehen.
Dann wurde ihr bewusst, dass sie Adams Frage nicht beantwortet hatten. Ihr Bruder verschränkte die Arme vor der Brust und blickte sie misstrauisch an.
»Ich wäre fast aus dem Fenster gefallen«, brach es aus Grace heraus. Als Adam eine Augenbraue hochzog, fügte sie hastig hinzu: »Ich habe nicht aufgepasst und bin gestolpert. Jaime hat mich festgehalten, das ist alles.«
Jaime schob die Hände in die Hosentaschen. »Jep. Ich wollte nur verhindern, dass sie im Gebüsch landet.«
»Aha«, machte Adam. Er blickte von einem zum anderen, und Grace spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg. Wusste er, dass sie sich Jaime auf der Feier neulich förmlich an den Hals geworfen hatte? Ihr Gesicht begann zu glühen, und sie senkte den Blick.
»Na gut. Ich bin jetzt wieder in meinem Büro. Jaime, bringst du mir die Menü-Vorschläge für nächste Woche, wenn du zwischendurch Zeit hast?« Adam ließ die Arme sinken, blickte aber immer noch zwischen ihnen hin und her.
»Klar. In spätestens einer Stunde hast du sie.«
Wenn Grace es nicht besser gewusst hätte, hätte sie gedacht, dass Jaimes Stimme sich gezwungen anhörte. Seine Schultern wirkten steif und angespannt, und er schien im Augenblick überall lieber zu sein – nur nicht in Gegenwart seines Chefs und Freundes Adam Danvers.
»Okay … bis dann. Pass auf dich auf, Grace.«
Als Adam gegangen war, seufzte Grace erleichtert. Ihr Bruder musste wirklich nicht erfahren, dass sie seinem Chefkoch ihre unsterbliche Liebe gestanden hatte.
»Ich muss mich jetzt an die Arbeit machen.« Ohne auf eine Reaktion zu warten, machte Jaime kehrt und steuerte steifbeinig, die Hände noch immer in den Hosentaschen, die Küche an. Und Grace blickte ihm nach und konnte nur daran denken, wie begehrlich er sie gerade angesehen hatte.
Wieder packte sie das schlechte Gewissen und mischte sich in die Sehnsucht, das Verlangen und die Liebe, die Grace Danvers’ Innenleben aufregender machte als ihren Alltag. Jaime war offensichtlich nicht glücklich mit dem, was zwischen ihnen geschehen war, und sie hatte es zu verantworten.
Grace konnte es nicht ausstehen, wenn man ihr böse war; ihre Familie nannte sie die »Königin der Entschuldigungen«, die auch dann eine hervorbrachte, wenn sie gar nicht notwendig war. Jetzt jedoch schien definitiv eine fällig zu sein; immerhin war sie diejenige gewesen, die die ungute Stimmung zwischen ihnen beiden verursacht hatte. Hätte sie den Mund gehalten, würde er sich jetzt nicht so unwohl fühlen.
Also folgte sie ihm in die Küche, wo er sich zu seinem Sous-Chef Eric O’Neill gesellt hatte. Ein paar Jungköche und Praktikanten eilten geschäftig hin und her, schlugen Eier auf, hackten Kräuter und versuchten Jaimes Zorn zu entgehen, wenn sie die Karotten versehentlich in Streifen statt in Würfel geschnitten hatten.
Jaime hatte sich den Ruf erarbeitet, sehr anspruchsvoll und unbarmherzig zu sein, aber niemand konnte bestreiten, dass er mitten in der Einöde Missouris ein echtes Juwel von Restaurant erschaffen hatte. Als er eingestellt worden war, hatte es sich um kaum mehr als ein Café gehandelt, doch Jaime hatte einen Vier-Sterne-Gourmettempel daraus gemacht, der in internationalen Fachmagazinen gelobt wurde und Prominenz aus Politik, Showgeschäft und Wirtschaft anzog.
»Eric!« Jaime hielt einen Teller mit Hähnchen, Spargelspitzen und Polenta hoch. »Hast du dir das Fleisch angesehen? Es ist definitiv nicht durchgegart.«
Eric, ein kleiner, recht farbloser Mann Mitte zwanzig, setzte eine störrische Miene auf und fuhr fort, Zwiebeln zu hacken. »Ich hab’s überprüft. Es ist durch.«
Jaime starrte ihn nur an. Dann stellte er den Teller mit einem entschiedenen Knall direkt auf Erics Hackbrett und zückte sein Messer. Er schnitt in das Filet, das im Kern deutlich rosa war.
Grace zog den Kopf ein.
»Sieht das für dich durchgegart aus? Nein? Schön, dann mach es noch mal, und diesmal richtig. Du bist mein Sous-Chef, nicht irgendein Lehrling. Ich erwarte mehr von dir.« Jaime starrte Eric abwartend an, doch der verzog nur erneut das Gesicht, ehe er sich zu einem knappen Nicken herabließ.
Alle Anwesenden hatten innegehalten und verstohlen zugesehen, aber als Jaime nun aufsah, beeilten sie sich, sich wieder um ihre jeweiligen Aufgaben zu kümmern. Grace hätte am liebsten selbst ein Messer zur Hand genommen, um beschäftigt zu wirken.
Sie hatte Jaime oft genug in River’s Bend erlebt, um zu wissen, dass er zwar Perfektionist war, aber auch fair. Er hatte anfangs viel Geduld mit Eric gehabt, doch die schien ihm angesichts vieler vermeidbarer Fehler und, wie Grace vermutete, der Faulheit seines Angestellten langsam auszugehen. Dummerweise hatte Adam Jaime ermahnt, den Sous-Chef nicht schon wieder zu feuern. Grace war jedoch nicht sicher, ob Eric es bis ins neue Jahr schaffen würde.
Jaime hatte Grace noch nicht bemerkt, und sie beobachtete, wie er in die Vorratskammer ging. Niemand achtete auf sie – sie fügte sich leicht ein und wurde hauptsächlich als kleine Schwester des Chefs wahrgenommen –, deshalb durchquerte sie die Küche, ohne dass jemand sie aufhielt.
Die Vorratskammer war gut gefüllt mit Gläsern, Tüten und Kartons voller Lebensmittel, makellos sauber und durchorganisiert. Nicht zum ersten Mal bewunderte Grace, nach welch klugem System alles streng sortiert und sofort griffbereit war. Der Küchenchef vor Jaime hatte sich kaum um den Raum gekümmert, weswegen sie öfter mit Kakerlaken zu tun gehabt hatten.
Während Jaime auf der Suche nach etwas über die Regale blickte, räusperte sich Grace. Jaime wandte den Kopf, und seine dunklen Augen weiteten sich.
»Grace.«
Wieder zog sich ihre Kehle zu, und ihr Herz schlug so fest, dass ihr schummrig zu werden drohte. Dass Jaime so verdammt gut aussah, machte es nicht einfacher. Sein dunkles Haar, die dunklen Augen, wie er das Messer zu Hand nahm und alles innerhalb von Sekunden zerkleinerte, wie er sich den Schweiß von der Stirn wischte und beim Sprechen das »R« rollte, so leicht, dass es kaum jemand merkte … Grace hatte es bemerkt.
Grace bemerkte alles, was ihn betraf.
Sie räusperte sich. »Ich wollte dir noch sagen, dass es mir leidtut.« Ihre Stimme klang viel zu hoch, piepsig fast, und sie errötete. »Es tut mir leid, wenn ich dich in eine unangenehme Situation gebracht habe.« Als er nichts sagte, fuhr sie hastig fort: »Ich meine, wenn ich etwas getan habe, das dir unangenehm war, denn das wollte ich nicht, bitte glaub mir. Ich habe an jenem Abend nicht klar gedacht, fürchte ich, auch wenn ich weiß, dass das keine Entschuldigung ist. Ich fand es nur wichtig, dass … dass du es weißt.«
Jaime starrte sie nur wortlos an, und Grace griff nervös nach ihrem Zopf. Es war eine zwanghafte Geste, und am liebsten hätte sie das Gummi abgezogen und ihr Haar neu geflochten, nur um ihre Hände zu beschäftigen. So aber zog sie nur die Enden auseinander, wohl wissend, dass das Ergebnis eher zerzaust sein würde.
Jaime blickte zur Decke und schob die Hände erneut in die Hosentaschen. »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen«, sagte er schroff. »Du bist aufrichtig gewesen, und das ehrt dich.«
Das war nicht besonders tröstlich, aber immerhin war er nicht sauer.
»Aber ich wollte dir auch noch sagen«, fuhr er fort, »dass ich es ernst gemeint habe. Zwischen uns kann nichts sein.« Der Blick seiner dunklen Augen begegnete ihrem, und ihr Herz setzte einen Schlag aus, als er hinzufügte: »Du und ich – das wäre eine Katastrophe, das weißt du, oder?«
Grace hätte beinahe laut gelacht – zumindest war es besser, als in Tränen auszubrechen. Das Lachhafte daran war doch, dass sie hergekommen war, um ihm genau dasselbe zu sagen: Sie hatte etwas initiiert, das keine gute Idee gewesen war. Aber aus seinem Mund zu hören, dass es einer Katastrophe gleichkäme? Das Wort durchfuhr sie wie ein Messer. Sie hatte gedacht – gehofft! – … aber nein! Natürlich nicht. Sie hätte es wissen müssen.
Sei nicht so naiv, Grace. Hast du wirklich geglaubt, dass er seine Meinung ändert?
Ihre Lippen zitterten. Sie versuchte zu lächeln, hatte aber das Gefühl, dass es ziemlich schief geriet. Sie spürte die aufsteigenden Tränen und biss sich auf die Wangeninnenseite, um überhaupt antworten zu können. »Gut, dann sind wir uns ja einig. Wir tun einfach so, als hätte ich nie etwas gesagt.« Ihre Stimme brach, und sie schloss den Mund.
Jaime sah sie prüfend an; vermutlich wusste er genau, dass sie mit den Tränen kämpfte. Er zog eine Hand aus der Hosentasche, streckte sie jedoch nicht nach ihr aus. Stattdessen zuckte er die Achseln. »Ich muss wieder an die Arbeit.«
Und so verließ Grace, die Arme um sich geschlungen, das Gut, und ließ auf dem Weg nach Hause ihren Tränen freien Lauf. Dies würde das letzte Mal sein, schwor sie sich, dass sie wegen Jaime weinte. Sie fühlte sich dumm und kindisch und war zutiefst verletzt, und weil ihr Verstand gern grausam war, beschwor er Bilder von Jaime herauf, der im Licht der Morgensonne besonders gut ausgesehen hatte, bis sie innerlich wund und angeschlagen war.
Als sie das Haus erreichte, in dem sie aufgewachsen war, wischte sie sich hastig übers Gesicht und hoffte wider besseres Wissen, dass sie in ihr Zimmer huschen konnte, ehe jemand sie bemerkte. Zur Not konnte sie behaupten, dass sie wegen der Kälte nach Hause gelaufen war und deshalb ein derart rotes Gesicht hatte.
Das Haus der Danvers’ war ein zweistöckiger Bau mit einer umlaufenden Veranda, der in den 1930ern gebaut worden war. Obwohl natürlich längst Zentralheizung und Klimaanlage installiert worden waren, war es im Winter oftmals zugig und im Sommer drückend. Graces Mutter Julia hatte die Fensterläden passend zum grauen Anstrich blau lackieren lassen, und draußen blühten dank des warmen Novemberwetters noch ein paar eingetopfte Petunien. In den Bäumen zwitscherten Vögel, als Grace eintrat, und der Holzboden unter ihren Füßen knarrte.
Sie hatte gehofft, dass ihre Eltern hinten auf der Terrasse saßen, doch natürlich musste ihre Mutter ausgerechnet in diesem Moment durch die Hintertür kommen.
»Oh, gut, da bist du wieder«, sagte Julia auf dem Weg in die helle Küche, um sich ein Glas Limonade einzuschenken. »Hast du Adam das Ladekabel vorbeigebracht?«
Grace fiel in sich zusammen. Das Kabel steckte noch in ihrer hinteren Hosentasche. »Nein, ich hab’s vergessen«, sagte sie zerknirscht. »Tut mir leid.«
»Du bist deswegen zu Fuß ganz bis zum Weingut gegangen, nur um es dann doch zu vergessen? Hast du denn wenigstens mit ihm über das Essen heute Abend gesprochen?« Als Grace stumm verneinte, seufzte Julia. »Wo hast du bloß deinen Kopf? Manchmal mache ich mir wirklich Sorgen um dich.« Sie stellte den Krug mit der Limonade wieder in den Kühlschrank zurück. In ihrer zartrosa Bluse und der dunklen Hose sah Graces Mutter wie immer aus wie aus einem Modekatalog entsprungen, obwohl sie nicht arbeiten ging und an den meisten Tagen zu Hause blieb. Aber Julia Danvers verzichtete niemals auf Stil, und Grace konnte sich nicht erinnern, ihre Mutter jemals in einer Hose mit Gummibund gesehen zu haben.
Grace setzte sich an den Esstisch. Ihr Kopf tat weh. Sehr weh. Julia ließ sich ihr gegenüber nieder und nippte an ihrer Limonade.
»Alles in Ordnung?«, fragte sie leise.
Grace war versucht, ihr alles zu erzählen, aber wie sollte sie ihrer Mutter gestehen, dass sie Jaime ihr Herz ausgeschüttet hatte, er aber nichts von ihr wissen wollte? Demütigender ging es doch gar nicht! Also stand sie auf, holte sich ebenfalls ein Glas Limonade und sagte mit einem Achselzucken: »Ich bin nur müde. Ich denke, ich mache vor meiner Schicht heute Abend noch ein Nickerchen.«
Julia legte beide Hände an ihr Glas und schwieg.
Doch als Grace die Treppe hinaufgehen wollte, hörte sie die Stimme ihrer Mutter erneut. »Du sagst mir, falls etwas nicht stimmt, nicht wahr?«
Grace war keine gute Lügnerin. Daher drehte sie sich nicht zu ihrer Mutter um, als sie antwortete. »Na klar, Mom.«
Oben sah sie aus dem Fenster, während sie ihre Limonade trank. Schließlich warf sie einen Blick auf ihre Malutensilien in der Ecke, die neben der Staffelei mit der leeren Leinwand warteten. Nachdem sie an der University of Missouri Kunst studiert hatte, war Grace nach Hause zurückgekehrt, weil sie nicht wusste, wie es weitergehen sollte. Seit sie klein war, liebte sie es zu malen und hatte für ihre Werke sogar eine Reihe von Preisen gewonnen. Doch seit ihrem Abschluss war sie wie ausgebrannt und nicht mehr in der Lage, etwas Gutes zu erschaffen. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass es für Künstler nicht gerade viele Verdienstmöglichkeiten gab.
Plötzlich entschlossen, etwas zu tun, stellte sie ihr Glas auf einen kleinen Tisch, setzte sich auf den Stuhl vor ihrer Staffelei und begann, Farben zu mischen. Sie neigte zu abstrakten Bildern mit verschiedenen Farbschichten, aus denen die Emotionen wie Tränen sickerten. Nachdem sie ihren Pinsel in Gelb getaucht hatte, führte sie ihn mit leichtem Strich über die Leinwand, ohne zu wissen, was sie malen wollte. Sie würde einfach abwarten, was daraus entstand.
Grace schichtete weitere Farben – Orange, Rot und Blau – übereinander, die auf der Leinwand zu verschwommenen Schemen ineinanderflossen und im dämmrigen Licht ihres Zimmers verblüffend hell wirkten, und nachdem ein, zwei Stunden verstrichen waren, stand sie auf, um ihr Werk zu begutachten.
Es sah … leblos aus. Uninspiriert. Es gab nicht mal eine besondere Gestalt oder Szene zu entdecken – es waren bloß Farben. Hingeschmierte, sinnlose Farben. Sie konnte es nicht ausstehen. Sie warf den Pinsel auf den Tisch und drehte die Leinwand um, damit sie sie nicht mehr ansehen musste. Ob ihre Eltern ausrasten würden, wenn sie ein Feuer im Kamin machte, um das Bild zu verbrennen?
Doch dann riss sie sich zusammen, schrubbte sich die Farbe von den Fingern, bis ihre Haut brannte, und machte sich für die Arbeit fertig.
Als Jaime Eric draußen beim Rauchen erwischte, obwohl er eigentlich alles für den Abendbetrieb vorbereiten sollte, musste er sich zurückhalten, um seinen Sous-Chef nicht vors Schienbein zu treten und ihn zum Packen zu schicken.
Um fair zu bleiben, musste er sich eingestehen, dass er nicht gerade bester Laune war. Das war er nicht mehr, seit er im Empfangsraum Grace entdeckt hatte, die ihm mit ihrem langen blonden Haar und den strahlenden Augen wie eine engelhafte Erscheinung vorkam, die ihn verfolgte – sofern Engel Menschen verfolgten. Sie hatte einen sahnigen Teint mit einem Hauch Sommersprossen auf der Nase, und er war ziemlich sicher, dass die Spitzen ihrer Wimpern blond waren. Nahm man ihren Schwanenhals, ihren Rosenknospenmund und ihr schönes Lächeln hinzu …
Jaime stöhnte. So ging das nicht. Er konnte sich nicht nach der kleinen Schwester seines Chefs verzehren, die zufällig auch noch sieben Jahre jünger war als er – er wollte kein Arschloch sein. Und dennoch hatte er ihr jetzt erst recht wehgetan, indem er ihr gesagt hatte, dass sie beide zusammen ein katastrophales Paar abgeben würden.
Er beschirmte seine Augen mit einer Hand und holte tief Luft. Er durfte seinen Frust an niemandem auslassen, nicht einmal an Eric, auch wenn der faule Hund es verdient hätte. Schließlich konnte niemand ahnen, dass er sich im Prinzip selbst ausgebremst hatte und nun mit den Folgen rang. Vielleicht brauchte er einfach nur ein bisschen Bettakrobatik.
Es war schon sechs Monate her, aber mit wem hätte er sich im winzigen Heron’s Landing schon verabreden können? Die Auswahl an verfügbaren Single-Frauen war mager, und Jaime war bereits mit zweien im Bett gewesen, was angesichts der geringen Einwohnerzahl nahezu exzessiv wirkte. Jedenfalls hatte er kein Bedürfnis, die Liste zu verlängern.
Und genau das verursachte seinen inneren Tumult: Er brauchte nur Sex. Es lag keinesfalls daran, dass er Grace Danvers begehrte; sie war ihm wie eine eigene kleine Schwester – er kannte sie immerhin schon, seit sie achtzehn war. Damals hatte sie mit großen Augen in eine hoffnungsvolle Zukunft auf dem College geblickt, wo sie all die Dinge tun würde, die man Anfang zwanzig eben so tat.
In gewisser Hinsicht neidete Jaime Grace diese Möglichkeit. Seine Eltern waren mit so gut wie nichts außer einem Stellenangebot der Washington University in St. Louis aus El Salvador eingewandert.
Sein Vater Fernando arbeitete inzwischen seit fast dreißig Jahren als Spezialist für die Kultur der Mayas an der Uni, während seine Mutter Ana schon genauso lange ein eigenes Schmuckgeschäft führte, von dem es bereits zwei Filialen gab. Sie waren die Verkörperung des amerikanischen Traums. Jaime war – für seine Eltern überraschend – nicht lange nach ihrer Ankunft in den USA zur Welt gekommen.
Jaime hatte sein ganzes Leben gearbeitet, erst im Laden seiner Mutter, dann in der Restaurantfachschule. Er bereute den eingeschlagenen Weg nicht, aber manchmal fragte er sich dennoch, wo er nun gewesen wäre, wenn er die Chance gehabt hätte, ein Studium anzufangen, sich umzusehen, herauszufinden, was das Leben zu bieten hatte, und es entspannt auf sich zukommen zu lassen.
Entspannung ist für Leute mit Geld, dachte er zynisch.
Eric hatte seine Zigarette zu Ende geraucht, warf sie nun zu Boden und machte kehrt, um ins Haus zurückzugehen. Jaime sah zähneknirschend zu.
Allein in diesem Jahr hatte er schon zwei Sous-Chefs gefeuert, und Adam hatte ihn bereits im Vorfeld gewarnt, diesen nicht auch wieder vor die Tür zu setzen. Im Vorstellungsgespräch hatte Eric einen kompetenten Eindruck gemacht, war aber zunehmend mürrischer und fauler geworden – wahrscheinlich weil ihm klar geworden war, dass ihm eigentlich nichts passieren konnte; selbst wenn er wieder entlassen worden wäre, hätte es ihm nicht an Einkommen gemangelt. Seine Familie war ausgesprochen wohlhabend – sein Vater war Senator! – und würde ihm wohl die Miete zahlen, wenn es nötig war.
Jaime hatte nichts gegen Leute, die mehr verdienten als er. So war das Leben eben, und er war zufrieden mit seinem Dasein. Anders lag der Fall bei Kerlen wie Eric, die sich zu schade waren, sich anzustrengen, und niemals wirklich die Konsequenzen ihrer Taten zu tragen hatten. Nein, Jaime war wahrlich kein Fan solcher Leute.
Aber nun war keine Zeit, länger darüber nachzudenken. Jaime folgte Eric hinein. Er hatte die Karte für die nächste Woche zusammengestellt und durfte nicht vergessen, noch mit Adam zu sprechen.
Adam, der gesehen hatte, wie Jaime seine Schwester aus dem Fenster gehalten hatte. Er zog innerlich den Kopf ein. Ahnte Adam, dass sein Restaurantleiter seiner Schwester einen Korb gegeben hatte? Falls ja, würde Jaime es bitter bereuen. Nicht, weil Adam gewollt hätte, dass die beiden zusammenkamen – nie und nimmer. Aber dass er der Grund für ihre Tränen gewesen war, würde Adam ganz und gar nicht gut aufnehmen. Der Mann neigte dazu, seine Schwester immer noch als kleines Mädchen zu betrachten, das man beschützen musste, und sollte Jaime, wenn auch unbeabsichtigt, etwas getan haben, womit er sie verletzt hatte …
Das spielt keine Rolle, denn es ist schon passiert. Außerdem habe ich das Richtige getan. Kein Grund, deswegen ein schlechtes Gewissen zu haben.
Jaime betrat Adams Büro, dessen Tür nicht verschlossen war, nur um seinen Chef und dessen Verlobte in inniger Umarmung vorzufinden. Joy hatte ihr lila Haar zu einer komplizierten Frisur gestylt, und die Ohrhänger klimperten, als sie lachte. Adam himmelte sie an, als sei sie der Nabel der Welt, und wenn es Jaime nicht so unangenehm gewesen wäre, die beiden so zusammen zu erleben, wäre er wohl neidisch gewesen.
»Oh, Jaime, da bist du ja.« Adam ließ Joy nicht los; stattdessen wandte sie sich in seinen Armen ebenfalls Jaime zu. »Hast du die Karte fertig?«
Jaime blickte weg, als Adam Joys Arm streichelte. Er freute sich für seinen Freund – wirklich. Nach Carolyns Tod war Adam in ein tiefes Loch gefallen, aus dem Joy ihn wieder hervorgeholt hatte, und alle waren heilfroh gewesen. Bis Adam beinahe alles verdorben hätte, doch zum Glück hatten die beiden wieder zusammengefunden.
Jaime legte die Karte auf Adams Schreibtisch. »Joy, schön, dich zu sehen. Gibt’s schon neue Storys, die deinen Verlobten auf die Palme bringen könnten?«
Joy lachte. »Bisher hatte ich kaum Zeit zu schreiben, aber hier oben gärt immer etwas.« Sie tippte sich an die Schläfe. »Und es ist ja nicht schwer, Adam zu ärgern.« Sie tätschelte die Brust ihres Verlobten. »Nicht wahr, Liebling?«
»Manchmal frage ich mich, warum ich mich überhaupt mit dir abgebe«, sagte Adam.
Sie grinste. »Möchtest du das sofort beantwortet haben?«
»Benimm dich.« Er wandte sich wieder Jaime zu. »Wie läuft’s? Macht Eric sich besser?«
Jaime schnitt ein Gesicht. »Darf ich ehrlich sein? Am liebsten würde ich den Kerl mit einem Tritt in den Fluss befördern.«
»Ich denke, das ist mein Stichwort zu gehen.« Joy reckte sich, um Adam auf die Wange zu küssen. »Sehen wir uns später?«
»Na klar. Tu nichts, was ich nicht auch tun würde.«
Joy winkte nur und verschwand.
Adam ging um seinen Tisch herum und setzte sich, und Jaime ließ sich ihm gegenüber nieder. »Was hat Eric denn jetzt wieder gemacht?«, fragte Adam.
»Nun ja, zum einen kann er absolut nicht kochen. Zweitens ist er faul. Drittens ist er ein verwöhnter Mistkerl. Ich könnte die Liste noch fortsetzen, aber lieber würde ich ihn rausschmeißen und jemanden suchen, der es wert ist.«
»Um anschließend auch den vierten Koch in diesem Jahr zu feuern? Ich sage das ja wirklich nicht gern, aber ich frage mich doch, ob du nicht deinen Teil dazu beiträgst.«
Jaime wusste, dass es so war … aber das war nicht das Problem. Er stellte hohe Anforderungen, während diese Bürschchen faul auf ihrem Hintern saßen und glaubten, dass sie nichts tun müssten, weil Mommy und Daddy sich ja immer um sie kümmern würden. Aber das sprach er nicht aus. Stattdessen sagte er maßvoll: »Ich weiß, dass ich als Chef streng bin. Aber sonst werden sie keine guten Köche.«
»Das sehe ich ein, und du leistet hervorragende Arbeit.« Adam rieb sich die Stirn. »Wir haben bloß im Augenblick etwas zu viel um die Ohren. Eric ist auch nicht mein Favorit in diesem Haus, aber könntest du vielleicht versuchen, es noch eine Weile mit ihm auszuhalten? Wenigstens bis ins neue Jahr? Wir haben noch vier Hochzeiten zu planen und müssen uns auf das Farm-to-Table-Event im April konzentrieren.«
Jaime hätte am liebsten keinen weiteren Moment mehr darauf verwandt, Eric zu verhätscheln, aber Adam war immer noch sein Chef. Daher nickte er knapp und murmelte etwas, das »Ich bemühe mich« nahekam.
Adam blickte auf seinen Monitor und klickte vermutlich auf eine E-Mail. Stirnrunzelnd überflog er sie und gab nachdenkliche Laute von sich.
Nachdem eine Weile nicht mehr passierte, fragte Jaime: »Teilst du mir mit, warum du deinen Computer angrunzt, oder möchtest du, dass ich euch zwei allein lasse?«
Adam schaute auf, als habe er Jaime inzwischen vergessen. »Oh, tut mir leid. Nur eine Kalkulation vom Buchprüfer. Die Zahlen stimmen nicht …« Er runzelte erneut die Stirn. »Sam muss versehentlich ein paar falsche Angaben gemacht haben. Aber das tut jetzt nichts zur Sache. Was hältst du von der Idee, Spitzenköche aus dem ganzen Staat für dieses Farm-to-table-Ding zu gewinnen?«
Jaime war froh, über etwas anderes reden zu können. Er nannte Adam die Namen renommierter Köche, die man einladen könnte, und schlug Themenschwerpunkte vor. Nach drei Jahren trauriger Ernten war River’s Bend ins Veranstaltungsgeschäft eingestiegen und hatte vor einer Woche die erste Hochzeit ausgerichtet. Es war eben jene Hochzeit gewesen, auf der Jaime der Schwester seines Chefs einen Korb gegeben hatte, obwohl er, wenn er ehrlich zu sich war, nichts lieber als genau das Gegenteil getan hätte.
Er schüttelte die Erinnerung ab. Er durfte sich nicht ablenken lassen. Er hatte ein Restaurant zu leiten, seinen Vorgesetzten zufriedenzustellen und seinen Sous-Chef am Leben zu lassen. Sich auf Grace Danvers einzulassen, wäre beruflicher Selbstmord gewesen.
Nachdem er sich von Adam verabschiedet hatte, kehrte Jaime in die Küche zurück, um sich um die Gerichte für den Abend zu kümmern. In diesem Monat herrschte traditionell weniger Betrieb; er ging daher von nicht allzu vielen Gästen aus. Dennoch sollte das Essen natürlich perfekt sein, und für Jaime spielte es auch keine Rolle, ob der Gast ein Senator oder ein ganz normaler Einwohner von Heron’s Landing war: Wann immer er etwas servierte, musste alles bis ins kleinste Detail stimmen.
Eric dagegen schien wild entschlossen, das genaue Gegenteil zu tun. Jaime erwischte ihn, wie er in der Küche auf seinem Handy Nachrichten tippte, statt sich mit den Vorbereitungen zu befassen. Später ließ er den Lachs zu lange in der Pfanne, und Jaime hätte ihm den Teller am liebsten ins Gesicht geschleudert. Ein dumpfer Schmerz setzte sich in seinem Kopf fest, und in diesem Moment wünschte er sich innig, sein eigener Chef zu sein, um rauszuwerfen, wen immer er rauswerfen wollte.
Theoretisch war es natürlich seine Entscheidung, aber Adam hatte ihn nun einmal gebeten, es noch eine Weile mit Eric zu probieren, also würde er es tun. Zumindest bis ins neue Jahr. Jaime stand ganz sicher nicht der Sinn danach, Adam noch mehr Probleme zu machen, solange das Weingut noch nicht aus den roten Zahlen heraus war.
Der Abend verstrich, und um Dampf abzulassen, ohne Schaden anzurichten, begann Jaime auf Spanisch vor sich hinzumurmeln und Eric mit Schimpfnamen zu bedenken, die der andere nicht verstand. Allerdings wusste jeder in der Küche, dass Jaime angefressen war, wenn er bei der Arbeit Spanisch sprach. Die Worte kamen in einem klangvollen Strom aus gerollten »Rs« und leicht gelispelten »Cs«, wie es typisch für El Salvador war und wie seine Eltern zu Hause sprachen.
Als es endlich Feierabend war, hatte Jaime beschlossen, dass eine Flasche Wein genau das war, was er heute noch brauchte. Manchmal hasste er Heron’s Landing – oder besser: Er hasste die Abgeschiedenheit und die geringe Größe des Orts –, während er sich zu anderen Gelegenheiten nirgendwo mehr zu Hause fühlte als hier. Es war ein seltsamer Gegensatz, den er noch nicht recht miteinander vereinbaren konnte. Er hatte Freunde hier – Adam vor allem –, fühlte sich aber oft wie der Ausländer, auch wenn er ebenso Amerikaner war wie sein Sous-Chef.
Und dann war da natürlich noch Grace. Grace! Im Stillen nannte er sie Graciela, und nun saß er auf seiner Couch, legte den Kopf zurück und seufzte. Graciela. Graciela, was soll ich nur mit dir machen?
Dabei musste er zugeben, dass sie ihm anfangs kaum aufgefallen war. Damals war sie so jung und schüchtern gewesen. Als er zum ersten Mal bei den Danvers’ zum Essen eingeladen gewesen war, hatte sie sich hinter ihrem langen Haar versteckt, ihren Namen herausgestottert und den Rest des Abends geschwiegen. Zu dem Zeitpunkt hatte Carolyn noch gelebt, und sie und Adam hatten das Gespräch mit Scherzen und Gelächter in Gang gehalten.
Selbst Carl Danvers, das Familienoberhaupt und damals noch Inhaber des Weinguts, war in guter Stimmung gewesen. Jaime hatte die Stelle als Küchenchef gerade erst angetreten und war voller neuer Ideen, wie man das Restaurant auf ein vollkommen neues Level heben konnte. Carl war skeptisch gewesen, doch Adam hatte ihn voll unterstützt.
Grace dagegen war während des Essens sehr still gewesen. Sie hatte den anderen zur zugehört und Schüsseln angereicht, wenn man sie darum gebeten hatte. Jaime, der neben ihr gesessen hatte, hatte versucht, sie ins Gespräch mit einzubeziehen, es aber irgendwann aufgegeben. Er war fünfundzwanzig und noch zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen, um eine scheue Achtzehnjährige, die klimpernde Armreifen und lange Röcke trug, aus ihrem Schneckenhaus zu locken.
Doch seitdem hatte sich einiges verändert. Nachdem Grace nach dem erfolgreichen Abschluss ihres Studiums nach Heron’s Landing zurückgekehrt war, war sie aufgeblüht. Oh, sie sah noch immer nicht viel älter aus als achtzehn und trug auch immer noch Zöpfe, doch sie war inzwischen zu einer Frau herangewachsen, die Jaime – verflucht sollte er sein! – durchaus bemerkt hatte.
Jaime schloss die Augen. Nie – nicht einmal in seinen kühnsten Träumen – hätte er gedacht, dass Grace auf ihn zukommen und ihm gestehen würde, was sie für ihn empfand. Er hatte gewusst, dass sie auf ihn stand – er hätte ein Narr sein müssen, das nicht zu bemerken –, aber er war immer davon ausgegangen, dass sie zu schüchtern war, um einen Vorstoß zu wagen. Als sie dann in diesem Kleid und mit den rot geschminkten Lippen zu ihm gekommen war und ihre makellose Haut im Schein der Lichter geschimmert hatte, war er verloren gewesen.
»Verdammt, ich bin wirklich ein Idiot«, murmelte er. Er nahm die Flasche und stellte sie wieder in den Kühlschrank. Er war nicht betrunken, aber beschwipst genug, um sentimental zu werden. Seit wann saß er zu Hause und weinte einer Frau nach, die er nicht haben konnte? Er musste nicht mehr alle Tassen im Schrank haben.
Als er sich gerade ins Bett begeben wollte, hörte er sein Telefon klingeln. Zu seiner Überraschung war es Adam. So spät rief er nie an. Plötzlich besorgt, nahm er den Anruf entgegen. »Was ist los?«
»Tut mir leid, dass ich jetzt noch störe«, antwortete Adam. Er klang weniger beunruhigt als angespannt. »Aber erinnerst du dich an die Kalkulation, die ich vorhin bekommen habe?«
Jaime hatte die E-Mail vollkommen vergessen. »Was ist damit?«
»Ich habe sie mir genauer angesehen, und es sieht so aus, als würde jemand auf dem Weingut Geld unterschlagen.«
Jaime setzte sich hin. Jemand sollte River’s Bend bestehlen? Er konnte es nicht glauben. »Woher weißt du das? Und hast du eine Ahnung, wer das sein könnte? Herrgott, Adam, das können wir wirklich nicht gebrauchen.« Seine Gedanken begannen zu rasen. Was bedeutete das? Sie steckten tief in den roten Zahlen. Weitere Verluste konnten das Aus bedeuten.
»Es ist nicht gänzlich schlüssig. Aber es gibt Spuren, auf die Sam mich hingewiesen hat. Wir holen uns morgen einen Detective ins Haus, der für uns ermitteln wird.« Adam machte eine Pause, und Jaime sah vor sich, wie sein Freund die Kiefer zusammenpresste.
»Aber hast du eine Ahnung, wer es sein könnte?« Jaime ging im Geist die Leute durch, die auf dem Gut arbeiteten: Kerry, Adams Assistentin, Chris, der Verwalter, Leah, die die Weinseminare abhielt. Würde einer von ihnen so etwas tun? Jaime konnte es sich nicht vorstellen.