1,99 €
»Du weißt genau, dass ich von Fabian net mehr lass’, Vater!«, hört Mutter Lachner ihre Tochter erregt sagen. Atemlos lauscht sie dem Streitgespräch zwischen Vater und Kind.
»Willst du damit sagen, dass es dir mit dem Hungerleider wirklich ernst ist? Willst du dein Erbe für diesen Mann aufgeben?«, fragt der Vater drohend.
»Ja, Vater«, antwortet das Madl fest. »Wir werden heiraten.«
Ja, so ist es immer mit den beiden, denkt die heimliche Lauscherin. Jeder will seinen Dickschädel durchsetzen, keiner mag nachgeben. Aber ich lass’ mir meine Familie net durch diese unglückselige Liebe zerstören. Ich muss Rosi zur Vernunft bringen.
Doch die Lachner-Bäuerin kann diesen Vorsatz nicht mehr in die Tat umsetzen, denn am nächsten Morgen hat Rosi schon den elterlichen Hof verlassen ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 107
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Ein Unglück machte sie zur Magd
Vorschau
Impressum
Ein Unglück machte sie zur Magd
Ein wunderbarer Heimatroman über Lebensträume, Liebe und Neuanfänge
Von Christa Riedling
»Du weißt genau, dass ich vom Fabian net mehr lass', Vater!«, hört Fanni Lachner ihre Tochter erregt sagen. Atemlos lauscht sie dem Streitgespräch zwischen Vater und Kind.
»Willst du damit sagen, dass es dir mit dem Hungerleider wirklich ernst ist? Willst du dein Erbe für diesen Mann aufgeben?«, fragt der Vater drohend.
»Ja, Vater«, antwortet das Madl mit fester Stimme. »Wir werden schon bald heiraten.«
Ja, so ist es immer mit den beiden, denkt die heimliche Lauscherin. Jeder will seinen Dickschädel durchsetzen, keiner mag nachgeben. Aber ich lass' mir meine Familie net durch diese unglückselige Liebe zerstören. Ich muss die Rosi zur Vernunft bringen.
Doch die Lachner-Bäuerin kann diesen Vorsatz nicht mehr in die Tat umsetzen, denn am nächsten Morgen hat Rosi heimlich den elterlichen Hof verlassen ...
»Wie lange willst du denn noch malen, Fabian?«, fragte das Madl, das ausgestreckt im hohen Gras neben der Staffelei lag.
»Nicht mehr lange, Rosi«, antwortete er. »Ich will nur das schöne Licht noch ausnutzen. Langweilst du dich schon?« Er warf ihr einen schnellen Blick zu.
»Wenn ich bei dir bin, langweile ich mich nie«, kam es verhalten zurück. »Ich könnt' dir stundenlang bei deiner Malerei zuschauen, das weißt du doch, Fabian.«
In den dunklen Augen des Mannes blitzte es zärtlich auf. Er spitzte die Lippen und deutete ein Busserl an. Dann wandte er sich wieder seiner Arbeit zu. Auf seiner Leinwand entstand naturgetreu das gegenüberliegende Bergmassiv.
Rosalie Lachner interessierte weniger das Bild, sie betrachtete vielmehr den Mann mit dem sehnigen Körper, dem schmalen, ausdrucksvollen Gesicht und dem pechschwarzen Haar. Ihr Herz war auf einmal von dunkler Sehnsucht erfüllt. Sie malte sich aus, wie es wäre, wenn er sie jetzt in seine Arme nähme ...
Verträumt schloss sie die Augen. Sie wusste nicht, wie lange sie so gelegen hatte, als plötzlich zart ein Atem über ihre Wange strich und sich im nächsten Moment zwei feste Lippen auf ihren Mund pressten. Ein wohliger Schauer durchrann den Mädchenkörper. Wie von selbst hoben sich Rosalies Arme und legten sich um den Nacken des Mannes.
Die Sonne versank; am Waldesrand zeigte sich ein Rudel Rehe – die beiden Liebenden sahen es nicht. Sie hielten sich umschlungen und flüsterten sich zärtlich Worte zu.
»Wenn nur nicht immer die Angst in mir wär', dass ich dich eines Tages lassen müsst', Rosi«, gestand Fabian.
Rosalie schmiegte sich fester an ihn.
»Du darfst mich net verlassen, Fabian«, sagte sie bang. »Ich kann ohne dich net leben. Ich hab' dich doch so lieb.«
»Aber wer bin ich denn schon – ein unbekannter Maler. Was meinst du, was dein Vater sagt, wenn du ihm gestehst, dass du mich gar so lieb hast?«, murmelte Fabian.
Ein Schatten huschte über Rosalies schönes Gesicht. Sie schluckte krampfhaft. Dann stieß sie wie im Trotz hervor: »Mein Vater hat mir nix mehr zu sagen. Ich bin ja volljährig.«
»Geh, Rosi, wenn dein Vater energisch wird, dann wagst du dich auch net aufzulehnen. Sicherlich hast du daheim meinetwegen schon Ärger genug gehabt.«
Freilich – der Vater rechnete damit, dass sie eines Tages den Poldi heiraten und als Bäuerin auf dem Moserhof einziehen würde.
Rosalie ahnte nicht, dass ausgerechnet in dieser Stunde der Vater mit dem Poldi zusammentraf. Immer schon hatte der Lachner-Gregor eine besondere Vorliebe für den Poldi gezeigt. Auch jetzt begrüßte er den Jungbauern herzlich.
»Du warst lange net mehr bei uns, Poldi«, meinte er, nachdem sie sich schon eine Weile unterhalten hatten. »Warum schaust du net mal öfters herein?«
»Wann wäre es denn recht?«, wollte der Poldi wissen, dem die Freude über die Worte des Nachbarn aus den Augen leuchtete.
»Komm doch am Samstagabend«, schlug der Lachner vor.
»Wird der Toni auch da sein?«, erkundigte sich der Poldi nach dem Sohn des Lachner-Gregor, der zurzeit die Landwirtschaftliche Hochschule besuchte.
»Nein, der Toni nicht, aber die Rosi«, antwortete der Lachner.
Mit langen Schritten strebte der Lachner auf seinen Hof zu, nachdem er sich vom Poldi verabschiedet hatte. Die Dämmerung war inzwischen hereingebrochen. Der Bauer schaltete sofort das Licht an, als er in die Stube trat.
Die Bäuerin saß am Fenster, hatte die Hände im Schoß gefaltet und blickte sich nun nach dem Mann um.
Der Lachner rieb sich die Hände und verkündete: »Am Samstag kommt der Poldi zu uns, so um acht herum. Du hast doch nix dagegen, Fanni?«
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich hoff' nur, dass die Rosi sich für den Abend noch nix vorgenommen hat.«
»Dann soll sie das eben verschieben«, polterte der Bauer. »Wo steckt das Dirndl überhaupt?«
Verlegen erwiderte die Bäuerin: »Sie hatte für heute Nachmittag eine Verabredung.«
»Etwa mit diesem Maler?«, fragte der Bauer scharf. »Das sehe ich nicht gern, Fanni. Warum hast du ihr das erlaubt?«
Ein Seufzer kam von den Lippen der Bäuerin.
»Als ob du einem Madl von einundzwanzig Jahren etwas strikt untersagen könntest, Gregor. Dann geht sie erst recht. Rosi ist nun eine erwachsene Frau.«
»Schmarren! Lass sie nur kommen. Ich werd' ihr schon sagen, was ich von diesem Umgang halte. So ein Habenichts! Tät' dem so passen, sich hier ins warme Nest zu setzen ...«
Der Bauer musste noch lange warten, ehe er seinem Ärger Luft machen konnte. Dafür fuhr er Rosi aber auch sofort unwirsch an, als sie die Stube betrat.
»Warst etwa bis jetzt mit diesem Maler zusammen?«
»Na und?« Rosi sah ihren Vater furchtlos an.
»Möcht' wissen, was du an dem findest. Dir gefallen wohl seine gedrechselten Reden?«
»Fabian redet nicht gedrechselt«, verteidigte Rosalie ihren Freund. Ihr schönes Gesicht, das von nussbraunen, welligen Haaren umgeben war, bekam nun einen abweisenden Ausdruck.
»Jedenfalls hab' ich dir oft gesagt, wie ungern ich es seh', dass du dich mit diesem Fremden abgibst«, polterte der Lachner.
»Ich rede dir auch nicht hinein, wenn du mit deinen Freunden zusammen bist, Vater«, verwahrte sich Rosalie.
»Was ist der Maler denn schon für ein Freund?«, höhnte der Lachner. »Ich will net, dass du weiter mit ihm verkehrst, Rosi!«
»Das kannst du mir nicht verbieten, Vater!«
»Nun hör schon auf«, mischte sich die Mutter ein. Sie war aufgestanden und stellte sich zwischen die Streitenden. Mit einem lieben Lächeln auf den Lippen fragte sie die Tochter: »Möchtest du noch ein bisserl was essen, Kind?«
»Nein, danke, Mutter. Ich geh' jetzt schlafen. Gute Nacht!«
Rosalie wandte sich ab und verließ die Stube.
***
Am nächsten Tag versuchte die Bäuerin, vernünftig mit der Tochter zu reden.
»Bleib am Samstagabend hier, Rosi«, bat sie. »Tu's mir zuliebe.«
Rosalie schüttelte den Kopf.
»Das kann ich net, Mutter. Wir sind mit Fabians Freunden aus München verabredet. Sie kommen extra her. Soll ich sie alle so enttäuschen?«
Die Lachnerin sah ein, dass sie die Tochter nicht überreden konnte. Voller Sorge dachte sie an den Samstag. Sie wusste, wie sehr ihr Mann insgeheim wünschte, dass Rosalie sich für Poldi entscheiden würde.
Der Moserhof war ein stattliches Anwesen. Dort Bäuerin zu werden, war eine Ehre. Und der Poldi hatte seit Langem schon das Sagen auf dem elterlichen Hof, weil sein Vater sich aufs Altenteil zurückgezogen hatte, nachdem die Mutter gestorben war. Rosalie würde dort also dann niemand hineinreden.
Doch wenn die Rosi sich für den Maler entscheiden sollte, dann würde sie das Heimatdorf ganz verlassen. Das war auch der Lachnerin nicht recht. Sie wäre ebenfalls froh, wenn das Dirndl von dem Fremden lassen würde. Aber mit Schimpfen war da nichts auszurichten, das wusste sie.
So kam das Wochenende heran. Am Samstagabend erschien der Moser-Poldi mit einer Flasche im Arm und einem Blumenstrauß in der Hand.
Leutselig begrüßte ihn der Lachner-Gregor. Dann wandte er sich an seine Frau: »Wo steckt die Rosi denn?«
»Rosi hatte doch für heute die Verabredung«, entgegnete die Lachnerin.
Der Bauer, der angenommen hatte, seine Tochter befände sich noch in ihrem Zimmer, fragte mit grollender Stimme:
»Was für eine Verabredung?«
»Mit dem Pollinger und seinen Freunden aus München«, kam es kleinlaut zurück.
»Kruzitürken!«, brauste der Bauer zornig auf. »Hab' ich nicht gesagt, dass ich Rosis Umgang mit diesen Leuten nicht wünsche?« Er schaute seine Frau erbittert an.
»Ich kann das Madl net anbinden«, murmelte die Lachnerin.
Danach wandte sie sich an den Gast und bat ihn in die Stube. Der Lachner schluckte seinen Ärger hinunter und kam rasch auf die Landwirtschaft zu sprechen, um den Poldi abzulenken.
Der Jungbauer ließ sich nicht anmerken, wie enttäuscht er war. Doch er hielt sich auch nicht lange auf. Als es sich eben schickte, verabschiedete er sich von den Nachbarsleuten und ging.
***
Am nächsten Tag prasselte über Rosalie ein Donnerwetter hernieder, wie sie es noch nie erlebt hatte. Bis auf den Flur hörte Mutter Lachner die Stimme ihres Mannes.
»Wenn er sich doch nur beherrschen wollt'. Mit Härte erreicht er bei dem Madl gar nix«, murmelte die Bäuerin und rang verzweifelt die Hände.
Gleich nach dem Kirchgang hatte sich der Lachner seine Tochter vorgeknöpft. Mutter Lachner schlich an die Tür und lauschte.
»Mir gefallen aber seine Freunde, Vater«, hörte sie dann das Madl sagen. »Sie sind so aufgeschlossen und nett. Mit ihnen kann man sich wunderbar unterhalten.«
»Ha! Mit uns wohl net?«, wollte der Bauer wissen.
»Ach, lass uns net streiten, Vater«, bat Rosalie. »Du weißt genau, dass ich doch net vom Fabian lasse.«
Starr blickte der Lachner seine Tochter an. Dann fragte er mit gepresster Stimme:
»Willst du damit sagen, dass dir die Sach' mit ihm ernst ist, Madl?«
Mutter Lachner drückte vor der Tür die Hände auf die Stelle, wo das Herz wie ein Hammer schlug.
»Ja, Vater«, hörte sie die Tochter antworten. »Wir wollen heiraten. Ich hätte' dir und der Mutter das längst gesagt, wenn ich nicht gewusst hätt', dass ihr dagegen seid.«
»Und trotzdem willst du seine Frau werden?«, fragte der Bauer ungläubig.
»Freilich. Ich muss doch mit ihm zurechtkommen, Vater. Deshalb muss er mir gefallen.«
»Und uns nicht?«, wollte der Lachner wissen.
»Es wäre schön, wenn ihr euch mit ihm abfinden könntet«, erwiderte Rosalie. »Er ist kein Bazi, wie du immer sagst, Vater ...«
»Aber ein Habenichts, dem es nur recht ist, dass die Tochter vom reichen Lachner sich in ihn verguckt hat. Soll mir nur kommen, der Kerl!«
»Ich werde ihn euch nicht aufdrängen«, antwortete Rosalie stolz.
Mutter Lachner unterdrückte mit Mühe ein Schluchzen. Sie beeilte sich, von der Tür fortzukommen. Wie das Madl dem Vater trotzte! Wenn das nur gutging ...
***
Im Dorf hatte einst ein berühmter Maler gewohnt. Der war jedoch in der Blüte seiner Jahre gestorben. Und seine Witwe vermietete nun das Atelier im Dachgeschoss ihres Hauses an junge Künstler, die in den Bergen nach geeigneten Motiven suchten.
Rosalie Lachner hatte das Atelier noch nie betreten. Aber nun stand sie in der Nacht vor dem Haus und läutete bei Fabian Pollinger.
Der Maler blickte verwundert auf die Uhr. Wer wollte ihn um diese Zeit noch besuchen? Flink lief er die Treppe herunter, um die Haustür zu öffnen.
»Rosi!«, rief er überrascht, als er das Madl erblickte.
Sie sah ihn mit ihren dunklen Augen groß an. Ihre Lippen zuckten, als sie fragte:
»Darf ich bei dir bleiben?«
»Was ist denn passiert?«, erkundigte sich Fabian besorgt.
»Ich hab' meine Eltern verlassen«, gestand Rosalie. »Meine Koffer hab' ich hinterm Stadl versteckt. Die konnt' ich nicht herschleppen.«
»Komm rein, Dirndl«, sagte Fabian mit rauer Stimme und zog das Madl über die Schwelle.
Leise stieg Rosalie neben ihm die Treppe hinauf zum Atelier. Erst als sie oben anlangten und den hellen Raum betraten, sah Fabian, wie bleich Rosalie war. Erschüttert schloss er sie in seine Arme.
»Ich gehör' doch zu dir, Fabian«, flüsterte sie. »Und wenn der Vater und die Mutter das nicht einsehen, muss ich es ihnen auf diese Art beweisen.«
»War das nicht ein bisserl übereilt, Rosi?«, fragte Fabian unsicher. Er meinte es nur gut mit dem Madl.
Sie zuckte jedoch zusammen und sah ihn entsetzt an.
»Willst mich am End' gar net?«, stammelte sie fassungslos.
Fabian drückte sie zärtlich an sich.
»Du weißt genau, wie es in meinem Innern aussieht«, raunte er. »Aber ich muss dich doch darauf hinweisen, dass du deine Eltern liebhast und dir eines Tages dein Entschluss leidtun könnt'.«
»Eines Tages werden meine Eltern einsehen, dass wir beide, du und ich, zusammengehören. Und dann haben sie auch nix mehr gegen dich. Aber zuerst müssen wir ihnen beweisen, dass unsere Liebe stärker ist als ihr Wille.«
Fabian presste seine Lippen fest auf ihren Mund. Dass Rosalie sich so energisch zu ihm bekennen würde, hätte er nicht für möglich gehalten. Erst jetzt stieg zaghaft das Glück in ihm auf, das Glück, Rosalie nun ganz zu besitzen.
Zärtlich wühlte seine Hand in ihrem seidigen Haar.
»Ich liebe dich«, flüsterte er und schaute ihr tief in die Augen.
***