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Selig schließt Marion die Augen und spürt Wolfgangs Lippen, die zärtlich ihr Gesicht liebkosen. Seine Küsse geben ihr all das, was sie bisher nur erahnt, aber nie erfahren hat - erfüllen ihre Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit. Nichts wünscht sie sich in diesem Moment mehr, als dass Wolfgang sie für immer festhält und beschützt.
Doch es dauert nicht lange, bis Marion aus ihrem Traum erwacht. Es kann für sie kein neues Glück geben, nie mehr! Sobald Wolfgang alles von ihr weiß, wird er sie fallen lassen ...
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Seitenzahl: 112
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Jung, hübsch und geschieden
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: riopatuca / shutterstock
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7325-9874-8
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Jung, hübsch und geschieden
Warum Marion nicht mehr an Liebe und Glück glauben konnte
Von Carolin Ried
Selig schließt Marion die Augen und spürt Wolfgangs Lippen, die zärtlich ihr Gesicht liebkosen. Seine Küsse geben ihr all das, was sie bisher nur erahnt, aber nie erfahren hat – erfüllen ihre Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit. Nichts wünscht sie sich in diesem Moment mehr, als dass Wolfgang sie für immer festhält und beschützt.
Doch es dauert nicht lange, bis Marion aus ihrem Traum erwacht. Es kann für sie kein neues Glück geben, nie mehr! Sobald Wolfgang alles von ihr weiß, wird er sie fallen lassen ...
Auf der schmalen, kurvenreichen Straße kroch ein Wagen im Schneckentempo dahin. Ärgerliches Hupen, bezeichnende Gesten zur Stirn und verständnisloses Kopfschütteln anderer Autofahrer waren die Quittung dafür.
Aber die junge Frau am Steuer des Wagens kümmerte das wenig. Sie hatte Zeit, und solange sie niemanden direkt behinderte, wollte sie die Fahrt genießen. Das Seitenfenster war geöffnet. Heuduft und harzige Waldluft strömten herein.
Marion Burger sog sie tief und behaglich in ihre großstadtverstaubten Lungen. Sie warf das lange dunkle Haar in den Nacken und lächelte.
Urlaub! Welch ein Zauberwort! Unwillkürlich sprach sie es leise vor sich hin.
Sechs herrliche Wochen lagen vor ihr. Sechs Wochen ohne Stau, Straßenlärm und Stress, ohne frühes Aufstehen und hastig getrunkenen Kaffee. Dafür aber mit Kuhglockengeläut und gemütlichem Frühstück, mit Faulenzen und Sonnenbaden, mit Bergen, Wald, Wiesen und allem, was es daheim in München nicht gab.
Kleine malerische Dörfer mit Ziegeldächern und spitzen Kirchtürmen zogen vorbei. Auf saftigen Wiesen grasten braune Rinder. Die Gipfel des Dürrnbach- und des Sonntagshorns rückten näher. Ein Straßenschild kam in Sicht: Waldenstein, sechs Kilometer.
Waldenstein war der kleine Ort, in dem eine Frau Zirninger gemütliche Zimmer mit Frühstück an Feriengäste vermietete. Bei ihr hatte Marion für sechs Wochen gebucht.
Die Straße durchschnitt ein kleines Tal und stieg auf der anderen Seite wieder leicht bergan. Waldenstein war erreicht, eine Ortschaft bestehend aus einer einzigen Straße und mehreren verstreuten Bauerngehöften. Ein Traktor kam Marion entgegengezuckelt. Sie stoppte und gab dem Fahrer ein Zeichen. Er hielt an.
Marion legte die Hände trichterförmig an den Mund, um das Motorengeräusch zu übertönen.
„Entschuldigen Sie, wo liegt denn die Pension Zirninger?“
„Die was?“ Der Mann auf dem Traktor zog erstaunt die starken, kühn geschwungenen Brauen hoch. Helle Augen leuchteten in einem gebräunten, markanten Gesicht, in das der Fahrtwind einige blonde Haarsträhnen geweht hatte. Ein bemerkenswerter Mann, aber wohl etwas schwer von Begriff!
„Zirninger“, wiederholte Marion.
„Ach so!“ Jetzt blitzte es verstehend auf in den hellen Augen. Der Mann wies mit dem Daumen über die Schulter. „Immer geradeaus die Straße entlang, das letzte Haus auf der rechten Seite.“
„Vielen Dank.“ Marion neigte lächelnd den Kopf und gab wieder Gas.
Auch der Traktor setzte seine Fahrt fort.
Marion kam es nicht zu Bewusstsein, dass das Lächeln, das sie dem Fahrer zum Dank geschenkt hatte, noch immer auf ihren Lippen lag, auch dann noch, als sie das letzte Haus auf der rechten Straßenseite erreicht hatte.
Aber plötzlich erstarb es jäh, dieses versonnene Lächeln. Sie musste sich geirrt haben, oder der Traktorfahrer hatte ihr eine falsche Auskunft gegeben.
Marion stand vor einer offenen Toreinfahrt, durch die sie auf einen kopfsteingepflasterten Hof blicken konnte. Auf einem großen Misthaufen pickten weiße und bunte Hühner. Eine Schubkarre, mit Gras gefüllt, stand neben einem umgestülpten Wasserkübel.
Ein großer brauner Hund unbestimmter Rasse kam aus seiner Hütte gekrochen, stellte die Ohren auf und äugte misstrauisch zu Marion herüber.
Lieber Himmel, wo war der Garten mit den Liegestühlen und Sonnenschirmen für die Pensionsgäste? Vielleicht hinter dem Haus? Und dieses Haus sollte die Pension der Frau Terese Zirninger sein? Dieses kleine, bescheidene Häuserl mit dem leicht bröckelnden Fassadenputz, dem niedrigen Dach und den winzigen Fenstern? Unmöglich!
Marion stellte den Motor ab und stieg aus. Sie musste an der falschen Adresse sein. Aber die Bewohner dieses kleinen Gehöfts hier konnten ihr vielleicht besser Bescheid geben als der Traktorfahrer.
Sie ging durch das Hoftor. Der Hund hatte etwas dagegen. Wütend begann er zu kläffen.
Aus der Haustür trat ein junger Mann im blauen Overall.
„Bist gleich stad, du damischer Hund!“, rief er, worauf der Hund verstummte.
Marion ging auf den jungen Mann zu.
„Grüß Gott. Entschuldigen Sie bitte. Ich suche die Pension Zirninger.“
„Die was?“
Mei, das hatte sie doch vor ein paar Minuten schon einmal gehört.
„Die Pension Zirninger“, wiederholte sie geduldig und blickte fragend in zwei hellbraune Augen, die sie fassungslos anstarrten.
„Zirninger, das bin ich, aber Pension?“ Der junge Mann zuckte die Schultern. „Das muss ein Irrtum sein, eine Verwechslung. Eine Pension Zirninger gibt’s in ganz Waldenstein net!“
„Ja, aber …“ Marion fühlte ein Kribbeln in den Fingerspitzen. „Ich habe doch mit Frau Zirninger korrespondiert.“ Sie öffnete ihre Handtasche und zog einen Briefumschlag hervor. „Hier bitte, der Absender lautet Terese Zirninger, Waldenstein vierzehn. Frau Zirninger hatte ein Zeitungsinserat aufgegeben und …“
„Jessas, Maria und Josef! Darf ich das mal sehen?“
„Bitte.“ Marion reichte dem jungen Mann den Umschlag.
Er starrte auf den Absender und verdrehte die Augen.
„Kruzitürken – Tante Terese! Das sieht ihr ähnlich!“
„Wie bitte?“ Marion wich unwillkürlich einen Schritt zurück. Hatte sie hier einen Verrückten vor sich?
Dass der junge Mann keinesfalls verrückt war, sollte er gleich beweisen. Anscheinend hatte er sich wieder gefangen.
„Sie haben also ein Zimmer bei einer Frau Terese Zirninger bestellt?“, stellte er sachlich fest. „Wann war denn das? Wann hat sie Ihnen denn geantwortet?“
„Vor etwa vierzehn Tagen. Aber ich verstehe nicht …“
„Ich schon, ich schon!“ Der junge Mann nickte grimmig vor sich hin. Dann betrachtete er Marion von Kopf bis Fuß. „Und jetzt sind Sie da mit Sack und Pack, gell, und wollen Ihr gemütliches Zimmer mit Frühstück beziehen, gell? Oh mei, da hat sie mir einen narrischen Streich gespielt!“
„Ja, wer denn, um Gottes willen? Wovon reden Sie denn?“ Marion stand wie auf Kohlen. Sie fühlte, dass irgendetwas Entsetzliches auf sie zukam.
„Wovon ich rede? Von meiner Tante Terese natürlich, von der Frau Terese Zirninger!“ Der Hausherr schien die letzten Worte zwischen den Zähnen zermalmen zu wollen. „Aber kommen Sie erst einmal ins Haus. Das Problem müssen wir lösen!“
Er fasste Marion am Arm und dirigierte sie über den Hof.
Wie eine willenlose Puppe gehorchte sie. Großer Gott, was sollte das nur alles bedeuten?
Der Mann führte sie durch einen dämmrigen Flur in eine Wohnstube, in der dringend einmal hätte aufgeräumt werden müssen. Auf einem dunkelroten Plüschsofa aus der Zeit der Jahrhundertwende tummelten sich Kleidungsstücke. Bücher türmten sich auf einem Eichentisch neben gebrauchtem Geschirr, und auf einer alten messingbeschlagenen Truhe fristete ein überquellender Aschenbecher sein Dasein.
Der Hausherr raffte die Kleidungsstücke auf dem Sofa zusammen und warf sie über eine Stuhllehne.
„Bitte, nehmen Sie doch Platz. Ich glaube, ich muss Ihnen was ganz Böses sagen!“
Ja, das glaubte Marion auch. Zögernd setzte sie sich auf das Sofa.
Der Mann blieb stehen.
„Ich heiße Axel Zirninger und bin der Neffe von der Frau Terese Zirninger.“ Wieder quetschte er diesen Namen auf höchst merkwürdige Weise hervor. „Ich hatte meiner Tante erlaubt, hier im Haus im ersten Stock ein paar Zimmer an Feriengäste zu vermieten, damit sie eine kleine Nebeneinnahme bekam. Sie wohnte bei mir und hat mir den Haushalt geführt!“
„Und jetzt wohnt sie nicht mehr hier?“
„Nein, eben net.“
Axel Zirninger fuhr sich mit vier Fingern durch sein dichtes dunkelblondes Haar. Diese Geste wirkte rührend. Der ganze junge Mann wirkte irgendwie rührend. Marion registrierte es ganz nebenbei.
„Tante Terese und ich“, fuhr er fort, „haben vor ungefähr einer Woche einen Mordskrach gehabt miteinander, und da ist sie mit ihrem ganzen Kram zu ihrer Schwester nach Nürnberg gezogen. Dass sie noch einen Feriengast erwartet hat, hab ich net gewusst. Vielleicht hat sie auch vergessen, mir das zu sagen, oder sie wollte mir noch eins auswischen. Tja …“
***
Auf der Suche nach einer Unterkunft fuhr Marion durch die Gegend, seit zwei Stunden bereits. In sämtlichen das Dorf Waldenstein umgebenden Ortschaften hatte sie schon Pensionen und Hotels abgeklappert, vergebens. Höfliches Bedauern, freundliches Kopfschütteln, alles war überbelegt.
Natürlich! Sie hätte es sich denken können, jetzt mitten in der Hochsaison, in dieser Gegend! Axel Zirninger hatte es ihr gleich gesagt. Aber sie hatte ihr Glück wenigstens versuchen wollen. Was nun? Zurück zu der „Pension“ der Frau Terese Zirninger?
Treuherzig hatte ihr deren Neffe angeboten, ihr jeden Morgen den Kaffee zu kochen, das Frühstücksei zu servieren und ihr die Betten zu richten. Überhaupt war er ein sehr freundlicher Mann, der Axel Zirninger! Aber konnte sie denn die sechs Wochen Urlaub bei ihm in seinem Haus verbringen?
Eigentlich blieb ihr jetzt gar nichts anderes übrig, wenn sie es nicht vorzog, einfach wieder heimzufahren nach München. Dann hätte sie in aller Schnelle von dort wieder etwas anderes buchen müssen. Kostbare Urlaubszeit wäre damit verloren gegangen, und wer weiß, ob sie überhaupt noch etwas nach ihrem Geschmack und Wunsch gefunden hätte.
Und warum eigentlich nicht den Urlaub bei Axel Zirninger verbringen? Weil er Junggeselle war und allein lebte? Lächerlich. Man befand sich schließlich nicht mehr im Mittelalter. Den Eindruck eines Wüstlings machte er jedenfalls nicht.
Auf sein Drängen hatte sich Marion die beiden Zimmer im ersten Stock zeigen lassen. Sie waren gemütlich und ordentlich, wenn man da nur ein bisserl lüftete und Staub wischte.
Marion wendete den Wagen auf einem Parkplatz und hatte die Straße nach Waldenstein bald wieder erreicht.
Immer noch stand das Tor vom Zirninger-Hof offen, als sie ankam, und wieder begann der Hund lauthals zu bellen.
Axel erschien wieder auf dem Hof.
„Ich hab es Ihnen ja gleich gesagt“, triumphierte er. „Nirgends ist ein Zimmer mehr frei, gell? Gehen Sie nur schon ins Haus. Ihr Gepäck bringe ich dann nach. Suchen Sie sich das Zimmer aus, das Ihnen gefällt.“
Marion entschied sich für das Zimmer nach hinten heraus, das einen hübschen Ausblick auf die Berge gewährte. Es hatte ein großes Waschbecken mit Warmwasserboiler und darüber einen Spiegel. Ganz primitiv war es also hier nicht!
Die junge Frau betrachtete ihr Spiegelbild. Ein schmales, leicht erhitztes Gesicht blickte ihr entgegen mit großen dunklen Augen, einer zierlichen Nase und einem weich geschwungenem Mund. Die langen schwarzen Locken waren ein bisserl in Unordnung geraten.
Marion wusch sich Gesicht und Hände und ordnete ihre Frisur.
Dann klopfte es. Axel brachte das Gepäck herein.
„Sie müssen doch einen Mordshunger haben, nicht wahr?“
Ja, jetzt, als es ausgesprochen wurde, spürte Marion tatsächlich großen Appetit.
„Gibt es hier einen Gasthof am Ort?“
„Freilich. ‚Zum schwarzen Ross’ heißt er, aber ich hätte einen anderen Vorschlag. Grad hab ich eine Brotzeit gerichtet: Wurst, Schinken, Schwarzgeräuchertes – alles eigene Erzeugnisse – und dazu vielleicht ein Bier?“
„Das kann ich doch nicht annehmen.“
„Freilich können Sie das annehmen. Kommen Sie nur in die Küche.“ Axel wartete keinen weiteren Protest ab und verließ das Zimmer.
Marion stand einen Moment unschlüssig da. Schwarzgeräuchertes, Wurst und Bier? Es klang äußerst verlockend. Und dieser freundliche Mann hatte das alles schon hergerichtet. Sie überlegte nicht länger.
In der Küche, die zu ebener Erde lag, sah es ebenso unaufgeräumt aus wie im Wohnzimmer, das sie vorhin schon kennengelernt hatte. Auf dem großen Herd standen gebrauchte Töpfe, und schmutziges Geschirr zierte die alte Kredenz. Hier bräuchten aber nur weibliche Hände ein paar Stunden aufzuräumen, dann sah alles ganz anders aus.
„Riecht ja sehr appetitlich“, stellte Marion fest, als sie sich an den Tisch setzte. Er war beladen mit Tellern voller Brotschnitten, Butter, Schinken, Wurst und Schwarzgeräuchertem.
Während des Essens entspann sich eine lebhafte Unterhaltung.
„Sie kommen also aus München?“, stellte Axel fest. „Ich hab’s an Ihrem Autokennzeichen gesehen.“
„Ja, aus München. Aber da wohne ich erst seit meiner Verheiratung.“
„Jessas!“, staunte er. „Verheiratet sind Sie schon? Und ich hab gedacht, Sie wären noch ein ganz junges Dirndl von neunzehn oder so.“
„Sechsundzwanzig und schon nicht mehr verheiratet, sondern seit drei Jahren geschieden.“
„Ach so. Und wo haben Sie denn gewohnt, bevor Sie nach München gegangen sind? Mei, das ist eine neugierige Frage, gell?“
„Durchaus nicht. Ich bin in der Gegend von Traunstein geboren und aufgewachsen. Meine Eltern hatten dort einen kleinen Bauernhof. Nachdem mein Vater gestorben war, hat meine Mutter den Hof verkauft und ist zu mir nach München gezogen.“
„Ach so“, wiederholte Axel. „Und hatten Sie net manchmal Heimweh nach den Bergen?“
„Und wie! Deshalb wollte ich ja auch meinen Urlaub wieder einmal in den Bergen verbringen und habe auf das Inserat Ihrer Tante geschrieben. Es ist mein erster Urlaub nach Jahren!“
„Der erste Urlaub nach Jahren und dann gleich so ein Pech mit der Pension Zirninger!“ Axel betonte diese beiden Worte mit grimmigem Spott. „Aber langen Sie doch zu! Sie essen ja wie ein Spatzerl. Möchten Sie noch ein Stückerl vom Geräucherten?“
„Vielen Dank. Tja, also Pension Zirninger! Das ist eigentlich meine Schuld!“
„Was denn? Dass ich gar keine Pension hab?“
„Ja, so ungefähr. In dem Inserat, das Ihre Tante aufgegeben hatte, stand nämlich überhaupt nichts von einer Pension, sondern nur etwas von gemütlichen Ferienzimmern mit Frühstück. Und da hatte es sich bei mir im Kopf irgendwie festgesetzt, dass es sich dabei um Zimmer in einer Pension handelte. Zumindest dachte ich …“