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Man hat eine fremdartige gallertartige Substanz im Weltraum aufgefunden und in Labore auf der Erde verbracht. Die Masse entwickelt ein Eigenleben und forscht die Menschen und mit Vorliebe ihre militärischen Geheimnisse aus. Hinzu kommen seltsame, sich häufende Vorfälle von Gedächtnisverlust hinzu. In einem 4D-Drucker erzeugt man nicht nur Aschenbecher, sondern auch kampffähige Soldaten. Einer der Rekruten läuft aus dem Ruder und droht, die verantwortliche Mannschaft zu liquidieren. Es gelingt, den Angriff abzuwehren und die zugehörige Black Box zu bergen. Hat man es hier mit einer Invasion von den Sternen zu tun?
Das Ganze entzieht sich zunehmend jeglicher Kontrolle …
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Gerd Maximovic
Angriff von den Sternen
Ein utopischer Roman
Copyright © by Author/Bärenklau Exklusiv
Cover: © by Steve Mayer nach Motiven, 2022
Dieser Roman ist auf ausdrücklichen Wunsch des Autors in der alten deutschen Rechtschreibung verfasst.
Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Das Buch
1.
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Man hat eine fremdartige gallertartige Substanz im Weltraum aufgefunden und in Labore auf der Erde verbracht. Die Masse entwickelt ein Eigenleben und forscht die Menschen und mit Vorliebe ihre militärischen Geheimnisse aus. Hinzu kommen seltsame, sich häufende Vorfälle von Gedächtnisverlust hinzu. In einem 4D-Drucker erzeugt man nicht nur Aschenbecher, sondern auch kampffähige Soldaten. Einer der Rekruten läuft aus dem Ruder und droht, die verantwortliche Mannschaft zu liquidieren. Es gelingt, den Angriff abzuwehren und die zugehörige Black Box zu bergen. Hat man es hier mit einer Invasion von den Sternen zu tun?
Das Ganze entzieht sich zunehmend jeglicher Kontrolle…
***
»Chef!«
»Was ist denn?«
»Ich glaube, da stimmt etwas nicht, Chef!«
»Was stimmt da nicht, Curb?«
»Ja, ich weiß nicht, Chef.«
»Sie wissen es nicht, Curb?«
»Nein, Chef. Ich weiß es nicht.«
»Was wissen Sie nicht, Curb?« verlangte Greene abermals ungeduldig zu wissen.
Nicht wahr, das ist schon ein starkes Stück, wenn einen da einer der allerdings zentralen Mitarbeiter anruft – und dabei auch noch aus dem Bett holt -, um einem mitzuteilen, daß da etwas ist, vermutlich etwas Dringliches, vielleicht sogar etwas Schlimmes, er weiß aber nicht, was genau.
Andererseits sagte sich David Greene, der Leiter der Plantage, in jedem Fall behält man besser die Nerven. Insbesondere in so einer Angelegenheit. Wie hatte Oberst Stone, mit dem er zuletzt verhandelte, doch angemerkt:
»Es könnten ungewöhnliche Probleme auftreten geben, mein Lieber«, hatte Stone gesagt, »wenn Sie etwas finden oder wenn etwas vorfällt, das sozusagen ... ähem ... Ihr Begriffsvermögen übersteigen sollte, dann melden Sie sich einfach bei mir oder bei Owen, vielleicht können wir Ihnen bei der Aufklärung des Vorfalls ja helfen.«
»Was hast Du denn, mein Lieber?« fragte Evelyn, Greenes Gattin, ihren nach wie vor schlaftrunkenen Mann.
Sie drehte sich um, um nach dem Wecker zu spähen. Drei Uhr. Fast genau drei Uhr am Morgen (oder besser in der Nacht).
»Ach nichts«, wehrte Greene ab.
Jetzt mischt sich auch noch meine Gattin in Dinge ein, die sie eigentlich nichts angehen, dachte er verärgert bei sich. Dabei, ehrlich gesagt, informierte er sie doch selbst über die geheimsten Forschungsprojekte. Denn da hatte er wenigstens jemanden, mit dem (oder vielmehr mit der) er sich ganz unbefangen vertraulich besprechen konnte.
»Gar nichts«, brummte sie verdrossen, um messerscharf zu folgern, »dann laß uns doch einfach weiterschlafen, mein Lieber!«
Na, wenn das so einfach wäre.
»Gleich, meine Liebe, gleich! – Curb, sind Sie noch dran?«
»Ja, natürlich, Chef.«
»Was ist denn vorgefallen, Warren? ich meine, was bringt Sie dazu, um diese unmögliche Zeit anzurufen?«
Also, unmögliche Zeit. Er drückte sich ungeschickt aus. Das klang ja wie ein Tadel. Er war übermüdet. Insbesondere aber durfte er Warren Curby so nicht schelten, hatte man diesen – auf den Ratschlag des Obersten hin – doch angehalten, beim leisesten Verdacht auf Unregelmäßigkeiten sofort den unmittelbaren und damit den sichersten Weg einzuschlagen.
»Ja, wissen Sie, Sir.« Der Mann am anderen Ende der Leitung begann jetzt zu stottern.
»Ja, was denn?« drängte Greene, den – ganz gegen seinen Willen – ein unheimliches Gefühl beschlich.
»Das lag erst am Gewicht, Sir«, erteilte der Mitarbeiter in den Forschungslaboratorien Auskunft.
»Am Gewicht, Curb? Von dem Spezimen?«
»Ja, Sir. Von dem Spezimen.«
»Und, was hat die Waage angezeigt, Curb?« drängte Greene, angesichts der Tatsache ungehalten, daß er – einmal mehr – jedes einzelne Wort aus einem Berichterstatter herausholen mußte.
»Ein Minus, Sir«, erklärte Curby.
»Die Waagen spinnen manchmal«, brummte Evelyn, die, über heikle Möglichkeiten im Sachbereich ihres Gatten unterrichtet, zunehmend begierig lauschte.
»Aber das beschränkt sich doch auf wenige Milligramm, Madam«, wies Curby diesen Vorschlag brüsk zurück.
Um hinzuzufügen: »Und wir können die Gang-Genauigkeit der Atom-Waagen doch überprüfen.«
»So, und wie weit wichen sie diesmal genau ab, mein Guter?« forschte Evelyn Greene gähnend.
Die, obwohl also über mögliche Problemfälle unterrichtet, das ganze Ausmaß des unter Umständen auf sie zukommenden Schreckens noch gar nicht erwogen hatte.
»Um einige hundert Gramm, Madam«, erteilte Curby, mit sich in seinem Nacken aufstellenden Haaren, erschrocken Auskunft.
»Was, mehrere hundert Gramm?« fauchte nun auch Greene, der sich ausmalte, wie viel Substanz infolge dieser Angaben verloren oder – wer vermochte das schon zu beurteilen – abgewandert wäre.
Wie kann da überhaupt etwas aus der Versuchsanlage entkommen? Das geht doch gar nicht! Die schlimmsten Vorstellungen schienen wahr zu werden.
»Mehrere Kilo, Mister«, knurrte rauh ein anderer, anscheinend rasch herbei geholter Mitarbeiter der Versuchsanlage im Hintergrund (ein Mann, dessen Gesicht man im Bild nicht wahrnahm).
»Mehrere Kilo?«
Jetzt war auch Evelyn Greene endgültig wach. Nicht wahr, ein paar Gramm, oder selbst ein paar hundert Gramm. Das war übrigens überhaupt nicht egal, auch wenn es (zumindest zu nachtschlafener Zeit) sich so darstellen mochte. Aber ein paar Kilo, das klang unabweislich dringend.
Sie riß ihrem Mann das Sprechgerät aus der Hand und nahm es an sich.
»Wollen Sie damit sagen, Mister Curby, das Zeug, der Stoff ist kiloweise aus dem Klonotron entkommen?« schnaubte sie mit sich rötenden Wangen.
Und so, als ob sie unabweislich den Schuldigen vor sich hätte, dabei war Warren Curby zunächst einmal doch bloß der allerdings unglückselige Berichterstatter.
»Wir wissen es nicht, Madam«, bekannte der führende Sachbearbeiter.
»Was wissen Sie denn, Curb?« fauchte sie nun mit einer Stimme, im Vergleich zu der die ihres Mannes wie ein friedliches Säuseln wirkte.
»Einige Kilo sind definitiv verloren«, stellte der andere Mann fest.
»Und wo sind diese einige Kilo geblieben?« wütete die Greene.
»Wenn wir das wüßten, Madam«, lautete die Antwort.
Nun meldete sich Greene, seiner Frau das mobile Gerät wiederum aus der Hand entnehmend, erneut: »Sie wissen das, weil die Waage es anzeigt, Curb?«
»Ja, Sir, Gewichtsverlust«, bestätigte dieser.
»Von einigen Kilos, das habe ich inzwischen doch richtig verstanden?«
»Das haben Sie richtig aufgefaßt, Sir.«
»Hm«, überlegte Greene, »und was machen die Überwachungskameras, mein Lieber? Haben Sie da schon einmal nachgesehen, Curb, was dieselben anzeigen könnten?«
»Haben wir, Sir«, versicherte der Mann im Hintergrunde.
»Darf ich in aller Güte Ihren Namen erfahren, mein Herr?« drängte Greene.
»Matthew Eulers«, sagte der Mann, und sein Gesicht wurde jedenfalls ausschnittweise sichtbar.
Ach ja, der Experte, er war noch nicht allzu lange bei ihnen.
»Und was zeigen die Kameras an?«
»Ja, Sir, Sie werden es nicht glauben«, versetzte wiederum Warren Curby, sich wie ein Regenwurm vor der Schlange windend.
»Was nicht glauben?« fragte Greene und blies drohend die Backen auf.
Nein, an Schlaf war schon lange nicht mehr zu denken. Das erwies sich ja als zunehmend unheimlich, was die beiden da, Stück für Stück, enthüllten. Und man fragte sich – inzwischen hellwach -, was da wohl noch kommen würde.
»Also, da ist ein Schatten zu erkennen, Sir«, gestand Curby.
»Ein Schatten, Curb?«
»Ja, Sir, ein Schatten.«
»Werden sie bitte genauer, mein Lieber, um welche Art von Schatten handelt es sich dabei?« wollte Greene wissen, um mit dem nächsten Gedanken sofort nachzusetzen: »Können Sie uns die automatische Aufzeichnung einmal überspielen?«
Das war also keine Bitte, sondern ein strenger Befehl. Aus dem drohenden Klang seiner Stimme hätte man auch entnehmen können: sonst sind Sie entlassen! Aber war das wirklich so einfach, einen unter den führenden Leuten im übrigen durchaus fähigen Mitarbeiter zu verabschieden, bloß, weil sie sich alle zusammen auf ein mehr als nur gewagtes Projekt eingelassen hatten?
Das war doch von Anfang an klar, daß dies kein gewöhnliche Untersuchung werden würde. Man mußte ja nur an die Vorfälle im Asteroidengürtel mit den beiden Forschungsschiffen denken. Oder an das zweifelhafte Entkommen geringer Elemente dieser Probe aus dem Bremer Fallturm. Jedenfalls aus dem großen.
Und jetzt hier, in den USA, in einer der geheimsten Waffenkammern, da waren ihnen also einige Kilo dieser besonderen gallertartigen, geleerartigen Substanz entwischt. Aus dem geheimen Forschungstank im allergeheimsten Forschungslabor. Unter den Augen von allen. Unvorstellbar! Bei allen Sicherheitsvorkehrungen, wie war das möglich?
Ah ja, da waren sie ja, die Bilder, wann überspielt? Die Uhr am Rande der spähenden Kamera verdeutlichte den Zeitpunkt. Gegen ein Uhr drei8ig. Jetzt war es nach drei Uhr. Also vor ein einhalb Stunden, so lange dauerte es demnach, bis Curby und Eulers sich meldeten. So, als ob das ein normaler, harmloser Vorgang wäre.
»Sir, wir haben versucht, das Ding wieder einzufangen«, versicherte Curby hastig, der anscheinend bemerkte, wie sein Vorgesetzter verbissen auf die Uhranzeige starrte.
Jetzt war es offenbar ein aus dem Groß-Tank entkommenes Ding. Nicht mehr eine bloße Masse, oder gar nur ein Bruchteil derselben.
»Sie haben es aber nicht wieder eingefangen?« wollte Evelyn Greene mit bedrohlicher Stimme wissen.
»Leider nein, Madam«, gestand Eulers umstandslos und glatt, als wäre das gesamte Verfahren die gewöhnlichste Sache der Welt.
Der Leiter der Plantage starrte auf den Zentral-Tank. In demselben plätscherte, wie man es gewohnt war, jene Masse, die das Raumschiff FLOWERS unter dem Kommando von Paul Christopher Smith vom Asteroidengürtel mit zurück gebracht hatte. Streng abgeschirmt, verstaut und versiegelt, versteht sich. Das heißt, das, was dort plätscherte, war nur ein Bruchteil des ursprünglich in den Behältern eingelagerten Transportguts. Dieses wies nämlich die unheimliche Fähigkeit auf (und sie waren deswegen gewarnt worden), sich zu vermehren. Ja, ganz so, oder jedenfalls so ähnlich wie Menschen, Tiere oder Pflanzen. Welche also Nahrung oder Stoff oder auch bloß Sonnenlicht in der Photosynthese zu sich nehmen – und schon blühen und gedeihen sie, und zwar bis unendlich, jedenfalls dann, wenn sie niemand daran hindert.
Bis unendlich.
David Greene schauderte bei der Überlegung.
Also die Masse in dem Tank da, sie sah wirklich wie eine Art Gelee aus. Wie, ja, wie sollte man es beschreiben, wie Wackelpudding? Ja, wie Wackelpudding, nur flüssiger, beweglicher als dieser. Rutschig, schwappend (etwas, das einem aus den Händen zu gleiten pflegt). Aber nicht, weil jemand mit dem Fuß gegen den Behälter getreten hätte, sondern aus eigenem Vermögen.
Das war – auch gemäß der Warnungen der Raumschiff-Besatzung – schon früh klar geworden, das war eine eigene Lebensform, über deren harmlose Beschaffenheit oder deren läppisches Aussehen man sich nicht täuschen durfte. Sie konnte ihr Aussehen oder ihre Struktur mehr als nur verändern. Sie konnte heute so aussehen, und morgen anders.
Darum hatte man sie ja auch auf die Erde geholt – unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen, versteht sich. Oberst Stone, wie Greene bei Betrachtung der Bilder überlegte, war dafür verantwortlich. Er, der Oberst, steckte als treibende Kraft hinter allem. Man muß sich, hatte er behauptet, bei der Entwicklung der Waffentechnik etwas ganz Neues einfallen lassen. Und so traten Greene und seine Mitarbeiter – allerdings höchst begierig – auf den Plan. Natürlich, könnte es je ein weiter reichendes, die Wissenschaftler mehr als nur reizendes Unterfangen als dieses geben?
Also, da schwappte in der nun mehr als neunzig Minuten zurückliegenden Aufzeichnung etwas. In dem Groß-Tank. Und wurde von immer mehr um diese unselige Zeit jäh aus dem Schlaf gerissenen Mitarbeitern der Plantage betrachtet.
»Ich verstehe das nicht«, stellte Evelyn Greene fest.
»Was verstehst Du nicht, meine Liebe?« fragte ihr Gatte beherrscht, aber auch mit knirschenden Zähnen (insbesondere, um Zeit zu gewinnen).
»Da ist als das Zeug in dem Tank da«, versetzte sie.
»Und, Evy? Was ist damit?«
»Es vermehrt sich«, stieß die Gattin des Plantagenleiters geradezu empört hervor.
»Ja, und?« fragte ihr Gatte, als wäre das, nämlich die Vermehrung des fremdartigen Stoffes, die selbstverständlichste Sache der Welt.
»Wie? Wie macht es das?« wollte sie wissen.
»Ich meine«, fügte sie hinzu, »Vermehrung ohne Stoff, ich meine beispielsweise ohne Nahrung, das ist doch unmöglich! Oder?«
»Photosynthese«, warf Matthew Eulers, gewissenhaft zuhörend, ungeduldig ein.
»Aber da drin scheint doch gar keine Sonne«, erwiderte die Greene unwillig.
Professor Eulers seufzte.
»Das ist doch nur so ein Wort«, versetzte er.
»Nur so ein Wort, Herr Professor?«
»Ja, gewiß, Madam«, versicherte Eulers.
»Und was meinen Sie damit, oder worauf beziehen Sie sich dabei, Herr Professor?«
»Na nun«, erklärte Eulers mit einer geringen Spur von Verachtung in der Stimme, so, als ob er es ausgerechnet bei der Gattin des Hauptverantwortlichen mit einer Minderbemittelten zu tun hätte, »dazu benötigen wir keine Sonne, Madam, wenn Sie erlauben!«
»Ah, nein, keine Sonne?« Sie staunte lebhaft.
Der Schlaf war anscheinend ganz von ihr, auch von ihrem Gatten, selbst von den übrigen Zuhörern weitestgehend abgefallen.
»Sie beziehen sich auf die Stoffe, oder ich meine vielmehr auf die von Ihnen selbst in den Behälter eingespeiste Strahlung? Ja, ist das so, mein Lieber? Sie selber«, jetzt kam die Gattin des Plantagenleiters in Fahrt, »beschaffen die Sonne für das Zeug oder Wesen in dem Tank da. Ja, ist das so? Sie versorgen es mit Energie. Damit es«, nun schauderte sie wieder (aber vielleicht lag das wirklich nur an der unchristlich frühen Stunde), »wachsen, blühen und gedeihen kann. Ja, ist das so, Herr Professor?«
»Wir bestrahlen es, Madam«, erklärte Eulers geduldig.
»Zu Versuchszwecken, Herr Professor?«
»Ja, auch dazu, Madam.«
»Na, dann ist Ihnen das ja wohl gelungen, Herr Professor.«
»Was meinen Sie damit, Madam?« fragte Eulers sichtlich verärgert.
»Sie bezieht sich auf Beta-Strahlung, auf elektronische Impulse der verschiedensten Art, Röntgenstrahlen und etliches anderes, was wir auf dem Schirm und zur Verfügung haben, alle zugehörigen Vorsichtsmaßnahmen selbstverständlich inbegriffen«, warf Curby endlich ein, der froh war, auf diese Weise jedenfalls der unmittelbaren Verantwortung zu entkommen.
»Das alles haben Sie auf das Plasma, ich meine auf die geleerartige Masse losgelassen?« staunte die Greene.
»Dies und noch viel mehr, Madam«, unterstrich Curby voller Wohlgefallen.
»Und so wuchs es und wuchs es, oder vielmehr wuchs sie, ich meine diese Molluske oder Gallerte?«
»Wir hatten alles unter Kontrolle«, knurrte Greene, bemüht, seine Frau nicht nur zu beschwichtigen, sondern nunmehr aus dem Bild zu schieben.
Sie schadete ihm derzeit wirklich. Aber vielleicht hatte sie den ganzen Zusammenhang oder das Problem trotz aller vertraulichen Erläuterungen in vollem Umfang noch gar nicht begriffen.
»Also, wo ist das Ding jetzt?« fragte Müller, einer der Mitarbeiter der geheimen Versuchsanlage.
»Na, in dem Tank da«, gab Warren Curby schroff zurück.
»Ja, das sehe ich, Herr Kollege. Ich meine den Teil der Molluske, der sich – äh, wie soll ich mich ausdrücken -, der sich entfernt hat? Wo ist dieser Teil der Gallerte jetzt?«
»Die Aufzeichnungen, bitte!« verlangte Greene, der ebenfalls auf eine Einsichtnahme in dieses erste entscheidende Dokument brannte.
Und der Klang seiner Stimme verriet, die Verantwortlichen sollten sich in dieser Hinsicht nun doch etwas mehr als bisher beeilen.
»Also ein Schatten war das«, erklärte Offermann, ein technischer Mitarbeiter.
Gähnend, aus dem Schlaf gerissen. Der sich mit dem Sachverhalt bereits hinreichend vertraut gemacht hatte, sofern dies in der Kürze der Zeit und unter den Umständen überhaupt möglich war.
»Das sagten Sie schon«, knurrte Greene, sich allerdings auf die Äußerung von Warren Curby beziehend. »Können wir nun endlich die Aufzeichnung zur Kenntnis nehmen?«
»Ja, wie erwähnt«, brummte Offermann, »da tritt ein Schatten auf, Herr Inspektor.«
»Ist das das Bild da?«fragte Greene, zunächst ohne auf die letztere
Äußerung einzugehen.
»Das, was uns zur Verfügung steht, Herr Inspektor«, erklärte Offermann, derweil selbst an dem Anblick oder an seinen eigenen Augen zweifelnd.
Der Techniker wandte sich in der virtuellen Sichtbox nach hinten und sagte zu einer in der Großaufnahme unsichtbaren Person: »Was ist das für ein Material, das Sie uns da liefern, Ruby?«
»Ja, aber Chef«, das war also eine Dame vom technischen Stabe, desgleichen aus dem Schlaf gerissen, »das ist das, was wir bereits herausfinden konnten.«
»Aber das ist doch nichts, Ruby, das können wir doch niemandem vorführen, ohne uns völlig lächerlich zu machen!«
»Tut mir leid, Chef, aber das ist alles, was die Aufnahmetechnik derzeit hergibt.«
»So«, schnaufte Greene, den internen Dialog verfolgend, gegenüber den beiden, »sind Sie sich nun bald einig?«
»Ja«, räumte Offermann ein, »aber wir bedauern, Herr Inspektor, daß wir Ihnen nur unzureichendes Material anbieten können.«
Das ist immerhin besser als nichts, dachte nicht nur der Kommandant der Plantage.
»Na, nun machen Sie schon«, forderte Greene seinen Mitarbeiter auf, »zeigen Sie schlicht und einfach, was Sie uns insofern anzubieten haben!«
Evelyn Greene, sich wieder ins Bild schiebend, lachte: »Sie sind nicht imstande, die Masse in dem Tank da bei ihren Veränderungen oder auf ihren Streifzügen zu fotografieren? Verstehe ich das so richtig?«
Um, erschreckt, jäh hinzuzusetzen: »Aber das Zeug, ich meine, die Molluske, sie ernährt sich doch von Energie, wie wir soeben erneut vernahmen.«
»Ja, und Madam?«
»Na, nun, Kameras irgendwelcher Art, sie strahlen doch auch Energie aus oder nehmen solche auf. Oder?«
»Und?«
»Und kommen der Molluske bei ihrem internen Treiben damit ins Gehege.«
»Sie meinen«, lachte Offermann, »wir fotografieren das, wovon das Ding sich ernährt?«
»Oder wir liefern per Aufnahmetechnik unvermeidlich, also notgedrungen, selbst seine Nahrung?« setzte Ruby Diamant hinzu.
Wer sie noch nicht kannte, hatte inzwischen ihren Namen in aller Eile aus den allgemein verfügbaren Rechen- und Zeichenlisten entnommen.
»Aber irgend eine Erklärung für die angemahnt schlechte Bildqualität muß es doch geben«, beschwerte sich Evelyn Greene.
»Na, ganz so schlecht ist die Qualität ja nun auch wieder nicht«, widersprach, selbst einigermaßen ratlos, ihr Gatte.
»Das ist es!« stieß Greene hervor.
Also, da, auf seinem kleinen Empfänger im Schlafzimmer der unmittelbar bei der Versuchsanlage gelegenen Privatwohnung erkannte man erwartungsgemäß den großen Tank, der die aus dem Weltraum gewonnene und zur Erde verbrachte Masse barg.
Das heißt, so ganz stimmte das ja nicht, wie sie schon festgestellt und vorhin bereits erörtert hatten. Denn das Ding wuchs wirklich.
Also, wie groß war es an Bord der FLOWERS gewesen? Ich meine, als man es hierher brachte, sann Greene, also erst einmal auf die Erde. Ein paar Kilo? Ein paar Tonnen?
»Das war um ein Uhr dreißig heute Morgen oder heute Nacht«, erklärte Offermann überflüssigerweise (denn jedem bot sich selbst auf einem kleinen Empfänger die Zeitanzeige am Rande).
Also, hat man schon einmal eine solch aufgewühlte See gesehen? Wellen, die sich hoch und übereinander türmen?«
»Ich habe so etwas schon auf hoher See erlebt, und Schlimmeres«, knurrte Müller.
»Ja, seltsam«, versetzte die Frau des Kommandanten, »und das soll Wackelpudding sein?«
»Energieschub«, versetzte Eulers zerknirscht (das ging ihm wohl zu Herzen).
Um prompt hinzuzusetzen: »Wer hat den Anstoß dazu gegeben?«
»Zeigen Sie uns gefälligst«, jetzt wurde Professor Eulers wütend, »die energetischen Regelabläufe, und auch, was sie außer Kraft gesetzt oder vielmehr überwunden hat. Ja, bitte, und zwar etwas plötzlich!«
»Nichts, Herr Professor«, wandte Müller von der Versuchsanlage nach kurzer Überprüfung ein.
Das alles vollzog sich also nachts oder am frühesten Morgen, alle unausgeschlafen, schlecht gelaunt sowieso, und gleichwohl vor ein schlimmes Rätsel gestellt. Denn eigentlich ahnten sie alle schon die Gefahr, welche in dem unübersichtlichen Geschehen steckte mochte oder welche womöglich bereits über ihren eigenen Köpfen schwebte.
»Kein Kurzschluß oder dergleichen?« fragte Eulers.
»Was hat denn dort hinten gebrannt?« wollte er dann wissen.
»Da«, er stieß den Finger auf seiner eigenen Beobachtungsebene nach vorne, »sehen Sie das denn nicht?«
»Tatsächlich«, nun blieb auch David Greene, dem Verantwortlichen für die Gesamtanlage, der Mund offen stehen.
»Kannst Du nicht«, sagte er, als gäbe es nichts anderes anzuordnen, zu seiner Frau, »einen Kaffee machen, ich stelle währenddessen das Bild erkennbar größer.«
Welch unsinniges Anliegen in dieser Situation. Absurd! Sie widersprach nicht. Sie kannte ihren Gatten. Man reizte ihn unter solchen Umständen besser nicht.
»Kaffee«, flüsterte sie demütig, dann aber brachte sie ihren eigenen Willen zur Geltung: »Oder doch lieber Cappuccino, Dave?«
»Ach, mach, was Du willst«, grollte er halblaut, und wie verbittert.
»Chef?«
Walter Offermann bezog das auf sich. Er sollte also etwas machen. Aber was, bitte?
»Sie, Walt, gar nichts!« herrschte Greene seine derzeit führende, für die Technik zuständige Fachkraft an.
Mein Gott, endlich vergrößerte sich das Bild an der Rückwand im Schlafzimmer des Plantagenleiters hinreichend, so daß man mehr erkennen konnte.
»Da, sehen Sie das?«
»Sieht wie ein Spannungsbogen aus, Chef«, stellte Müller fest.
»Ja«, knurrte Greene ungehalten, »ähnlich wie ein Regenbogen.«
Und er lachte ungläubig.
»Hier in dieser Versuchsanlage? Walt?«
»Chef?«
»Haben Sie oder Ihre Mitarbeiter daran herumgefummelt?«
»Aber, Chef!« wies Offermann das Ansinnen entrüstet zurück.
»Was immer wir unternehmen«, setzte er hinzu, »erfolgt nur in Absprache mit Ihnen und den zuständigen Abteilungsleitern.«
»Dann ist es ja gut«, knurrte Greene weiter.
»Und woher kommt dann der Spannungsbogen? Dieser da?« verlangte er zu wissen und stach nun seinerseits mit dem Finger fast gegen die Schlafzimmerwand.
»Von uns nicht«, beschied ihn nun auch Ruby Diamant vom technischen Stabe.
Ihr Bild wurde randseitig eingeblendet. Eine hübsche Dame, mit roten, nein, mit feuerroten Haaren. Und einem reizenden Grübchen in der Wange.
Was hat die eigentlich im technischen Stab verloren? sann Greene aufgebracht. In die Küche gehört sie, dort sollte sie besser Kaffee kochen. Oder Cappuccino.
Und er stieß denselben, den ihm seine eigene Frau soeben auf dem Tablett servierte, fast aufs Bett hinunter. Sie hatte das Getränk in der Kaffeemaschine in aller Eile aufgebrüht, darum war es so schnell gegangen.
»Paß doch auf, Dave!« rügte sie ihn mit einem Blick auf die Großprojektion, derzeit in ihrem Rücken.
Sie mußte sich also, das Tablett eher ungeschickt in den Händen, zu derselben umdrehen.
»Ein Regenbogen«, versetzte sie dann, während David Greene die erste Tasse, vernehmbar laut, genüßlich schlürfte.
»Die entstehen«, erklärte sie, nachdem sie das Tablett vorsichtshalber auf dem Beistelltisch abgeladen hatte (denn das beschäftigte auch sie), »im Zusammenwirken von Sonne und Wasser. Ich meine, wenn es regnet und die Sonne trotzdem scheint. Oder bei einem Wasserfall, auf den die Sonne blendet. Hat es in der Plantage eigentlich geregnet?« schlußfolgerte sie reichlich naiv (und wohl eher gespielt).
»Hat es nicht, Liebling«, antwortete ihr Gatte unerschütterlich, der die Tasse (die im übrigen trotzdem wohl mundete) heftig niedersetzte.
»Wie erklären Sie sich diese Lichterscheinungen, Walt?« begehrte er dann nochmals zu wissen.
»Strahlungsdifferenzen«, erwiderte die Diamant an Stelle ihres Vorgesetzten.
»Strahlungsdifferenzen?« fragte David Greene staunend zurück.
»Können entstehen, wenn sich bestimmte Wellenlängen überschneiden, Chef«, erklärte nun der Techniker eilfertig.
»Aha, und wann oder warum überlagern sich dieselben? Und insbesondere hier drin? Sind nicht alle Strahlenbündel auf unseren eigenen Eingriff oder auf unser Tätigwerden zurückzuführen, Walt?«
»Alles im Universum ist Welle oder Strahlung«, belehrte ihn wieder die Diamant.
»Kommen Sie mir bitte nicht mit solchen Gemeinplätzen«, erwiderte Greene schroff. »Ich möchte wissen, wie genau dieser spezielle Regenbogen zustande kam. Welche Rolle haben wir dabei gespielt? Und welche Funktion kommt insofern dieser geleeartigen Masse zu?«
»Keine«, versetzte Eulers, der Professor.
»Sie beziehen sich auf uns, Herr Professor?« wollte Greene, leicht irritiert, wissen.
»Ja, Herr Inspektor. Keine.«
»Wir spielten keine Rolle bei der Entstehung dieses Regenbogens?«
»So ist es, nach allem, was wir aus den gespeicherten Dokumenten und insbesondere aus den energetischen Regelverläufen entnehmen können, Herr Inspektor.«
»Sie meinen, die Substanz in dem Tank da, sie hat also den Regenbogen erzeugt, Herr Professor?« schloß sich Evelyn Greene diesen Überlegungen an.
Die Frau des Stationsleiters stand an der Schlafzimmer-Pforte, das mit entleerten Behältnissen versehene Tablett in den Händen. Bereit, es ordnungsgemäß in der Küche abzustellen, wohin es ja eigentlich auch gehörte (und, sofern erforderlich, die Gefäße wieder aufzufüllen).
Nun meldete sich Rahel Donner, ebenfalls vom technischen Stab, zu Wort.
»Es gab doch so etwas wie einen Kurzschluß«, erklärte sie. »Erkennen Sie das?«
Da bildeten sich wieder der Spannungsbogen in der Aufzeichnung ab.
»Rückwärts!« gebot Greene.
»Chef?«
»Was war da vorher?«
Das gespeicherte Bild hielt ruckend an und lief dann geschmeidig zurück.
»Tatsächlich«, verkündete die Donner, »da geschieht etwas in oder mit der plasmatischen Masse.«
»Blitze, die aus Sirup, Gelee oder Pudding schießen«, erklärte Müller verächtlich, »so etwas habe ich noch nie betrachtet.«
»Das ist keine normale Masse, Herr Kollege«, verwahrte sich Eulers gegen diesen Einspruch, »wie Ihnen vielleicht bekannt sein dürfte.«
»Ja, gut, Spannungsverhältnisse«, knurrte Müller. »Alleine sie oder ihr Wechsel begründet irgend eine elektrostatische Veränderung. Nicht wahr.«
Sie starrten das Bild an. Es hatte vorübergehend angehalten. Unverkennbar strahlte Helligkeit aus einer Ecke der Masse, auf diese Weise den Regenbogen erzeugend.
»Herr Eulers!«
»Chef?«
»Sie haben doch die kleine Versuchsserie laufen?«
»Haben wir. Wir, nicht ich persönlich«, verwahrte sich der Professor, den allein schon der Klang von Greenes Stimme warnte.
»Sie wollten wissen, wie das Zeug auf elektroynamische Strömungen reagiert?«
»Ja, natürlich, wie es sich hinsichtlich Strahlung aller Art verhält. Das war doch abgemacht, Herr Inspektor. Außerdem«, fügte Eulers, leicht beklommen, hinzu, »wurde der Versuch schon am Tage abgebrochen. Also am Tage vorher.«
»Abgebrochen?«
»Ja, weil er ohne Ergebnis verlief, Herr Inspektor. Sie erinnern sich doch hoffentlich daran.«
Natürlich erinnerte sich David Greene daran. Unverschämte Bemerkung. Aber das sind die Nerven. Die drehen jetzt bald alle durch. Auch der Professor, von dem ich das am allerwenigsten erwartet hätte.
Doch immerhin, das war ein Erklärungsansatz. Spannungskurven, welche wie etliche andere Strahlung der Gelee-Masse zugeführt wurden. Auch wenn das Ergebnis negativ war oder schien, wie hätte es auch anders sein können, wenn man Pudding bestrahlte? Bloß, das war kein Pudding. Und das war alles andere als Sirup. Man mußte ja nur die Vorgänge im Weltraum, also an Bord der FLOWERS, überdenken (welche der Öffentlichkeit nach wie vor strikt vorenhalten wurden).
»Jedenfalls wurde Energie zugeführt«, versetzte Evelyn Greene, zurück aus der Küche (die sich die Hände an der umgebundenen Schürze abwischte, ganz so, als könne sie sich damit des vorliegenden Problems entledigen.
»Sie haben das Ding damit geweckt«, bemerkte Ruby Diamant aufmerksam.
»Oder erst etwas aus ihm gemacht«, ergänzte Rahel Donner, ihre Kollegin.
»Denn vorher schlummerte es?« wollte Müller ein wenig herausfordernd, aber auch spöttisch wissen.
»Die Leute reagieren immer erst, wenn man sie anspricht oder gezielt anstößt«, versetzte die Greene. »Jedenfalls die meisten.«
»Also, das war doch ein Kurzschluß, den wir per Energiezufuhr verursacht oder mit herbeigeführt haben«, erklärte Greene. »Auch wenn die Eingabe lange vorher erfolgte und später zur Gänze unterbrochen wurde. Jedenfalls diese Art von Einspeisung.«
»Manche Leute brauchen etwas länger, bis sie reagieren«, bemerkte Rahel Donner mit spitzem Lächeln.
»Du meinst, unser Gelee hat noch eine ganze Weile geschlafen?« fragte Ruby Diamant.
»Dann hat es einen Regenbogen entwickelt«, knurrte Offermann, als könne er damit irgend etwas begründen.
»Wie ging das weiter?« wollte Greene wiederum hinreichend schroff wissen (da brannte ihm offensichtlich etwas auf den Nägeln). »Es fehlen inzwischen doch ein paar Kilo.«
Von dem Zeugs, hätte er gerne hinzugefügt. Unterließ dies aber. So spricht man nicht – jedenfalls nicht in offizieller Mission – von seinem Versuchsobjekt oder von einer zu Forschungszwecken herhaltenden Substanz.
»Ja, sind Sie endlich so weit, Walter?«
»Ja, bin ich, Chef. Das ist nicht so einfach«, erläuterte Offermann, »das Bild in genügender Qualität wieder herzustellen.«
»Aber ich dachte, Sie haben Ihre überlegenen Überwachungskameras dorthin geschaltet?« wollte die Greene, nunmehr neben ihrem Gatten gebannt auf dem Sofa kauernd, wissen (der Cappuccino, unter den vorliegenden Umständen etwas mühsam beschafft, schien vorübergehend vergessen).
»Ja, wie ich schon erwähnte, da ist ein Störfaktor«, wehrte der Techniker ab.
»Welcher Art? In der Elektronik, Walt?«
»Ja, Chef, da wirkt etwas auf das Bild ein. Auf die entsprechenden Regelkreise. Ich würde übrigens vermuten«, brummte Offermann unternehmungslustig weiter, »das wirkt sich auch auf uns aus.«
»Auf uns, Walt?«
»Ja, Chef. Auch auf uns.«
»Inwiefern, Walter? Woran denken Sie dabei?«
»Nun, wir denken ja auch irgendwie elektronisch, Chef, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Was meinen Sie damit, Walter?«
»Nun, alle diese Vorgänge, sei es die Bestrahlung der Masse unsererseits, sei es ihr Eingriff – wenn sie das denn war – bezüglich unserer Überwachungskameras, insbesondere aber auch unser eigenes Denken.«
»Und?«
»Dem allem liegt doch ein elektrisches oder elektronisches Muster zugrunde. Sonst könnten wir ja gar nicht klar und konzentriert überlegen.«
»Sie spielen damit auf unser verzögertes Erkennen oder auch auf unsere Mühe an, das Problem richtig einzuschätzen, Walter?«
»So kann man es sagen, Chef«, bestätigte Offermann unbefangen und biß sich dabei allerdings leicht auf die Zunge.
Ob er wohl zu weit gegangen war? Das war ja irgendwie auch nur eine Theorie. Nämlich, elektronische Prozesse überall zu vermuten. Auch in ihren eigenen Gehirnen. Und damit aber ebensowohl und unvermeidlich in der plasmatischen Masse, sofern man ihr Empfindungsvermögen oder sogar eine Form der Intelligenz unterstellte. So daß sie beide – sie und die Substanz – sich trotz gravierender äußerlicher Unterschiede im Grunde doch ähnlicher waren, als sie dachten. Der Techniker sagte das aber nicht. Das war besser so. Am Ende würden sie ihn noch mißverstehen. Mit unabsehbaren Folgen.
»Gut«, knurrte Greene fast ungehalten (er mußte jetzt auch noch den Arm seiner Frau von sich abwehren, die sich vorübergehend wie Schutz suchend an ihn schmiegte), »und die Bilder, Walter, soweit herstellbar oder verfügbar?«
»Ah, da sind sie ja!« rief der Stationsleiter prompt.
»Was ist das?« erkundigte er sich dann.
»Da bewegt sich doch etwas«, setzte er, einigermaßen verwundert, hinzu.
»Oder nicht?« wollte er wissen. »Sehen Sie das nicht?«
»Wo denn, Chef?«
»In der Ecke. Da, erkennen Sie das nicht?«
Er streifte den hilfesuchenden Arm seiner Frau gänzlich ab.
»Das ist ein Schatten«, stellte Ruby Diamant fest.
»Den wir vorhin schon bemerkt haben«, ergänzte, wie aus der Pistole geschossen, Rahel Donner.
»Walter!«
»Chef?«
»Können Sie diese Ecke da, sehen Sie, dort hinten unten, können Sie diese Ecke nicht deutlicher heranholen, Walter?«
»Ich versuche es, Chef.«
Das Bild, schon flimmernd und zerrissen, zitterte noch mehr. Grobkörnig wurde es unter der Auflösung, welche man ihm abverlangte. Und doch, und doch – da war etwas unter dem Schatten, den sie tatsächlich vorhin schon gesichtet hatten.
»Bewegung«, stieß die Donner hervor, »Bewegung in der Masse!«
»Da formt sich etwas«, pflichtete die Diamant kaltblütig bei, »seht Ihr das?«
»Oder etwas hat sich geformt«, setzte sie – ein wenig ratlos – hinzu.
»Und zwar«, sie konnte es nicht unterlassen, »schon vor Stunden. Chef. Vor Stunden.«
»Was ist das?« wollte nun auch David Greene wissen.
Er wandte sich an den Professor: »Wie würden Sie das beurteilen oder beschreiben, Matthew?«
»Mit Hilfe unserer Nomenklatur«, erwiderte dieser glatt.
»Und was heißt das?« faßte Greene, über die Antwort des Professors leicht verärgert, nach.
»Mit unseren Vorstellungen und Gedanken, Herr Inspektor.«
»Und was heißt das nun wieder, Herr Professor?«
»Das heißt, da kann sich nicht irgend etwas völlig Fremdes bilden oder formen.«
»So, wie der Pudding oder das Gelee uns auch nicht völlig fremd sind?« fragte die Donner dazwischen, blieb aber zunächst ohne Antwort.
»Warum nicht, Herr Professor?« fragte Greene, obwohl er die zu erwartende Antwort schon ahnte.
»Weil das Ganze sich unter unserer Einwirkung zutrug, Herr Inspektor.«
»Durch die von uns ausgesandte oder verabreichte Strahlung, Herr Professor?«
»Ja, natürlich, Herr Inspektor.«
»Gen-Sequenzen«, schaltete sich Timmers, der Erbgutforscher, jäh ein.
Er gehörte auch zu jenen, die zu einer ganz unmöglichen Zeit aus dem Bett gerissen worden waren, um das Geschehen, jetzt allerdings hellwach und gleichsam mit geschärften Sinnen, zu verfolgen. Nun war David Greene natürlich der erste, der über alle ihre wissenschaftlichen Versuche oder Unternehmungen unterrichtet wurde.
»Gen-Sequenzen, DNA und dergleichen«, vermeldete Timmers ein weiteres Mal. »Wir bestrahlten damit diese Masse.«
»Mit allen möglichen Strahlen?« fragte Frau Greene etwas naiv (mittlerweile hatte sie endgültig von ihrem Gatten abgelassen).
»Ja, natürlich«, versetzte Timmers ungeduldig. »Wir wollten doch erkennen, was das Zeugs da – aus dem Weltraum – unter allen möglichen Bedingungen macht oder zu leisten imstande ist, nicht wahr.«
»Sie haben da Erbinformationen hineingestrahlt, Eugene?« fragte Greene den Gen-Forscher ungläubigen Blickes (obwohl er das am ehesten wußte, aber auch er mußte ja einmal seine wirbelnden Gedanken klären).
»Ja, aber nur von Mäusen und Ratten«, beschwichtigte dieser zur Entrüstung von allen, die dies zum ersten Male hörten.
Die Idee, daß man die Masse – und sei es auch nur strahlungshalber – versuchsweise mit solchen Sequenzen versehen sollte, war Greene gleich von Anfang an verdächtig vorgekommen. Aber nun gut, er hatte – wohl auch gezwungenermaßen – eingewilligt. Denn was konnte da – eigentlich mittels harmloser Strahlung – schon passieren? Wenn ich meinen Pudding mit Wellen irgendwelcher Art traktiere, dann wird er – vielleicht – aufquellen, am Ende ungenießbar, mehr nicht.
»Das sieht aber nicht aus wie eine Maus oder Ratte«, vermeldete, gleich zur Sache kommend, Ruby Diamant von der Bildaufzeichnung.
»Das muß an den Umrissen der unscharfen Aufnahme liegen, Ruby«, wies ihr Vorgesetzter, Offermann, sie zurecht.
»Glauben Sie im Ernst, da drin solche Nagetiere erzeugen zu können oder gar erzeugt zu haben?« fragte Müller von der Versuchsanlage atemlos, zugleich entrüstet.
Unvorstellbar!
Nicht wahr, ob alle Beteiligten sich im Klaren darüber waren, was sie da – per DNA-Sequenz und Strahlung – versuchten, machten oder gar schufen? Experten unter sich, dachte Greene. Sie reden von unsichtbaren Dingen, behaupten, sie könnten ein Problem so oder so lösen. Ein Problem, das es vielleicht überhaupt nicht gibt oder das erst von ihnen selbst geschaffen wurde. Unsichtbar – sagen wir: ungreifbar – ist es in jedem Falle. Und was machen sie dann? Schießen halt mal etwas zusätzlich aufbereitete Strahlung auf die Substanz ab. Mal sehen, was dann geschieht!
Das war schon schlimm genug – der Stationsleiter starrte mit zunehmendem Entsetzen auf die nun bereits Stunden zurückliegenden Aufzeichnungen -, wenn man es mit hiesiger, also irdischer Materie machte. Aber nein, sie, die großmäuligen Experten wollten auf diese Weise der fremdartigen, aus dem Weltraum gewonnenen, inzwischen auf die Erde eingeschleppten Substanz zu Leibe rücken. Ja, eingeschleppt auf die Erde, das war der richtige Ausdruck.
»Es kann überhaupt nichts schief gehen, Damen und Herren, laßt uns nur machen!«
Was nützt da alle Isolierung um die Tanks herum, wenn ich das Gelee Royale auf irgend einem Wege hier mitten unter uns verbringe? Wie hatte Offermann doch gleich gesagt? Es wirkt oder arbeitet – wie wir – elektronisch. Na ja gut, dann braucht es jedenfalls auch seine Zeit, wie wir, bis es etwas kapiert hat. Trotzdem (das ließ David Greene nicht los), die Gen-Sequenzen von Mäusen und Ratten, da drin, in der beweglichen Masse.
»Ja, ein paar Kilo!« rief Rahel Donner laut aus (als würde ihre Lautstärke etwas beweisen).
»Rahel?«
»Ziemlich schwer für eine Maus oder Ratte, findet Ihr nicht?«
»Das sieht aber gar nicht wie eine Maus oder wie eine Ratte aus«, pflichtete ihr Ruby Diamant prompt bei.
Beide Frauen bezogen sich auf die jetzt doch noch ermöglichte Scharfeinstellung der Bilder. Welche enthüllte, was in dem Brut-Tank vermutlich vor sich gegangen war. Als sie alle noch schliefen. Also natürlich von den unverzichtbaren Wachen abgesehen, man stellte dieselben stets auf, gerade auch bei solchen Experimenten, man konnte ja nie wissen.
»Da, das Ding da«, stammelte Evelyn Greene, »ist aus dem Tank oder aus dem Behälter entkommen?«
»Also in der Ecke, dort, wo die ganze Zeit ein Schatten darüber gelegen hat, wurde es gebildet?« mutmaßte Müller, dem bei dem Anblick jetzt doch buchstäblich die Worte ausgingen.
»Du meinst, Val, das Zeug tarnt sich?« fragte unverblümt Curby.
»Unsinn«, widersprach die Diamant. »Oder was glaubt Ihr, wozu sonst der Regenbogen diente?«
»Um unsere Aufmerksamkeit zu wecken«, fügte sie hinzu, »hinsichtlich dieser Geschehnisse. Das Zeug hat also keinen Grund, sich zu verstecken. Oder vielleicht doch?«
»Ein paar Kilo«, wiederholte die Donner verbissen.
»Das paßt, Rahel?« fragte sie ihr allerhöchster Vorgesetzter vor Ort.
»Paßt zu einer gewaltigen Ratte«, entgegnete die Technikerin.
»Aber nicht zu dem Ding da!« rief Eulers unwillig aus.
»Das kann doch gar nicht sein«, murmelte Timmers, der Gen-Forscher, verwirrt.
»Was kann nicht sein, Eugene?« wollte Greene vom Rand des Bettes wissen.
»Ja, ich meine, die DNA-Sequenzen, Herr Inspektor.«
»Welche wir – oder vielmer Sie – da hineingestrahlt haben?« fragte Greene, die Verantwortung bereits von sich weisend.
»Das ist unser gemeinsames Forschungsunternehmen«, verwahrte sich unverzüglich der Mann vom Erbgut.
»Und was kann in dieser Hinsicht nicht sein?« fragte Greene, ohne auf den Einwand einzugehen, weiter.
»Ich meine«, Timmers leckte sich ratlos die Lippen, »die Geschwindigkeit der Entwicklung.«
»Weil sich das Ganze über Nacht vollzog, Eugene?«
»Aber am Tage«, seufzte Timmers, »und zwar, als wir strahlten, da tat sich doch noch gar nichts. Oder?«
»Nein, es tat sich praktisch überhaupt nichts.« Er sprach wie mit sich selber.
»Und dann«, fuhr er verunsichert fort, »da, in diesem Hefe-Klumpen, nachts entfaltetet sich also etwas.«
»Eugene, sind Sie damit nicht grundlegend zufrieden?« erkundigte sich Greene zuvorkommend.
»Ja, Chef, wie meinen Sie das?«
»Nun, Leben zu schaffen oder doch wenigstens nachzuvollziehen, das war doch unter anderem unser Auftrag?«
»Ja, irgendwie schon, Chef. Aber.«
»Aber, Eugene?«
»Tja, wie ich schon erwähnte. Vor allem das Tempo der Entwicklung macht mich sprachlos.«
»Das ist Ihnen zu schnell gegangen, Gene?«
»Das will ich damit nicht behaupten, Chef.«
»Sondern?«
»Also, gewöhnliche biologische Vorgänge hier auf Erden«, stieß Eugene Timmers hervor.
»Diese benötigen etwas länger, ja, wollen Sie darauf hinaus, Gene?«
»Allerdings, Chef.«
»Also, nehmen wir nun einmal die menschliche Entwicklung, Eugene.«
»Ja, von der Befruchtung bis zur Geburt vergehen im Durchschnitt neun Monate, Chef. Demnach bei der Entwicklung eines Babies, eines Menschen. Darauf beziehen Sie sich doch, Mister Greene?«
»Wobei diese Zeitabläufe, wenn wir das Tierreich betrachten«, fügte der Erbgutforscher hinzu, »sich durchaus unterschiedlich gestalten.«
»Aber«, setzte er hinzu, »daß so etwas buchstäblich über Nacht gelingen würde, das haben wir nicht erwartet.«
»Jetzt hier in diesem Zylinder?« schaltete sich Rahel Donner wieder ein.
»Kann man per Bestrahlung oder durch einen ähnlichen Vorgang Kinder schneller zeugen oder heranwachsen lassen?« wollte ihre Kollegin, die Diamant, neugierig, zugleich ein wenig schaudernd wissen.
»Dergleichen ist meines Wissens noch nicht gelungen«, wehrte Valentin Müller ab.
»Oder auch nur versucht worden«, schloß sich Matthew Eulers dieser Auffassung an.
»Ja«, knurrte Curby, »das ist also ein besonderer Stoff, den wir hier vor uns haben. Nicht wahr.«
»Wenn überdimensionierte Mäuse oder gar Ratten daraus entstehen«, erklärte Offermann, weiterhin an der Verbesserung seiner Bildaufzeichnung arbeitend, »was läßt sich aus diesem Tank oder Behälter dann noch des weiteren schöpfen?«
Darauf hätte David Greene, der oberste lokale Kommandeur, allerdings eine Antwort geben können. Jedenfalls bezüglich dessen, was den Verantwortlichen vorschwebte. Er zog es aber vor, dies in der augenblicklich höchst angespannten Situation für sich zu behalten.
»Ja«, sagte Oberst Stone.
Man hatte ihn noch während der Nacht angerufen.
»Ach Sie sind es, David?« fragte er, trotz oder gerade wegen der frühen Morgenstunde alarmiert.
Um äußerlich gähnend, innerlich aber angespannt hinzuzufügen: »Na, was machen unsere Soldaten, Politiker und Spezimen?«
Das fand er eigentlich lustig, darum lachte er breit und behäbig.
»Ja, Herr Oberst«, erwiderte Greene, »da ist etwas schief gelaufen, Herr Oberst.«
»Schief gelaufen, David? In der Versuchsanlage, in der Plantage? In Ihrem Sektor? Wo Sie die schönsten Dinge herstellen oder erzeugen sollen?«
»Ja, Abraham«, erwiderte Greene, sich infolge der Wortwahl des Angerufenen sehr wohl auch persönlich angesprochen fühlend.
Im übrigen stand der Stationsleiter unter Spannung, darum erlaubte er sich wohl die vertrauliche Anrede.
Oberst Stone – auch bei der Nennung seines Vornamens – horchte auf.
»Was denn, David? Was ist schief gegangen?«
Er schaltete jetzt zusätzlich den Monitor ein, da auch seine Gattin, aus gesundem Schlaf gerissen, zu ihm drängte.
Was müssen Frauen immer so neugierig sein? sann er.
»Ich meine«, fuhr der Oberst fort, »die Großversuche sollten doch erst in einigen Wochen, wenn nicht in Monaten beginnen. Oder?«
»Oder liegt es an der Bestrahlung?« fragte er, den Anrufer nicht zu Wort kommen lassend.
»Der Versuch hat vorher und von selber statt gefunden«, gestand Greene zerknirscht ein.
»Von selber, David?« Oberst Stone lachte verblüfft. »Das ist doch nicht möglich!«
»Doch, Abraham, ich meine, Herr Oberst, das ist nicht nur möglich, sondern es ist auch geschehen.«
»Und wie, inwiefern, wenn ich das erfahren darf?«
»Es hat sich da etwas selbständig gemacht, Herr Oberst, nachdem wir es strahlungsmäßig ausgeleuchtet hatten.«
»Also doch Ihre eigene Strahlung oder Wellenzugabe?«
»Ja, Herr Oberst. Wie abgesprochen.«
»Also, Sie sprechen doch von der aus dem Weltraum geborgenen Masse, David, wenn ich nochmals nachfragen darf?«
»Ja, gewiß, Abraham, Herr Oberst.«
»Und dieselbe hat sich selbständig gemacht?«
»Was ist das denn?« stieß Stone im nächsten Augenblick hervor.
Und Marion, seine Gattin, demnach ebenfalls am doch eigentlich höchst vertraulich geschalteten Monitor hängend, keuchte voller Entsetzen: »Das ist ja ekelhaft! Was ist das denn für ein scheußliches Schauspiel, das Sie da inszenieren, Herr Greene?«
»Wir inszenieren gar nichts, Madam«, wies Greene die Gattin des Obristen ab.
Und zu seinen Leuten in der Versuchsanlage sagte er nach hinten: »Habt Ihr es endlich? Burke, wie sieht es aus? Können wir dem Herrn Oberst endlich eine Erfolgsmeldung erstatten?«
»Smoulders!« rief jener, mit Burke angesprochen, statt einer Antwort.
»Was ist nun?« drängte Greene.
»Also, wir sollten die Strahlungsquellen vielleicht doch lieber abstellen, Herr Inspektor«, schlug Burke dem Stationsleiter vor.
»Endgültig«, erklang eine Stimme – vermutlich die von Smoulders – aus dem Hintergrund.
»Aber dann wird das zugelieferte Material doch nicht mehr gefüttert«, erklärte Evelyn Greene, sich aufdrängend, indes etwas naiv, aber ganz im Sinne ihres Gatten.
»Wollen Sie es denn zugrunde gehen lassen, Jonathan?« setzte sie hinzu.
»Wir brauchen das Material noch«, erklärte kopfnickend auch ihr Mann.
»So eine Chance«, versetzte Stone beifällig aus der Entfernung, »bietet sich uns nie wieder.«
»Oder wollen Sie vielleicht«, erkundigte er sich herausfordend, »gleich wieder eine Expedition zum Asteroidengürtel schicken? Und was finden Sie dann dort, bitte? Meinen Sie, es wäre so einfach, dergleichen Stoff aus dem Weltraum zu entnehmen?«
Was finden wir dort? überlegte auch Greene. Im Asteroidengürtel? Ein zerstörtes Raumschiff, die MIRABELLA, sann er weiter. Muß sich selbständig in die Luft – oder vielmehr in den leeren Weltraum – gesprengt haben.
Ihn schauderte nun auf einmal bei dem Gedanken. Welches Schicksal wohl die anderen dort draußen bei den unzähligen, in großer Entfernung um die Sonne herumschwirrenden Brocken erlitten hatten? Also, gesprengt, ja. Selbstzerstörung.
Aber wozu? Zu ihrer eigenen Rettung? Nein, das mußte infolge ihres katastrophalen Endes unmittelbar ausgeschlossen, schlechthin verworfen werden. Demnach also zur Rettung der Erde? Und was machen wir, hier auf diesem Planeten, jetzt damit? Mit dieser verflixten, wechselhaften, nicht nur in künstlicher Strahlung, sondern sogar – wie sie festgestellt hatten – im Sonnenlicht gedeihenden oder erblühenden Masse?
Das, was sie immer machten, lautete die Antwort. Waffen zur Kriegsführung. Gegen einen möglichen Gegner. Dabei hatten sie – mittels dieser Versuchsanlage – einen unsichtbaren Feind nunmehr in ihren eigenen Reihen.
»Was ist mit diesem Smoulders, Jon?« wollte Greene, sich vorübergehend aus seinen Gedanken reißend, wissen.
Trotz der verhältnismäßigen Größe und des ungewöhnlichen Umfangs der Station kannte er alle seine Leute persönlich. Das war besser so. Zu heikel konnten sich die Dinge entwickeln, würde sich auch nur ein Fehlschlag einstellen (soweit sich dergleichen derzeit überhaupt ermessen ließ). Das heißt (auch das wurde natürlich diskutiert und erwogen) also ein psychischer Versager. Denn, Strahlung hin, Strahlung her, leuchteten sie denn nicht alle in gewisser Weise? Ich meine, sann Greene trotz der drängenden Umstände weiter, auch unser Denken vermittelt sich, wie vorhin schon überlegt, irgendwie über elektronische Prozesse.
Und was lernt das Zeug (in dem Tank) dann daraus, bitte?
»Habt Ihr wen oder was?« wollte die Diamant eher unbefangen wissen.
»Na, die Ratte natürlich«, erwiderte ihre Kollegin vom technischen Stab, die Donner, leicht verärgert.
»Ja, das würde mich auch interessieren«, meldete sich wieder der Oberst zu Wort. »Nun, Greene?«
»Ob wir die Ringschaltung nicht unterbrechen sollten?« wollte Evelyn Greene, die Frau des Kommandanten vor Ort, wissen.
»Warum, Evy?« fragte dieser, ungeachtet seiner eigenen Gedanken, unbeeindruckt zurück.
»Sie hören alle zu«, erwiderte sie knapp und bündig.
»Na und?« Greene stutzte. »Das sind doch alles Eingeweihte. Was soll da schief gehen, Evy? Meinst Du, irgend einer würde etwas davon der Presse verraten?«
»Nein«, beantwortete er selbst seine Frage, »die Presse steht auf unserer Seite. Sie schreiben nur, was wir wollen.«
»Oder sie lassen alles weg, was nicht genehm ist?« schaltete sich erneut Warren Curby ein.
»Ja, natürlich«, bestätigte Greene regelrecht unbefangen, »ganz wie wir es wünschen.«
»Na, da sind Sie ja«, sagte Burke zu Smoulders, den er im Korridorgewirr der Station endlich ausfindig gemacht hatte.
»Wie sehen Sie denn aus, Mike?« erkundigte er sich dann ungehalten.
»Ob wir den Bildfluß nicht doch besser stoppen sollten?« fragte er in Richtung Stationschef.
Dieser zeigte sich in dieser Hinsicht – auch beim Anblick von Michael Smoulders – derzeit unentschlossen.
»Jonathan, lassen Sie die Impressionen bitte laufen«, gebot er nämlich.
»Zu Befehl, Chef!« bestätigte dieser.
»Hat Sie jemand erwischt, Michael?« wollte der Oberst von Smoulders wissen.
Dieser stutzte, ihres derzeit höchsten Vorgesetzten angesichtig werdend, und versuchte zu salutieren. Doch seine linke Hand, wie an die Schläfe erhoben, sank kraftlos herab.
»In die Krankenstation mit ihm!« befahl nun Greene. »Bitte, unverzüglich!«
Er rief sofort hinüber: »Doktor Tellkamp?«
Keine Antwort in der Leitung. Eine Schwester vom im Moment dünn besetzten, indes hochkarätig ausgestatteten Krankenrevier meldete sich.
»Herr Inspektor?«
»Was ist mit Hans Tellkamp, Schwester?« fragte der Stationsleiter überflüssigerweise (so, als müsse auch der Chefarzt jederzeit überall verfügbar sein, auch um inzwischen fünf Uhr morgens).
Sie hieß Gregorina, die Krankenschwester, wie Greene aus dem beiläufig eingeblendeten Stammblatt entnahm.
»Liegt noch im Bett, Herr Inspektor, soll ich ihn wecken?« fragte Gregorina Keeling.