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Andreas: Die Geschichte eines außergewöhnlichen Jungen.
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Seitenzahl: 56
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„Dieses Buch wendet sich Problemen zu, wie Jugendliche sie in unserer Gegenwart haben können: der Zweifel am sogenannten Fortschritt, mangelnde Verbundenheit mit der Natur, Missverstehen der Erwachsenen im Hinblick auf jugendliches Verhalten. Das Buch wird gewiss einen Teil von älteren Kindern und Jugendlichen in weiterführenden Schulen gut ansprechen.“ Professor Doktor Anton Reinartz, VJA Nordrheinwestfalen./ „Ein wichtiges Buch, insbesondere für Erwachsene, denn hier können sie etwas erfahren über die Kluft, die sie zwischen sich und den Kindern aufgebaut haben und die Unkindlichkeit unserer Welt.“ Klaus Friedrich, München./ „In dem schmalen Büchlein steht Bedeutsames.“ Reichenhaller Tagblatt./ „Begegnung mit einem außergewöhnlichen Jungen.“ Stuttgarter Nachrichten./ „In einem langen Brief schreibt sich Andreas all das vom Herzen, was ihn freut, aber auch was ihn bedrückt, was ihm an den Erwachsenen nicht gefällt, die schuld daran sind, dass Landschaften zu Betonwüsten werden, die sich immer streiten müssen, die Kriege führen …“ Katholischer Kirchenanzeiger. / „Das Buch habe ich bekommen und gelesen. Es gefiel mir. Talentierter Mann!“ Stephan Sulke.
Adelhard Winzer, geboren in Karlshuld/Bayern, verbrachte die ersten Kinderjahre auf dem Bauernhof seines Onkels, Mitbegründer verschiedener Bands, Reisen durch Europa, Kinderbuchveröffentlichung „Andreas“, Georg Lentz Verlag, München, Bankangestellter, Bankkaufmann, intensive Schreib- und Zeichentätigkeit, Ausstellungen in Neuburg an der Donau, München und Umgebung, zwei Stücke im Cantus Theaterverlag, Eschach: „Krethi und Plethi“ – „Das Korkenspiel“, weitere Buchveröffentlichungen: „Lügengeschichten“ – „Stockholm Blues“ – „Die Sprachgrenze“, BoD – Books on Demand, Norderstedt, lebt im Chiemgau.
Vor nicht allzu langer Zeit lernte ich in Deutschland einen Jungen kennen, der schon früh begann, seine eigenen Wege zu gehen. Er hieß Andreas Glücker, war klein und schmächtig und hatte wunderschöne blaue Augen. Auch konnte er ganz verschmitzt lachen, wenn ich ihm etwas erzählte, denn meistens wusste er darüber längst Bescheid. Es stimmt gar nicht, dass er immer traurig war. All die großen Leute verstehen ihn nicht, weil er sich ganz natürlich gibt. Die Erwachsenen sind das nicht mehr gewöhnt. Ja, sie sind einfach nicht vorbereitet auf solche Wesen.
Ich schreibe diese Zeilen auch nur, weil man den Großen immer alles erklären muss. Schade, dass ausgerechnet sie nicht in der Lage waren, mir nähere Auskunft über sein jetziges Leben zu geben.
All jene Leute aus seinem Heimatort, bei denen ich mich erkundigen wollte, sahen mich nur misstrauisch an oder sie eilten geschwind weiter, ohne mich zu beachten. Nur ein Lehrer erzählte mir, Andreas habe wegen seiner Intelligenz allgemeine Verwunderung hervorgerufen. Lange Zeit verbrachte er im Krankenhaus. Seine Schulkameraden erinnern sich kaum noch an ihn. Der Herr Bürgermeister erzählte mir etwas von einer langen Reise. Es war verwirrend. Die Leute taten sehr geheimnisvoll. Ich konnte einfach nichts erfahren.
Ich traf Andreas damals im Krankenhaus. Und nie hätte ich erwartet, dass mir ausgerechnet dort so ein Junge begegnen würde. Schon damals faszinierte mich sein ehrliches Wesen. Und nachdem sein langer Brief bei mir eingetroffen war, geriet ich ganz aus dem Häuschen. Am meisten überraschten mich darin zwei kleine Geschichten, die er geschrieben hat. Aber dann hörte ich nichts mehr von ihm. Ich wusste nicht, warum er keine Antwort mehr gab – der Briefkasten blieb leer. Ich konnte ihn nicht vergessen und reiste über den großen Teich. Warum gibt er keine Nachricht, was ist mit ihm geschehen, dachte ich. Aber wie gesagt, in jenem Dorf erhielt ich keine Auskunft. Und ich hoffe nur, Andreas lebt noch immer unter uns.
Da ich mich nun für die Herausgabe unserer Briefe entschieden habe, wäre es schön, wenn sie zum besseren Verständnis der Kinder beitragen könnten. Der größte Wunsch von Andreas hätte sich dann bestimmt erfüllt. Nämlich – die Kluft zwischen Groß und Klein zu verringern.
Das Gedicht Allen Kindern gewidmet, das ich dem Buch beigefügt habe, stand auf Andreas’ Briefumschlag. Es brachte mich auf die Idee, unsere zwei Briefe zu veröffentlichen.
Kalifornien, U.S.A. Patty Wood
Liebe Patty,
Du, ich habe mich sehr gefreut über Deine Geburtstagskarte. Hast mich also nicht vergessen. Dankeschön! Ich bin froh, dass ich Dir endlich mal ausführlicher schreiben kann. Du weißt, hätten sie Dich damals, bei Deiner Reise mit der Schulklasse, hätten sie Dich nicht wegen dieser dummen Verletzung ins Krankenhaus gebracht, wäre ich damals nicht zufällig auf dem Flur gewesen, würde ich heute vielleicht gar nicht diese Zeilen schreiben. Du weißt, ich war lange Zeit krank. Und damals durfte ich zum ersten Mal wieder aufstehen. Ich war vielleicht überrascht, weil Du, ein Mädchen aus Amerika, die deutsche Sprache so gut beherrscht. Du warst mir sofort sympathisch. Ich bewundere Dich, weil Du so intelligent bist. Du willst vorwärts kommen im Leben. Ich glaube, die meisten von uns haben nicht diese Einstellung. Wie sich damals unsere Blicken trafen, spürte ich sofort, dass Du ein ganz besonderes Mädchen bist. Ja, in Deinen Augen konnte ich so viel sehen. Aber es waren nicht nur die Augen – Dein ganzes Wesen hat mich fasziniert. Denkst Du jetzt auch noch an mich? Ich war traurig, als Du damals so schnell wieder fortgehen musstest. Aber nun ist ja Deine Karte gekommen.
Ich sitze in einer großen Waldlichtung und habe einen Stapel Papier neben mir liegen, denn heute möchte ich Dir vieles schreiben: wie ich denke und fühle, ganz besonders meine Gedanken über die Erwachsenen will ich Dir mitteilen. Weißt Du, hier bei uns kann ich darüber mit niemandem so richtig reden. Die haben doch alle ganz andere Interessen. Aber Dir möchte ich heute alles anvertrauen.
Hier in dieser Waldlichtung ist es einfach herrlich. Ein schmaler Weg führt über Felder und Wiesen. Hier kann mich der Lärm und Gestank der Autos nicht erreichen. Nur die tiefe Stimme des Waldes ist zu hören. Und vor mir liegt ein uraltes Schloss, das mir sicher verwegene Geschichten erzählen könnte. Es wohnen keine Leute mehr darin. Aber die geheimnisvollen Fenster, Türme und Mauern lassen mich von einer ganz anderen Zeit träumen. Und rings um dieses Märchenschloss zieht sich ein breiter Wehrgraben. Aber es fließt längst kein Wasser mehr darin. Inzwischen hat er seine Bedeutung verloren. Auch das Schloss. Aber für mich ist dieser Platz sehr wichtig. Immer, wenn ich hierher komme, überfällt mich eine Art Wehmut, die ich nicht beschreiben kann. Weißt Du, es ist eine Einsamkeit, die mich glücklich macht. Du müsstest die Atmosphäre einmal selbst erleben.
Hier sitze ich also und schreibe für Dich diese Zeilen. Ich komme oft hierher, denn seit sie in unserem Ort die Straßen verbreitert, Gehsteige platziert und all die mächtigen Bäume abgesägt haben, gefällt es mir bei uns nicht mehr. Ich kann schon verstehen, vielleicht muss das alles sein wegen dem Fortschritt. Aber früher war hier alles natürlicher. Deswegen bin ich jetzt auch viel öfter in meiner Waldlichtung. Und riesige Straßenlaternen haben